Mitgliederversammlung des FC Sankt Pauli im Jahr 2012

Am 26.11.2012 zieht es uns wieder ins CCH um in stundenlangem Gähnwettbewerb die Geschicke unseres Vereins zu lenken, bei viel zu hohen Getränkepreisen und schlechter Bockwurst. Sei es drum, geschissen sei auf die Längen, auf die Preise, auf das Asbest in den Wänden. Diese Veranstaltung ist wichtig und es kann eigentlich keine Ausreden geben, dem fern zu bleiben. Gestern wurden die Anträge veröffentlicht, daher empfielt sich eine kurze Übersicht.

Anträge

1) Der erste Antrag rekurriert auf einen Artikel dieses Blogs, der zu den Meistgelesenen zählt. Dass sich nun ein JHV Antrag daraus speist, unterstreicht nur einmal mehr, welche Wellen dieser – zugegeben leicht polemische – Text und sein Hintergrund geschlagen hat. Zurecht! Mitunter könnte es an dieser Stelle das erste mal hoch her gehen. Sollte dem so sein, so ist das als komödiantische Zwischeneinlage zu verbuchen. Popcorn nicht vergessen!

Antrag: Die Mitgliederversammlung möge beschließen, die beiden auf dem Südkurvenvorplatz ausgelegten Danksagungs-Pflastersteine für Torsten Vierkant und Wolfgang Helbing zu entfernen.

Begründung: Die Pflastersteine sind keine durch die Mitgliederversammlung beschlossene Ehrung oder andersartige Ehrung durch den FC St. Pauli, wurden aber dennoch mit der Aufschrift „Der FC St. Pauli dankt …“ auf einem öffentlichen Platz ausgelegt. … Es handelt sich um eine „Ehrung“ für Verdienste für den Verein, die unter anderem im Rahmen eines Angestelltenverhältnisses erbracht wurden. … durch die unter dem Namen „Stolpersteine bekanntgewordene Ehrung von Opfern des NS-Regimes und die hierfür verlegten Gedenksteine vermitteln diese „Ehrungspflastersteine“ … ein Gefühl der Respektlosigkeit und Überhöhung.

Lichterkarussell Wahlempfehlung: Dem Antrag ist stattzugeben.

***

2) Im zweiten Antrag geht es um die Erhöhung der zur Verfügung gestellten Plätze für Rollstuhlfahrer_innen. Man sollte meinen, einem Verein wie dem FC Sankt Pauli lägen Rollstuhlfahrer_innen soweit am Herzen, dass die Mindestanforderungen des Stadionhandbuchs erfüllt würden. Gerade wir, so war ich immer der Meinung haben ohnehin eine hohe Quote von Menschen mit (körperlichen) Behinderungen in unseren Reihen, eben weil wir uns gegen Diskriminierungen engagieren. Der Antrag geht nun nicht mal so weit, die Mindestforderungen des DFL Stadionhandbuches zu fordern, sondern hebt lediglich auf die der UEFA ab, die doch weit darunter liegen. Die Anpassung der Kapazität ist ein wichtiges und unterstützenswertes Anliegen.

Antrag: Die Mitgliederversammlung möge beschließen, dass das Präsidium sicherstellt, persönlich oder durch Ausübung der Gesellschafterrechte des Vereins in der Millerntorstadionbetriebsgesellschaft (MSB), dass nach Fertigstellung des Stadions, bzw. zu Beginn der Nutzung der neuen Nordtribüne eine Kapazität von mind. 180 Rollstuhlfahrerplätzen/sog. Läuferplätzen außerhalb von „VIP-Plätzen“ (Loge/Businessseats) samt Infrastruktur (Parkplätze/Toiletten/Rolli zugängliche Kioske) vorhanden sind. Dabei ist zu beachten, dass mind. 120 dieser Plätze Rollstuhlfahrern vorbehalten werden sollten (2/3). Von einer Abgrenzung der Rollstuhlfahrer in Heim- und Auswärtsfans ist nach Möglichkeit abzusehen.

Begründung: Das Millerntorstadion verfügt aktuell über 48 Rollstuhlfahrerplätze und ungefähr die gleiche Menge an sog. Läuferplätzen. Gemäß Stadionhandbuch (…) der Deutschen Fußball Liga (DFL) ist die Musterversammlungsstättenverordnung (…) § 10 zu beachten. Gemäß diesem Paragraphen ist eine Kapazität von 1% für körperlich behinderte Fans vorzuhalten, was bei einer geschätzten Endkapazität von 30.000 Zuschauerplätzen einer Kapazität von 300 Plätzen entspräche. Da jedoch anscheinend diese Regelung keine Beachtung gefunden hat, ist auch den Einreichenden dieses Antrags klar, dass das Erreichen dieser Kapazität für den FC St. Pauli respektive die MSB schlicht utopisch ist. Da jedoch der FC St. Pauli und seine Fans über die Stadtgrenzen Hamburgs hinweg für ein hohes soziales Engagement und gegen eine Ausgrenzung von Menschen aufgrund ihrer körperlichen Gegebenheiten stehen, betrachten die Einreichenden es als unabdingbar, zumindest die Richtzahl des UEFA-Stadionhandbuches zu erreichen. In diesem heißt es …, dass Rollstuhlfahrern ab einer Kapazität von 20.000 Zuschauerplätzen eine Kapazität von 150 Plätzen zzgl. 3 Plätzen je zusätzlicher 1000 Plätze zu gewähren ist. Dies bedeutet …, dass mindestens 180 … Plätze für Rollstuhlfahrer bzw. „Läufer“ vorhanden sind – eine Quote von 0,6 % der Gesamtkapazität. Nach Rücksprache (in Gremienarbeit) mit den Betroffenen bzw. dem Behindertenbeauftragten des FC St. Pauli, sehen die Einreichenden es als zwingend notwendig an, diese Anzahl an Plätzen vorzuhalten. Wir bitten daher die Mitgliederversammlung, diesen Antrag anzunehmen, im Sinne des gemeinschaftlichen Stadionerlebnisses aller Fans …

Lichterkarussell Wahlempfehlung:  Dem Antrag ist stattzugeben.

***

3) Es folgt der erste wirklich kontroverse Antrag, sollten nicht schon die Pflastersteine die Halle zum Kochen gebracht haben, wird dieser Antrag es ganz sicher tun. Die Vorraussetzungen dieses Antrages könnten strukturell schlechter kaum sein, braucht es doch einer 3/4 Mehrheit um ein Präsidiumsmitglied oder das gesamte Präsidium abzuberufen. Doch wie steht es um die Chancen, dass eine solche Mehrheit auf der Versammlung erreicht würde? Das ist wahrlich schwer zu beurteilen. Fest steht, dass gerade Gernot Stenger sich den Unmut der aktiven und organisierten Fanszene zugezogen hat. Dabei geht es nicht nur, aber nicht zu kleinen Teilen, um die Rolle Gernot Stengers in der Kommission zur Ausarbeitung des umstrittenen DFL-Papiers „Sicheres Stadionerlebnis“. Andere Punkte wären sein zu geringes/lange ausbleibendes Engagement gegen die Polizeiwache / für das Museum, sowie eine moralingetränkte Grundhaltung bei Entscheidungen die oftmals völlig entgegen der Interessen von Fans ausfallen. Gerade auf das DFL Papier und die damit verbundenen Zusammenhänge stützt sich die Begründung dieses Antrags. Stenger wird darin vorgeworfen, nicht nur an den Maßnahmen mitgearbeitet zu haben, sondern diese als unterschriftsfähig bezeichnet zu haben. Außerdem habe Gernot Stenger gegenüber Fanladen und Fanvertretern diesbezüglich die Unwahrheit gesagt. In einer heute Abend erschienenen Stellungnahme zu diesem Antrag streitet Stenger beide Vorwürfe ab. Es ist für uns an dieser Stelle nicht nachvollziehbar, wie die Debatte um das Papier im Detail ablief. Es scheint jedoch ratsam, daran zu erinnern, dass wir mit Stengers Wortgewandtheit, die er aus seiner Erfahrung als Rechtsanwalt zieht, nicht selten unsere Erfahrungen machen mussten. Lässt Stenger also folgendes verlautbaren: „Dabei ging es um eine Besprechung mit dem Ständigen Fanausschuss, in der ich nach im „Kicker“ veröffentlichten Thesen – als Zusammenfassung der zentralen Maßnahmen des Diskussionspapieres – gefragt wurde, welche ich bis dato nicht kannte. Ich antwortete daher wahrheitsgemäß, dass mir diese Thesen nicht vorgelegen haben […].“ So heißt  das mitnichten, dass er nicht gelogen habe. Es liegt hier durchaus im Rahmen des Möglichen, dass die Worte so bewusst gewählt werden, dass legte man sie auf die Goldwage der Vorwurf des Lügens nicht haltbar ist, bei allgemeiner Betrachtung aber sehr wohl haltbar sein könnte. Klarheit kann letztlich nur der STFA und der AR herstellen.

Stellt sich die Frage, ob man Gernot Stenger abberufen sollte, oder nicht. Es fällt schwer hier eine klare Ansage zu machen. Es ist unklar, wie der Rest des Präsidiums auf eine mögliche Abwahl reagiert. Auch ist es schwer auszumachen, wie sich der Verlust Stengers auf die Arbeit des Präsidiums auswirkt. Grundsätzlich muss man sagen, dass es wünschenswert wäre, das gesamte Präsidium ginge. Gerade angesichts dessen, dass es keinen Antrag gibt, der das allgemeine weitere Vorgehen mit dem Präsidium begleiten lässt, macht mindestens das kommende Jahr zur Zerreißprobe für Verein, Fans, Mitglieder und Vorstand. Eine Einschätzung freilich, die maßgeblich auf den Erfahrungen der letzten Wochen fußt.

Antrag: Beantragung der Abberufung des Vizepräsidenten Gernot Stenger gemäß § 13 Abs. 6 der Satzung

Begründung: Gernot Stenger ist im Präsidium unter anderem zuständig für Fanbelange und Faninteressen. Er handelt jedoch … nicht im Sinne der Fans, sondern … gegen deren Interessen. So war er an der Erarbeitung eines „Sicherheitspapiers“ beteiligt, welches erhebliche Verschärfungen der Bedingungen für Fans bedeuten würde. Die dort vorgeschlagenen Maßnahmen wurden jedoch von ihm nicht nur mit erarbeitet, sondern von Herrn Stenger auch ausdrücklich als unterschriftsfähig bezeichnet. Zudem hat Herr Stenger bezüglich der geplanten Maßnahmen gegenüber dem Fanladen und Fanvertretern wissentlich die Unwahrheit gesagt. Ein solches Verhalten widerspricht nicht nur den Interessen vieler Fans, sondern … auch den Leitlinien unseres Vereins und ist daher in einer leitenden Funktion im Verein nicht tolerabel

Lichterkarussell Wahlempfehlung:  Der Antrag birgt großes Konfliktpotential. Eine abschließende Empfehlung kann hier nicht ausgesprochen werden. Die Chancen, dass die nötige 3/4 Mehrheit erreicht wird, erscheinen gering. In Erwägung diese Einschätzung trifft zu, bietet sich ein Stattgeben des Antrags als „Schuss vor den Bug“ an.

