Lesetipps (Folge 03)

Es ist wieder Zeit für eine neue Folge der Lesetipps, die euch von den Seiten dieses Blogs in andere durchaus lesenswerte Weiten des Internet führen.

Hintergrundrauschen – JHV Kolumne I
(Basch Fanzine)
Der erste Link führt zu den Ultras von Sankt Pauli bzw. besser ihrem Fanzine, wo im ersten Teil einer Kolumne zur anstehenden JHV beim FCSP lesenswert die Problematik um Polizeiwache und Museum auseinandergenommen wird.

Es liegt an uns, dass da noch immer non-es­ta­blis­hed im Logo steht, ob­wohl jeder weiß, dass das nicht stimmt. Und es stimmt nicht, weil uns das nö­ti­ge Durch­set­zungs­ver­mö­gen ab­han­den geht. Wir bil­den uns sonst was auf un­se­re Krea­ti­vi­tät und un­se­re Mit­ar­beit ein, sind aber voll­stän­dig as­si­mi­liert.

Banküberfälle, Rohrbomben und Mordanschläge
(tagesschau.de)
Patrick Gensing, freier Journalist und Blogger bei Publikative.Org hat damit begonnen eine Chronik zu den NSU Morden zusammenzutragen. Auf Facebook sagt er dazu:

hat eine Chronik zum NSU angelegt, mit Videos, Audios, Kommentaren usw. Kein (!) Anspruch auf Vollständigkeit, aber ein Anfang und hoffentlich eine Recherchehilfe. Tbc.

Gerade für Recherchezwecke wirklich ein nettes „Tool“.

Stimmenfang am Stadion
(verbrochenes.net)
Die Redaktion von verbrochenes.net wendet sich mit einem offenen Brief an die Bremer SPDlerin Bettina Scharrelmann und verpasst ihr und ihrer Partei eine verdiente Schelte für die Idee einer Podiumsdiskussion zur vermeintlichen Unterwanderung der Fanszene des SV Werder Bremen durch Neonazis. Schöne Reaktion!

Die Bremer Fanszene besteht entgegen Ihrer offenkundigen Annahme nicht aus naiven Idioten, die von einer klandestinen “Unterwanderung” durch perfide Nazi-Kader bedroht sind. Im Gegenteil, die Fanszene und insbesondere die Ultraszene tun seit Jahren, worüber Sie jetzt reden wollen.

Sie haben sich ein Denkmal gebaut

und jeder Vollidiot weiß, dass das die Liebe versaut.

Es wird gebaut am Millerntor. Stets herrscht geschäftiges Treiben auf der Ostseite des Spielfelds, Bauarbeiter tummeln sich zwischen den schweren Betonteilen, LKW und schweres Gerät fahren zur Baustelle und von ihr weg. Mitten in diesem Treiben steht meistens wichtig unbeschäftigt Torsten Vierkant, „Stadionprojektmanager“, den viele als „geselligen Typen“ beschreiben würden. Von seiner Seite nicht wegzudenken ist Wolfgang Helbing, „Stadionchef“ und zweiter Geschäftsführer der Millerntorbetriebsgesellschaft. Beide begleiten den Neubau des Millerntors als Duo von Anfang an in jenen Schlüsselpositionen und haben dabei den einen oder anderen Bock geschossen, wie aus internen Kreisen zu vernehmen ist. Sie, die auch gerne mal den Thor Steinar tragenden Bild-Schmierfinken Thomas Dierenga in ihr „Separee 40“, für das nur sie einen Schlüssel haben, einladen (BILD LINK!!) scheinen, aller Kritik zum Trotze, die Wichtigkeit ihrer Personen für den Verein und sein Stadion enorm hoch einzustufen.

Bereits 2007 bei Fertigstellung der Südtribüne wurden in exponierter Lage vor dem Eingang der Geschäftsstelle jene zwei Stolpersteine platziert:

Helbing
„Der FC St. Pauli dankt Wolfgang Helbing“

Vierkant
„Der FC St. Pauli dankt Torsten Vierkant“

Es ist nicht wirklich klar, inwiefern diese Steinchen abgesprochen waren, an die große Glocke wurde das aber nicht gehängt. Diverse Gerüchte besagen, und deren Richtigkeit scheint nicht unwahrscheinlich, dass diese Danksagung auf Initiative der beiden Gedankten geschah, was man getrost als vermessen bezeichnen und empfinden kann.

Nun da die Haupttribüne steht und die Ecke zur Süd geschlossen ist, hat sich ein weiteres Mosaik – im wahrsten Sinne des Wortes – im großen Denkmal der beiden „Stadionschöpfer“ eingefügt. Besser: die beiden haben es offenbar einfügen lassen. Schon länger (ca. 3 Wochen) vorhanden, aber erst jetzt wirklich aufgefallen, ist im Mosaikbild an der KiTa in der Ecke zwischen Haupttribüne und Südkurve ein Schriftzug mit den Namen Torsten Vierkant und Wolfgang Helbing integriert.

Kita
Weitere „Danksagung“

Was aber nun so schlimm daran sei, mag man fragen. Zwei geltungsbedürftige Hornochsen verewigen sich dezent für ihre geleistete Arbeit beim Bau unseres schönen neuen Stadions. Kann man so sehen, bestimmt. Diese Sichtweise scheint aber bei genauerer Betrachtung, beständig weniger Sinn zu ergeben. Davon ab, dass nicht einmal Corny Littmann auf eine derart explizite Benennung auf „seinem“ Denkmal bestanden hat, war es vor allem der Kompetenzbereich der Herrschaften Vierkant und Helbing, in dem, im Zuge der Stadionrekonstruktion, kleine, mittlere und große Fehler gemacht wurden.

Zuerst lohnt sich ein Blick darauf, wer Wolfgang Helbing und Torsten Vierkant überhaupt sind, denn allein das lässt schon Rückschlüsse hinsichtlich der Kompetenzfrage zu. Helbing war seinerzeit Vize-Präsident unseres Vereins unter Weisner, als der magische FC haarscharf an der Insolvenz vorbeigeschrammt ist; Vierkant ist gelernter Stellwerker. Was also befähigt einen Insolvenzritter zur zweiten Geschäftsführer-Position einer großen GmbH und was einen, der Weichen im Bahnverkehr stellen kann, die Weichen für das wichtigste Bauvorhaben der Vereinsgeschichte zu stellen?

Und so wundert es bei diesen „Qualifikationen“ nicht, dass z.B. der Catering-Fahrstuhl der Südkurve in den Räumlichkeiten einer Toilette endet. Wir erinnern uns auch alle an die obskure Sitiuation, als beim letzten Heimspiel der Gegengerade, Vierkants völlig fehlerhafte Infopolitik, bezüglich des Verkaufs der alten Sitzschalen, für Verwirrung sorgte oder, als er vor dem Testkick gegen Schalke vergaß die Rasenheizung einzuschalten und dieser abgesagt werden musste. Aus gewöhnlich gut unterrichteten Kreisen ist verstärkt zu hören, dass die Überdimensionierung der geplanten und unerwünschten Polizeiwache in der Gegengerade vor allem auf den Mist dieser beiden gewachsen ist – sie sind wohl auch die einzigen, die noch immer kein Problem in der Existenz der Wache sehen können oder wollen. Ebenso wird mangelhafte Kommunikation und Verzögerungstaktik bemängelt. Allgemein scheinen besonders Fanbelange ein Dorn in den Augen von Vierkant und Helbing zu sein.

Intern sorgt das Duo und vor allem Vierkant immer wieder für Kopfzerbrechen. So war es Torsten Vierkant, der den Spielertunnel, dessen Verlängerung nach dem Becherwurf DFB-Auflage war, eigenhändig während eines Spiels wieder zusammengeschoben hat. Ferner hat er sich diversen Anordnungen von Vereinsoberen, sowohl gewählten als auch angestellten, widersetzt. Helbing für seinen Teil „hasst“ laut Aussage eines Hamburger Journalisten „alle Fans“. Im Duo, so hört man, verweigern sie die Zusammenarbeit mit der AG Stadionbau. Ihre Schlüsselpositionen diesbezüglich seien nochmals ins Gedächtnis gerufen. Die Tatsache, dass die beiden sich ihren eigenen Altherren-Salon in die Haupttribüne haben bauen lassen, zu dem nur sie Zutritt haben, unterstreicht einmal mehr, wie wichtig sich diese beiden für unseren Verein halten, obgleich sie die Ideale des Clubs alle Nase lang mit Füßen zu treten scheinen.

All das sind wahrlich keine Ruhmesblätter, aber zu großen Teilen eben auch Gerüchte, die hier nicht weiter belegt werden können. Selbst wenn keines der Gerüchte stimmte, stehen die Fakten bereits für so viel Inkompetenz, dass ein Denkmal um diese beiden Personen, wie es Stück für Stück, Tribüne für Tribüne ins Millerntorstadion wächst, keine Rechtfertigung erhalten kann. Die Fehler von Vierkant und Helbing reihen sich ein in eine ganze Latte von Problemen unter unserem aktuellen Präsidium, die über den Begriff „Missgeschick“ weit hinausgehen. Und so wird es mit Sicherheit eine interessante JHV im Winter geben.

Es wird gebaut am Millerntor. Die Denkmäler, die sich zwei Personen selbst errichten sind Zeugen des faden Beigeschmacks des neuen Stadions.

