Kostenbeteiligung an Polizeieinsätzen? MDR Magazin „exakt“ ist dafür

In steter Regelmäßigkeit wabert die Forderung der Polizei-Lobbygruppen um Rainer Wendt & Co. durch den Mediendschungel, Vereine, Verbände oder Veranstalter von Großveranstaltungen mögen sich an den Kosten von Polizeieinsätzen finanziell beteiligen.

Ob das angesichts der hohen Steuerzahlungen der Vereine gerechtfertigt ist; nach welchem Prinzip entschieden würde wer wann wieviel zahlt; und ob das überhaupt verfassungsrechtlich unbedenklich ist, sind dabei ungeklärte Fragen.

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Anders aber nicht sicherer

Gestern traf sich der Ligaverband zu seiner Jahreshauptversammlung und gab dort 16 Anträgen zur Umsetzung der im als „Sicheres Stadionerlebnis“ bekannt gewordenen Papier benannten Punkte statt. Das Thema kochte dieser Tage nochmals hoch, nachdem der Protest der Fans zuvor für ein gut wahrnehmbares, durchgängiges Rauschen im Blätterwald gesorgt hatte. Dabei rückte vor allem der Druck der Politik in den Fokus – damit ist der Sachverhalt nichtmal im Ansatz ganzheitlich erörtert.  Wenn etwa Stefan Engert in zwei Blogposts beim Sicherheitspolitik-Blog seine Politologensicht auf den Diskurs zum Besten gibt liegt er nicht falsch, aber auch noch nicht richtig richtig:

„Das Dilemma der Clubs und des DFL ist, dass der Sprechakt im sogenannten ‚Schatten der Hierarchie‘ erfolgt ist und damit ein Lehrstück von Governance ist: Kommt es zu keiner (horizontalen) Selbstregulierung durch die DFL, die Clubs und Fanszene bis Jahresende (d.h. am 12 Dezember), wird der Staat selbst die Spielregeln definieren und (hierarchisch) außergewöhnliche Maßnahmen wie vermutlich die „Abschaffung der Stehplätze, personalisierte Tickets oder reduzierte Kartenkontingente“ sowie drastische Geldstrafen für die Vereine, Geisterspiele oder den Komplettausschluss der Gästefans durchsetzen, um die Sicherheit und Ordnung im öffentlichen Raum Stadion wiederherzustellen[…]“ (Stefan Engert)

Auf gut Deutsch bedeutet das, weil die Politik gesagt hat, es gibt ein Sicherheitsproblem, wird die faktische Existenz eines solchen unbedeutend und Vereinen und Verbänden bleibt keine Wahl, als sich durch sicherheitspolitische Eigeninitiative dem Klammergriff des Staates zu entziehen – anderenfalls ist die eigene Autonomie dahin. Den populistischen Druck der Innenminister zu benennen ist wichtig. Es darf hierbei auch nicht unter den Tischen fallen gelassen werden, dass Wahlkampfgetöse und Ablenken vom Versagen beim NSU-Komplex zum Schwenk aufs vermeintliche Sicherheitsproblem im Fußball motivieren. Dennoch wird diese Betrachtungsweise dem Thema nicht vollumfänglich gerecht.

Mit der „Schatten der Hierarchie“-These kann gewiss einiges erklärt werden, doch der Komplexität des Sachverhalts wird dieser Ansatz nicht gerecht. Es scheint angebrachter, dieses Muster in das vielschichtige Akteursnetzwerk einzuweben, aber den Blick eben zu erweitern. Welche Akteure sind also in dieser Debatte aus welchen Gründen wichtig und was sind ihre Partikularinteressen? Bereits erwähnt haben wir die Politik, die DFL, die Vereine und die Fanbasis. Dazu kommen DFB und Polizei(-gewerkschaften).

Von Seiten der Politik, allen voran der Innenminister, werden die Rufe nach mehr Sicherheit in den Stadien immer lauter. Dass sie dabei viel Populismus und wenig Empirie in die Arena werfen ist hinlänglich bekannt und belegt, das tut effektiv aber nur bedingt zur Sache, denn der Druck ist vorhanden und durchaus wirkmächtig. Zwar machen sie sich dadurch medial angreifbar, aber das sind sie ja ohnehin. Das Versagen beim NSU-Komplex, über den zwar nachwievor kritisch berichtet wird, veranlasste das öffnen einer Baustelle, die so nicht gegeben ist. Das erklärt mitunter auch, warum das Problem so groß sein soll, obwohl selbst die unbrauchbaren Zahlen der ZIS keinerlei Anlass zur Panik bieten. Dummerweise ist das leider völlig egal, weil sich der Großteil der dummdeutschen Bevölkerung gar nicht so intensiv mit den Themen auseinandersetzt. Deswegen reichen ein paar Pyrobilder und die Forderung nach mehr Sicherheit um ein riesiges Fass aufzumachen. Deswegen reichen ein bis zwei Entlassungen von Verfassungsschutzamtschefs und eine Rechtsextremismus-Verbunddatei um die empörten Massen zu befriedigen. Ich würde mich freuen hier Unrecht zu haben, der Eindruck drängt sich allerdings auf.