***

4) Bei Viagogo gibt es bereits Karten für den FC Sankt Pauli zu erwerben. Beim HSV führte das zu einem großen Krach. Für uns sollte eine Absage an diese und ähnliche Plattformen eine Selbstverständlichkeit sein. Wer soziale Verantwortung auf seine Fahnen schreibt, wer glaubwürdig gegen den Schwarzmarkt kämpfen will (was war gleich das Hauptargument für elektronische Einlasskontrollen?!), der kann nicht einen Zweitvermarkter wie Viagogo Tickets für exorbitante Preise verhökern lassen. Bin gespannt auf die Kommentare von Seiten des Vorstands und der Geschäftsführung zu diesem Antrag. Die Wahlempfehlung fällt jedoch wieder eindeutig aus.

Antrag: Die Versammlung möge beschließen, einen Verkauf von Ticketkontingenten, auch nicht verkaufter Restkontingente, durch einen Zweitvermarkter zu untersagen. Der Verein muss sicherstellen, dass die Tickets für sämtliche Liga und Pokalspiele nationaler und internationaler Wettbewerbe zum Originalpreis zzgl. der üblichen Vorverkaufsgebühren den Mitgliedern und Fans zugänglich gemacht werden.

Begründung: Der Verein stand und steht … für Gleichberechtigung und soziale Verantwortung. Der Zwischenverkauf an einen Zweitvermarkter bedeutet nach bisheriger Erfahrung … eine unverhältnismäßige Verteuerung der zur Verfügung stehenden Tickets. Wir … sind der Meinung, dass dies nicht im Sinne der Mitglieder und Fans sein würde. Wir sollten daher der jetzigen und den zukünftigen Vereinsführungen … ein klares Votum geben, dieses wertvolle Gut zu schützen.

Lichterkarussell Wahlempfehlung: Dem Antrag ist stattzugeben. 

***

5) An Stelle Fünf steht ein Antrag zum umstrittenen DFL-Papier „Sicheres Stadionerlebnis“. Auch beim Lichterkarussell, hat Tom Machir dazu einen mehr als lesenswerten Text geschrieben. Die Argumente gegen das Papier sind so vielfältig, wie einleuchtend. Das Thema bei Fußballfans derzeit so Präsent, wie kaum ein anderes. Der Antrag zielt darauf ab, das aktuelle Papier, aber auch möglicherweise kommende Papiere und einzelne im Papier genannte Maßnahmen zu verhindern, außer sie sind mit Fanvertreter_innen etc. erarbeitet. Durch die Einschränkung wird nicht nur eine Tür offen gehalten, sie gibt auch klar den Weg vor, der zu gehen ist, sollte es (und davon ist auszugehen) Bestrebungen geben ein neues DFL Papier zu entwerfen. Ohne Fans, hat der FC Sankt Pauli die Tür geschlossen zu halten. Ein gut formulierter und runder Antrag. Auf die mündlich erfolgende Begründung darf man erfahrungsgemäß gespannt sein.

Antrag: Die Versammlung möge beschließen:
Das Präsidium wird beauftragt, das unter dem Titel „Sicheres Stadionerlebnis“ bekannt gewordene Maßnahmenpaket der DFL bei allen künftigen Abstimmungen abzulehnen. Dies gilt ebenso für alle eventuell einzeln zur Abstimmung stehenden, in der Präsentation genannten Maßnahmen. Das Präsidium wird weiterhin beauftragt, auch künftige Maßnahmen und –pakete, welche eine Verschärfung von Kontrollen, Sicherheitsauflagen o.ä. beinhalten, bei Abstimmungen bei DFL und DFB abzulehnen. Auszunehmen sind Maßnahmen, welche gemeinsam mit Fanvertretern, Fanprojekt und zuständigen Vereinsmitarbeitern erarbeitet und beschlossen wurden.

Begründung: Erfolgt mündlich auf der Versammlung

Lichterkarussell Wahlempfehlung: Dem Antrag ist stattzugeben. 

***

6) Ein Antrag, der so einleuchtend ist, dass er eigentlich keiner weiteren Ausführung bedarf: Wir haben genug Logen und teure Plätze, kein Schritt weiter. Vor allem zielt dieser Antrag wohl auf die Nordpolloge ab, die an gewohnter Stelle im Favela-Look den ganz besonders spröden Schicki-Micki-Werber-Charme am Millerntor versprühen soll. Die Bewertung der Nordpolloge ist grundsätzlich stets von Ambivalenz geprägt gewesen. Einerseits passte sie besser zum alten Millerntor, als die Doppelstocklogen der Haupttribüne, andererseits eröffnete sie weitere teure Plätze jenseits der etablierten Hochpreisblöcke auf Süd- und Haupttribüne. Dazu kamen seinerzeit die Querelen um die Positionierung. So wurde unter anderem dem Fanladen gesagt, es gebe dort keinen Platz für deren Container, kurze Zeit später stand das neue Edeldomizil mit Bierbahn. Letztlich ertragen wurde die Loge unter der Prämisse, dass es sich mit dem Abriss der alten Gegengerade auch mit der Loge erledigt habe. Dass diese nun wieder zur Diskussion steht macht nachfolgenden Antrag wohl zwingend nötig.

Weiteres Themenfeld ist – und da brachte mich erst ein Freund drauf – die Frage, ob dieser Antrag die Bestrebungen, die Business Seats auf der Süd loszuwerden konterkariert. Ich habe darüber kurz sinniert und bin zum Schluss gekommen, dass dem nicht so ist. Wir werden diese Business Seats nicht über das Verschieben auf andere Tribünen los. Dafür fehlt dort nicht nur die Infrastruktur, sondern auch der Platz. Das Kind ist in den Brunnen gefallen, als der Bau der Haupttribüne vorgezogen wurde und damit das Finanzierungsmodell auf ein kreditbasiertes umgestellt wurde. Seit dem liegt es dort und ein rettendes Seil scheint nicht in Sicht. Hierzu werden Verhandlungen verschiedener Akteure vonnöten sein. Sollten derartige Verhandlungen scheitern, bliebe noch der Weg über einen JHV Antrag zum Rückbau. Dies wäre wohl tatsächlich mit Problemen bei der Kredittilgung verbunden, was pessismistisch gesehen durchaus zum Lizenzentzug führen könnte (worst case). Dieses Finanzierungsmanöver, das den FCSP über Jahre hinweg an „Sachzwänge“ bindet, bleibt der größte dem Präsidium zu machende Vorwurf. Eine kolossale Fehlentscheidung!

Antrag: Die Jahreshauptversammlung … möge beschließen, dass keine weiteren Logen, logenartigen Plätze, Business Seats, oder andere, als hochpreisig und exklusiv anzusehende Plätze vorübergehend oder dauerhaft im Millerntorstadion eingerichtet werden sollen, außer den bereits auf Südkurve und Haupttribüne Bestehenden. Präsidium und Aufsichtsrat werden beauftragt, die Umsetztung dieses Punktes in der laufenden Geschäftsführung sowie bei der Gestaltung und dem Abschluss von Verträgen sicher zu stellen und dazu ggf. auch Gesellschafterrechte in Tochtergesellschaften zu nutzen und auf eine entsprechende laufende Geschäftsführung in diesen hinzuwirken.

Begründung: Das Millerntorstadion verfügt bereits über eine mehr als ausreichende Anzahl von Business Seats und Logen auf Südkurve und Haupttribüne, so dass die Gegengerade und Nordkurve klassische Tribünen bleiben und als solche frei von derartig exklusiven Plätzen sein sollen. … im Bereich der Nordkurve bzw. zwischen Nordkurve und Gegengerade besteht bereits ein Platzproblem, das zu langen Wartezeiten beim Ein- und Auslass sowie einer Überfüllung des Versorgungsraums führt. Im Bereich der Nordkurve stehen aufgrund der Baumaßnahmen bereits jetzt nur eingeschränkt Versorgungseinheiten und sanitäre Einrichtungen zur Verfügung, letztere befinden sich teilweise aktuell in dem Bereich zwischen Gegengerade und Nordkurve. Dieser Bereich ist daher für die Einrichtung weiterer Plätze ungeeignet.

Lichterkarussell Wahlempfehlung: Dem Antrag ist stattzugeben. 

***

7) Ein Antrag der für eine Raucherpause prädestiniert ist. So sinnvoll das Anliegen der Antragstellerin ist, so gering ist die Tragweite dieses Antrags. Er wird eine Information ausspucken, sollte er angenommen werden. Yeah!

By the way: Die Begründung hätte man auch kürzer fassen können, aber da bin ich wohl genau der falsche, der das anprangert. 😀

Antrag: …beantrage ich eine Aufschlüsselung der, dem Kartencenter bei dem Versand von Karten für die Heim- und Auswärtsspiele tatsächlich entstehenden Kosten, bzw. eine Information über die Verwendung von eventuell in diesem Bereich erwirtschafteter Gewinne.

Begründung: Für den Versand von online oder telefonisch bestellten Karten erhebt das Kartencenter eine Versandkostenpauschale von 4€ (… Allgemeine Geschäftsbedingungen für den Erwerb und die Verwendung von Eintrittskarten des FC St. Pauli … Punkt 3). Inhaber von Auswärtsdauerkarten zahlen zu Beginn der Saison eine Pauschale von 30€. Verschickt werden die Karten als Standardbrief (0,55€) der Deutschen Post und sind somit unversichert. Überschlägt man die Kosten für Porto, Umschlag und Arbeitsaufwand scheint ein Erreichen der gezahlten 4€ pro Versand unwahrscheinlich. Im Fall der Auswärtsdauerkarten erfolgt der Versand der Karten in mehreren Blöcken. Der Versand der Karten für die ersten neuen Auswärtsspiele der Saison erfolgte in drei Lieferungen. Es ist demnach davon auszugehen, dass für die ganze Saison 2012/2013 etwa 6 – 7 Sendungen nötig werden. Selbst bei Berücksichtigung der für die Einzelkarten erhobenen Versandkostenpauschale von 4€ wird hier ein Restbetrag bleiben. Sowohl für regelmäßige Auswärtsfahrer (ob mit oder ohne Auswärtsdauerkarte) als auch für Heimspielbesucher ohne Dauerkarte, die nicht die Möglichkeit haben, die Karten am Schalter … abzuholen entstehen durch die … Versandkostenpauschale zusätzliche Kosten in nicht unerheblicher Höhe. Einzeln  bestellte Auswärtskarten werden um etwa ¼ des Kaufpreises verteuert und auch bei Heimspielkarten, die in der Regel für zwei oder drei Spiele gleichzeitig bestellt werden können, entstehen zusätzliche Kosten im Höhe des Wertes von zwei oder drei Stehplatzkarten pro Saison.  … außer Frage, dass der Versand von Karten Geld kostet, jedoch scheint es fraglich, dass der Betrag von 4€ durch den unversicherten Versand als Standardbrief aufgezehrt wird. … fordere ich hiermit den FC St. Pauli auf, die Zusammensetzung der Kosten für die Versandkostenpauschale sowie die Verwendung der überschüssigen Gelder offenzulegen.

Lichterkarussell Wahlempfehlung: Dem Antrag kann ohne weiteres stattgegeben werden.  Oder rauchen.