St. Pauli, Deutschland und die Demokratie

Bernd Georg Spies, Vizepräsident des SC Paderborn hat bei der heutigen Sicherheitskonferenz von DFB und Ligaverband den neuen Verhaltenskodex unterschrieben. Natürlich ist Herr Spies nicht beim SC Paderborn sondern bei unserem FC St. Pauli angestellt tätig, aber offensichtlich nicht in der Lage seine Unterschrift an der richtigen Stelle zu platzieren. Doch sei es drum, wichtig ist nicht wer wo unterschrieben hat, sondern was dort jemand für den FC St. Pauli unterschrieben hat.

Der Verhaltenskodex ist hier abzurufen. Hier findet sich eine erläuternde Pressemitteilung.

Was wurde dort also unterzeichnet. Kommen wir zunächst zu den positiven Punkten:
Die Stehplätze bleiben im deutschen Fußball erhalten. Was eigentlich keiner besonderen Hervorhebung bedürfen sollte, muss leider angesichts populistischer Forderungen in der jüngeren Vergangenheit und der Vollversitzplatzung der Stadien in anderen Ländern (Bsp. England) als absolut positiver Aspekt hervorgehoben werden.

Zudem werden die Mittel für Fanprojekte erhöht. Praktisch wird das so aussehen, dass der Beitrag der Vereine verdoppelt wird. Die bisherige Dreiteilung der Finanzierung von Fanprojekten zu je 1/3 durch Bund, Länder und Vereine gestaltet sich in Zukunft so, dass je 1/4 durch Bund und Länder finanziert wird. Die Vereine tragen zukünftig 50% der Kosten. Effektiv bedeutet das mehr Geld für die Fanprojekte, was positiv zu bewerten ist. Es ist aber kritisch anzumerken, dass sich der öffentliche Sektor wieder einmal aus der Verantwortung stiehlt und seine eigentlichen Aufgaben den Vereinen als privaten (gemeinnützigen) Akteuren überlässt.

Das jedoch ist hinsichtlich der weiteren Beschlüsse, eine Pille, die so schwer zu schlucken nicht ist. So wurde mit der heutigen Konferenz die 2007 beschlossene Limitierung der maximalen Stadionverbotsdauer auf 3 Jahre wieder gekippt. Zukünftig liegt die Höchststrafe im Regelfall bei 5, in Ausnahmefällen bei 10 Jahren. Eine aus rechtsstaatlicher Perspektive fragwürdige Praxis bekommt damit wieder stärkere Auswirkungen. Bekanntlich reicht die Aufnahme eines polizeilichen Ermittlungsverfahren, was beim heute gängigen Sicherheitswahn schnell und vor allem jeder/m passieren kann, zum Kassieren eines Stadionverbotes. Selbst bei gerichtlichem Freispruch kann es also schlimmstenfalls sein, dass die betreffende Person 10 Jahre ausgesperrt bleibt, denn Stadionverbote, gerade die vom DFB verhängten, werden bekanntlich selten zurückgenommen.

Hinsichtlich des alten Leidthemas Pyrotechnik wurden ganz im Sinne der Sicherheitsfanatiker auch endlich Nägel mit Köpfen gemacht. Die unterzeichnenden Vereine erklären, Pyrotechnik in keiner Weise bei Fußballspielen und in deren Umfeld zu dulden und Zuwiderhandlungen konsequent zu sanktionieren. Natürlich stehen in diesem Zusammenhang wieder die guten alten „Fanprivilegien“ auf dem Prüfstand. Eine spekulative Antwort zur Frage, was für Privilegien das sein sollen, erspare ich uns besser. Das alles geschieht, versteht sich, nur „zum Schutz der einzigartigen Fankultur“.

Ferner wurde über weitere Sicherheitstechnik und andere infrastrukturelle und organisatorische Maßnahmen zur Steigerung der Stadionsicherheit diskutiert. Abschließend wir die Pressemitteilung mit zwei wundervollen O-Tönen, der beiden Oberen von Fußballbund und Ligaverband garniert:

„Wer für den Fußball ist, ist gegen Gewalt. Der Schulterschluss der Vereine ist ein wichtiger Schritt und die beschlossenen Maßnahmen sind für mich ein dringend notwendiges Zeichen, dass sich alle der Verantwortung stellen und für mehr Sicherheit eintreten wollen. Zusammen mit Politik, Polizei, Justiz und der großen Masse der friedlichen Fans muss es uns im Sinne des gesamten deutschen Fußballs gelingen, die kleine Gruppe der Störer und Gewalttäter noch besser in den Griff zu bekommen. Ein klares Bekenntnis zu präventiven Aufgaben und gleichzeitig keine Toleranz bei jeder Form von Gewalt – das wird auch weiterhin unser Weg sein.“
(DFB-Präsident Wolfgang Niersbach)

„Der Fußball in Deutschland ist ein Erfolgsmodell und soll es auch künftig bleiben. Wir können stolz sein auf eine traditionsreiche Fankultur mit Stehplätzen und moderaten Eintrittspreisen. Diesen Zustand wollen wir schützen. Und deshalb stellen sich die Klubs ihrer Verantwortung im Sinne von Millionen friedlicher Fans. Vor diesem Hintergrund sind die beschlossenen Maßnahmen unverzichtbar. Dialog und Kommunikation bleiben immer die Grundlage unseres Handelns, ebenso unerlässlich ist aber eine konsequente Bestrafung von Fehlverhalten.“
(Liga-Präsident Dr. Reinhard Rauball)

Vom großartig verschlagworteten Gleichnis Für Fußball = Gegen Gewalt einmal abgesehen, bleiben die grauen Herren natürlich die Erklärung schuldig welcher Zusammenhang noch einmal zwischen Pyrotechnik und Gewalt besteht, doch die Hoffnung dahingehend eine Antwort zu erhalten, die über „Das ist sowieso verboten.“ oder „Das ist gefährlich.“ hinausgeht, habe ich bereits vor einiger Zeit aufgegeben.

Bezeichnend ist die wiederholte Forderung nach Denunziantentum und Distanzierung. Es wird hier eine Konfliktlinie zwischen einer vermeintlichen Norm (friedliche Fans) und ihrer Abweichung (Gewalttäter) gezeichnet, die so nicht existiert bzw. existieren muss. Das ist auch der Punkt, wo Fußballfans unter anderem ansetzen können. Einen derartigen Konflikt zwischen Fans muss es ebenso wenig geben, wie es eine Norm unter Fans gibt.

So bleibt abschließend zu sagen, dass dieses ‚Manifest der Sicherheit‘ sich anschickt einen weiteren Sargnagel für die Fankultur darzustellen. Vereine, Verbände und Politik schnüren das Korsett für kulturelle Entwicklung in den Stehplatzkurven erneut enger. Doch letztlich ist das nur ein erwartbarer Versuch das zu kontrollieren, auf das derartige Institutionen noch nie einen Einfluss hatten. So schrieb einst schon Rudolf Rocker:

„Staaten schaffen keine Kultur, wohl aber gehen sie häufig an höheren Formen der Kultur zugrunde. Macht und Kultur im tiefsten Sinne sind unüberbrückbare Gegensätze.“
(Rocker, Rudolf: Nationalismus und Kultur) 

Lasst uns also hoffen und unser bestes tun, dass auch die hohe Eminenz der Stadionsicherheit an unserer Kultur zugrunde geht. Wer für die Fankultur ist, ist gegen Regeln und Sanktionen.

Koan Neuer

Schubidu: André Schubert - Darf Cheftrainer beim FC St. Pauli bleiben

„Na, damit habta nich‘ gerechnet, wa?!“ (Andre Schubert, 07.05.2012)

Nee, nicht wirklich. André Schubert nach eigener Aussage jedoch auch nicht und so wirkte er sichtlich gelöst hinter den vielen Mikrophonen auf der Pressekonferenz am heutigen Nachmittag, auf der Präsident Stefan Orth in gewohnt unsouveräner Manier den Verbleib des Cheftrainers verkündete. Zuvor war in diversen Medien kolportiert worden, es sei längst eine Entscheidung gegen den Stanislawski-Nachfolger gefallen. Die Gründe dafür lägen nicht im sportlichen Bereich, sondern auf der zwischenmenschlichen Ebene.

In der Tat funkten im Laufe der Saison diverse Details zu Schuberts Umgang mit seinen Spielern und Kollegen es aus den Büschen und das Pfeiffen diverser Spatzen auf Dächern war nicht zu überhören. Es hieß der Schubert sei ein unangenehmer Zeitgenosse, zwischen ihm und der Mannschaft stimme es nicht. Auch bei denen, die eigentlich nichts mit ihm zu tun hatten, war sein Bild nicht immer das beste. Das kann nicht so recht verwundern, schaffte er es doch sich beispielsweise in Bezug auf Fanthemen noch ungeschickter durch den Mikrophon-Dschungel zu stümpern, als sein direkter Vorgesetzter.