In ein ähnliches Horn blasen die Polizeigewerkschafts-Chefdemagoge Rainer Wendt und seine Geschwister im Geiste. Forderungen nach finanzieller Beteiligung an Polizeieinsätzen, zusätzlichen Befugnissen und immer abstrusere Bedrohungsszenarien zeichnen die wahrgenommene Arbeit der Polizeilobbyisten aus. Interessant diesbezüglich ist, dass die Polizeipraktiker da durchaus andere Ansichten vertreten. Von einem geschlossenen Akteur Polizei mit klaren Interessen kann also nicht die Rede sein. Trotzdem waren es nicht die differenzierten Stimmen aus der Polizei, die maßgeblich in die Debatte eingeflossen sind, sondern immer wieder dieser Populismus.

Wenn Rauball nun ernsthaft glaubt, die Debatte werde mit dem Implementieren des Konzepts ein Ende finden, dies gar von Innenministern und Polizei fordert, lässt er einiges außer Acht. Es wird stets irgendwo gewählt, weitere Skandale um den NSU sind nicht unwahrscheinlich und andere Probleme von denen es abzulenken gilt sind ohnehin stets zu erwarten. Der Fußball ist in Deutschland populär, wie nie zuvor und damit ein stets bewegendes gesellschaftliches Feld. Derart positioniert wird der Fußball stets auch als Plattform profilierungssüchtiger Politiker missbraucht, um einmal den Jargon der Populistenfraktion bezüglich Fanthemen aufzugreifen.

Foto: paupi.net

Jedoch sind nicht nur Ablenkung und Wahlkampf treibende Interessen für die Exekutive sich in die Sicherheitsdebatte beim Fußball einzumischen. Etwas vage ausgedrückt kann hier vom neoliberalen Geist unserer Zeit gesprochen werden, der sich im Sicherheitsdiskurs wiederfindet. Die kontextuale Einbettung diesbezüglich scheint zumindest nicht allzu weit hergeholt. Der Fußball eignet sich wie nichts anderes als sicherheitspolitisches Testfeld. Es kommt mit Sicherheit 😉 nicht von ungefähr, dass viele Methoden und Taktiken der Polizei zuerst im Rahmen von Fußballspielen getestet werden. Mit den Ultras steht der Polizei die größte in Jugendsubkultur in Deutschland zur Verfügung, die sich in ihrer nicht sonderlich autoritätshörigen Grundausrichtung nicht nur perfekt zur für Experimente eignet, sondern auch eine faktische Bedrohung darstellt. Wenngleich der Verweis auf den arabischen Frühling, besonders den Fall Ägypten, wo Ultras federführend an der Revolution beteiligt waren, nicht zum Vergleich taugt – der soziopolitische Kontext ist ja doch sehr verschieden. Gerade bei Vereinen, die nicht Sankt Pauli heißen, gibt es eben noch viel des sogenannten Prekariats in den Kurven. Bei Metalust und Subdiskurse wird dieser Gedankenstrang schön entfaltet. Wäre, nebenbei bemerkt, ein spannendes Thema für eine wissenschaftliche Annäherung.

Genau dieses Prekariat ist ja auch betroffen vom viel zitierten Stehplatzverbot. Die Erfolge für mehr Sicherheit sind, so es sie gibt, äußerst marginal. Der Einfluss auf die Stimmung und die Zuschauerstruktur ist da schon größer. Es kann daher nicht das Moment der Vertreibung außer Acht gelassen werden, spricht man über Vollversitzplatzung (die Jan Korte zufolge nicht von der Politik oktroyiert werden kann) und Preisspirale. Ein Bekenntnis genau dazu mag vielleicht noch kaum jemand aussprechen, aber in einem Land wo „sozial ist, was Arbeit schafft“ (egal wie bezahlt) und sich „Leistung wieder lohnen muss“ kann es ja eigentlich nur eine Frage der Zeit sein, bis man sich den Besuch eines Fußballstadions eben verdienen muss.

Ebenso im Neoliberalismus verhaftet ist das Interesse der DFL am Sicherheitskonzept, denn es ist ja nun nicht so, dass einzig der Druck aus der Politik Triebfeder des Konzeptpapiers war. Im Papier bzw. den entsprechenden Anträgen geht es nicht selten um Kompetenzübertragung vom DFB an die DFL. Die DFL beansprucht für sich größere Autonomie, möchte sich selbst strukturell stärker aus dem DFB lösen. Das Sicherheitspapier hat nicht nur negative Auswirkungen auf die Fans, es ist ein Schritt zur institutionellen Trennung von Profifußball und Fußball. Es mag aus Sicht der DFL ihr größter Fehler gewesen sein, bei ihrer Gründung die Sportgerichtsbarkeit für ihre Ligen beim DFB belassen zu haben. Dieser Fehler ist mit dem nun verabschiedeten Papier ausgebügelt. Natürlich bedeutet das eventuell mehr Sicherheit für die Vereine was Strafen betrifft und eventuell findet die beinahe schon berühmte Willkür damit ein Ende. Willkür, wie beim DFB üblich, lässt sich schwerlich verkaufen, die DFL ist auf klare Regeln und Kompetenzen angewiesen um ihr Produkt bestmöglich vermarkten zu können. Mit dem Entzug von Fernsehgeldern steht der DFL eine Strafart zur Verfügung, die wohl noch härter ist, als alles vom DFB Bekannte. Ob sie diese Karte allerdings ziehen werden, oder das alles lediglich Argumentationsgeplänkel war, bleibt abzuwarten. Vor allem aber ist die DFL auf die volle Kontrolle über ihr Produkt angewiesen. Das anzustrebende Ideal der DFL dürften dabei US-amerikanische Sportligen sein.