***

8) Das Präsidium kommt mit ihrem beinahe schon obligatorischen Antrag zum Schluss. Es geht, wie sollte es anders sein, um die Polizeiwache. Manch einer spottete auf Facebook, der Antrag sei mit Absicht so gestellt, dass man ihm nicht zustimmen könne. Andere widerum wollten nicht so weit gehen dem Präsidium auch nur den Hauch von taktischer Rafinesse zu unterstellen. Ganz gleich, wie es nun ist oder nicht, es erscheint wichtig sich anzugucken, worauf dieser Antrag hinaus will. Behandelt werden zwei Dinge, nämlich erstens, die Verwaltungskostenpauschale und zweitens, die Ticketpreise. Beides sollen Instrumente sein, den Bau einer externen Polizeiwache, also den Neubau der Domwache zu finanzieren. Wir wollen hier nun nicht darauf abheben, dass so etwas ja eigentlich von öffentlichen Geldern finanziert werden sollte, der Fall ist hinlänglich diskutiert.

Für die Verwaltungskostenpauschale wurde schon auf der AFM JHV in diesem Jahr der Weg geebnet. Eine Abstimmung bei der ich mich enthalten habe, weil ich schon befürchtete, dass es nicht nur (oder gar nicht) um die Finanzierung des Museums gehen würde, sondern um die Finanzierung der Polizeiwache. Die Erhöhung der Pauschale bedeutet, dass der Zweck der Mitgliedsbeiträge so umgestellt wird, dass die Finanzierung der Wache daraus teilweise gedeckt werden kann. Die Mitgliedsbeiträge werden dadurch nicht erhöht, es kommt nur ein kleinerer Teil (im Fall der AFM) bei den Jugendspielern an und ein größerer (vorher nichts) bei der Polizei.

Update: Die Mitgliedsbeiträge sollen nicht direkt die Wache finanzieren, das wäre normalerweise auch rechtlich problematisch, sondern eine Miete der für das Museum zu nutzenden Fläche in der Gegengerade, die die wegfallende Miete der Polizei ersetzt. Hier refinanziert also der Verein (weitestgehend) nur für ein Museum sowieso angefallene Kosten und verschiebt diese Gelder aus dem Verein in die MSB, die sonst eine Deckungslücke hätte.

Über die Ticketpreise ist wenig zu sagen. Weder im Antrag, noch in der Begründung wird expliziert, um welchen Betrag die Tickets erhöht werden sollen. Dies wäre auf der Versammlung zu erfragen.

Grundsätzlich war der Antrag erwartbar, nach allen Statements, die vor allem Michael Meeske in den Medien in den letzten Tagen verlautbaren ließ. Bauchschmerzen dürfte dieser Antrag dennoch bereiten, denn es sind zwar genug Mitglieder und Fans bereit, bei einer Finanzierung des Museums zu unterstützen, den Polizisten eine Wache finanzieren, das möchte fürwahr niemand. Zumal hier für den FC St. Pauli ein gutes Geschäft liegt. Über Mieteinnahmen wird die von Fans finanzierte Wache refinanziert. Nur bekommen nicht die Fans das Geld zurück, sondern der Verein, der sich derzeit nicht im Stande sieht die Polizeiwache zu finanzieren. Hier stecken wir also in einem Dilemma. Entweder du baust den Bullen die Wache, oder sie ziehen in dein Stadion.

Antrag: Der FC St. Pauli ist bestrebt, ein Museum im Stadion zu errichten. Die Verlegung der Stadion- und Domwache in das Umfeld des Stadions, würde in der Gegentribüne … Räumlichkeiten schaffen, die …. zur Errichtung eines Museums genutzt werden könnten. Die Realisierung einer … externen Polizeiwache erfordert neben einem generellen Engagement des Vereins auch die Bereitstellung zusätzlicher Flächen der FHH und … eine entsprechende Finanzierung, wobei beides zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht final geklärt ist. Die in dem Antrag genannte Refinanzierung beinhaltet allerdings noch keine mit der konkreten Einrichtung eines Museums verbundenen Kosten, sondern beschränkt sich lediglich auf die räumliche Unterbringung.
Antrag: … beantragen, vorbehaltlich einer positiven Klärung dieser Punkte, die dann benötigte Refinanzierung von bis zu EUR 150.000 pro Jahr bei einer Laufzeit von 10 Jahren, über eine Erhöhung der Verwaltungskostenpauschale um EUR 43.300 sowie eine entsprechende Ticketpreisanpassung in Höhe des Differenzbetrages umzulegen. Die genaue Höhe und die exakte Verteilung werden dann mit den relevanten Gremien abgestimmt, sobald eine verbindliche Kalkulation vorliegt.

Begründung: Aufgrund seiner umfassenden wirtschaftlichen Verpflichtungen, welche aus dem Umbau des Stadions sowie des Trainingszentrums resultieren, ist es dem Verein nicht möglich durch eine Umschichtung seines Budgets eine derartige Investition zu refinanzieren. Aufgrund der breiten Zustimmung für ein Museum gehen die Antragsteller aber davon aus, dass eine derartige Verteilung der Belastung der einzelnen Betroffenen auf dem Weg zu einem clubeigenen Museum innerhalb des Stadions darstellt. Die konkrete Erhöhung der Verwaltungskostenpauschale um EUR 43.300 entspricht dabei einer Steigerung von (gegenwärtig) ca. 20 Cent pro Mitglied und Monat. Die genannte Summe von EUR 43.300 ergibt sich aus der angedachten Miethöhe für die Stadion- und Domwache.

Lichterkarussell Wahlempfehlung: Vorbehalte gegenüber dem Antrag sind mehr als verständlich.  Eine Wahlempfehlung kann an dieser Stelle nicht ausgesprochen werden. Setzt euch mit den Vor- und Nachteilen, sowie den Konsequenzen auseinander und fällt eine Entscheidung – oder enthaltet euch. Bedenkt, dass bei Ablehnung des Antrags eine externe Lösung der Polizeiwachenproblematik mit größter Wahrscheinlichkeit nicht erfolgen wird.

***

Satzungsänderungsanträge

1) In diesem Satzungsänderungsantrag des Aufsichtsrat, geht es darum, dass dem Aufsichtsrat der Finanzplan früher als bisher vorgelegt wird, damit der Aufsichtsrat seine Prüfaufsicht angemessen wahrnehmen kann. Dieser Antrag stärkt den Aufsichtsrat gegenüber dem Präsidium auf sinnvolle weise.

Antrag: § 20 (Aufgaben des Aufsichtsrats), Abs. 2, 4. Satz:
Alt:
… Er beschließt zu Beginn eines jeden Geschäftsjahres über den vom Präsidium vorzulegenden Finanzplan.

Neu:
… Er beschließt vor Beginn der Kaderplanung des Lizenzspielbereichs für die folgende Saison über die vom Präsidium vorzulegenden Eckpunkte eines Finanzplans. Er beschließt vor Einreichung der Unterlagen für den Lizenzantrag beim Verband über den Finanzplan. …

Begründung: In der bisherigen Praxis wird dem Aufsichtsrat der Finanzplan erst relativ kurzfristig vor der Einreichung der Lizensierungsunterlagen vorgelegt. Dies geschieht gleichzeitig mit der Vorlage des Zwischenabschlusses zum 31.12. des voran gegangenen Kalenderjahres. Dem Aufsichtsrat ist es so kaum möglich die Planungen substanziell zu überprüfen und die darin enthaltenen Prognosen einzuschätzen und kritisch zu bewerten. Eine Korrektur der Annahmen und damit der Planungen ist allein aufgrund des Zeitdrucks im Hinblick auf den letzten Termin für die Einreichung der Lizensierungsunterlagen schon gar nicht möglich. Deshalb benötigt der Aufsichtsrat zur Ausübung seiner Kontrollpflichten eine frühzeitige Information über die planerischen Annahmen und die daraus abgeleiteten Eckpunkte. Nur so ist ggf. eine frühzeitige Intervention und eine entsprechende Korrektur der Planungen möglich.

Lichterkarussell Wahlempfehlung: Dem Antrag ist stattzugeben. 

***

2) Bezüglich dieses Antrags möchte ich die Worte der letzten Basch Ausgabe zitieren, wo ein Ähnlicher Text, wie dieser entstand, nur dass er sich lediglich bei den Satzungsänderungsanträgen am expliziten Antrag abgearbeitet hat. Im Falle dieses Antrags sind die Worte präzise gewählt und die Entscheidungsrelevanten Facetten vollständig benannt:

„Der zwei­te Sat­zungs­än­de­rungs­an­trag des Auf­sichts­ra­tes ist etwas pre­kä­rer. Hier geht es darum, dem Auf­sichts­rat ein Zu­stim­mungs­recht bei Ein­stel­lung und Ent­las­sung lei­ten­der An­ge­stell­ter (Chef­trai­ner, Sport­chef, Ge­schäfts­füh­rer) ein­zu­räu­men. Dies ist in­so­fern „schwie­rig“, als dass dem Auf­sichts­rat somit ef­fek­tiv ein Ein­fluss auf den sport­li­chen Be­reich zu Teil käme. Die ori­gi­nä­re Funk­ti­on des Auf­sichts­ra­tes ist aber le­dig­lich die der wirt­schaft­li­chen Prü­fung. Hier genau wird ar­gu­men­ta­tiv vom Auf­sichts­rat an­ge­setzt. In der Be­grün­dung des An­trags heißt es: „In der Ver­gan­gen­heit ist es wie­der­holt vor­ge­kom­men, dass der Auf­sichts­rat erst un­mit­tel­bar vor der be­ab­sich­tig­ten Ent­las­sung eines Chef­trai­ners in­for­miert wurde. Dabei wurde eine Zu­stim­mungs­er­for­der­nis vom Prä­si­di­um nicht ge­se­hen. Al­ler­dings sind die mit­tel­ba­ren wirt­schaft­li­chen Kon­se­quen­zen einer Ent­las­sung (Auf­he­bungs­ver­trag, Neu­ein­stel­lung eines Nach­fol­gers) dann in aller Regel sehr wohl zu­stim­mungs­pflich­tig.“ Jüngs­ter und wohl ent­schei­den­der Be­zugs­punkt ist wohl die Posse um die Ent­las­sung Schu­berts und die Ver­pflich­tung Front­zecks. An die­ser Stel­le bin ich mir tat­säch­lich un­si­cher. Ich teile zwar die Ein­schät­zung des fi­nan­zi­el­len Be­zugs, der einer Auf­sicht be­dürf­te, eine fak­ti­sche Ent­schei­dungs­macht aber soll­te dem Auf­sichts­rat ei­gent­lich nicht zu­kom­men. Ich ten­die­re aber dazu, auch die­sem An­trag statt­zu­ge­ben, da ich der­zeit jede Re­gle­men­tie­rung un­se­res Prä­si­di­ums be­für­wor­te. Zu be­den­ken ist dabei aber, dass das der­zei­ti­ge Per­so­nal nicht für immer ge­ge­ben ist. Nicht immer wird der Auf­sichts­rat wei­test­ge­hend cool, das Prä­si­di­um wei­test­ge­hend schei­ße sein. Es kann auch mal genau an­ders herum sein, theo­re­tisch zu­min­dest. Hier wäre dann ein Macht­he­bel auf Sei­ten des Auf­sichts­ra­tes ein­ge­baut, der da ei­gent­lich nicht hin­ge­hört. Schwie­rig. Macht euch da auch mal eure Ge­dan­ken und wägt klug ab.“

Antrag: § 22 (Zuständigkeit des Präsidiums), Abs. 3:

Das Präsidium bedarf der vorherigen Zustimmung des Aufsichtsrats für den Abschluss folgender Geschäfte:

Ziffer d) Alt:
Abschluss von Arbeits- und Dienstverträgen, soweit diese den Verin zur jährlichen Zahlung von mehr als 40.000,– Euro verpflichten

Ziffer d) Neu:
Abschluss von Arbeits- und Dienstverträgen, soweit diese den Verin zur jährlichen Zahlung von mehr als 40.000,– Euro verpflichten. (Ergänzung:) Bei Neueinstellungen leitender Angestellter (Cheftrainer Fußball, Geschäftsführer) ist dem Aufsichtsrat vor der Endauswahl eine Kandidatenliste zur Genehmigung vorzulegen.