Moritz Lichte, Matthias Hain
Dürfen auch bleiben: Tingletangle Bob und Hain

Nur hat Schubert all das ja bereits vergangene Woche auf einer Pressekonferenz selbstkritisch eingestanden und teilweise Besserung gelobt. Die ausbleibende Positionierung der Vereinsoberen war dann das Öl im Feuer der Spekulationen um die Zukunft unseres Cheftrainers. Eigentlich darf eine Vereinsführung so etwas nicht zulassen, doch was wäre die Alternative gewesen? Offensichtlich war sich unsere Führungsetage nicht sicher über das weitere Vorgehen und es werden wieder ein mal die Probleme eines ehrenamtlichen Präsidiums deutlich. So wäre nur etwas zu sagen gewesen, wie:  „Danke für deine Darstellung, Andre. Wir sitzen ja nächste Woche zusammen, und dann werden wir schon sehen, ob wir noch Verwendung für dich haben, oder nicht.“ Dass daraus nichts besseres gemacht worden wäre, als aus dem Schweigen beim Präsidium, dürfte klar sein. Wie man es dreht und wendet, die Position Schuberts schien deutlich umstritten gewesen zu sein, auf Seiten der Vereinsführung war man sich nicht einig und die Presse lag mit ihren Mutmaßungen (oder Informationen) so falsch nicht. Am Ende kam es eben doch anders, was ja durchaus bemerkenswert ist und in gewisser Weise auch für den FC St. Pauli spricht, nur wirklich gut aussehend geht aus diesem Kammerspiel keiner der Akteure.

Helmut Schulte

Offen bleibt die Frage, wer intern welche Rolle gespielt hat. Rollo Fuhrmann schien in Helmut Schulte einen bedeutsamen Protagonisten gefunden haben zu wollen. Er fragte auf der Pressekonferenz mehrfach nach dem im Vorfeld angekündigten aber letztlich nicht anwesenden Sportchef. Die Informationen, die er diesbezüglich bekam, waren jedoch relativ dünn. Es sei ein Fehler von Christian Bönig gewesen hieß es. Außerdem ließ Orth durchschimmern, dass es auch mit Schulte noch ein Analysegespräch geben soll. Das nun bietet Raum für Spekulationen, stand doch Schulte schon vor gut einem Jahr erheblich in der Kritik, wegen zwischenmenschlichen Faktoren.

Einige verfallen jetzt in nahezu verschwörungsideologische Theorien über Machtspiele und kommen zu Konstruktionen, in denen Stefan Orth Richter über einen fiesen Streit zwischen Schulte und Schubert war und mit dem Verbleib Schuberts und dem angekündigten Gesprächs zwischen dem Präsidium und dem Sportchef ein deutliches Zeichen gegen Helmut Schulte gesprochen haben solle. Andere wiederum behaupten Schulte sei einer der wenigen Fürsprecher Schuberts im Verein gewesen. Unlogisch scheint das nicht, Kritik an mangelnden sozialen Fertigkeiten und am Führungsstil Schuberts stünde Schulte nun wirklich nicht gut zu Gesicht, wo das ja alles andere als seine persönlichen Eigenschafts-Steckenpferde zu sein scheinen.

Doch auch wenn derartige Überlegungen:

Nur wenn man den beiden wichtigsten Figuren des sportlichen Bereichs innerhalb von einem Jahr teilweise massive zwischenmenschliche Mängel attestiert, aber gleichzeitig ständig deren fachliche Kompetenz betont, sollte man sich vielleicht überlegen, ob man sich zwei solcher Softskill-Baustellen langfristig erlauben kann. (User „Grande Jano“ im Forum)

alles andere als unzulässig sind, und nach den letzten Tagen und besonders der heutigen Pressekonferenz beide Positionen gewissermaßen angekratzt sind, halte ich es für überhaupt nicht zielführend, nun, da der Trainer bleibt, eine andere Kündigung zu erhoffen, zu erwarten oder gar zu fordern. Ich gehe davon aus, dass wir mit unserem Funktionsteam so in die nächste Saison starten.

Eine ruhige Sommerpause wird es wohl trotzdem nicht geben, aber das sind andere Baustellen.

Keine Buchung ohne Beleg

Die Saison ist für den FC St. Pauli mit dem heutigen Unentschieden zwischen Düsseldorf und Duisburg trotz des eigenen 5:0 Kantersieges gegen Paderborn zu Ende gegangen. Es gibt für uns dieses Jahr keine Verlängerung, keine Relegation, keinen zusätzlichen Nervenkitzel. Das Geld auf unseren Konten, darf in die Spendentöpfe und über den Tresen beim Antira-Turnier an der Kollaustraße wandern, anstatt in eine Tour nach Berlin investiert werden zu müssen.

Sitze auf der Gegengerade
Foto zur Verfügung gestellt vom spanier

Damit war das Spiel auch das letzte Spiel der altehrwürdigen Gegengerade, jenem Gebilde, für das wir seit Jahren nur mit Zudrücken aller möglichen Augen die Ligalizenz erhalten. Jenem Gebilde aber auch, das Heimat der „alternativen Fankultur“ am Millerntor und Geburtsort des „Roars“ war. Ergo ein mit unendlich pathetischen Worten zu umschreibendes Stück Fußballgeschichte: maßlos romantisierter Purismus und Produkt steter Improvisation. Es ist nicht ganz unverständlich, dass vielen altlinken Sozialpädagogen oder diffus kritischen Finanzbeamten und allen anderen merkwürdigen Wesen, die sich auf den gewölbten Stufen (oder was solche mal waren) der Gegengerade herumtreiben, die mitgealterte Heimat so sehr ans Herz gewachsen ist, dass sie ein Stück dessen in ihr persönliches Fankulturantiquariat zu überführen suchen, bevor der architektonische „format c:“-Befehl unseres Hausmeisters Baucheckers Thorsten Vierkant all die materialisierten Erinnerungen an Heimsiege, Niederlagen und vor allem jede Menge Regen in Staub, Schutt, Trümmern und Containern verschwinden lässt und unser Millerntor noch mehr Hellmich Standardbau mit Backsteinbordüre wird und dem Charme der Paderborner  Stadtsparkasse bedenklich nahe zu kommen droht. Ja das ist durchaus verständlich – wir kennen so etwas unter dem Terminus „ideelle Werte“.

Sitze auf der Gegengeraden
Foto zur Verfügung gestellt vom spanier

Doof nur, wenn die Rechnung ohne unsere revolutionären Garden gemäßigt sozialdemokratische Führungsriege gemacht, bzw gar nicht gar nicht gerechnet wird. Ganz die Betriebswirte der Paderborner Stadtsparkasse, kam den gewählten und/oder angestellten Vereinspeople wohl jener Satz aus Buchführung I an Berufsbildenden Schulen in die Fontanelle geschossen: „Keine Buchung ohne Beleg“ – Ergo Rechnung machen: grob 2.000 Sitze mal grob 20 Euro ist gleich grob 40.000 Euro und das ist wiederum besser als 0 Euro. Bei Verkauf aller Sessel. Sonst halt weniger. Die gehen dann auf den Müll. Soweit so logisch. Kurze Mitteilung auf die Homepage, wo sie gaaaanz bestimmt nicht in der Flut der unzähligen nutzlosen Meldungen untergeht (erinnert sich noch wer an die Zeiten, als auf der Homepage tagelang nichts passierte?) und der Drops ist gelutscht.

Damit wären beide Seiten weitestgehend beleuchtet und die Ausgangssituation ist klar. Was passiert ist folgendes: Ein paar kaufen ganz normal Sitze für überteuertes Geld, ein paar andere haben an unserem grandios entlohntem Sicherheitspersonal wie durch Zauberhand doch Werkzeug vorbei geschmuggelt bekommen und behelfen ihrer selbst. Spätestens am Ausgang, wo die stolzen Sitzretter zum Zahlen aufgefordert werden kommt es zu Tumulten, Meinungsverschiedenheiten, Unstimmigkeiten, Verständnislosigkeit, Murren und die Welt, der FCSP, die Werte des Vereins oder Blutzuckerspiegel des Typen aus Reihe 4 geht unter. Das Ende vom Lied: „Der Fisch stinkt vom Kopf.“ Und Thorsten Vierkant sei schuld.

Was hier falsch gemacht wurde ist neben des völlig absurden Preises (wenngleich das für die Haupttribüne wohl auf ähnlichem Niveau ablief) eine völlig mangelhafte Kommunikation der Aktion. Sahnehäubchen des Fauxpas bildet jedoch der Hinweis die Erlöse seien eine Spende (sic) für Fanräume, wovon man bloß bei Fanräume e.V. wiederum überhaupt nichts wusste. Wie auch?! Aus internen Kreisen war zu erfahren, bei Vereinsvertretern hieße es im Vorfeld „die von Fanräume“ bekämen ohnehin schon genug. Fans sind eben ein teures Laster. In diesem Lichte ist die Deklaration der Fanräume-Spende nicht nur eine dreiste Lüge (zu prüfen sei, inwiefern hier arglistige Täuschung geltend gemacht werden kann), sie muss vor allem als dreiste Werbung auf Kosten des Vertrauens der eigenen Fans gewertet werden.

Gerupfte Gegengerade
Foto zur Verfügung gestellt vom spanier

Die Einnahmen aus der missratenen Aktion müss(t)en nun zuzüglich der selben Summe aus den Taschen der Verantwortlichen  an Fanräume gehen,  eine dicke Entschuldigung bei den Betroffenen ist obendrein fällig. Tatsächlich wird man jetzt kaum umhin kommen das Geld an Fanräume zu geben, ganz gleich, ob man das eigentlich nicht wollte oder sich eventuell gar kurzfristig dazu entschieden hat, das aber nicht mehr zu kommunizieren vermochte.  Letztlich bleibt der Eindruck rückständiger, verbissener, provinziell denkender Paderborner Stadtsparkassenbetriebswirte, die schlichtweg keinen blassen Schimmer von den Lebenswelten von Fußballfans haben, mit ihren diffusen Ideen jedoch versuchen jeden Groschen aus ihnen heraus zu pressen.