Die Fernsehgelder sind ein für die Debatte um die Sicherheit in den Stadien nicht zu unterschätzender Gesichtspunkt. Die Kompetenzübertragung vom DFB an die DFL ist dabei nur als Versatzstück im Vermarktungskonzept der DFL zu begreifen. Wenn Engert über die Fans, ihre Funktion und letztlich auch ihre Interessen schreibt,

„Das sind einerseits die Kunden, d. h. die zahlende Anhängerschaft, die neben dem Spiel der eigenen Mannschaft dazu beiträgt, den Stadionbesuch mit ihren Gesängen und Anfeuerungen zu einem kleinen Erlebnis des Alltags zu machen.“

hat er damit nicht Unrecht. Nur offenbart sich ein hier analytischer Trugschluss, den wir Fußballfans vielleicht auch mit zu verschulden haben. Natürlich sind die Fans in den Stadien ein wichtiger Faktor, ein wichtiges Element im Fußball. Ihnen kommt ja, und das klingt hier auch an, eine Art Doppel- bis Dreifachfunktion zu. Einerseits sind sie zahlende Kundschaft der Vereine. Sie tragen das Geld in die Stadien. Außerdem sind sie oft auch Kunden der (Pay-)TV-Sender. Finanziell sind sie in dieser Funktion noch weit wichtiger für die Vereine, denn der Großteil ihrer Einnahmen kommt aus Fernsehgeldern, welche es wiederum nur gibt, wenn die Sender die entsprechende Kundschaft hat. Zu guter Letzt sind die Fans gewissermaßen auch Teil des Kapitalstocks der Vereine und Verbände, denn die von ihnen erzeugte Atmosphäre in den Stadien macht das Produkt Profifußball besser vermarktbar. Ein Gutteil der „Fernseh-Fans“ (Es gibt wohl eine nicht kleine Schnittmenge zwischen „Stadion-Fans“ und „Fernseh-Fans“) guckt den Fußball nicht zuletzt wegen der Atmosphäre. Damit sind die Fans Konsumenten eines Konsumguts, dessen Teil sie sind. Der reine Fokus auf den Stadionbetrieb greift daher zu kurz.

Die Bundesligen sind zum medialen Kassenschlager avanciert. Pay-TV-Sender sind bereit hohe Lizenzgebühren für die Übertragungsrechte zu entrichten und durch den hohen Kapitalfluss im Profifußball wird nicht nur der Sport qualitativ gefördert, der Sport verändert sich. Die Mechanismen der Vermarktung machen das Verschieben des Anstoßes teurer und den Spielabbruch schwerer zu verkraften. Der Spieltag in der zweiten Liga ist über 4 von 7, in der ersten über 3 von 7 Wochentagen verteilt. Hinzu kommen englische Wochen und weitere internationale und nationale Wettbewerbe. Es vergeht fast kein Tag, an dem es kein Fußball zu konsumieren gibt und entsprechend steigen die Anforderungen an ein standardisiertes Event, ein Spektakel. Die DFL versteht sich dabei als Dienstleister an ihrem größten Kunden, und das sind eben nicht die Fans im Stadion, sondern die Sender, die Übertragungsrechte kaufen. Dass das eine das andere bedingt wird dabei beinahe vergessen, aber nicht ganz. Daher kommen doch die Beteuerungen, die Fankultur in Deutschland sei sicher. Schönes Bekenntnis, danke für’s Geräusch, verstanden haben es die grauen Verbandsherren nicht, was es überhaupt mit Kultur auf sich hat. Wer aber nie in der Kurve stand, weder in der Sommerhitze noch bei Minusgraden, wer nie an Bahnhöfen von behelmten Hundertschaften mit Knüppel und Pfefferspray empfangen wurde und so weiter, der wird auch nicht verstehen, wie so eine Kultur funktioniert. Anders gesagt: wer es nicht fühlt, kann es nicht verstehen.

Es ist also durchaus im Interesse der DFL weiterhin Fans dabei zu haben nur sollen die gefälligst nicht ins Spektakel eingreifen können, zumindest nicht unkontrolliert. Der Ligaverband als Vermarkter des Sports sieht sich also in einer Zwickmühle. Sie wollen die Gewinnbringenden Fernsehsender, also letztlich deren Kunden einerseits, brauchen dafür aber die Fans andererseits, die sie unter Kontrolle haben müssen, damit die Vermarktung einwandfrei funktioniert. Die Fans in den Stadien sind der Dünger der Vermarktbarkeit und können gleichsam zu ihrer Blattlaus werden.