Neueinfügung der Ziffer h):
h) Freistellung oder Entlassung eines leitenden Angestellten (Cheftrainer Fußball, Geschäftsführer), wobei die beabsichtigte Freistellung oder Entlassung dem Aufsichtsrat so rechtzeitig mitzuteilen ist, dass er die Möglichkeit hat, dem betroffenen leitenden Angestellten noch Gehör zu gewähren.

Begründung: Begründung für beide Punkte:
In der Vergangenheit ist es wiederholt vorgekommen, dass der Aufsichtsrat erst unmittelbar vor der beabsichtigten Entlassung eines Cheftrainers informiert wurde. Dabei wurde eine Zustimmungserfordernis vom Präsidium nicht gesehen. Allerdings sind die mittelbaren wirtschaftlichen Konsequenzen einer Entlassung (Aufhebungsvertrag, Neueinstellung eines Nachfolgers) dann in aller Regel sehr wohl zustimmungspflichtig. Der Aufsichtsrat wird auf diese Weise unter Zugzwang gesetzt und hat nicht mehr die Möglichkeit, seiner Aufsichtspflicht nach bestem Wissen und Gewissen nachzukommen. Ähnliches gilt bei der Neueinstellung eines Cheftrainers oder Geschäftsführers. Wenn dem Aufsichtsrat ein ausgehandelter Vertrag am Tag der internen Vorstellung des ausgewählten Kandidaten vorgelegt wird, besteht für den Aufsichtsrat keine Möglichkeit mehr, flankierend einzugreifen, ohne den Prozess komplett zu stoppen und dem Verein Schaden zuzufügen. Deshalb hält der Aufsichtsrat es für notwendig, bereits die Shortlist der in der Endauswahl befindlichen Kandidaten zur Genehmigung vorgelegt zu bekommen. Denn nur auf diese Weise erhält der Aufsichtsrat die Möglichkeit, wirtschaftliche oder inhaltliche Limits zu setzen, ohne den Auswahlprozess grundsätzlich zu torpedieren.

Lichterkarussell Wahlempfehlung: Dem Antrag kann durchaus stattgegeben werden.  Enthaltungen oder ablehnende Meinungen sind aber durchaus verständlich. Im Sinne einer Kontrolle unseres mitunter frei drehenden Präsidiums erscheint eine Annahme des Antrags sinnvoll. Nichtsdestoweniger darf dieser Antrag nicht in Vergessenheit geraten – unter anderer Machtkonstellation im Verein kann hiermit großer Schaden angerichtet werden. Im Zweifel muss in der Zukunft ein diese Änderung zurücknehmender Antrag gestellt werden.

***

3) Ein unspektakulärer, wie verständlicher Antrag. Der Wahlausschuss möchte gerne in seiner Zahl erweitertert werden, da die Zahl der Abteilungen in den letzten Jahren gestiegen ist. Der Antrag birgt keinerlei Konfliktpotential.

Antrag: § 17 Wahlausschuss, Abs. 1:

Alt:
Der Wahlausschuss besteht aus fünf Mitgliedern, die von der Mitgliederversammlung gewählt werden. …

Neu:
Der Wahlausschuss besteht aus sechs Mitgliedern, die von der Mitgliederversammlung gewählt werden. …

 

Begründung: Seit der Installation des Wahlausschusses im Jahr 2001 hat sich die Anzahl der … durch den Wahlausschuss zu leitenden Wahlen durch die Neugründungen der Abteilungen Boxen, Dart, Marathon, Radsport, Tischkicker, Tor- und Goalball, sowie Triathlon deutlich erhöht. Der Wahlausschuss bittet die Mitglieder … um die Zustimmung, den erhöhten Arbeitsaufwand durch ein sechstes Wahlausschussmitglied abdecken zu dürfen. … erfolgt die nächste Neuwahl des Wahlausschusses auf der nächsten ordentlichen Mitgliederversammlung im Herbst 2013.

Lichterkarussell Wahlempfehlung: Dem Antrag ist stattzugeben. 

***

4) Der einzige Antrag, der etwas komplizierter daher kommt. Hier geht es um den konsolidierten Jahresabschluss. Letztlich wird hiermit eine aus der Professionalisierung (dutzende Gesellschaften etc pp) folgende Konsequenz (konsolidierter Jahresabschluss) in die Satzung eingefügt werden. Wir sehen hier keinerlei Probleme – lassen uns aber gerne eines besseren belehren (dann bitte Kommentar schreiben).

Antrag: § 5 Geschäftsjahr, Jahresabschluss:

Ziffer 2 – alt:
2. Das Präsidium hat einen Jahresabschluss und einen Lagebericht nach handelsrechtlichen Grundsätzen aufzustellen. Jahresbericht und Lagebericht sind von einem Wirtschaftsprüfer oder einer Wirtschaftsprüfungsgesellschaft zu prüfen.

Ziffer 2, 3, 4 – neu:
2. Das Präsidium hat einen Jahresabschluss und einen Lagebericht nach handelsrechtlichen Grundsätzen aufzustellen. Jahresabschluss ( alt: „Jahresbericht“) und Lagebericht sind von einem Wirtschaftsprüfer oder einer Wirtschaftsprüfungsgesellschaft zu prüfen.

(Ergänzung):
3. Das Präsidium hat darüber hinaus einen konsolidierten Jahresabschluss des Vereins und seiner Tochtergesellschaften (Unternehmensgruppe des FC St. Pauli) nach handelsrechtlichen Grundsätzen aufzustellen, sofern und soweit sich nicht aufgrund nationaler oder internationaler Regelungen – insbesondere des Deutschen Fußball-Bund e.V. (DFB), des Die Liga – Fußballverband e. V. (Ligaverband), der DFL Deutsche Fußball Liga GmbH, der UEFA oder ähnlichen Institutionen oder Verbänden des nationalen oder internationalen Lizenzspielbetriebs – ergibt, dass der konsolidierte Jahresabschluss nach anderen Rechnungslegungsgrundsätzen aufzustellen ist.

(Ergänzung):
4. Für den Fall, dass die Aufstellung eines konsolidierten Jahresabschlusses des Vereins und seiner Tochtergesellschaften im Sinne der Ziffer 3 weder nach nationalen noch nach internationalen Regelungen – insbesondere des Deutschen Fußball-Bund e.V. (DFB), des Die Liga – Fußballverband e. V. (Ligaverband), der DFL Deutsche Fußball Liga GmbH, der UEFA oder ähnlichen Institutionen oder Verbänden des nationalen oder internationalen Lizenzspielbetriebs – erforderlich ist, kann die Mitgliederversammlung mit einfacher Mehrheit beschließen, dass kein konsolidierter Jahresabschluss aufzustellen ist.

§ 14 Einberufung der Mitgliederversammlung:

Ziffer 7 – alt:
7. Eine erläuterte Bilanz, eine Gewinn- und Verlustrechnung sowie der Lagebericht des Vereins müssen zwei Wochen vor der ordentlichen Mitgliederversammlung für alle Mitglieder zugänglich auf der Geschäftsstelle des Vereins ausliegen und dürfen von den Mitgliedern gegen Vorlage des Mitgliedsausweises und eines Personaldokuments (Personalausweis/Reisepass) auf der Geschäftsstelle eingesehen werden. Auf Wunsch eines Mitglieds werden diese oben genannten Unterlagen auf seine Kosten zugesandt.

Ziffer 7 – neu:
7. Eine erläuterte Bilanz, eine Gewinn- und Verlustrechnung sowie der Lagebericht des Vereins müssen zwei Wochen vor der ordentlichen Mitgliederversammlung für alle Mitglieder zugänglich auf der Geschäftsstelle des Vereins ausliegen und dürfen von den Mitgliedern gegen Vorlage des Mitgliedsausweises und eines Personaldokuments (Personalausweis/Reisepass) auf der Geschäftsstelle eingesehen werden. (Ergänzung) Gleiches gilt für den konsolidierten Jahresabschluss im Sinne des § 5 Ziffer 3, sofern ein solcher aufgestellt wurde. Auf Wunsch eines Mitglieds werden diese oben genannten Unterlagen auf seine Kosten zugesandt.

Begründung: Der FC St. Pauli von 1910 e. V. hat erstmalig für das Geschäftsjahr 2011/2012 auf Basis der Regelungen der Lizensierungsordnung der DFL Deutsche Fußball Liga GmbH in Verbindung mit dem UEFA-Reglement zur Klublizensierung und zum finanziellen Fairplay einen Konzernabschluss gemäß Handelsgesetzbuch (HGB) aufgestellt, der den Mitgliedern in der für den Einzelabschluss des Vereins gängigen Weise zugänglich gemacht wird. Der vorliegende Änderungsantrag soll diese Praxis bzgl. des konsolidierten Jahresabschlusses in der Satzung durch Einfügung von § 5 Ziffer 3 und einer Ergänzung von § 14 Ziffer 7 verankern. Der neu eingefügte § 5 Ziffer 4 soll den – derzeit nicht absehbaren – Fall einer möglicherweise notwendigen Neubewertung des Kosten-Nutzen-Verhältnisses der Aufstellung eines konsolidierten Jahresabschlusses durch die Mitgliederversammlung berücksichtigen (z.B. bei deutlich gesunkener Komplexität der Unternehmensstruktur).

Lichterkarussell Wahlempfehlung: Dem Antrag ist stattzugeben. 

***

Zusammenfassender Ausblick auf die JHV

Am 26.11.2012 steht uns ein langer Montag Abend bevor, dagegen ist dieser Text noch gar nichts. Das Konfliktpotential ist mit der Veröffentlichung der Anträge nochmals gesteigert worden. Nachdem am Montag Abend auf drei Tribünen deutliche Kritik an Gernot Stenger auf Tapetenbahnen transportierten, steht dieser mit dem Antrag zu seiner Abberufung nun mit dem Rücken zur Wand, was nicht zuletzt durch die bisweilen reaktionär-bissige Stellungnahme seinerseits untermauert wird.

