Freiheit und Hass

Ein Etappensieg für die Fankultur

Wenngleich unsere Mannschaft zuletzt nicht zu siegen im Stande war, hat der Verein FC St. Pauli von 1910 e.V. doch einen unendlich wichtigen Sieg erringen können. Einen Sieg, der über saisonale Zeitrechnungen hinaus höchst bedeutsam ist. Einen Sieg für uns, für die Fans. Sportal vermeldet soeben den Ausgang des neu aufgerollten Prozess vor dem DFB Sportgericht wegen des Kassenrollenwurfes vom Heimspiel gegen die Eintracht aus Frankfurt: Eine Geldstrafe in Höhe von 50.000 Euro.

Zwar ist das immer noch eine horrende Summe für eine Lappalie und bei den in der Quelle genannten 63.000 Euro Einnahmeverlust durch das vorherige, angefochtene Urteil nur eine geringe finanzielle Verbesserung der Straflast, womit das Urteil nachwievor eine Frechheit ist. Eine Frechheit war aber nun ja vom DFB zu erwarten, nur ist die geringe Verbesserung eben lediglich die finanzielle Perspektive. Das große Problem des möglichen Zuschauerausschluss war ja, dass willkürlich Fans ausgesperrt worden wären. Die Argumente wie z.B. Sippenhaft etc. sind zu genüge ausgetauscht und brauchen hier nicht wieder aufgewärmt werden. Wichtig ist jetzt, dass es für dieses Vorkommnis keine Sippenhaft für Fans unseres Vereins gibt.

An dieser Stelle ist es darüber hinaus zwingend notwendig das Präsidium unseres Vereines und alle anderen in diesen Fall involvierten Verantwortlichen ausdrücklich zu loben und ihnen zu danken. Lob und Dank gebührt ihnen für ihren Einsatz für die Fans. Es ist mehr als schön zu sehen, dass sich dieser Einsatz lohnt. Ganz offensichtlich wurde einerseits aus Fehlern der Vergangenheit gelernt und hat andererseits der stete Dialog zwischen Fans und „Offiziellen“ Früchte getragen.

Das Ergebnis des Rückgrates, welches unsere Vereinsvertreter hier bewiesen haben ist als wichtiger Meilenstein zu betrachten und ist doch (leider) nur ein Etappensieg. Wenngleich der DFB offenbar zumindest von Gästesperren abstand nimmt – wofür den Fans von Dynamo Dresden und Eintracht Frankfurt, die an den letzten zwei Wochenenden eindrucksvoll bewiesen, wie wenig Sinn derartige Aussperrungen machen, ausdrücklich Respekt und Anerkennung, eventuell auch Dank und Lob gebührt – gibt es nachwievor Demagogen und Sicherheitsfanatiker, die so etwas für praktikable Handlungsansätze halten.

Auch dem FC St. Pauli steht wieder so eine potentielle Gästesperre ins Haus, nicht als Strafe verhängt vom DFB, sondern, wie ein Autor in Basch #12 treffend schreibt, als Präventionsmaßnahme einer hilflosen, gar überforderten Polizei. Auch hiergegen haben unsere, beinahe zu kleinen ‚Enfants terribles‘ gemauserten Vereinsoberen Einspruch eingelegt und füllen damit letzlich die hohle Werbephrase des anderen, unangepassten Bundesligaclubs endlich mit etwas Leben und Inhalt. Doch genau daher spreche ich von einem Etappensieg, denn erst wenn DFB, Polizei, Medien und auch die „normalen“ Fans eingesehen haben, wie widersinnig Fanaussperrungen jeder Art sind, können wir davon sprechen einen echten Sieg für die Fankultur im Profifußball errungen zu haben.

Insofern gilt es sich jetzt auf ein ausverkauftes Millerntor gegen Union Berlin zu freuen und im Anschluss für ein ausverkauftes Millerntor gegen Hansa Rostock zu kämpfen, in dem nicht nur braun sondern auch blau mit weiß und rot in farbliche Komposition treten können wird.

Und so verbleibt mir nur mit dem Lieblingszitat eines guten Freundes abzuschließen:

Das Einzige, das größer ist, als unsere Liebe zur Freiheit, ist unser Hass auf diejenigen, die uns diese Freiheit nehmen wollen.

Link zur Meldung auf der Vereinshomepage

Veröffentlicht von

Hugo Kaufmann

Geboren nahe einem Bauernhof in Norddeutschland wuchs Hugo in ländlicher Idylle auf. Von der Ruhe genervt zog er mit Anfang 20 in die weite Welt hinaus, getrieben von dem Ziel fortan an jeder etwas größeren Revolution teilzunehmen. Letztlich strandete er in Hamburg, wo der FC Sankt Pauli sein Revolutionsersatz wurde. Er glaubt weiter an das schöne Leben in der klassen- und herrschaftslosen Gesellschaft, weiß aber, mit Sankt Pauli wird das nicht erreicht. Es folgte die Flucht in digitale Welten, wo er das Lichterkarussell im alkoholisierten Überschwang “erfand”. Fehlende Ahnung wird seither mit exzessivem Fremdwortgebrauch zu kaschieren versucht. Halbwegs gebildete Menschen durchschauen das natürlich sofort. Motto: “Auch wenn alle meiner Meinung sind, können alle unrecht haben.”