Die Publikative.org hat den FCSP mittlerweile zum Heiopei der Woche gekrönt. Nicht zu Unrecht – daher: Glückwunsch.

Alle anderen – eigentlich weit wichtigeren – Themen folgen hier in den nächsten Tagen.

Einseitig außer Kraft gesetzt

An dieser Stelle ist es darüber hinaus zwingend notwendig das Präsidium unseres Vereines und alle anderen in diesen Fall involvierten Verantwortlichen ausdrücklich zu loben und ihnen zu danken. Lob und Dank gebührt ihnen für ihren Einsatz für die Fans. Es ist mehr als schön zu sehen, dass sich dieser Einsatz lohnt. Ganz offensichtlich wurde einerseits aus Fehlern der Vergangenheit gelernt und hat andererseits der stete Dialog zwischen Fans und “Offiziellen” Früchte getragen.

Höchste Töne, die ich hier für unseren gewählten Vertreter übrig hatte und das berechtigterweise, hat man sich doch in der jüngeren Vergangenheit mehrfach vor seine Fans gestellt. Eine Kontinuität, die der jüngsten Stellungnahmen [1; 2] unseres Präsidiums und dem ihnen anhaftenden Konformismus wegen, gebrochen zu sein scheint.

Betrachten wir die Stellungnahmen im Kontext jener positiven Vorgeschichte, können wir die erste Stellungnahme („Gewalt verurteilt“) getrost ignorieren. Es ist die übliche Distanzierung, die sich zwar als verkürzt und wenig Lösungsorientiert erweist, in Hinblick auf mediale Taktik aber nicht unsinnig ist. Darüber kann hinweggesehen werden. Viel interessanter ist hingegen die zweite Stellungnahme bezüglich der jüngsten Verbandsstrafen.

Es ist kein Geheimnis, dass die Damen und (vor allem) Herren beim DFB die ganze links, bunt, alternativ, dagegen, etc. Kiste beim FCSP längst nicht so kultig und lustig finden, wie sie anderswo aufgenommen wird. Unser Verein scheint in deren Augen ein Fanproblem zu haben, das sich in seinem Wesen von den vermeintlichen Fanproblemen anderer Vereine nicht unterscheidet. Es wäre demnach falsch, beispielsweise zu sagen, der DFB sei auf dem rechten Auge blind oder ähnliches. Fakt ist: der DFB schert sich nicht um Fankultur, um politische Ausprägungen, usw.. Der DFB schert sich um den Fußballsport, alles andere ist weniger als sekundär. Das Urteil nach dem Becherwurf vom 01. April 2011 hat dies eindrucksvoll untermauert. In den Augen des DFB sind Fans nicht mehr als potentielle Gefahrenherde und nicht weniger als wirtschaftliche Faktoren.

Unsere Vereinsführung sieht den Stellenwert von Fußballfans dankenswerter Weise anders. So hat sie sich vor ihre Fans gestellt, als diese Opfer einer völlig von jeder Vernunft entkoppelten Polizei beim (Bullen-)Schweinske-Cup malträtiert wurden, sie hat mehrfach für Fanrechte eingestanden und geklagt (Kassenrollenurteil, Hansa) und allem Vernehmen nach wird sie auch weitere Instanzen bemühen.

Nun gibt es eine Strafe für den Schweinske-Cup. An Lächerlichkeit ist das kaum zu überbieten, denkt man sich in die DFB Logik hinein, war es aber wohl zu erwarten. Unserer Vereinsführung ist kein Vorwurf zu machen, dass sie diese Strafe nun hinnehmen. Zu widersinnig ist die Logik des DFB und eine Kosten/Nutzen Rechnung endet in diesem Fall mit roten Zahlen und kaum fanpolitischem Erfolg.

Ebenso verhält es sich mit der noch viel lächerlicheren Strafe für das Wort „Bullenschweine“ in der Choreo von USP beim Spiel gegen Braunschweig. Das falle angeblich unter Beleidigung und doch ist es viel eher eine politische Meinungsäußerung, als eine Beleidigung. Und nun kommt der zu kritisierende Part:

Präsident Stefan Orth: „Auch wenn uns kein Fall aus den letzten Jahrzehnten bekannt ist, in dem ein Lizenzverein aufgrund des Verhaltens seiner Anhänger bei einem Hallenturnier bestraft wurde, haben wir dem Strafantrag zugestimmt und werden nicht wieder die Gerichte bemühen. Was den zweiten Fall betrifft, fordert der FC St. Pauli seine Fans dazu auf, künftig keine Banner mit beleidigendem oder unsportlichem Inhalt im Stadion zu verwenden.„‬‬

Orth zudem: „Wir sind es langsam leid. Eine Strafe hier, eine Strafe dort. Das läppert sich zusammen und wird von uns nicht mehr tatenlos hingenommen. Ich erwarte, dass hier ein Umdenken in einigen Bereichen des Stadions und im Umfeld einsetzt. Wenn das nicht ab sofort der Fall ist, werden wir zum Handeln gezwungen. Diese Strafen tun dem Verein verdammt weh und gehen am Ende immer zu Lasten von uns allen. Es ist ein Punkt erreicht, an dem sich alle, die den FC St. Pauli ins Herz geschlossen haben, fragen müssen, ob wir wirklich so weitermachen wollen. Wir alle zusammen haben Leitlinien für den Verein aufgestellt, die nicht nur einseitig gelebt werden und von einigen nach ihrem Ermessen außer Kraft gesetzt werden dürfen. Allen sollte bewusst sein, dass wir uns auf dem Präsentierteller befinden und jede noch so kleine Verfehlung spürbare Konsequenzen für den Verein zur Folge hat.“

Volles Verständnis dafür, es leid zu sein. Ja wir stehen im Fokus des DFB, anders sind diese jüngsten Strafen gar nicht zu erklären. Und dennoch: Falscher Adressat, falsche Konsequenz!

Was heißt denn hier beleidigend?

Es ist doch hinlänglich bekannt, dass gerade Banner, Tapeten, Spruchbänder verkürzen, verschlagworten und bisweilen gar übertreiben. Es ist auch bekannt, dass sich gerade die aktive Fanszene, was auch immer darunter genau zu verstehen ist, auf die politischen Ursprünge der Fanszene beruft. Wer eine Beleidigung in Aussagen zu (fan-)politischen Themen zu finden meint, hat die Werte des FC St. Pauli nicht verstanden. Das verstanden zu haben erwarte ich nicht vom DFB, von unserem Präsidenten hingegen schon. Gerade im Kontext der Choreo ist ein „Bullenschweine“ keine Beleidigung (wie soll auch ein Kollektiv zu beleidigen sein?) sondern ein positiver Bezug zur eigenen Geschichte, ein positiver Bezug, den an anderer Stelle auch die Vermarktung des Vereins herstellt. Von Beleidigungen darf also gar keine Rede sein!

Was heißt denn hier unsportlich?

Es ist ebenso hinlänglich bekannt, dass der FC St. Pauli in der öffentlichen Wahrnehmung als mehr als bloß ein Fußballverein gilt. Der Verein inszeniert sich als ein solcher und die Fans im Stadion füllen diese Phrase mit Leben. Wenn mit unsportlich also mangelnder Sportbezug gemeint ist, dann vergiss es, Stefan, wir werden unseren Fokus weiter auch auf gesellschaftliche Felder jenseits des Fußballs richten. Aber ich bin mir beinahe sicher, dass du das nicht meinst. Wir reden hier also von sportlicher Fairness? Wir sollen als Fans mehr der Ebbers, als der Rösler sein. Das sind wir in mancher Hinsicht. Wenn wir zum Beispiel unsere eigenen Spieler nicht auspfeifen. Aber sonst? Fußball muss dreckig bleiben, heißt es. Wir sind so „sportlich“ wie wir sein können und wollen, aber nicht mehr und auch nicht weniger. By the way, lieber Stefan, die bösen Hools empfinden sich und ihr Tun auch als zutiefst „sportlich“, aber so sollen wir auch nicht sein, oder?!

Was heißt denn hier Leitlinien außer Kraft setzen?

1. Der FC St. Pauli in seiner Gesamtheit aus Mitgliedern, Angestellten, Fans und Ehrenamtlichen ist Teil der ihn umgebenden Gesellschaft und somit auch mittelbar und unmittelbar von gesellschaftlichen Veränderungen in politischen, kulturellen und sozialen Bereichen betroffen.

Gesellschaftliche Veränderungen, also Prozesse, das sind Dinge wie freidrehende Cops, denen Fußballfans, besonders auf Reisen, zu genüge begegnen. „Bullenschweine“ zu thematisieren ist doch Ausdruck dieses Bewusstseins. Setzt das bitte nicht einseitig außer Kraft!

2. Der FC St. Pauli stellt sich dieser gesellschaftlichen Verantwortung und tritt über den sportlichen Bereich hinaus für die Interessen seiner Mitglieder, Angestellten, Fans und Ehrenamtlichen ein.

Das hat der FC St. Pauli in der jüngeren Vergangenheit, wie oben erwähnt, in herausragender Art und Weise getan. Jetzt den Fans nahezulegen, sich in Zukunft anders zu verhalten, ist eine Farce! Setzt das bitte nicht einseitig außer Kraft!