Was aber wollen die Fans? Man kann sich natürlich jeden Punkt des Sicherheitspapiers vornehmen und gucken, was Fans dazu gesagt haben. Dabei wird man zu dem Schluss kommen, Fans wollen Pyrotechnik, Stehplätze und eine menschenwürdige Behandlung. Das ist, von streitbaren Fragen bezüglich Pyro abgesehen, sicher richtig, nur ist damit nicht das genuine Interesse von Fußballfans zu erfassen. Durch die Komplexität des Themas und subjektiven Beweggründen der einzelnen Fans sind generalisierbare Aussagen über die heterogene Gruppe der Fans in den Stadien grundsätzlich nur schwerlich möglich. Ich halte es jedoch für den falschen Ansatz über die expliziten Punkte des Sicherheitspapiers zu kommen. Zu leicht drängt sich dann der Trugschluss auf, wird nichts davon umgesetzt, haben die Fans ihre Maximalforderung erreicht. Diese Perspektive blendet jedoch die Themen und Kämpfe der Vergangenheit vollständig aus. Der Fußball ist nicht mehr der selbe, wie er es noch in den 80ern und 90ern war. Viele Veränderungen waren positiv, andere negativ – so ist das nunmal, nur sollte im Diskurs eben bedacht werden, dass Fußballfans schon seit langem in regelmäßigen Abständen dicke Kröten zu schlucken hatten.

Trotz der Farce, die der Verweis auf die geschützte Fußball- und Fankultur seitens Ligaverbandschef Rauball ist, ist noch lange nichts verloren. Kultur wird nicht von Führungsetagen definiert, sondern ergibt sich im Zusammenspiel von Menschen. Die Macht eine Kultur zu formen kommt von unten. Jede Form der Repression führt am anderen Ende zur Produktion. Sie mögen Jugendkultur, Gewalt, Pyro, Randale, Wut, Freude und Extase durch Verbote zu kontrollieren versuchen, doch dieser Versuch ist zum scheitern verdammt.Mehr „Sicherheit“ in Deutschland, die wird es durch die Beschlüsse nicht geben. Weder in den Stadien, noch außerhalb. Das Ergebnis dieser Phantomdebatte ist nichts wert. Die Fußballkultur hat sich stets zwischen diversen Parametern entwickelt. Stadionverbote schließen nicht nur einzelne Personen vom Stadionbesuch aus, sie führen zu Zaunfahnen, Aufklebern, Gesängen, Märschen und einem verstärkten Zusammengehörigkeitsgefühl. Kultur zu unterdrücken, ist wie der Versuch einen Baum am Wachsen zu hindern. Die Richtung der Entwicklung mag sich verändern, doch das Wachstum wird nicht gestoppt.

„Die organisierten Fußballfans haben gezeigt, wie mächtig sie sind. Es war ihr Druck, der die ursprüngliche, schärfere Version des Sicherheitskonzepts scheitern ließ und zu einer Blamage für die DFL machte. Durch ihre durchaus öffentlichkeitswirksame Betriebsamkeit wurde auch in den Medien zunehmend differenzierter berichtet.“ (Christian Spiller)

Es ist falsch die Debatte um mehr Sicherheit in den Stadien nur von einer Seite zu betrachten. Die Konfliktlinien verlaufen kreuz und quer zwischen den verschiedenen Akteuren. Es ist mitnichten anzunehmen, ohne den Druck seitens der Politik, gäbe es keinen Grund mehr für das Papier. Es ist nicht nur der Populismus, Wahlkampfgeplänkel und eine ablenkende Phantomdebatte, was die Innenminister antreibt Forderungen nach mehr Sicherheit zu stellen, es ist auch der neoliberale Geist. Es ist nicht nur der gut gemeinte Versuch die Sportgerichtssprechung auf verbindliche, rechtsstaatliche Grundsätze zu stellen, sondern auch ein klares Vermarktungsinteresse der Deutschen Fußballliga. Das Sicherheitspapier und die anhängende Debatte gilt es von allen Seiten zu analysieren und die Kritik entsprechend in den Schnittstellen zu platzieren.

Die DFL gewinnt Autonomie gegenüber dem DFB mit der Annahme aller 16 Anträge zum Sicherheitspaket. Die Vereine unterliegen mit ihren Voten damit nicht nur dem Druck der Politik, sondern auch vermeintlichen Sachzwängen einer bis zum äußersten gedehnten Verwertungslogik. Dennoch dürfen sich die Fans auf die Schulter klopfen, sie waren es, die die Debatte versachlicht haben. Fankultur ist durch die gestrigen Beschlüsse nicht dem Untergang geweiht. Sollte es dennoch irgendwann zur forcierten Vertreibung kommen und Fankultur verschwindet aus den Stadien, es wird etwas anderes geben. Doch erstmal darf man sich hoffentlich auf viel Pyro freuen. Verbote sind Antrieb. Gerade für die Jugend.

