Das Modelabel mit dem Totenkopf

Beim etwas anderen Verein werden, seit wir ein etwas anderes Präsidium haben, teilweise auch Blogger eingeladen und mit Infos versorgt. Und keine Angst, bevor jetzt hier wieder alle die große Mauschelei wittern und Verschwörungsneid gegenüber uns entwickeln: Es gab hinter den Kulissen, wo die Mächtigen die Strippen ziehen und wir für die „da oben“ die textlichen Lakaien abgeben, nur Wasser zu trinken – mit und ohne Kohlensäure.
Als es jetzt sehr kurzfristig wieder hieß, man wolle uns die Möglichkeit zu einem Hintergrundgespräch geben, dachten wir alle wohl eher an den DFL-Antrag, als an irgendetwas anderes. Aber darüber wollten Oke Göttlich, Andreas Rettig und Joachim Pawlik am gestrigen Abend nicht reden.

Gleichwohl ging es um Anteile, nämlich die des FC St. Pauli an seinem eigenen Merchandise. Der Gerichtsstreit um die Merchandiserechte ist, wie der Verein gestern mitteilte, beigelegt. Alle Parteien einigten sich außergerichtlich auf einen Verkauf der restlichen 90% an den FCSP. Zum 1.1.2016 wird der FCSP die Upsolut Merchandising GmbH & Co. KG für ca 1,26 Millionen Euro kaufen. In Anbetracht der zu erwartenden Zeitspanne, die der Rechtsweg eingenommen hätte und die damit verbundenen Einnahmeeinbußen sei der Verkauf für beide Seiten ein gutes Ergebnis, erklärte Joachim Pawlik. Die Halstenbergmillionen werden nicht angetastet, ob Lewandowski im Winter kommt bleibt fraglich.

Neider spotten schon lange, der FC Sankt Pauli, sei gar kein richtiger Fußballclub, sondern ein Modelabel mit angeschlossenem Fußballteam. Tatsächlich findet das Merchandise dieses Clubs eine weite Verbreitung, auch über den Kreis der Fußballverrückten hinaus. Nur hatte der FC St. Pauli davon bisher herzlich wenig: bis zu 20% und in den Jahren des Gerichtsstreits sogar weniger verdiente der Verein an seiner Popularität über das Merchandising. Doch der potentiell sittenwidrige Vertrag ist dank der Arbeit des Präsidiums jetzt zerschlagen.

Mit dem neuen Jahr besitzt der FC Sankt Pauli die Lizenz zum Gelddrucken endlich wieder in vollem Umfang. Ob es dabei allerdings bleibt ist bisweilen noch nicht klar. Die Planungen, was man mit der neu erworbenen Gesellschaft genau mache, müssen jetzt erst anlaufen, erläutert man uns gestern. Denkbar sei eventuell sogar ein Einbeziehen von Fans. Die bisherige Tradition bei Upsolut war dahingehend, so würden es böse Zungen formulieren, plumpes Klauen. Keiner unserer Gastgeber konnte oder wollte dahingehend jedoch ins Detail gehen.

Beinahe als sicher gelten kann jedoch, dass sich der Verein weitere Gesellschafter sucht. So wie auch in anderen Bereichen meint das Präsidium eben nicht alles besser zu können, als andere, weswegen eben auch Meinungen und Kompetenz von außen eingeholt wird.

Was wir Deppen natürlich nicht auf dem Schirm hatten, im Gegensatz zu den Bluthunden von MoPo und Abendblatt, war der Vertrag zwischen upsolut und… na… komm schon, wie heißt dieser Verein da aus Berlin, der ja so total kultig, aber mit Tradition – HERTHA! Nee, die waren es nicht, ähm, BFC auch nicht weil man nix mit Nazis macht – naja, fällt uns bestimmt noch ein. Auf jeden Fall beinhaltet der Deal die Übernahme auch eben jenes upsolut-Kontraktes mit diesem Berliner Verein. Dit heeßt: Koofen koofen koofen Leute! Merchandise-Heuschrecke im Turbokapitalismus. Zirp Zirp.

Die Marke Sankt Pauli zieht aber so genug, und das nicht nur besser betuchte Kunden ans VIP-Buffet, sondern auf diversen Ebenen. Die Straße, so warb Upsolut einst, trägt Sankt Pauli. Das Marketingpotential ist riesig und bei weitem nicht erschöpft. Es wird für den FC Sankt Pauli jetzt darum gehen sich mit den neu erworbenen Rechten im Markt zu positionieren. Dabei gilt auch explizit der internationale Markt als interessant, wenngleich einige Rauten mal meinten, in Europa kenne uns keine Sau. Aber was wissen die schon?