  • http://flickr.com/photos/spanier spanier

    bei deiner mischung von braun und blau mit weiss und rot, ist mir ein bisschen kotze im mund hochgekommen.

    aber sonst ist dein text richtig und gut.

    scheiss dfb.

    • http://lichterkarussell.net Lichterkarussell

      Ich habe mir weder unsere noch deren Vereinsfarben ausgesucht 😉

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  • Meckererer

    Was aber irgendwie nicht zusammenpasst sind die Aussagen des DFB-Richters „Wir haben diesen Fall dezidiert und separat von anderen Vorfällen behandelt.“ und unseres Gernot „Dies ist jedoch das Resultat aus der Vorgeschichte, die wir haben.“ Entweder hat da jemand was nicht verstanden oder einfach Blödsinn geredet.

    Und wie der Richter trotz der eigenen Erkenntnis „Es liegt kein Hooliganismus oder Fanatismus vor, keine Schädigungsabsicht und kein Aggressionsverhalten.“ noch eine derart hohe Strafe aussprechen kann erschließt sich mir auch nicht. Andere Vereine holen sich das Geld ja vom Verursacher zurück (wir zum Glück nicht), und mit so einer Summe würde ein Abiturient wohl auf Jahrzehnte ins Schuldnerleben gedrückt.

    Aber seis drum, mit dem Spruch müssen und können wir wohl leben.

  • http://santapauli.wordpress.com Jekylla

    Ausser der Befriedigung des puren Eigeninteresses von 5.800 (auch meines) jetzt nicht mehr Aussperrgefährdeten lässt mich dieses Urteil nicht gerade jubilieren. Für einen Wurf einer Kassenrolle, der niemanden verletzt hat, durch einen „Täter“, der geständig und reumütig war, wegen der Vorgeschichte des Vereins (!) eine Strafe in dieser Höhe auszusprechen, ist nichts Dolles. Gut finde ich auch, dass der Verein gegen die DFBMerkwürdigkeiten bis dahin vorgegangen ist, aber letztendlich ist es doch wieder eine der Tat unangemessene Strafe, obwohl man beim DFB die Besonderheit der Tat einräumt, sie aber dann doch wieder mit der Vorgeschichte vermischt. Nicht gut, nicht toll.

  • http://lichterkarussell.net Lichterkarussell

    @Meckerer @Jekylla

    Nicht von der Hand zu weisende Punkte, definitiv.
    Mir ging es hier jetzt erst einmal um den Erfolg aus rein „fankultureller Perspektive“ und da zählt vordergründig, das Fans nicht die Freiheit den Stadionbesuch wahrzunehmen verwehrt wird. Ob und inwiefern der DFB nun gut und gerecht ist, dazu möchte / sollte ich mich gesondert äußern. Folgt.

    • http://www.santapauli.wordpress.com Jekylla

      Sicher geht es vordergründig erstmal um die nicht stattfindende Teilaussperrung. Aber m.E. ist ausgerechnet in einem völlig von den üblichen Vorkommnissen losgelösten Fall -wie selbst die Richter zugestanden haben- die Chance vertan worden, mehr als nur etwas Vorfergründiges zu erreichen. Die fankulturelle Perspektive gut und schön, aber dann kann man sich im Grunde doch auch Echauffierungen über die DFB-Gerichtsbarkeit in Zukunft sparen, wenn die Hauptsache die fankulturelle Perspektive ist und nicht das Gesamtpaket der Strafenwillkür des DFB.

      Verstehen Sie mein Problem? Da ist das Hemd dann wieder näher als die Hose und dieses Gemeinschaftskampfgefühl weicht ganz schnell der persönlichen Erleichterung, nicht von seinem Stehplatz ausgeschlossen zu werden. Da hab ich ein Problem, da kann ich nicht anders. Freude sieht bei mir anders aus.

      • http://lichterkarussell.net Lichterkarussell

        Mich erfreut nicht persönliche Erleichterung auf meinen angestammten Stehplatz zu können. Zynisch könnte ich entgegnen die Aussicht auf knapp 6.000 Ausgesperrte beflügelte meine feuchten Randaleträume. Nein es geht nicht um etwas persönliches. Ich echauffiere mich ja auch über die Aussperrung von Gästefans am Millerntor, wenngleich ich davon persönlich wenig betroffen bin.

        Ich sehe den Fall nicht wie du, als völlig von üblichen Vorkommnissen losgelöst an, aber dazu gesondert mehr (das Posting ist fast fertig, nur Geduld). Echauffieren über die DFB Gerichtsbarkeit sollte in meinen Augen auch weniger die Art eines Urteils, sondern die DFB-Gerichtsbarkeit als solche zum Ziel haben.

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