Das „Sicherheitsproblem“ des deutschen Fußballs

Gewalt im Fußballkontext ist entgegen landläufiger Behauptungen rückgängig. Trotz allem entfaltete sich zuletzt eine Dynamik in der Debatte um sichere Stadien, die tatsächlich noch nie dagewesene Dimensionen erreichte. Es ist daher wahrscheinlich nur eine kurze Phase, nun zum Beginn der Saison, dass die Diskussion um das angebliche Gewalt- und Sicherheitsproblem im deutschen Fußball auf einer weniger populistischen Ebene, als zum Ende der letzten Saison, wo im Rahmen des verfrühten Platzsturms der Düsseldorfer Anhängerschaft Politiker_innen und Medienvertreter_innen eine (mal wieder) neue Dimensionen der Randale herbeiphantasierten und gegen „ein paar Bumsdumme“, „Kurventaliban“, etc. hetzten, neu aufgenommen wird. Bereits in der Sommerpause bemerkten einige Medienvertreter_innen im Rahmen ihrer Berichterstattung zur Sicherheitskonferenz, dass es ja tatsächlich merkwürdig anmutet, wie Entscheidungen zu Fanthemen in einer gar spontan wirkenden Zusammenkunft und ohne Fans getroffen werden. Eine leichte Abkehr vom Populismus zeichnet sich ab – er wirkt dennoch auch in der aktuellen Diskussion, er ist die treibende Kraft.

Die Sicherheitskonferenz

Durch das jüngst ausgelaufene Ultimatum der Fanvertreter_innen in der AG Fanbelange und die, zwar nicht sonderlich zufriedenstellende, aber immerhin vorhandene und im Ansatz deeskalierende Reaktion seitens des DFB, hat die Debatte neue Fahrt aufgenommen. DFB-Sicherheitschef Hendrik Große Lefert schiebt im Interview mit der taz die Schuld gar durchweg vom DFB in Richtung der Politik, die ihmzufolge großen Druck ausübe. Tatsächlich werden populistische Forderungen, gerade seitens der Innenminister (Bund wie Länder), immer lauter. Ob hier tatsächlich ein großes Problem gesehen wird, oder das Thema dazu dient Wahlkampf zu machen, kann hier nicht beurteilt werden, es sei aber festgestellt, dass der politische Druck mit der Berichterstattung in Folge der Ereignisse in Dortmund und Düsseldorf zum Ende der letzten Saison nicht gerade gesunken sein dürfte. Auch die Forderungen der Polizeigewerkschaften spielen sicherlich in das Agendasetting der Innenminister mit hinein. Nicht unwahrscheinlich also, dass es eine Mischung aus all dem ist, die uns diese Diskussion beschert.

Große Lefert merkt in Bezug auf diesen Druck der Politik auf den DFB nun an, so sehr sei man gar nicht für ein 10-Jähriges Stadionverbot, um dann aber sofort hinterherzuschieben, dass dies natürlich in „extremen Fällen“ angebracht sein könne. Die Frage drängt sich auf, nach welchen Maßstäben dies gemessen werden soll? Vielleicht, wenn sich mal wieder Fußballfans gegen Nazis zur Wehr setzen und damit Antirassismus und Antifaschismus mit Leben füllen. Für den DFB scheinen diese Begriffe lediglich medienwirksame Lippenbekenntnisse zu sein, anders ist nicht zu erklären, dass es zwar hier und da mal die rote Karte für Rassismus gibt, ansonsten aber im Zweifel nicht auf rassistische Vorfälle reagiert wird. Ist dies doch mal der Fall, steht die Strafe in keinem Verhältnis zu anderen Strafen; bei Homophobie und Sexismus scheint der DFB gänzlich blind zu sein.

Die dem Ganzen zugrundeliegende Sicherheitskonferenz versucht Große Lefert hingegen als medial falsch transportiert zu präsentieren, sie sollte „die Position und die Philosophie der Vereine dokumentieren“. Vor allem aber dokumentiert der DFB in diesen Worten und mit diesem Vorhaben sein verschobenes und antiquiertes Fan- und Gesellschaftsbild. Dass auf diese Weise völlig falsche Signale gesendet werden, begreift der DFB offenbar nicht. Das große Glück des DFB ist, dass trotz dieser, so erwartbar wie enttäuschend, schwachen Antwort, der Dialog in der AG Fanbelange kein Ende finden wird.

Darauf konnte der DFB jedoch trotz der unbefriedigenden Antwort spekulieren, schließlich hätte ein Abbruch der Gespräche der derzeit wirkenden Dynamik sicherlich weiteren Anschub geleistet. Mit dem Bekenntnis für den Erhalt der Stehplätze seitens Hendrik Große Lefert wurde auch der wohl wichtigste Kritikpunkt entkräftet, wirkte die Befürchtung eines Rückbaus der Stehplätze doch wie eine Drohung, die der Leiter der Koordinationsstelle Fanprojekte Michael Gabriel nicht zu Unrecht als gefühltes Damoklesschwert charakterisiert.