3. Der FC St. Pauli ist ein Stadtteilverein. Hieraus zieht er seine Identifikation und hat eine soziale sowie politische Verantwortung gegenüber dem Stadtteil und den hier lebenden Menschen.

Wenn die hier lebenden Menschen, ein völlig überzogenes Gefahrengebiet im Zuge eines Spiels des FC St. Pauli vorgesetzt bekommen, dann ist es doch die soziale und politische Verantwortung der Vereinsführung dies zu skandalisieren. Setzt das bitte nicht einseitig außer Kraft!

5. Toleranz und Respekt im gegenseitigen Miteinander sind wichtige Eckpfeiler im FC St. Pauli.

Wenn Fans sich stetig intolerantem und respektlosem Verhalten (beispielsweise seitens der Staatsmacht) gegenübersieht, so ist es um so wichtiger das Skandalisieren dessen zu schützen. Setzt das bitte nicht einseitig außer Kraft!

7. Neben dem allgemein gültigen Recht bilden die Stadionordnung und die Auswärtsfahrtordnung des Fanladens die Basis, auf der sich Mitglieder, Angestellte, Fans und Ehrenamtliche des FC St. Pauli bewegen.

8. Jeder Einzelne und jede Gruppe sollte sein/ihr gegenwärtiges und künftiges Handeln ständig selbstkritisch prüfen und sich seiner/ihrer Verantwortung für andere bewusst sein. Die Vorbildfunktion gerade für Kinder und Jugendliche darf nicht in den Hintergrund geraten.

9. Es gibt keine „besseren“ oder „schlechteren“ Fans. Jeder kann sein Fansein nach eigenem Gutdünken ausleben, solange dies nicht gegen o. g. Bestimmungen verstößt.

Und da es sich eben um keine Beleidigung handelt, und da es eben keine „besseren“ oder „schlechteren“ Fans gibt, geht es nicht an Fans hier vorzuschreiben, wie sie sich zu verhalten hätten. Die Fans des FC St. Pauli müssen ihr Selbstverständnis und ihre Kultur nach ihrem Gutdünken ausleben können. Setzt das bitte nicht einseitig außer Kraft!

11. Die aktive, d. h. in erster Linie die auch am Spieltag vor Ort engagierte Fanszene bildet das Fundament für die Emotionalisierung des Fußballsports, welche wiederum die Grundlage der Vermarktungsfähigkeit des FC St. Pauli darstellt.

Das gilt es sich, gerade seitens der Vereinsoberen permanent in die Köpfe zu hämmern. Diese aktive Fanszene und kritische Äußerungen gehören untrennbar zusammen. Daher ist es ein Unding, gerade dieser Fanszene in ihre Darstellungsformen hineinreden zu wollen. Setzt das bitte nicht einseitig außer Kraft!

Weitere Passagen der Leitlinien passen nicht in diesen Kontext. Was aber klar geworden sein sollte ist, wer hier wider der selbt gegebenen Leitlinien handelt. Aus diesem Grund ist die jüngste Stellungnahme des Präsidiums eine Frechheit. Ständig die Leitlinien als Moralkeule gegen die eigenen Fans ins Feld zu führen und keine Ahnung zu haben, was da eigentlich drin steht, zeugt von ausgeprägter Ignoranz!

Und das bin ich leid!

In diesem Zusammenhang auch lesenswert: Meinungsfreiheit endet im Stadion da, wo der DFB anfängt – #FCSP am Scheideweg?

Die Macht kommt von unten

Was bisher geschah:

Blogs:
Übersteiger Blog: 32. Spieltag (H) – Hansa Rostock
Magischer FC: ACABaB und die Zwei mit HumorGlaubt eigentlich irgendwer noch der Hamburger Morgenpost?Ääääähhhhmmmm, geh mal denken
Metalust: Der “Störer” ist vor allem die Polizei – trotzdem: Danke an die Mannschaft für 6 Punkte gegen Hansa!!!
KleinerTod: Rumstehterroristen – #FCSP nahezu ohne Hansa Rostock im Gefahrengebiet
Publikative.Org: St. Pauli vs. HRO: Police and ThievesGanz Sankt Pauli fragt die Polizei

Stellungnahmen:
FC St. Pauli: Gewalt verurteilt
Fanladen: Zum Spiel FC St. Pauli gegen den FC Hansa Rostock

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Eine Aufarbeitung der Geschehnisse rund um den 32. Spieltag bzw. das Heimspiel des FC St. Pauli gegen den FC Hansa Rostock geschieht vielerorts und mit unterschiedlicher Akzentuierung. So Manches auf unzähligen Seiten Forum empfand ich als nachvollziehbar, manches als differenziert, in vielen Beiträgen fanden sich plausible Ansichten wieder. Selbst bei nur oberflächlicher Lektüre fällt auf, so viele komplette Fehlschüsse sind es gar nicht. Die scheinen sich, wie es stets zuverlässig der Fall ist, in den Kommentarspalten des Internetauftritts eines Hamburger Boulevardblattes zu finden. Ohne auch nur einen Blick darauf geworfen zu haben, ist die Stoßrichtung jener Kommentare ohne weiteres zu erahnen.

Guter Text, liebe selbsternannten Blogger,
nur wozu? Den Leuten vom Fach mal ins Gewissen reden, dass sie es doch besser wissen müssten? Tun sie wahrscheinlich zumindest in Ansätzen. Aber ihr wisst doch genau wie das läuft in den Redaktionen. Und ihr wisst genau, warum ein aus 3, 4, 5 lyrisch und journalistisch wenig wertvollen Mopo-Online-Kurztexten ein lyrisch und journalistisch ebenso wertloser Mopo(-Online)-Langtext zusammen gesetzt wird. Ihr kennt euch doch aus, nach unter anderem 12 Jahren Texte ins Internet setzen. Ihr haltet doch die ganze Zeit die Stange, weil ihr wisst, wie es läuft, weil ihr wisst, dass es eine große Leerstelle auszufüllen gibt, neben den Nachrichten in den Medien aller Couleur. Weil Fußballfans mehr interessiert, als dass Buttje Rosenfeld ein Tor geschossen hat, was ohnehin alle im Stadion oder Fernsehen gesehen haben. Weil ihr teilen wollt. Erfahrungen, Emotionen, Ansichten – und ihr werdet gelesen, weil sich Menschen dafür interessieren, weil sie den Austausch mögen, weil sie ähnliche oder abweichende Meinungen anderer Fans interessieren. Blogs sind doch im Prinzip die virtualisierte Form eines der wichtigsten Elemente beim Bier in der Kneipe nach dem Spiel oder bei der Zigarette auf der Arbeit vor dem Wochenende. Mit einem weit größeren Wirkradius als diese bezugsgruppenbezogenen Konversationen es je leisten könnten. Und doch ist es eine Minderheit, die sich für derart detaillierte, mitunter differenzierte und stets zutiefst subjektive Wahrnehmungen einer Wahrheit um ihren Verein interessiert. Charmanterweise ist die Quote der Quellen der für diesen Austausch nötigen Schreibenden gemessen an der Zielgruppe / den Lesenden, weit höher als beim Anderen.

Das Andere. Das sind die von euch oben angesprochenen. Die machen Meldungen für die Massen. Quote kommt vor Inhalt. Die Masse hat gar kein Interesse an Inhalten, wie ihr oder auch ich sie zu vermitteln versuchen. Die lesen Zeitungen, wie sie ins Stadion gehen: reines Konsumieren. Ja, ich werte hier. Ganz subjektiv versteht sich. Ohne eine Existenzberechtigung abzusprechen, denn die gibt es. Jedoch schweife ich ab.

Es sei sich nur einmal vorgestellt, alle Nachrichten entstünden ungefähr so, wie die im Fußballfankontext. Das lesen auch ganz viele Menschen, was sollen sie auch sonst machen. Und sie glauben das, finden es gut oder schlecht. Aber sie glauben es. Zumindest die Masse glaubt es. Sie soll es glauben, sie will es glauben, sie kann nicht anders als es zu glauben. Deswegen funktioniert das ganze System. Will sagen: Wir haben doch letzten Endes weit größere Probleme als die journalistische Qualität in Sportredaktionen. Und das schreibt ihr ja auch, und wenn man ehrlich ist, stehen die Dinge eben nicht auf der Agenda eines Sportjournalisten und gehören da im engeren Sinn auch nicht hin. Das können wir gut oder doof finden, ist aber erstmal so. Da werden irgendwelche Hanseln dafür bezahlt, massentaugliche Hetze über Dinge zu bringen, von denen sie nicht im Ansatz Ahnung haben. Brauchen sie auch nicht, denn sie sollen ja das schreiben was interessiert, was aufregt, was das Herz berührt. Immer streng normkonform und immer unter dem Dogma der hohen Auflage bzw. im Zeitalter neuer Medien möglichst vieler Klicks. Und den größten Gefallen tun wir ihnen auch noch, denn auch wir knüppeln uns den Scheiß rein. Im Wissen um eine andere Wahrheit schreiben wir dann unsere Pamphlete und lenken noch mehr Leute auf die Seiten derer. Streng genommen sind wir auch bloß eine Komponente im Boulevardapparat. Mopo – come in and find out, oder so…

Letzten Endes bleibt also ein wirklich schön geschriebener Blogtext, in dem wir uns alle wieder mal klar gemacht haben, dass:

-”wir” in der Minderheit sind
-die Medien so sind wie sie sind
-Zielgruppenorientierung in jedem Kontext das einzig wichtige Paradigma ist
-Sankt Pauli dreckig war, ist und irgendwelcher “Kriminellen” sei dank auch bleibt.