Artikelbild: Foto von Thomas8047 auf Flickr; lizensiert unter CC-BY 2.0

Diskussion über Gewalt im Fussball beim ZDF-SportStudio

Gastbeitrag von Schuninio. Der Autor ist 36 Jahre und hat keine Angst in ein Fussballstadion zu gehen.

Ihr habt sicher alle am vergangenen Samstag die Diskussionsrunde im ZDF-SportStudio mit dem neuen DFL-Geschäftsführer Andreas Rettig und Johannes „JoJo“ Liebnau von der Gruppe ChosenFew gesehen. Falls nicht könnt ihr den gesamten Beitrag hier bei Youtube oder in der ZDF-Mediathek anschauen. Aber Achtung(!) in der Mediathek vom ZDF konnte ich nur die Diskussionsrunde abrufen, aber nicht den eingespielten Beitrag und die Einleitung durch Moderator Sven Voss, auf die ich mich im Folgenden beziehe.

Auf den diversen SocialMedia-Plattformen hat diese Diskussionsrunde bereits einige lobende Worte hinsichtlich der differenzierten Betrachtung des Themenkomplexes „Gewalt im Stadion“ bekommen. Zu Recht, wie ich finde, denn sie hob sich wohltuend ab von den Runden im vergangenen Sommer, als jeder Sender seinen Beitrag zum Thema „Fussball und Gewalt“ abliefern wollte und viele Menschen, die nie ein Fussballstadion von innen gesehen haben, sich bemüssigt fühlten, ihre Meinung zum Thema in den Orbit zu blasen. Allerdings bleiben für mich auch bei dieser Diskussionsrunde – bei allem Lob für die sachliche Aufarbeitung – einige Fragen unbeantwortet bzw. werden mir da einige Themen nicht ausreichend behandelt.

Dass in einer halbstündigen Diskussion nicht alle Bereiche in dieser vielschichtigen Thematik abgearbeitet und bis ins Detail diskutiert werden können ist mir auch klar. Allerdings hätte ich nach der Ankündigung durch Sven Voss erwartet, dass wenn man die Themen „DFB-Strafen“ und „Nazis in den Fanblöcken“ schon plakativ durch Schlagzeilen benennt, diese auch in der Diskussion mit entsprechendem Aufwand behandelt werden. Ist das Thema „Strafen“ durch die Hinterfragung von „Stadionverbote als Mittel der Wahl“ noch ansatzweise gestreift worden, bleibt der Themenkomplex „Nazis in Fanblöcken“, den man mit der „ACU“-Schlagzeile anreisst, komplett aussen vor.

Gut man kann jetzt auf dem Standpunkt stehen, dass das Thema „Pyrotechnik“ und „Randale bei Fussballspielen“ die eigentlichen Kernthemen waren und damit eben kein Platz z.b. für die Aufarbeitung und Diskussion des Falles „Aachen Ultras“ war. Doch dann muss sich das ZDF und insbesondere die SportStudio-Redaktion inkl. ihrem Moderator Sven Voss die Frage gefallen lassen, warum baut man die Schlagzeile „Ende der Aachen Ultras – Kapitulation im Kampf gegen Rechts“ aus Spiegel Online in die Ankündigung der Diskussion mit ein, wenn man dieses Thema, welches durchaus eine Aufarbeitung durch eine Diskussion mit (einem) Verbandsoffiziellen nötig hätte dann komplett verschweigt? Dabei wäre gerade dieses Thema im Bezug auf die „Antirassismus“-Kampagnen von DFB und DFL im Kontext mit Stadionverboten für Fans, die sich gegen Nazis in den Fanblöcken engagieren interessant gewesen.