Die Verbannten mit uns

Der weitere große Punkt, die Stadionverbote, ist jedoch, wie bereits angerissen, mitnichten vom Tisch. Die geplante Ausweitung des „Strafrahmens“ auf zehn Jahre ist, wie Jakob Falk von ProFans treffend formulierte, ein „Schlag ins Gesicht„. Die Signalwirkung dieses Politikums ist frappierend. Bereits die jetzige Regelung, die Stadionverbote mit einer Höchstdauer von 3 Jahren vorsieht, steht zurecht in der Kritik. Die intransparenten Verfahren fördern das Vertrauen in diese Disziplinarmaßnahme nicht. Eher noch wird das Misstrauen durch immer wieder publik werdende Fälle unschuldiger Empfänger eines solchen Verbotes gestärkt. Die Betroffenen haben nur bei wenigen Clubs die Möglichkeit zu den Vorwürfen Stellung zu nehmen und immer häufiger tritt die Polizei mit ihren Gesuchen nach einem bundesweiten Stadionverbot direkt an den DFB, wie bei den jüngsten Stadionverboten in der Fanszene des FC St. Pauli. An Schreibtischen in der Frankfurter Verbandszentrale des DFB kann keine Situation, die zu einem Stadionverbot führen soll, erörtert werden, dort darf nicht Recht gesprochen werden!

Das Mittel des Stadionverbots löst weniger Probleme, als es erst schafft, was inzwischen selbst einige Vertreter_innen der Polizei erkannt haben.

Zumeist bleiben sie weiterhin in ihren Gruppen und fahren nach wie vor organisiert zu jedem Heim- und Auswärtsspiel. Allerdings verbringen sie die 90 Minuten Spielzeit dann häufig an anderen Orten.

Dass dadurch, wie im verlinkten Spiegel Online Artikel, der Hooltra konstituiert wird, trifft sicherlich nicht immer, durchaus aber in einigen Fällen zu. Dies bestärkt nicht nur die These, delinquente Milieus würden im Fußballkontext systematisch erzeugt, sondern dient leider auch wieder als Grundlage für populistische Hetze. Obgleich dieser zusätzliche Arbeitsaufwand für die Polizei eigentlich eine deutliche Sprache sprechen sollte, eben gegen die Maßnahme des Stadionverbots, fordern Innenminister (sic!) und Polizeigewerkschaftler_innen weiter das Mittel bis zum Äußersten auszureizen. Darüber hinaus werden, beispielsweise in München, gerichtliche Kontaktverbote verhängt, womit jungen Menschen verboten ist, den Kontakt zu ihrer Gruppe zu pflegen. Die „resozialisierende Wirkung“ des Verbots, Umgang mit den eigenen Freunden zu haben, erkläre mir mal jemand. In den Augen einiger Sicherheitsfanatiker scheint das jedoch Sinn zu ergeben.

Ohne eine solche völlig überzogene und rechtlich fragwürdige, in den meisten Fällen keinesfalls tragbare Maßnahme, wird „Die Verbannten mit uns“ glücklicherweise stets mehr als eine Phrase oder Solidaritätsbekundung der Fußballfans mit ihren ausgesperrten Freunden sein: gelebter Alltag.

Fortschreitende Kriminalisierung

Während also das Gewaltproblem, so diese Formulierung nicht ohnehin schon eine Übertreibung darstellt, tatsächlich kleiner wird, scheuen sich diverse Protagonisten des Sicherheitswahns nicht, immer abstrusere Maßnahmen zu fordern oder umzusetzen. Generalbundesanwalt Harald Range forderte im Mai diesen Jahres elektronische Fußfesseln und Hausarrest für „notorische Hooligans“, was eine verfassungswidrige Verschärfung ohnehin schon praktizierter Meldeauflagen wäre. Die Polizei setzt derweil auf V-Leute in den Fanszenen, wie im Fall eines Nürnberger Fans. Vielleicht, so könnte man beinahe meinen, würden dann ja Gruppenverbote an den V-Leuten scheitern… wenn es nur nicht so traurig wäre.

Fußballfans werden immer stärker zu Terrorist_innen hochstilisiert, stets natürlich mit dem Verweis auf „die wenigen Radikalen“, derer man habhaft werden müsse und von denen sich die „große Summe der friedlichen Fans“ zu distanzieren habe. Mit dieser Rhetorik werden nicht nur Sachverhalte unzulässig vereinfacht und Fans in nicht zutreffende Kategorien einsortiert, es werden die wahren Probleme verschleiert.