Herzlichst
ein dezent desillusioniertes Lichterkarussell
(Blogger, weder selbster- noch sogenannt, sondern einfach so)

Schreibe ich und erhalte prompt eine SMS, das solle ich mal in mein eigenes Blog packen, das sei zu gut, um in einer Kommentarspalte zu versauern. Nagut.

Nur wenn ich das tue, dann muss ich auch andere Punkte ansprechen, denn das ist kein Blogbeitrag, das ist bloß ein Kommentar. So viel also, als zu lange Einleitung, hoffe der Hauptteil wird kürzer.

Worüber müssen wir also sprechen? Ein Thema ist die mediale Aufarbeitung des Geschehenen, da haben sich die Kollegen vom MagischenFC schon zu genüge abgearbeitet und auch von meiner Seite ist in form der obigen Zeilen mehr als nötig zum Thema beigetragen.

Denn wir müssen über Repression sprechen

Es ist der Dauerbrenner unter Fußballfans. Die Repression, die ihnen allenthalben entgegenschlägt. In erster Instanz natürlich von der Staatsmacht, ferner werden aber auch Anstoßzeiten, Verbände, Vermarktung, Fernsehen, usw. als böse Einflüsse auf ihre Kultur perzipiert. De facto üben all jene genannten Akteure, Institutionen und Faktoren tatsächlich einen Einfluss auf den Profifußball aus und tangieren damit natürlich direkt oder indirekt die Fans und ihre Belange.

„Man muß aufhören, die Wirkungen der Macht immer negativ zu beschreiben, als ob sie nur ausschließen, unterdrücken, verdrängen, zensieren, abstrahieren, maskieren, verschleiern würde. In Wirklichkeit ist die Macht produktiv; und sie produziert Wirkliches. Sie produziert Gegenstandsbereiche und Wahrheitsrituale: das Individuum und seine Erkenntnis sind Ergebnisse dieser Produktion.“ (Foucault: Überwachen und Strafen 1977, 250)

Es ist mitnichten so, dass der böse Repressionsapparat die armen kleinen Fußballfreunde in der Auslebung ihrer Kultur hindert, vielmehr ist es der Produktionsapparat der Macht, der Fußballfans die Rahmenbedingungen ihres Handelns und Seins definieren lässt, oder anders gesagt, die Fußballfankultur, wie sie vor den bösen Einflüssen von außen zu verteidigen sei, gäbe es in der (zu  verteidigenden) Form gar nicht ohne diese Einflüsse. Wir tun gut daran uns nicht als Opfer eines Herrschaftsapparates zu sehen, dem wir uns machtlos gegenüber finden und gegen den wir mit unseren „Bullenschweine“-Transparenten nicht im Ansatz etwas auszurichten im Stande sind. Stattdessen sollte sich die Selbstwahrnehmung viel mehr dahin verändern, dass wir uns als Teil eines komplexen Apparates verstehen, in dem Milieus kreiert werden, Delinquenz produziert wird, in dem der Widerstand der einen Gruppe einen normativen Effekt auf eine andere Gruppe hat. Wir müssen beginnen uns jener vielschichtiger Verflechtungen bewusst zu werden.

Denn wir müssen über Macht sprechen

Macht ist nicht das, was ein Präsident oder Vorstand von Polizei, Fußballbund, Ligaverband, Verein, Fernsehsender, etc. in seiner Schreibtischschublade liegen hat und bei bedarf gegen die bösen Chaoten, Fußballfans, Autonomen, Störer, Krawallos, unbescholtene Bürger oder sonst irgendwen herausholt und einsetzt um seine Interessen durchzusetzen und dem letztgenannte im Umkehrschluss machtlos gegenüberstehen, ihr ausgesetzt sind. Wäre das so, hätte es nicht eine Revolution gegeben oder, um nicht ganz in die großen Zusammenhänge zu gehen, gäbe es z.B. keinen Ständigen Fanausschuss, der sich mit dem Präsidium unseres Vereins trifft.

„Wo es Macht gibt, gibt es Widerstand. Und doch oder vielmehr deswegen liegt der Widerstand niemals außerhalb der Macht.“ (Foucault: Der Wille zum Wissen. Sexualität und Wahrheit I 1983, 96)

Wenngleich Hannah Arendt einen etwas anderen Machtbegriff entwirft,

„Über Macht verfügt niemals ein Einzelner; sie ist im Besitz einer Gruppe und bleibt nur so lange existent, als die Gruppe zusammenhält“ (Arendt: Macht und Gewalt)

tun wir nicht schlecht daran ein Bewusstsein dafür zu entwickeln, dass ganz gleich wessen Machtbegriff der Realität mehr entspricht, wir keineswegs macht- und einflusslos vor schier unlösbaren Problemen stehen, wobei mir der übergeordnete Fußballkontext das größere Problem zu sein scheint, als eventuelle szeneinterne Probleme.

Denn wir müssen über Gewalt sprechen

Wir wissen alle, dass es Gewalt bei Sankt Pauli immer gab und ich bin es, genau wie viele andere sicherlich auch, leid ständig irgendwem erklären zu müssen, dass linke Gegenkultur, wie sie am Millerntor in den 1980ern Einzug gehalten hat, nie frei von Gewalt stattfindet. Es scheint mir aber ein weit verbreitetes Phänomen, die Vergangenheit verklärt wahrzunehmen, was irgendwelche Hirnforscher ja auch zu Hauf erklärt haben. Es scheint mir auch der allgemeine Zeitgeist zu sein, Entwicklung als etwas Rückständiges, wie Rückschrittiges zu begreifen. Das Bild der Mönche, die einen Schritt vor und zwei zurück machen und sich im Anschluss die Bibel vor die Rübe ballern (Monty Pythons: Die Ritter der Kokosnuss), trifft doch ziemlich gut, wie sich ein Großteil der Menschen – oder der Menschheit gar – verhält bzw. entwickelt.

Wenngleich ich genug Leute kenne, die, genau wie auch ich selbst, bestimmten Auswüchsen und Phänomenen in und um unsere Fanszene kritisch gegenüberstehen, ist es viel zu leicht und viel zu kurz gedacht, die Lösung dessen in Distanzierungen oder Ausschlüssen zu suchen. Viele Aspekte der angesprochenen Phänomene stehen grundsätzlichen Werten unserer Fanszene diametral gegenüber. Mackertum, Sexismus, etc. sind keine Seltenheiten. Das ist der Grund, weswegen von einem Problem gesprochen werden kann. Die Frage die sich stellt ist doch, wie und ob, wir einer Lage Herr werden können, deren Ursachen vielschichtiger nicht sein können. Die Soziologen in meinem Freundeskreis hantieren mit Begriffen wie „anomischer Druck“, „Bildungsferne“, „Gewaltdynamik“, etc.. Will sagen, wir besitzen viele tolle Theorien, über das was da passiert, nur patente Lösungsmodelle zu entwickeln, um jenem reaktionären Einfällen von Ausschluss und Distanzierung etwas entgegenzusetzen fällt zunehmend schwer, jedoch widersprechen jene reaktionären Verlautbarungen den Werten unserer Fanszene ebenso und sind nicht minder als Problem zu benennen.

An dieser Stelle komme ich nicht weiter. Ein handfestes Echo auf polizeiliche Eingriffe in die Freiheit der Menschen finde ich schwerlich zu verurteilen. Ein Angriff auf eine leere Kneipe kann ich als Dummheit verurteilen, nur kann ich sie von ersterem trennen? Welche Rolle habe ich als Blogger, welche wir als Fanszene in Bezug auf diese Entwicklung? Was können und wollen wir dulden, was finden wir sogar gut und wo hört der Spaß auf? Es ist schwer darauf Antworten zu finden. Gewissheit besteht für mich lediglich in dem Punkt, dass mir pauschale Verurteilungen irgendeiner Handlung doch etwas zu tumb sind – dafür unterhalte ich mich zu oft und zu gerne mit den Soziologen unter meinen Freunden.

Wir können feststellen, dass unsere Probleme die Probleme unserer Gesellschaft ist, wir können feststellen, dass Macht eine komplexe Angelegenheit ist, wir können eine Utopie haben, in der Gewalt zwar existent ist, aber minimiert sein sollte, wir können, kurzum, vieles, nur können wir nicht mit Populismus die Probleme einer Gesellschaft lösen. Das können wir genauso wenig, wie die Politik. Zumindest können wir das nicht alleine. Das einzig kompetente Kollektiv, fähig diese Sachverhalte aufzulösen, scheint mir die Gesellschaft selbst.

Und daher ist der Text von den Kollegen beim MagischenFC Blog vielleicht doch ein Stoß in die richtige Richtung, denn letzten Endes geht es um ein Bewusstwerden, um ein Bewusstmachen gesellschaftlicher Prozesse und da spielen gerade die Medien der Masse eine entscheidende Rolle. Der Text wird nichts verändern, ich bleibe dabei, er ist bloß Balsam für die interessierte Fanseele. Er benennt aber zweifelsohne zentrale Akteure und damit eventuell einen der Schlüssel, zur Entwirrung gesamtgesellschaftlicher Probleme, deren Auflösung ich in so weiter Ferne sehe, weswegen ich desillusioniert aber nicht resigniert verbleibe, denn:

„Die Macht kommt von unten,[…]“ (Foucault: Der Wille zum Wissen. Sexualität und Wahrheit I 1983, 115)

Der DFB ist so gut und so gerecht…

… wie er eben sein kann.