Wenn Metalust um des Vereinsfriedens willen dem gesamten Präsidium den Rücktritt nahelegt, entbehrt das nicht einer gewissen Berechtigung. Die Fronten zwischen Vereinsführung und Fans/Mitgliedern (die Darstellung in zwei homogene Lager ist natürlich arg verkürzt) scheinen nunmehr gänzlich verhärtet. Hatte man schon nach der letzten Jahreshauptversammlung das Gefühl vorhandene Konflikte beinahe künstlich ignoriert zu haben (exemplarisch hierfür der zurückgezogene Baustopp-Antrag oder die Uneinigkeit bei den Fans bezüglich der Business Seats), scheint der Verein ein weiteres Jahr ohne Konsequenzen in der Führungsetage nicht ohne den großen Knall überstehen.

Das Sicherheitspapier bleibt damit tonangebender Einfluss für die diesjährige JHV. Aber auch andere Themenkomplexe, etwa Zuständigkeiten des Aufsichtsrates bieten Diskussionsstoff.

Wir dürfen uns auf eine spannende, aufreibende, lange, anstrengende und vor allem richtungsweisende Jahreshauptversammlung freuen, bei der durchaus in gewissem Umfang die Fetzen fliegen können.

Ist zwar ein Montag und Montag is‘ Kotze, aber da muss man einfach hin!

Lesetipps (Folge 03)

Es ist wieder Zeit für eine neue Folge der Lesetipps, die euch von den Seiten dieses Blogs in andere durchaus lesenswerte Weiten des Internet führen.

Hintergrundrauschen – JHV Kolumne I
(Basch Fanzine)
Der erste Link führt zu den Ultras von Sankt Pauli bzw. besser ihrem Fanzine, wo im ersten Teil einer Kolumne zur anstehenden JHV beim FCSP lesenswert die Problematik um Polizeiwache und Museum auseinandergenommen wird.

Es liegt an uns, dass da noch immer non-es­ta­blis­hed im Logo steht, ob­wohl jeder weiß, dass das nicht stimmt. Und es stimmt nicht, weil uns das nö­ti­ge Durch­set­zungs­ver­mö­gen ab­han­den geht. Wir bil­den uns sonst was auf un­se­re Krea­ti­vi­tät und un­se­re Mit­ar­beit ein, sind aber voll­stän­dig as­si­mi­liert.

Banküberfälle, Rohrbomben und Mordanschläge
(tagesschau.de)
Patrick Gensing, freier Journalist und Blogger bei Publikative.Org hat damit begonnen eine Chronik zu den NSU Morden zusammenzutragen. Auf Facebook sagt er dazu:

hat eine Chronik zum NSU angelegt, mit Videos, Audios, Kommentaren usw. Kein (!) Anspruch auf Vollständigkeit, aber ein Anfang und hoffentlich eine Recherchehilfe. Tbc.

Gerade für Recherchezwecke wirklich ein nettes „Tool“.

Stimmenfang am Stadion
(verbrochenes.net)
Die Redaktion von verbrochenes.net wendet sich mit einem offenen Brief an die Bremer SPDlerin Bettina Scharrelmann und verpasst ihr und ihrer Partei eine verdiente Schelte für die Idee einer Podiumsdiskussion zur vermeintlichen Unterwanderung der Fanszene des SV Werder Bremen durch Neonazis. Schöne Reaktion!

Die Bremer Fanszene besteht entgegen Ihrer offenkundigen Annahme nicht aus naiven Idioten, die von einer klandestinen “Unterwanderung” durch perfide Nazi-Kader bedroht sind. Im Gegenteil, die Fanszene und insbesondere die Ultraszene tun seit Jahren, worüber Sie jetzt reden wollen.

Infos der AG Stadionbau zusammengefasst

Die Diskussion um die Polizeiwache, das Museum und die damit verbundene Finanzierungs- und Umsetzungsproblematik wurde heute seitens des Vereins weiter angeheizt. Michael Meeske, Geschäftsführer des FCSP, hantierte dabei mit Zahlen, die einer näheren Überprüfung wenig standhalten können. Die AG Stadionbau reagierte darauf im Forum gewohnt kompetent. Um dem Gebot der Übersichtlichkeit nachzukommen und die wichtigen aber verstreuten Informationen einfacher zugänglich zu machen, habe ich sie hier einmal in Absprache mit der AG Stadionbau zusammengefasst.

Ich bin nämlich viel zu faul, da immer wieder Links rauszusuchen… 😉

Infos der AG Stadionbau zusammengefasst weiterlesen

Protestkunst aus dem Fanladen…

Museum statt Polizeiwache - Kunstwerk
Protestkunst für nen Ehrenplatz an der Wand

Immer das gleiche Problem – man geht in den Fanladen, um ein Fanzine zu kaufen und kommt mit leerem Portemonnaie, aber tollen Sachen wieder raus. Wenn schon Servicewüste, dann wenigstens Shoppingparadies. 😉

Ein Museum für Sankt Pauli

FC Sankt Pauli Museum: Eintrittskarte

Die Sozialromantiker haben sich unlängst wieder geregt. Nach ihrer Petition „Uns das Stadion, der Polizei den Dom!“ blasen sie jetzt zum finalen Sturmlauf und wenden sich dabei an jeden einzelnen Sankt Paulianer:

„Bitte! Mobilisiert noch einmal all eure Kräfte, all eure Liebe, euer Wissen um unsere Fanszene und wie unterschiedlich sie manchmal daher kommt! Denn unter den Augen der Staatsmacht haben wir alle keine Chance mehr, etwas anderes zu leben oder es wenigstens zu versuchen. Wir kriegen alles selber hin. Und da wo wir es nicht hinbekommen, da müssen wir eben besser werden. Aber dafür brauchen wir UNS! Nicht Polizei und Kameras.“ (Sozialromantiker: Macht Druck auf unseren Verein!)

Am Freitag wird es eine Veranstaltung im Centro Sociale geben:

Museum statt Goliathwache – Vernetzungs- und Aktionstreffen

Liebe Leute, es wird ernst. Die Verhandlungen zwischen Präsidium und Polizei über eine Domwache in der Gegengeraden befinden sich im Endstadium. Wir wollen aber das Museum! Alle wollen es *eigentlich*. Umso absurder, die größte zusammenhängende Fläche im Stadion der Polizei zur Verfügung zu stellen, die auch einen Standort außerhalb akzeptieren würde.Deswegen rufen wir zu einem großen Treffen auf. Ganz egal, welche Vereinssparte, ob Mitglied oder nicht, ob organisiert oder bis jetzt nur passiv dabei: Wer sich in irgendeiner Form für die Realisierbarkeit des Museums engagieren will, wer Ideen hat oder wer einfach nur die Problematik diskutieren möchte, der hat Freitag, den 14.09.2012, Gelegenheit dazu!
Wo: Centro Sociale
Wann: Freitag, 14.09.2012, um 19 Uhr

Verbreitet diesen Aufruf, kommt zahlreich und bringt eure Bezugsgruppe mit. Natürlich sollen auch Menschen kommen, die nicht auf der GG beheimatet sind. (Link zur Veranstaltung bei Facebook)

Die Ausgliederung der Polizeiwache und die Realisierung des Museums sind zwei spannende Themen, die uns alle betreffen. Es zeigt sich, dass diese beiden Themen durchaus Berührungspunkte haben. An dieser Schnittstelle gilt es nun anzusetzen. Wenn wir noch eine Chance haben dahingehend etwas zu bewegen, dann sollten wir das tun.

Wir werden uns weiter mit den Themen bzw. dem Thema auseinandersetzen. Das hier nun erstmal als Überblick über den aktuellen Status.

Propagandamaterial beim Kiezkieker

Dem „kleinen King“ wird wieder der PrOZess gemacht

Prozess gegen OZ vor dem Amtsgericht St. Georg

Prozessbeginn am 28. August, 9:00 Uhr in Raum 0.09

weitere Termine:
4.09., 6.09. und anschließend jeden Dienstag und Donnerstag bis 29.11.2012, jeweils von 9:00 bis 10:00 Uhr

Links: freeoz.blogsport.de > www.free-oz.org

via Kiezkieker

 

 

 

Das „Sicherheitsproblem“ des deutschen Fußballs

Gewalt im Fußballkontext ist entgegen landläufiger Behauptungen rückgängig. Trotz allem entfaltete sich zuletzt eine Dynamik in der Debatte um sichere Stadien, die tatsächlich noch nie dagewesene Dimensionen erreichte. Es ist daher wahrscheinlich nur eine kurze Phase, nun zum Beginn der Saison, dass die Diskussion um das angebliche Gewalt- und Sicherheitsproblem im deutschen Fußball auf einer weniger populistischen Ebene, als zum Ende der letzten Saison, wo im Rahmen des verfrühten Platzsturms der Düsseldorfer Anhängerschaft Politiker_innen und Medienvertreter_innen eine (mal wieder) neue Dimensionen der Randale herbeiphantasierten und gegen „ein paar Bumsdumme“, „Kurventaliban“, etc. hetzten, neu aufgenommen wird. Bereits in der Sommerpause bemerkten einige Medienvertreter_innen im Rahmen ihrer Berichterstattung zur Sicherheitskonferenz, dass es ja tatsächlich merkwürdig anmutet, wie Entscheidungen zu Fanthemen in einer gar spontan wirkenden Zusammenkunft und ohne Fans getroffen werden. Eine leichte Abkehr vom Populismus zeichnet sich ab – er wirkt dennoch auch in der aktuellen Diskussion, er ist die treibende Kraft.

Die Sicherheitskonferenz

Durch das jüngst ausgelaufene Ultimatum der Fanvertreter_innen in der AG Fanbelange und die, zwar nicht sonderlich zufriedenstellende, aber immerhin vorhandene und im Ansatz deeskalierende Reaktion seitens des DFB, hat die Debatte neue Fahrt aufgenommen. DFB-Sicherheitschef Hendrik Große Lefert schiebt im Interview mit der taz die Schuld gar durchweg vom DFB in Richtung der Politik, die ihmzufolge großen Druck ausübe. Tatsächlich werden populistische Forderungen, gerade seitens der Innenminister (Bund wie Länder), immer lauter. Ob hier tatsächlich ein großes Problem gesehen wird, oder das Thema dazu dient Wahlkampf zu machen, kann hier nicht beurteilt werden, es sei aber festgestellt, dass der politische Druck mit der Berichterstattung in Folge der Ereignisse in Dortmund und Düsseldorf zum Ende der letzten Saison nicht gerade gesunken sein dürfte. Auch die Forderungen der Polizeigewerkschaften spielen sicherlich in das Agendasetting der Innenminister mit hinein. Nicht unwahrscheinlich also, dass es eine Mischung aus all dem ist, die uns diese Diskussion beschert.

Große Lefert merkt in Bezug auf diesen Druck der Politik auf den DFB nun an, so sehr sei man gar nicht für ein 10-Jähriges Stadionverbot, um dann aber sofort hinterherzuschieben, dass dies natürlich in „extremen Fällen“ angebracht sein könne. Die Frage drängt sich auf, nach welchen Maßstäben dies gemessen werden soll? Vielleicht, wenn sich mal wieder Fußballfans gegen Nazis zur Wehr setzen und damit Antirassismus und Antifaschismus mit Leben füllen. Für den DFB scheinen diese Begriffe lediglich medienwirksame Lippenbekenntnisse zu sein, anders ist nicht zu erklären, dass es zwar hier und da mal die rote Karte für Rassismus gibt, ansonsten aber im Zweifel nicht auf rassistische Vorfälle reagiert wird. Ist dies doch mal der Fall, steht die Strafe in keinem Verhältnis zu anderen Strafen; bei Homophobie und Sexismus scheint der DFB gänzlich blind zu sein.