Um nur ein Beispiel eines „wirklichen Problems“ zu nennen, sei auf die Einsätze der Polizei im Rahmen von Fußballspielen verwiesen. In geschlossenen Einheiten der Bundespolizei und der Bereitschaftspolizeien und BFE der Länder herrscht Korpsgeist und Machismo. Dort geht es um „Kriegermännlichkeiten“, um Abschottung, um Vergangenheitsverklärung und Mythenbildung, um Spaß am Erlebnis in der Gruppe und um Verteidigung der eigenen Autorität. Polizeibeamt_innen, die im Einsatz mit Fußballfans konfrontiert werden, sind von konservativen Wert- und Autoritätsvorstellungen geprägt, wodurch unausweichlich Reibungspunkte entstehen. Doch da sie überhaupt nicht geschult sind, mit verbalen Anfeindungen und dem Untergraben ihrer Autorität klarzukommen, eskaliert die Lage oft. Anstatt vernünftige (Aus- und Weiter-)Bildungsarbeit bei Polizist_innen zu leisten, versteifen sich die Lobbyisten der Polizeigewerkschaften in hanebüchene Theoreme über gestiegene Gewaltbereitschaft gegenüber Polizeibeamt_innen. Um die empirisch auch nur im Ansatz haltbar zu machen, wird der Gewaltbegriff zunehmend verwässert, so dass bereits polizeikritische Haltungen als Gewalt gewertet werden. Dass das angesichts oben beschriebener Wirkungen zwischen Fans und Polizei einer Lösung des Konfliktpotentials nicht zuträglich ist, liegt in der Natur der Sache.

Ewiger Irrglaube

In Deutschland gibt es kein Gewalt- oder Sicherheitsproblem im Fußball. Es gibt ein Populismusproblem in Politik und Gesellschaft. Es ist aber leider nicht damit getan, „die Vernünftigen“ dazu aufzufordern, „die Radikalen“ auszugrenzen. Dieser Irrglaube herrscht schon viel zu lange vor.

Nachtrag: Pünktlich zur Veröffentlichung dieses Blogposts, bläst Rainer Wendt zum unzähligsten Male in das Horn einer Beteiligung der Vereine und Verbände an den Kosten der Polizeieinsätze. Wenn Herr Wendt so sehr an den Haushalten von Bund und Ländern interessiert ist, sollte er sich vielleicht dafür einsetzen, mit nüchternem Blick auf die sicherheitsrelevanten Zahlen im Kontext des Fußballs zu gucken und entsprechend Polizeikräfte abzuziehen. Wie wissenschaftlich bewiesen ist, führt weniger Polizei in der Regel auch zu weniger Konflikt und das wäre ja dann eine gewaltreduzierende Spirale und kosteneffizient und… Entschuldigt, ich vergaß, es ist Rainer Wendt, Chefpopulist.

Zweiter Nachtrag: Die Belastung für Polizist_innen ist auch ganz hoch. Nochmal: Einfach nicht so ein Bohei machen…

St. Pauli, Deutschland und die Demokratie

Bernd Georg Spies, Vizepräsident des SC Paderborn hat bei der heutigen Sicherheitskonferenz von DFB und Ligaverband den neuen Verhaltenskodex unterschrieben. Natürlich ist Herr Spies nicht beim SC Paderborn sondern bei unserem FC St. Pauli angestellt tätig, aber offensichtlich nicht in der Lage seine Unterschrift an der richtigen Stelle zu platzieren. Doch sei es drum, wichtig ist nicht wer wo unterschrieben hat, sondern was dort jemand für den FC St. Pauli unterschrieben hat.

Der Verhaltenskodex ist hier abzurufen. Hier findet sich eine erläuternde Pressemitteilung.

Was wurde dort also unterzeichnet. Kommen wir zunächst zu den positiven Punkten:
Die Stehplätze bleiben im deutschen Fußball erhalten. Was eigentlich keiner besonderen Hervorhebung bedürfen sollte, muss leider angesichts populistischer Forderungen in der jüngeren Vergangenheit und der Vollversitzplatzung der Stadien in anderen Ländern (Bsp. England) als absolut positiver Aspekt hervorgehoben werden.

Zudem werden die Mittel für Fanprojekte erhöht. Praktisch wird das so aussehen, dass der Beitrag der Vereine verdoppelt wird. Die bisherige Dreiteilung der Finanzierung von Fanprojekten zu je 1/3 durch Bund, Länder und Vereine gestaltet sich in Zukunft so, dass je 1/4 durch Bund und Länder finanziert wird. Die Vereine tragen zukünftig 50% der Kosten. Effektiv bedeutet das mehr Geld für die Fanprojekte, was positiv zu bewerten ist. Es ist aber kritisch anzumerken, dass sich der öffentliche Sektor wieder einmal aus der Verantwortung stiehlt und seine eigentlichen Aufgaben den Vereinen als privaten (gemeinnützigen) Akteuren überlässt.