Arten von Gerechtigkeit

„In der gerechtigkeitstheoretischen Tradition des Aristotelismus unterscheidet man zwei Arten von Gerechtigkeit, die iustitia regulativa sive correctiva, in commutatibus directiva, und iustitia distributiva. Die iustitia directiva ist eine ausgleichende, eine entschädigende Gerechtigkeit; und je nachdem, ob die Ausgleichs- oder Entschädigungsverpflichtung einem Rechtsbruch oder einem Vertrag entspringt, nimmt die iustitia directiva die Gestalt einer iustita correctiva oder einer iustitia commutativa an; erstere umfaßt alle obligatores ex delictu, letztere alle obligatores ex contractu. Die ausgleichende Gerechtigkeit verlangt die Erfüllung von Schuldigkeitspflichten, officia debiti. Die Erfüllung einer Schuldigkeitspflicht macht ‚eine Verbindlichkeit, die da war, ungeschehen’. Schuldigkeiten sind ‚negative Größen’, vom Schuldner herbeigeführte und verantwortete Mängel, die durch entsprechende Leistungen auszugleichen sind. Unrecht ist im Lichte der iustitia directiva einer Gleichgewichtsstörung vergleichbar, die nach einer Restabilisierung verlangt. Kant hat für diesen Gerechtigkeitstyp darum auch die Folgende Formel gefunden: ‚- a + a = 0’(Kant, AA XIX, Refl. 6585)“[1]

Einer Verbandstrafe des DFB für den Kassenrollenwurf vom Heimspiel des FC St. Pauli gegen Eintracht Frankfurt liegt dementsprechend eine Vertragsverletzung zugrunde woraus obligatores ex contractu entstehen und die iustitia commutativa greift. Der DFB setzt dabei das Strafmaß mittels seiner eigenen Gerichtsbarkeit fest, der FC St. Pauli akzeptiert diese Gerichtsbarkeit, wie alle anderen Vereine, durch seine einvernehmliche Mitgliedschaft im Verband. Die Strafe – ganz gleich welcher Art und Schwere – ist also im Sinne der iustitia commutativa eine gerechte, da sie einer vertraglichen Vereinbarung entspringt. Das war’s. Wer das genauso sieht, kann hier aufhören zu lesen, wer 50.000 Euro für den unbeabsichtigten Wurf einer Kassenrolle für eine bodenlose Frechheit hält, lese weiter.

Gefühlte Ungerechtigkeit und Willkür

Es ist natürlich eine ziemlich einfache Sicht der Dinge, sich einzig auf Vertragsbestandteile zu berufen und Gerechtigkeit scheint dann doch etwas vielschichtiger zu sein, als dass sie sich derartig einfach vertraglich festlegen lasse; bzw. kann sich ein Urteil aller Rechtmäßigkeit zum Trotze ungerecht anfühlen. Im Zusammenhang mit den Strafen des DFB und dem Gefühl der Ungerechtigkeit wird an diversen Stellen gerne von Willkür gesprochen. Genau genommen sind Strafen per se willkürlich. Zwar kann diese Willkür durch die Relationen verschiedener Taten/Strafen-Komplexe zu- bzw. untereinander(!) abgefedert bis aufgelöst werden, gar den Anschein erwecken, es sei gerecht auf Tat 1 folge Strafe A, auf Tat 2 folge Strafe B und bei wiederholtem Auftreten von Tat 3 folge Strafe 3 gleich x-fach. Nur ist die Festsetzung einer Strafe X für Tat Y schon willkürlich, denn ganz gleich was die Tat war, sie wird weder ungeschehen gemacht noch ausgeglichen.

Dabei scheint das Bedürfnis des Menschen nach Gerechtigkeit und das Empfinden von Ungerechtigkeit sowohl Ursache für als auch Ergebnis von Strafhandlungen sein. Fühlt sich eine Autorität (wie der DFB) durch ein wie-auch-immer geartetes Ereignis in seiner Omnipotenz angegriffen, dürstet es ihn nach Ausgleich dieses Unrechts, welches er empfindet. Er straft um sich vom Gefühl der Ungerechtigkeit zu befreien. Das Objekt seiner Strafwut mag sich in der Folge ungerecht behandelt fühlen, doch die Autorität (wie der DFB) hat seine Ausgleichsleistung bekommen. Natürlich hat ein Kassenrollenwurf trotz allem stattgefunden und warum nun 50.000 Euro diese Tat entschädigen sollten, ist nicht rational begründbar. (Der DFB ist keine natürliche Person mit dessen Befindlichkeiten, der Vergleich hinkt also und dient lediglich der Veranschaulichung und es klärt sich auch im Folgenden…)

Wen trifft der Rechtsbruch?

Auf den ersten Blick erinnert das Beharren des DFB auf seine (vermeintlichen) hoheitlichen Ansprüche an das Verhalten eines mittelalterlichen Regenten, der Rechtsbrüche als Angriff auf seine Person wertet, da die Gesetze Ausdruck seiner (physischen) Macht sind; mit dem kleinen Unterschied, dass die Martern dieser Epoche das Ziel hatten, das begangene Verbrechen auf den Körper des Rechtsbrechers zu reproduzieren.

Wenngleich das etwas aus dem historischen Kontext gerissen ist, mutete es doch etwas ulkig an, warfen Herr Zwanziger oder Herr Niersbach wahlweise einen zwanzigjährigen Abiturienten oder das Präsidium unseres magischen FC zwecks Vergeltung mit einer Kassenrolle ab. (Fände ich persönlich ja weniger schlimm als 50.000 Euro zu zahlen und trotzdem heißt es die Strafpraktiken haben im Wandel der Zeit eine Humanisierung erfahren.)

Ich drifte ab und es ist auch nur der erste Blick, der einem diesen Vergleich aufdrängt. Es ist weniger der Rachdurst des DFB, der ihn zum Verhängen horrender Strafen antreibt, vielmehr ist es der normative Charakter des Strafrecht. Seit sich die Herrschaftsmacht von royalen Eliten auf das gesamte Volk als Souverän des Staates umverteilt hat, geht auch die Justiz nicht mehr von Verbrechen an den Regenten, wie etwa einem Parlament aus, sondern – gänzlich in Analogie zur früheren Zeit – von Verbrechen an den Inhabern der Macht: Allen. Auch der DFB straft demnach nicht aus persönlichen Animositäten (wie auch?) sondern als Institution der repräsentativen Vertretung seines „Volkes“, den Vereinen. Die Vereine ihrerseits sind letzten Endes nicht mehr oder weniger als die Summe ihrer Mitglieder und die rekrutieren sich in heutigen Zeiten (vor allem im Profibereich) weniger aus Sport treibenden sondern vor allem aus passiven, aus fördernden Mitgliedern: aus Fans!

Sinn und Zweck der Strafe

Weil moderne Erziehung so selten von großer Hoffnung beseelt ist, wird so selten ein großes Resultat erreicht. (Russel, Bertrand)

Jetzt, da wir in die Mikrostruktur der Opfer des Rechtsbruches vorgedrungen sind, können wir uns dem Sinn des Ganzen widmen. Wirft also ein Fan eine Kassenrolle, die sich nicht abrollt, dann sind letztendlich alle anderen Fans im Stadion Opfer seines Fehlverhaltens. Daraus folgt, dass wir alle unheimlich wütend und angepisst sein müssen, hat er doch gegen das Recht verstoßen, welchem wir uns einvernehmlich durch unsere (indirekte) Mitgliedschaft im DFB unterworfen haben. Wenn uns nun schon nicht die Aktion als solche ärgert – unerhörter Weise wurde der junge Delinquent ja von theoretischen Opfern seines Deliktes gedeckt – dann soll zumindest die Strafe uns treffen. Mit uns meine ich jetzt alle Fußballfans aller Vereine, sei die Verbindung zum jeweiligen Verein durch Mitgliedschaft oder ideelles Zugehörigkeitsgefühl begründet. Die Strafe trifft zwar nur den Delinquenten selber, der für den DFB in der abstrakten Figur des Vereins vertreten wird, doch sie entfaltet ihre disziplinierende Wirkung über alle Mitglieder der Gesellschaft. Die Strafe erzielt in dem Moment ihre normative Wirkung, in dem Fans/Vereine/Spieler – kurzum Mitglieder der Mikrogesellschaft des DFB – einerseits von Fehlverhalten absehen, andererseits der Notwendigkeit von Strafen zustimmen.  Es geht also nicht darum eine Zündellei, einen Kassenrollenwurf, einen Blocksturm, ein diffamierendes Spruchband zu sühnen, sondern es geht um Erziehung. Die Vereine sollen diszipliniert werden die Sicherheit zu gewährleisten, die Fans sollen diszipliniert werden sich „gesittet“, also entsprechend der Norm, zu verhalten.

Aber er hat sich doch entschuldigt?!

Nun mag dem entgegnet werden, man fände es ja grundsätzlich nicht falsch, Strafen zur Disziplinierung einzusetzen, aber im Fall des Kassenrollenwurfes handelte es sich doch um ein Versehen und der Täter habe Reue gezeigt, was ja auch der Vorsitz des DFB-Bundesgerichtes feststellt.