Also warum wird dieser Themenkomplex angeschnitten und dann nicht diskutiert? Wollte man nur knackige prägnante Schlagzeilen präsentieren, um die Zuschauer nach der drögen WettenDass-Sendung bei Stimmung zu halten oder hat man beim ZDF ein wirkliches Interesse an einer differenzierten Aufarbeitung des gesamten Themenkomplexes? Letzteres wird zweifelhaft, schaut man sich mal die restlichen präsentierten Schlagzeilen an. U.a. wird eine Schlagzeile vom Spiel Schalke 04 gegen Hannover 96 herangezogen, zu der sich ausser eine diffusen Meldung des sid kaum Informationen zum wirklichen Ablauf des Geschehens finden lassen. Trotzdem wird solchen „Argumentationshülsen“ der Polizei und der Politik Raum geboten, ohne dass man mal hinterfragt, was denn da wirklich los war. Okay, das kann man aufgrund der mangelnden Informationen vielleicht nicht, aber dann ist eine solche Schlagzeile echt nur ein Anheizer und keine wirkliche Diskussionsgrundlage.

Auch die Schlagzeile zur Strafe des DFB gegen den BvB taugt in meinen Augen nur als Appetitmacher, um die Zuschauer vor dem Gerät und beim ZDF zu halten. Anders ist es wohl kaum zu erklären, dass man nicht mal ansatzweise den Versuch der Aufarbeitung wagt und einmal kritisch hinterfragt, warum der BVB eine Strafe zahlen muss. Weil seine Fans Luftschlagen auf das Spielfeld geworfen haben? Bei dieser Aktion ist niemand verletzt oder geschädigt worden. Lediglich das Spiel muss für ein oder zwei Minuten unterbrochen werden. Ja, auch ich weiss, dass die Strafe zweigeteilt ist und auch wegen Feuerzeugwürfen beim Derby gegen Schalke ausgesprochen wurde. Man sieht: Differenzierung und sachliche Auseinandersetzung wäre doch schön gewesen, damit diese Schlagzeilen nicht nur für sich stehen und maximal für Diskussionen an Stammtischen über die „neuen Dimensionen der Gewalt“ taugen.

Nochmal: Natürlich war das Thema beim SportStudio „Gewalt im Fussball“ (und nicht „Sinnhaftigkeit der Strafen des DFB“) und das wird in der Sendung imho sehr sachlich und auch differenziert diskutiert. Auch die Stimmen vom DFL-Geschäftsführer Andreas Rettig und dem Kriminologen Prof. Dr. Thomas Feltes, die keinen Anstieg der Gewalt in deutschen Stadien feststellen können, sind natürlich Wasser auf die Mühlen der Fanvertreter. Insofern ist die Diskussion natürlich ein Gewinn für die Argumentation der Fanvertreter. Insbesondere die sehr kritische Auseinandersetzung von Prof. Dr. Feltes mit den ZIS-Zahlen und die Darstellung der Verletztenzahlen aus der Saison 2011/2012, absolut und im Verhältnis auf ein Bundesligaspiel bezogen, zeigen endlich einmal, dass die Argumente der Fanvertreter in der Vergangenheit so weit von der Wahrheit nicht entfernt sind, wie es beispielsweise die Polizeivertreter gerne Glauben machen wollen. Auch der Hinweis von Prof. Dr. Feltes darauf, dass ein Großteil der Verletzten Opfer von Pfeffersprayeinsätzen gewesen sind, ist in meinen Augen ein Schlag ins Gesicht für die Scharfmacher unter den Polizeivertretern. Hoffentlich helfen solche Aussagen von anerkannten Gewaltforschern die Diskussion zu versachlichen und vielleicht endlich weg zu kommen von der populistischen Behauptung, dass in Fussballstadien eine Art Bürgerkriegsszenario, ausgelöst durch Fans, existiert. Und letztlich ist auch der Einspieler, der als Plädoyer gegen das Vermengen der verschiedenen Themen in dieser Diskussion gesehen werden kann, in meinen Augen ein Schritt in die richtige Richtung. Hier werden von den Medien endlich einmal (wenn auch zunächst nur sehr zart) die Themenkomplexe „Pyrotechnik“ und „Gewalt“ getrennt.

Aber und soviel Kritik muss erlaubt sein: Warum bringt man derartige „Stimmungs- und Scharfmacher“-Schlagzeilen in die Sendung mit ein, wenn man nicht auch diesen einmal sachlich auf den Zahn fühlt? Hier bleibt ein leicht fader Beigeschmack und hier hat das ZDF, hier haben alle Medien in meinen Augen noch viel zu tun, um das Thema „Fussball und seine Fans“ nicht wieder auf die populistische Schiene zu bringen, sondern diese zarten Versuche der differenzierten Berichterstattung beizubehalten.