Das jedoch ist hinsichtlich der weiteren Beschlüsse, eine Pille, die so schwer zu schlucken nicht ist. So wurde mit der heutigen Konferenz die 2007 beschlossene Limitierung der maximalen Stadionverbotsdauer auf 3 Jahre wieder gekippt. Zukünftig liegt die Höchststrafe im Regelfall bei 5, in Ausnahmefällen bei 10 Jahren. Eine aus rechtsstaatlicher Perspektive fragwürdige Praxis bekommt damit wieder stärkere Auswirkungen. Bekanntlich reicht die Aufnahme eines polizeilichen Ermittlungsverfahren, was beim heute gängigen Sicherheitswahn schnell und vor allem jeder/m passieren kann, zum Kassieren eines Stadionverbotes. Selbst bei gerichtlichem Freispruch kann es also schlimmstenfalls sein, dass die betreffende Person 10 Jahre ausgesperrt bleibt, denn Stadionverbote, gerade die vom DFB verhängten, werden bekanntlich selten zurückgenommen.

Hinsichtlich des alten Leidthemas Pyrotechnik wurden ganz im Sinne der Sicherheitsfanatiker auch endlich Nägel mit Köpfen gemacht. Die unterzeichnenden Vereine erklären, Pyrotechnik in keiner Weise bei Fußballspielen und in deren Umfeld zu dulden und Zuwiderhandlungen konsequent zu sanktionieren. Natürlich stehen in diesem Zusammenhang wieder die guten alten „Fanprivilegien“ auf dem Prüfstand. Eine spekulative Antwort zur Frage, was für Privilegien das sein sollen, erspare ich uns besser. Das alles geschieht, versteht sich, nur „zum Schutz der einzigartigen Fankultur“.

Ferner wurde über weitere Sicherheitstechnik und andere infrastrukturelle und organisatorische Maßnahmen zur Steigerung der Stadionsicherheit diskutiert. Abschließend wir die Pressemitteilung mit zwei wundervollen O-Tönen, der beiden Oberen von Fußballbund und Ligaverband garniert:

„Wer für den Fußball ist, ist gegen Gewalt. Der Schulterschluss der Vereine ist ein wichtiger Schritt und die beschlossenen Maßnahmen sind für mich ein dringend notwendiges Zeichen, dass sich alle der Verantwortung stellen und für mehr Sicherheit eintreten wollen. Zusammen mit Politik, Polizei, Justiz und der großen Masse der friedlichen Fans muss es uns im Sinne des gesamten deutschen Fußballs gelingen, die kleine Gruppe der Störer und Gewalttäter noch besser in den Griff zu bekommen. Ein klares Bekenntnis zu präventiven Aufgaben und gleichzeitig keine Toleranz bei jeder Form von Gewalt – das wird auch weiterhin unser Weg sein.“
(DFB-Präsident Wolfgang Niersbach)

„Der Fußball in Deutschland ist ein Erfolgsmodell und soll es auch künftig bleiben. Wir können stolz sein auf eine traditionsreiche Fankultur mit Stehplätzen und moderaten Eintrittspreisen. Diesen Zustand wollen wir schützen. Und deshalb stellen sich die Klubs ihrer Verantwortung im Sinne von Millionen friedlicher Fans. Vor diesem Hintergrund sind die beschlossenen Maßnahmen unverzichtbar. Dialog und Kommunikation bleiben immer die Grundlage unseres Handelns, ebenso unerlässlich ist aber eine konsequente Bestrafung von Fehlverhalten.“
(Liga-Präsident Dr. Reinhard Rauball)

Vom großartig verschlagworteten Gleichnis Für Fußball = Gegen Gewalt einmal abgesehen, bleiben die grauen Herren natürlich die Erklärung schuldig welcher Zusammenhang noch einmal zwischen Pyrotechnik und Gewalt besteht, doch die Hoffnung dahingehend eine Antwort zu erhalten, die über „Das ist sowieso verboten.“ oder „Das ist gefährlich.“ hinausgeht, habe ich bereits vor einiger Zeit aufgegeben.

Bezeichnend ist die wiederholte Forderung nach Denunziantentum und Distanzierung. Es wird hier eine Konfliktlinie zwischen einer vermeintlichen Norm (friedliche Fans) und ihrer Abweichung (Gewalttäter) gezeichnet, die so nicht existiert bzw. existieren muss. Das ist auch der Punkt, wo Fußballfans unter anderem ansetzen können. Einen derartigen Konflikt zwischen Fans muss es ebenso wenig geben, wie es eine Norm unter Fans gibt.

So bleibt abschließend zu sagen, dass dieses ‚Manifest der Sicherheit‘ sich anschickt einen weiteren Sargnagel für die Fankultur darzustellen. Vereine, Verbände und Politik schnüren das Korsett für kulturelle Entwicklung in den Stehplatzkurven erneut enger. Doch letztlich ist das nur ein erwartbarer Versuch das zu kontrollieren, auf das derartige Institutionen noch nie einen Einfluss hatten. So schrieb einst schon Rudolf Rocker:

„Staaten schaffen keine Kultur, wohl aber gehen sie häufig an höheren Formen der Kultur zugrunde. Macht und Kultur im tiefsten Sinne sind unüberbrückbare Gegensätze.“
(Rocker, Rudolf: Nationalismus und Kultur) 

Lasst uns also hoffen und unser bestes tun, dass auch die hohe Eminenz der Stadionsicherheit an unserer Kultur zugrunde geht. Wer für die Fankultur ist, ist gegen Regeln und Sanktionen.