„Ein Teilausschluss der Zuschauer wurde deswegen nicht verhängt, weil die Tat ohne Gewalttätigkeit, ohne Aggression und ohne Schädigungsvorsatz in Richtung des Gegners oder der Schiedsrichter ausgeführt wurde.“

Es kann oder muss hier also, so absurd das erscheint, von Nachsicht gesprochen werden. Aus Sicht des DFB muss die Strafe eben eine hohe sein, nicht, weil, wie der Vorsitzende Eilers es sagt, Pirmin Schwegler am Kopf getroffen wurde, sondern weil es vorherige Würfe gab und die disziplinierende Wirkung der dort verhängten Strafen, sich offenbar nur bedingt ausfaltete. Der mangelnden Absicht, wird durch die ausbleibende Aussperrung Rechnung getragen, doch im Sinne der Disziplinierung muss die Strafe hoch sein, wenngleich auch mir das nicht zu gefallen vermag. Da hilft es leider auch nicht auf andere Urteile bei gezielten Würfen zu verweisen, der DFB verstrickt sich da in seine eigenen komischen Grundsätzen und letzten Endes müssen eben Wiederholungstaten entsprechend härter bestraft werden.

Konsequentes Handeln

Fordert man nun, der Verein müsse konsequent handeln und dürfe auch dieses Urteil nicht hinnehmen und vor ein ordentliches Gericht ziehen um dort den Verband zu verklagen, wird zwar die Ebene der Mikrogesellschaft DFB verlassen, nur folgt die Justiz der BRD der selben Struktur, wie die des DFB, womit diese Forderung als solche gewissermaßen inkonsequent ist. Natürlich ist nicht auszuschließen, dass es hier einen punktuellen Erfolg zu verzeichnen gäbe, wirkliche Konsequenz sieht aber anders aus. Gerichtsurteile sind solange gerecht, solange sie die gesellschaftliche Legitimation erfahren. Erst, wenn nicht die Art und Schwere eines Urteils, sondern die Existenz von Urteilen als solche angeprangert werden; erst, wenn es keine Gerichtsurteile mehr gibt, kann kein Ungerechtigkeitsgefühl als Folge von Urteilen entstehen.

Der Kampf gilt nur vordergründig den Urteilen in ihrer Ausgestaltung – natürlich fühlt sich weniger immer besser an. Doch Kern des Problems ist, dass der DFB Gerichte hat und Recht spricht. Dieses Problem besteht, da wir die iustitia commutativa kennen. Diese Last werden wir wohl letzten Endes erst los, wenn wir die Revolution schaffen und Staaten endlich abgeschafft sind. Freie Fußballfans gibt es erst, wenn es freie Gesellschaften gibt. Und deswegen ist Fußball immer auch Politik. Ich weiß: Das ist jetzt zu einem kleinen Rundumschlag verkommen, nur ist das Echauffieren über bestimmte Ausdrücke eines Systems, dessen Teil man selbst ist, gewissermaßen geheuchelt. Da beisst sich die Katze in den Schwanz.

Also immer schön dran denken: Macht kommt von unten![2]

Die Zukunft des Menschen steht auf dem Spiel; sie ist gesichert, sobald nur genügend Menschen sich dieser Einsicht nicht verschließen. (Russel, Bertrand)

Siehe auch: Freiheit und Hass – Ein Etappensieg für die Fankultur


[1] Kersting, Wolfgang: Probleme der politischen Philosophie des Sozialstaats, S. 17.

[2] Dieser Text ist maßgeblich geprägt von Foucault, Michel: Überwachen und Strafen. Die Zitation dezidierter Textpassagen war mir weder möglich, noch schien sie mir sinnvoll.

Freiheit und Hass

Ein Etappensieg für die Fankultur

Wenngleich unsere Mannschaft zuletzt nicht zu siegen im Stande war, hat der Verein FC St. Pauli von 1910 e.V. doch einen unendlich wichtigen Sieg erringen können. Einen Sieg, der über saisonale Zeitrechnungen hinaus höchst bedeutsam ist. Einen Sieg für uns, für die Fans. Sportal vermeldet soeben den Ausgang des neu aufgerollten Prozess vor dem DFB Sportgericht wegen des Kassenrollenwurfes vom Heimspiel gegen die Eintracht aus Frankfurt: Eine Geldstrafe in Höhe von 50.000 Euro.

Zwar ist das immer noch eine horrende Summe für eine Lappalie und bei den in der Quelle genannten 63.000 Euro Einnahmeverlust durch das vorherige, angefochtene Urteil nur eine geringe finanzielle Verbesserung der Straflast, womit das Urteil nachwievor eine Frechheit ist. Eine Frechheit war aber nun ja vom DFB zu erwarten, nur ist die geringe Verbesserung eben lediglich die finanzielle Perspektive. Das große Problem des möglichen Zuschauerausschluss war ja, dass willkürlich Fans ausgesperrt worden wären. Die Argumente wie z.B. Sippenhaft etc. sind zu genüge ausgetauscht und brauchen hier nicht wieder aufgewärmt werden. Wichtig ist jetzt, dass es für dieses Vorkommnis keine Sippenhaft für Fans unseres Vereins gibt.

An dieser Stelle ist es darüber hinaus zwingend notwendig das Präsidium unseres Vereines und alle anderen in diesen Fall involvierten Verantwortlichen ausdrücklich zu loben und ihnen zu danken. Lob und Dank gebührt ihnen für ihren Einsatz für die Fans. Es ist mehr als schön zu sehen, dass sich dieser Einsatz lohnt. Ganz offensichtlich wurde einerseits aus Fehlern der Vergangenheit gelernt und hat andererseits der stete Dialog zwischen Fans und „Offiziellen“ Früchte getragen.

Das Ergebnis des Rückgrates, welches unsere Vereinsvertreter hier bewiesen haben ist als wichtiger Meilenstein zu betrachten und ist doch (leider) nur ein Etappensieg. Wenngleich der DFB offenbar zumindest von Gästesperren abstand nimmt – wofür den Fans von Dynamo Dresden und Eintracht Frankfurt, die an den letzten zwei Wochenenden eindrucksvoll bewiesen, wie wenig Sinn derartige Aussperrungen machen, ausdrücklich Respekt und Anerkennung, eventuell auch Dank und Lob gebührt – gibt es nachwievor Demagogen und Sicherheitsfanatiker, die so etwas für praktikable Handlungsansätze halten.

Auch dem FC St. Pauli steht wieder so eine potentielle Gästesperre ins Haus, nicht als Strafe verhängt vom DFB, sondern, wie ein Autor in Basch #12 treffend schreibt, als Präventionsmaßnahme einer hilflosen, gar überforderten Polizei. Auch hiergegen haben unsere, beinahe zu kleinen ‚Enfants terribles‘ gemauserten Vereinsoberen Einspruch eingelegt und füllen damit letzlich die hohle Werbephrase des anderen, unangepassten Bundesligaclubs endlich mit etwas Leben und Inhalt. Doch genau daher spreche ich von einem Etappensieg, denn erst wenn DFB, Polizei, Medien und auch die „normalen“ Fans eingesehen haben, wie widersinnig Fanaussperrungen jeder Art sind, können wir davon sprechen einen echten Sieg für die Fankultur im Profifußball errungen zu haben.

Insofern gilt es sich jetzt auf ein ausverkauftes Millerntor gegen Union Berlin zu freuen und im Anschluss für ein ausverkauftes Millerntor gegen Hansa Rostock zu kämpfen, in dem nicht nur braun sondern auch blau mit weiß und rot in farbliche Komposition treten können wird.

Und so verbleibt mir nur mit dem Lieblingszitat eines guten Freundes abzuschließen:

Das Einzige, das größer ist, als unsere Liebe zur Freiheit, ist unser Hass auf diejenigen, die uns diese Freiheit nehmen wollen.

Link zur Meldung auf der Vereinshomepage

Spurensuche in der Sandwüste

Hinter uns liegt ein ganzes Jahr Erstliga-Fußball. Ein Zweites wird es in der anstehenden Spielzeit zumindest nicht geben. Der FCSP ist abgestiegen und ich möchte mich im Folgenden mit den Gründen auseinandersetzen.

Nach einem sehr interessanten Gespräch mit einem guten Freund habe ich es ihm gleich getan und mich durch 5 zähe Videos gequält, nämlich die von Stanis und Trullers Vorstellung in ihrer neuen Heimat Hoffenheim. Die erste Erkenntnis ist, dass Stani sich in Hoffenheim sichtlich wohl fühlt und ich will ihm nicht einmal verdenken, dass er die Gegebenheiten dort zu schätzen weiß und dann kann er ja auch noch ein bisschen gegen seine langjährige Heimat schießen, lassen wir es gut sein, er freut sich doch über den elektrischen Toröffner. Spurensuche in der Sandwüste weiterlesen

Aller guten Dinge sind drei

Am Tag nach dem Nicht-Derby-Tag überschlagen sich die Meldungen zu den diversen offenen Baustellen, die sich über das Nicht-Derby-Wochenende aufgetan haben. Ich möchte im Folgenden versuchen das alles unter einen Hut zu bekommen.

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Derbyfieber

Ja die Stadt in der wir leben steht mal wieder total Kopf, denn es ist Derbyzeit. Nun um ehrlich zu sein, gab es für mich statt Derbyfieber erst ein Mal derbe Fieber. Ziemlich unschön aber wenigstens hat man Zeit nen Blog aufzusetzen. Derbyfieber weiterlesen