Die dem Ganzen zugrundeliegende Sicherheitskonferenz versucht Große Lefert hingegen als medial falsch transportiert zu präsentieren, sie sollte „die Position und die Philosophie der Vereine dokumentieren“. Vor allem aber dokumentiert der DFB in diesen Worten und mit diesem Vorhaben sein verschobenes und antiquiertes Fan- und Gesellschaftsbild. Dass auf diese Weise völlig falsche Signale gesendet werden, begreift der DFB offenbar nicht. Das große Glück des DFB ist, dass trotz dieser, so erwartbar wie enttäuschend, schwachen Antwort, der Dialog in der AG Fanbelange kein Ende finden wird.

Darauf konnte der DFB jedoch trotz der unbefriedigenden Antwort spekulieren, schließlich hätte ein Abbruch der Gespräche der derzeit wirkenden Dynamik sicherlich weiteren Anschub geleistet. Mit dem Bekenntnis für den Erhalt der Stehplätze seitens Hendrik Große Lefert wurde auch der wohl wichtigste Kritikpunkt entkräftet, wirkte die Befürchtung eines Rückbaus der Stehplätze doch wie eine Drohung, die der Leiter der Koordinationsstelle Fanprojekte Michael Gabriel nicht zu Unrecht als gefühltes Damoklesschwert charakterisiert.

Die Verbannten mit uns

Der weitere große Punkt, die Stadionverbote, ist jedoch, wie bereits angerissen, mitnichten vom Tisch. Die geplante Ausweitung des „Strafrahmens“ auf zehn Jahre ist, wie Jakob Falk von ProFans treffend formulierte, ein „Schlag ins Gesicht„. Die Signalwirkung dieses Politikums ist frappierend. Bereits die jetzige Regelung, die Stadionverbote mit einer Höchstdauer von 3 Jahren vorsieht, steht zurecht in der Kritik. Die intransparenten Verfahren fördern das Vertrauen in diese Disziplinarmaßnahme nicht. Eher noch wird das Misstrauen durch immer wieder publik werdende Fälle unschuldiger Empfänger eines solchen Verbotes gestärkt. Die Betroffenen haben nur bei wenigen Clubs die Möglichkeit zu den Vorwürfen Stellung zu nehmen und immer häufiger tritt die Polizei mit ihren Gesuchen nach einem bundesweiten Stadionverbot direkt an den DFB, wie bei den jüngsten Stadionverboten in der Fanszene des FC St. Pauli. An Schreibtischen in der Frankfurter Verbandszentrale des DFB kann keine Situation, die zu einem Stadionverbot führen soll, erörtert werden, dort darf nicht Recht gesprochen werden!

Das Mittel des Stadionverbots löst weniger Probleme, als es erst schafft, was inzwischen selbst einige Vertreter_innen der Polizei erkannt haben.

Zumeist bleiben sie weiterhin in ihren Gruppen und fahren nach wie vor organisiert zu jedem Heim- und Auswärtsspiel. Allerdings verbringen sie die 90 Minuten Spielzeit dann häufig an anderen Orten.

Dass dadurch, wie im verlinkten Spiegel Online Artikel, der Hooltra konstituiert wird, trifft sicherlich nicht immer, durchaus aber in einigen Fällen zu. Dies bestärkt nicht nur die These, delinquente Milieus würden im Fußballkontext systematisch erzeugt, sondern dient leider auch wieder als Grundlage für populistische Hetze. Obgleich dieser zusätzliche Arbeitsaufwand für die Polizei eigentlich eine deutliche Sprache sprechen sollte, eben gegen die Maßnahme des Stadionverbots, fordern Innenminister (sic!) und Polizeigewerkschaftler_innen weiter das Mittel bis zum Äußersten auszureizen. Darüber hinaus werden, beispielsweise in München, gerichtliche Kontaktverbote verhängt, womit jungen Menschen verboten ist, den Kontakt zu ihrer Gruppe zu pflegen. Die „resozialisierende Wirkung“ des Verbots, Umgang mit den eigenen Freunden zu haben, erkläre mir mal jemand. In den Augen einiger Sicherheitsfanatiker scheint das jedoch Sinn zu ergeben.

Ohne eine solche völlig überzogene und rechtlich fragwürdige, in den meisten Fällen keinesfalls tragbare Maßnahme, wird „Die Verbannten mit uns“ glücklicherweise stets mehr als eine Phrase oder Solidaritätsbekundung der Fußballfans mit ihren ausgesperrten Freunden sein: gelebter Alltag.

Fortschreitende Kriminalisierung

Während also das Gewaltproblem, so diese Formulierung nicht ohnehin schon eine Übertreibung darstellt, tatsächlich kleiner wird, scheuen sich diverse Protagonisten des Sicherheitswahns nicht, immer abstrusere Maßnahmen zu fordern oder umzusetzen. Generalbundesanwalt Harald Range forderte im Mai diesen Jahres elektronische Fußfesseln und Hausarrest für „notorische Hooligans“, was eine verfassungswidrige Verschärfung ohnehin schon praktizierter Meldeauflagen wäre. Die Polizei setzt derweil auf V-Leute in den Fanszenen, wie im Fall eines Nürnberger Fans. Vielleicht, so könnte man beinahe meinen, würden dann ja Gruppenverbote an den V-Leuten scheitern… wenn es nur nicht so traurig wäre.

Fußballfans werden immer stärker zu Terrorist_innen hochstilisiert, stets natürlich mit dem Verweis auf „die wenigen Radikalen“, derer man habhaft werden müsse und von denen sich die „große Summe der friedlichen Fans“ zu distanzieren habe. Mit dieser Rhetorik werden nicht nur Sachverhalte unzulässig vereinfacht und Fans in nicht zutreffende Kategorien einsortiert, es werden die wahren Probleme verschleiert.

Um nur ein Beispiel eines „wirklichen Problems“ zu nennen, sei auf die Einsätze der Polizei im Rahmen von Fußballspielen verwiesen. In geschlossenen Einheiten der Bundespolizei und der Bereitschaftspolizeien und BFE der Länder herrscht Korpsgeist und Machismo. Dort geht es um „Kriegermännlichkeiten“, um Abschottung, um Vergangenheitsverklärung und Mythenbildung, um Spaß am Erlebnis in der Gruppe und um Verteidigung der eigenen Autorität. Polizeibeamt_innen, die im Einsatz mit Fußballfans konfrontiert werden, sind von konservativen Wert- und Autoritätsvorstellungen geprägt, wodurch unausweichlich Reibungspunkte entstehen. Doch da sie überhaupt nicht geschult sind, mit verbalen Anfeindungen und dem Untergraben ihrer Autorität klarzukommen, eskaliert die Lage oft. Anstatt vernünftige (Aus- und Weiter-)Bildungsarbeit bei Polizist_innen zu leisten, versteifen sich die Lobbyisten der Polizeigewerkschaften in hanebüchene Theoreme über gestiegene Gewaltbereitschaft gegenüber Polizeibeamt_innen. Um die empirisch auch nur im Ansatz haltbar zu machen, wird der Gewaltbegriff zunehmend verwässert, so dass bereits polizeikritische Haltungen als Gewalt gewertet werden. Dass das angesichts oben beschriebener Wirkungen zwischen Fans und Polizei einer Lösung des Konfliktpotentials nicht zuträglich ist, liegt in der Natur der Sache.

Ewiger Irrglaube

In Deutschland gibt es kein Gewalt- oder Sicherheitsproblem im Fußball. Es gibt ein Populismusproblem in Politik und Gesellschaft. Es ist aber leider nicht damit getan, „die Vernünftigen“ dazu aufzufordern, „die Radikalen“ auszugrenzen. Dieser Irrglaube herrscht schon viel zu lange vor.

Nachtrag: Pünktlich zur Veröffentlichung dieses Blogposts, bläst Rainer Wendt zum unzähligsten Male in das Horn einer Beteiligung der Vereine und Verbände an den Kosten der Polizeieinsätze. Wenn Herr Wendt so sehr an den Haushalten von Bund und Ländern interessiert ist, sollte er sich vielleicht dafür einsetzen, mit nüchternem Blick auf die sicherheitsrelevanten Zahlen im Kontext des Fußballs zu gucken und entsprechend Polizeikräfte abzuziehen. Wie wissenschaftlich bewiesen ist, führt weniger Polizei in der Regel auch zu weniger Konflikt und das wäre ja dann eine gewaltreduzierende Spirale und kosteneffizient und… Entschuldigt, ich vergaß, es ist Rainer Wendt, Chefpopulist.

Zweiter Nachtrag: Die Belastung für Polizist_innen ist auch ganz hoch. Nochmal: Einfach nicht so ein Bohei machen…

Sie haben sich ein Denkmal gebaut

und jeder Vollidiot weiß, dass das die Liebe versaut.

Es wird gebaut am Millerntor. Stets herrscht geschäftiges Treiben auf der Ostseite des Spielfelds, Bauarbeiter tummeln sich zwischen den schweren Betonteilen, LKW und schweres Gerät fahren zur Baustelle und von ihr weg. Mitten in diesem Treiben steht meistens wichtig unbeschäftigt Torsten Vierkant, „Stadionprojektmanager“, den viele als „geselligen Typen“ beschreiben würden. Von seiner Seite nicht wegzudenken ist Wolfgang Helbing, „Stadionchef“ und zweiter Geschäftsführer der Millerntorbetriebsgesellschaft. Beide begleiten den Neubau des Millerntors als Duo von Anfang an in jenen Schlüsselpositionen und haben dabei den einen oder anderen Bock geschossen, wie aus internen Kreisen zu vernehmen ist. Sie, die auch gerne mal den Thor Steinar tragenden Bild-Schmierfinken Thomas Dierenga in ihr „Separee 40“, für das nur sie einen Schlüssel haben, einladen (BILD LINK!!) scheinen, aller Kritik zum Trotze, die Wichtigkeit ihrer Personen für den Verein und sein Stadion enorm hoch einzustufen.

Bereits 2007 bei Fertigstellung der Südtribüne wurden in exponierter Lage vor dem Eingang der Geschäftsstelle jene zwei Stolpersteine platziert:

Helbing
„Der FC St. Pauli dankt Wolfgang Helbing“

Vierkant
„Der FC St. Pauli dankt Torsten Vierkant“

Es ist nicht wirklich klar, inwiefern diese Steinchen abgesprochen waren, an die große Glocke wurde das aber nicht gehängt. Diverse Gerüchte besagen, und deren Richtigkeit scheint nicht unwahrscheinlich, dass diese Danksagung auf Initiative der beiden Gedankten geschah, was man getrost als vermessen bezeichnen und empfinden kann.

Nun da die Haupttribüne steht und die Ecke zur Süd geschlossen ist, hat sich ein weiteres Mosaik – im wahrsten Sinne des Wortes – im großen Denkmal der beiden „Stadionschöpfer“ eingefügt. Besser: die beiden haben es offenbar einfügen lassen. Schon länger (ca. 3 Wochen) vorhanden, aber erst jetzt wirklich aufgefallen, ist im Mosaikbild an der KiTa in der Ecke zwischen Haupttribüne und Südkurve ein Schriftzug mit den Namen Torsten Vierkant und Wolfgang Helbing integriert.

