von Morten Tailor und Hugo Kaufmann
Es ist aber auch eine Krux mit dem Engagement. So viele gute Ideen, so viel gut Gemeintes, aber wie soll das nur immer artikuliert werden? Texte liest doch kein Mensch mehr, außer sie haben 140 Zeichen. Demonstrationen schaffen da Abhilfe, je größer, desto besser. Und groß werden sie, wenn die vorher verfasste inhaltliche Linie so dünn wie möglich gezogen wird.
Um ein möglichst großes Potpourri an „irgendwie dagegen“ einzusammeln, eignet sich ein Heimspiel des FC St. Pauli an einem Freitagabend vorzüglichst. Am morgigen Freitag darf dann sogar mal für etwas demonstriert werden, nämlich den Golden Pudel Club.
Der zur Teilungsversteigerung angesetzte Pudel ist nach einem Brand in der Nacht von Samstag auf Sonntag letzter Woche nicht mehr nutzbar, doch seitdem leidlich ideologisierbar. Mit der Zuverlässigkeit eines Schweizer Uhrwerks erwecken seit jeher die drei großen „Big“s bauchlinker Befindlichkeiten das Bedürfnis nach Demo: Big Money, Big Data, Big Mac. In diesem Fall sind es freilich die Reichen mit ihrem finsteren Plan gegen die widerständige Praxis.
„Dies wäre nicht der erste Versuch auf St. Pauli, investitionshemmende Nutzer*innen mit Feuer zu vertreiben. Falls jemand die Situation zu nutzen gedenkt: Seid gewarnt, Geldsäcke!“, heißt es kraftmeierisch im Aufruf zur Demonstration. Mal ehrlich, Freunde, nichts gegen Techno, Drogen und lockige Hunde, aber „investitionshemmende Nutzer*innen“, so es das für Sankt Pauli überhaupt gibt, seid ihr nicht. Im Gegenteil, ihr gehört, wir alle gehören, doch genau zur linksalternativen Künstler*innenboheme von der in jeder Gentrifizierungsdokumentation der linksalternativen Künstler*innenboheme die Rede ist, wenn es darum geht Investorenmagneten zu benennen.
Die selbstreferenziellen Momente der Gentrifizierungsdebatte schlagen eine unerwartete Brücke zur Verschwörungstheoretiker*innen-Community, aber der seid ihr ja ohnehin nicht so fern. So ist noch überhaupt nicht geklärt, ob das Feuer mutwillig gelegt wurde, und wenn ja, von wem und mit welcher Motivation. Für euch steht aber fest: „Die Tat (im Club waren über Hundert Gäste) sowie der Zeitpunkt (wenige Wochen vor der Zwangsversteigerung, zwei Tage nach Ankündigung des Pudels, den Club in eine Stiftung überführen zu wollen) – beides wirft Fragen auf. Zufall? Idiotie? Berechnung?“
Tocotronics „verschwör dich gegen dich“ wurde da wohl etwas zu ernst genommen.
Die Geschichte des Geflüchteten, dessen Papiere den Flammen zum Opfer fielen, gehört noch zu den tragischsten Aspekten des Brands. Kofis Schicksal ist tatsächlich ein Skandal – der einzige Punkt, wo auch wir dem Demoaufruf zustimmen können. Schade nur, dass es genau darum nicht wirklich geht.
Stattdessen folgt ein kruder Vergleich mit Klaus Störtebeker – der aber hätte euren DJ’s noch die Plattenkoffer geklaut.
Lange Rede kurzer Sinn: Füchse sind gar keine Pudeltiere!
PS: Erhaltenswert ist der Pudelclub natürlich trotzdem.