Kita
Weitere „Danksagung“

Was aber nun so schlimm daran sei, mag man fragen. Zwei geltungsbedürftige Hornochsen verewigen sich dezent für ihre geleistete Arbeit beim Bau unseres schönen neuen Stadions. Kann man so sehen, bestimmt. Diese Sichtweise scheint aber bei genauerer Betrachtung, beständig weniger Sinn zu ergeben. Davon ab, dass nicht einmal Corny Littmann auf eine derart explizite Benennung auf „seinem“ Denkmal bestanden hat, war es vor allem der Kompetenzbereich der Herrschaften Vierkant und Helbing, in dem, im Zuge der Stadionrekonstruktion, kleine, mittlere und große Fehler gemacht wurden.

Zuerst lohnt sich ein Blick darauf, wer Wolfgang Helbing und Torsten Vierkant überhaupt sind, denn allein das lässt schon Rückschlüsse hinsichtlich der Kompetenzfrage zu. Helbing war seinerzeit Vize-Präsident unseres Vereins unter Weisner, als der magische FC haarscharf an der Insolvenz vorbeigeschrammt ist; Vierkant ist gelernter Stellwerker. Was also befähigt einen Insolvenzritter zur zweiten Geschäftsführer-Position einer großen GmbH und was einen, der Weichen im Bahnverkehr stellen kann, die Weichen für das wichtigste Bauvorhaben der Vereinsgeschichte zu stellen?

Und so wundert es bei diesen „Qualifikationen“ nicht, dass z.B. der Catering-Fahrstuhl der Südkurve in den Räumlichkeiten einer Toilette endet. Wir erinnern uns auch alle an die obskure Sitiuation, als beim letzten Heimspiel der Gegengerade, Vierkants völlig fehlerhafte Infopolitik, bezüglich des Verkaufs der alten Sitzschalen, für Verwirrung sorgte oder, als er vor dem Testkick gegen Schalke vergaß die Rasenheizung einzuschalten und dieser abgesagt werden musste. Aus gewöhnlich gut unterrichteten Kreisen ist verstärkt zu hören, dass die Überdimensionierung der geplanten und unerwünschten Polizeiwache in der Gegengerade vor allem auf den Mist dieser beiden gewachsen ist – sie sind wohl auch die einzigen, die noch immer kein Problem in der Existenz der Wache sehen können oder wollen. Ebenso wird mangelhafte Kommunikation und Verzögerungstaktik bemängelt. Allgemein scheinen besonders Fanbelange ein Dorn in den Augen von Vierkant und Helbing zu sein.

Intern sorgt das Duo und vor allem Vierkant immer wieder für Kopfzerbrechen. So war es Torsten Vierkant, der den Spielertunnel, dessen Verlängerung nach dem Becherwurf DFB-Auflage war, eigenhändig während eines Spiels wieder zusammengeschoben hat. Ferner hat er sich diversen Anordnungen von Vereinsoberen, sowohl gewählten als auch angestellten, widersetzt. Helbing für seinen Teil „hasst“ laut Aussage eines Hamburger Journalisten „alle Fans“. Im Duo, so hört man, verweigern sie die Zusammenarbeit mit der AG Stadionbau. Ihre Schlüsselpositionen diesbezüglich seien nochmals ins Gedächtnis gerufen. Die Tatsache, dass die beiden sich ihren eigenen Altherren-Salon in die Haupttribüne haben bauen lassen, zu dem nur sie Zutritt haben, unterstreicht einmal mehr, wie wichtig sich diese beiden für unseren Verein halten, obgleich sie die Ideale des Clubs alle Nase lang mit Füßen zu treten scheinen.

All das sind wahrlich keine Ruhmesblätter, aber zu großen Teilen eben auch Gerüchte, die hier nicht weiter belegt werden können. Selbst wenn keines der Gerüchte stimmte, stehen die Fakten bereits für so viel Inkompetenz, dass ein Denkmal um diese beiden Personen, wie es Stück für Stück, Tribüne für Tribüne ins Millerntorstadion wächst, keine Rechtfertigung erhalten kann. Die Fehler von Vierkant und Helbing reihen sich ein in eine ganze Latte von Problemen unter unserem aktuellen Präsidium, die über den Begriff „Missgeschick“ weit hinausgehen. Und so wird es mit Sicherheit eine interessante JHV im Winter geben.

Es wird gebaut am Millerntor. Die Denkmäler, die sich zwei Personen selbst errichten sind Zeugen des faden Beigeschmacks des neuen Stadions.

Die Produktion von Delinquenz am Beispiel von Fußballfans

Angesichts der jüngsten Sicherheitskonferenz in Berlin scheint es mir angebracht eine Ausarbeitung zur Produktion von Delinquenz bei Fußballfans nach Foucaults Überwachen und Strafen zu veröffentlichen. In der Diskussion um das vermeintliche Gewaltproblem des Fußballs und zu sanktionierendes Fehlverhalten wird sich leider stets innerhalb der selben Paradigmen bewegt. Grundsätzlich heißt es stets, natürlich sei dies oder jenes zumindest in der gegebenen Situation falsch, was mir persönlich etwas zu einfach gedacht ist. Mit der vorliegenden Arbeit soll der Diskurs um eine weitere Perspektive ergänzt und hoffentlich befruchtet werden. Auch wenn die Länge die eines gewöhnlichen Blogposts etwas übersteigt hoffe ich, dass sich der Beitrag gut lesen lässt und die Länge nicht all zu abschreckend wirkt.

1. Einleitung

2. Analyse von Machtstrukturen anhand „Überwachen und Strafen“
2.1. Das gegen die Gesellschaft gerichtete Verbrechen
2.2. Umkehr der Individualisierungsobjekte

3. Maßnahmen gegenüber Fußballfans unter Bezugnahme auf Foucault
3.1. Räumliche Individualisierung – Das Verschwinden der Stehplätze
3.2. Anonymität der Macht
3.2.1. Eine Maske der Macht: Die „Szenekundigen Beamten“
3.2.2. Macht/Wissen durch Fankategorien und die Datei Gewalttäter Sport
3.3. Freiheitsberaubung durch Ausschluss: Stadionverbote als subjektives Gefängnis

4. Die Produktion von Delinquenz und das Schaffen eines Milieus

5. Zusammenfassung / Fazit

1. Einleitung

Michel Foucault hat in seinem wohl bekanntesten Werk „Überwachen und Strafen“ die These aufgestellt, dass das Gefängnissystem Delinquenz produziert und nicht etwa dazu dient Straftaten zu verhindern. Diese These besagt, dass das Gefängnis sich deshalb durchgesetzt hat, weil es als Institution den Mechanismen der Disziplinargesellschaft adäquat ist. Diese Arbeit untersucht, ob auch im staatlichen Umgang mit Fußballfans Delinquenz im Sinne Foucaults produziert wird und wie dies geschieht.

Hierzu ist es notwendig zunächst den von Foucault aufgezeigten Wandel der Strafpraktiken, der sich zwischen Mitte des 18. und Mitte des 19. Jahrhunderts vollzogen hat zu skizzieren: Gesetzesbrüche werden nicht mehr als gegen Regent_innen gerichtet wahrgenommen, sondern vielmehr als etwas gegen die gesamte Gesellschaft gerichtetes (Abschnitt 2.1.). Darzustellen ist dies um zu überprüfen, ob die Mechanismen der Disziplinarmacht ungebrochen auch im Jahre 2012 im gesellschaftlichen Feld des Fußballs wirken. In Abschnitt 2.2. wird auf eine aus dem zuvor aufgezeigten Wandel resultierende Umkehr der Individualisierungsprozesse eingegangen. Veranlasste die Herrschaftsstruktur des Ancien Règime die Individualisierungstechniken auf die wenigen Herrschenden möglichst ausgeprägt anzuwenden, bedingte der Wandel der Herrschaftsverhältnisse hingegen die Möglichkeit der Individualisierung im stärksten Maße auf einzelne in der breiten Massengesellschaft anzuwenden, um dadurch jede Abweichung von der Norm kenntlich zu machen. Die Darstellung der Individualisierungspraktiken ist notwendig um im Folgenden die einzelnen Mechanismen der Machtstrukturen im Fußballkontext zu erläutern, finden sich doch auch hier die zuvor skizzierten Individualisierungsmechanismen wieder (Abschnitt 2.2.). Mittel dazu ist die Parzellierung des Raumes und der Mechanismus des Panoptismus worauf in Abschnitt 3.1. eingegangen wird. Dabei wird auch noch einmal deutlich, dass die von Foucault in „Überwachen und Strafen“ behauptete Anonymität und Eigendynamik der Macht und die Individualisierung bestimmter Mitglieder der Gesellschaft tatsächlich einander bedingen, was im Abschnitt 3.2. anhand der „Szenekundigen Beamtinnen und Beamten“ (3.2.1.), der Fankategorisierungen und der „Datei Gewalttäter Sport“ (3.2.2.) genauer zu beleuchten versucht wird.

In Abschnitt 3.3. wird in diesem Zusammenhang auf direkte Sanktionen, wie Stadionverbote und Meldeauflagen eingegangen. Hier wird argumentativ die in Abschnitt 4. aufgezeigte Funktionsweise der Produktion von Delinquenz vorbereitet. Diese bezieht sich zwar nicht ausschließlich auf die in 3.3 beschriebenen Sanktionen, sondern umfasst alle in Abschnitt 3. beschriebenen Maßnahmen und geht darüber hinaus mit dem Kreieren eines Milieus einher.

Im Zusammenhang mit der Delinquenz wird auch auf die These Foucaults eingegangen, Macht sei produktiv.

In dieser Arbeit werden zentrale Thesen Foucaults aus „Überwachen uns Strafen“ auf verschiedene Primärquellen, wie Richtlinien von Fußballverbänden, Stellungnahmen von Polizeivertreter_innen und Medienberichte über Fußballfans, sowie Sekundärliteratur zu Fußballfans angewendet. Dabei wird bewusst kein Bezug auf den aktuellen Forschungsstand zu „Überwachen und Strafen“ genommen, sondern lediglich das Originalwerk Foucaults behandelt. Ein Bezug auf jüngere Forschungsliteratur, wie beispielsweise zum Konzept der, den Gehalt von „Überwachen und Strafen“ teils ergänzende, teils aber auch konterkarierenden, „Gouvernementalität“, das Foucault in den posthum veröffentlichten Vorlesungen entfaltete, sprengte den Rahmen dieser Arbeit. Darüber hinaus gibt keine Forschungsarbeit, die „Überwachen und Strafen“ auf den Kontext von Fußballfans anwendet, womit diese Arbeit gewissermaßen „Pioniercharakter“ bekommt.

Ferner beschränkt sich diese Arbeit auf den Kontext von Fußballfans in Deutschland. Mit Sicherheit ließen sich große Teile der, in dieser Arbeit aufgezeigten, Mechanismen auch auf Fußballfanszenen in anderen (zumindest europäischen) Ländern übertragen, jedoch sprengte auch das den Rahmen dieser Arbeit.

2. Analyse von Machtstrukturen anhand „Überwachen und Strafen“

2.1. Das gegen die Gesellschaft gerichtete Verbrechen

Foucault beginnt seine Ausführungen in „Überwachen und Strafen“ mit einer Gegenüberstellung zweier Strafpraktiken. Zum einen ist das die Hinrichtung Damiens in Gestalt der Leibesmarter im Jahr 1757 und zum anderen Auszüge aus einem Reglement für ein Gefängnis aus dem Jahr 1837[1]. Zwischen der Vierteilung Damiens und der minutiösen Zeit- und Tätigkeitsplanung der Gefangenen liegt grob ein drei viertel Jahrhundert. In dieser Zeit ist in die Strafpraktiken nicht nur eine vermeintliche Form der Menschlichkeit (de facto ein Mehr an Macht) eingekehrt, sie hat sich in ihrem Wesen zu einem Disziplinarapparat verändert. Für den ersten Fall gilt: „Das Verbrechen greift über sein unmittelbares Opfer den Souverän an; es greift ihn persönlich an, da das Gesetz als Wille des Souveräns gilt; es greift ihn physisch an, da die Kraft des Gesetzes die Kraft des Fürsten ist.“[2] Womit die Marter als Strafpraktik eine rechtlich-politische Funktion bekommt, soll sie doch dazu dienen die verletzte Souveränität des/der Regent_in wieder herzustellen und die maximale Schwere des Verbrechens wie in einer Analogie abbilden.  Im Falle der humanisierten Strafpraktiken der Neuzeit

„wird der Verbrecher als Feind aller bezeichnet, den zu verfolgen alle ein Interesse haben, er fällt aus dem [Gesellschafts-, der Verf.]Vertrag heraus, disqualifiziert sich als Bürger und wird zu einem, der ein Stück Natur in sich trägt. Er erscheint als Ruchloser, Monster, vielleicht als Wahnsinniger, als Kranker und bald als ‚Anormaler’.“[3]

Aus der Auffassung, dass sich ein Verbrechen nicht etwa gegen die Regierung oder das Parlament, gegen die Gerichte oder die Justiz richtet, sondern gegen die gesamte Gesellschaft als Souverän des (Rechts-)Staates, ergibt sich ein normativer Charakter des Strafvollzugs. Nur wer die Regeln, welche sich die Gesellschaft selbst auferlegt hat, befolgt, ist vollwertiger Teil der Gesellschaft, wer hingegen Gesetze bricht verwirkt seine Bürgerrechte (zumindest in Teilen). Ziel der Gesellschaft kann es jedoch nicht sein, seine Mitglieder zu verlieren, so ergibt sich – auch durch den normativen Charakter – eine Disziplinarfunktion der Strafpraktiken, schließlich sollen die verloren gegangenen Mitglieder vorgeblich wieder ihren Weg in die Gesellschaft finden, während jedoch de facto delinquente Milieus kreiert werden.

2.2. Umkehr der Individualisierungsobjekte

Aus diesem Wandel der Strafpraktiken resultiert eine Umkehr der zu individualisierenden Subjekte in der Gesellschaft.

„In einem Disziplinarregime […] ist die Individualisierung „absteigend“: je anonymer und funktioneller die Macht wird, um so mehr werden die dieser Macht Unterworfenen individualisiert: und zwar weniger durch Zeremonien als durch Überwachungen; weniger durch Erinnerungsberichte als durch Beobachtungen; nicht durch Genealogien, die auf Ahnen verweisen, sondern durch vergleichende Messungen, die sich auf die „Norm“ beziehen; weniger durch außerordentliche Taten als durch „Abstände“. In einem Disziplinarsystem wird das Kind mehr individualisiert als der Erwachsene, der Kranke mehr als der Gesunde, der Wahnsinnige und der Delinquent mehr als der Normale. Es sind jedenfalls immer die Ersteren, auf die unsere Zivilisation alle Individualisierungsmechanismen ansetzt; und wenn man den gesunden, normalen, gesetzestreuen Erwachsenen individualisieren will, so befragt man ihn immer danach, was er noch vom Kind in sich hat, welcher geheime Irrsinn in ihm steckt, welches tiefe Verbrechen er eigentlich begehen wollte. Alle Psychologien, -graphien, -metrien, -analysen, -hygienen, -techniken und -therapien gehen von dieser historischen Wende der Individualisierungsprozeduren aus.“[4]

Im Umgang mit Fußballfans lassen sich diese Individualisierungsprozeduren gut nachvollziehen. Gerade in der großen anonymen Masse, welche die Fans im Stadion und auf ihren Reisen zu den Spielen darstellen scheint ein Zerlegen dieser Masse in ihre einzelnen Bestandteile, ihre Mitglieder, das vorrangigste aller Ziele zu sein. Besonderes Augenmerk wird dabei auf die Fangruppierungen und -strukturen gelegt, die durch abweichendes Verhalten auffallen. Die junge Familie, als Stereotyp der Normalität, steht demnach weniger im Fokus als die Gruppe Ultras, die zwar in der Regel eine Minderheit im Stadion darstellt, durch ihr Auftreten und ihr Selbstverständnis jedoch einen großen Wirkradius erzeugt. Diese Fans rücken in das Interesse der individualisierenden Macht; sie gilt es in ihrer Struktur zu zerlegen, ihre Aktionsarten und Organisationsformen zu dechiffrieren und sie letzten Endes greifbar zu machen, um im Zuge dessen Rädelsführer_innen, Gewalttäter_innen, etc. herauszustellen. Jedem von der Norm abweichenden Fußballfan wird demnach eine eigene Akte zuteil.

Die gängige Literatur betrachtet Fußballfans im Spannungsfeld zwischen Polizei und Verbänden. Dabei sind die einzelnen Akteure nicht als gleichberechtigte, einander gegenüberstehende Konfliktparteien zu betrachten, deren einzelne Handlungen dabei aber mitunter als Reaktionen auf die Handlungen einer jeweils anderen Gruppe gedeutet und erklärt werden können und müssen. Wichtig ist es hingegen, die Machtbeziehungen, wie sie Foucault in „Überwachen und Strafen“ entwickelt auf diesen Gegenstandsbereich anzuwenden. Die Polizei ist in diesem Zusammenhang das ausführende Subjekt der Macht, dem gegenüber das individualisierte Individuum „Fußballfan“ steht. In dieser Arbeit sollen Fußballfans, Polizei und Verbände im Sinne der Mikrophysik der Macht betrachtet werden, Was bedeutet, dass Macht kein Besitz eines Einzelnen oder einer bestimmten Klasse oder Gruppe ist. Vielmehr wirkt sie in Beziehungen. Dazu ist es nötig zu beleuchten, wie die Individualisierung im Kontext der Lebenswelten von Fußballfans aussieht und sich in Relation zu den die Machtstrukturen Ausagierenden darstellt. Dies soll im Folgenden geschehen.

3. Maßnahmen gegenüber Fußballfans unter Bezugnahme auf Foucault

3.1. Räumliche Individualisierung – Das Verschwinden der Stehplätze

Im Kontext der Individualisierung nimmt die Überwachung eine zentrale Rolle ein. Ein dichtes Netz der Polizei, die Kontrolle innerhalb der Institutionen, aber auch die gesellschaftliche Kontrolle jedes einzelnen gegenüber sich selbst und allen anderen forcieren die Einhaltung der Norm. Foucault geht im Mittelteil von Überwachen und Strafen auf die normierenden Funktionsweisen der Disziplinen ein.[5] Die Disziplinarmacht entfaltet erst durch die Kontrolle und die dem Fehlverhalten folgende Sanktion seine tatsächliche Wirkung. Um diese Strategie tatsächlich durchsetzbar zu gestalten, funktioniert sie sowohl auf einer räumlichen als auch auf einer zeitlichen Achse. Die räumliche Komponente findet sich in diversen architektonischen Ausgestaltungen. Diese beziehen sich auf städtebauliche Aspekte in der Makroperspektive und die Architekturen der Institutionen in der Mikroperspektive. Stets dient die Parzellierung des Raumes der Einteilung der Individuen in diesen und damit ihrer Zuordenbarkeit und letzten Endes ihrer Kontrolle.

Die Überwachung findet dabei seine höchste Form im Panoptismus, jenem dem Panopticon Benthams entlehntem Mechanismus, welcher die perfekte Überwachung wirklich macht. Das Panopticon ist die architektonische Utopie einer Institution, in der die Überwachung bzw. Kontrolle von Individuen gefordert ist. Ein Wachturm im Zentrum und diesen ringförmig umgebende und sowohl nach außen als auch nach innen befensterte oder vergitterte Zellenblöcke sind für dieses Modell charakteristisch. Die Insass_innen (ganz gleich ob nun Gefängnis, Krankenhaus, Schule, etc.) in ihren Zellen sind ihrerseits isoliert, können nicht miteinander kommunizieren oder interagieren, sie nehmen einander nicht wahr, wohl aber sind sie sich gewahr, dass sie jederzeit von dem/der Wächter_in im Turme im Blick gehalten werden können. Foucault konstatiert dazu:

„Die panoptische Anlage schafft Raumeinheiten, die es ermöglichen ohne Unterlaß zu sehen und zugleich zu erkennen. Das Prinzip des Kerkers wird umgekehrt, genauer gesagt: von seinen drei Funktionen – einsperren, verdunkeln und verbergen – wird nur die erste aufrechterhalten, die beiden anderen fallen weg. Das volle Licht und der Blick des Aufsehers erfassen besser als das Dunkel, das auch schützte. Die Sichtbarkeit ist eine Falle.“[6]

Ferner hält er fest:

„Diese Anlage ist deswegen so bedeutend, weil sie die Macht automatisiert und entindividualisiert. […] Folglich hat es wenig Bedeutung, wer die Macht ausübt. Beinahe jedes beliebige Individuum kann die Maschine in Gang setzten: anstelle des Direktors auch seine Familie […]“[7]

Daraus ergibt sich eine Internalisierung der Macht. Es ist unerheblich wer überwacht oder ob überhaupt überwacht wird. Die reine Möglichkeit überwacht zu werden, zwingt die Individuen zur Anpassung ihres Verhaltens an die Norm.

Für Foucault ist Benthams Panopticon lediglich das technische Modell eines Disziplinar- bzw. Machtmechanismus, welcher den gesamten Gesellschaftskörper durchzieht. „Der Panoptismus ist das allgemeine Prinzip einer neuen ‚politischen Anatomie’, die es nicht mit dem Verhältnis der Souveränität, sondern mit den Beziehungen der Disziplin zu tun hat.“[8]

Im Gegensatz zu den von Foucault zitierten Zeiträumen generieren sich die normativen Grundsätze der Gesellschaft heutzutage vordergründig aus der Verwertbarkeit am Markt. Diese Verwertbarkeit betrifft nahezu alle gesellschaftlichen Felder und damit auch den Profifußball. Mit der Kommerzialisierung des Fußballs geht auch eine infrastrukturelle Veränderung einher. Gerade Welt- oder Europameisterschaften dienen hierbei als Katalysator. So wurden in Deutschland  zur Vorbereitung zur Weltmeisterschaft im Jahr 2006 diverse Fußballstadien modernisiert oder neu gebaut. Die Deutsche Fußball Liga (DFL) und der Deutsche Fußballbund (DFB) haben im Stadionhandbuch „alle rechtlichen Grundlagen und Anforderungen, die für den Bau und die Erhaltung eines Stadions relevant sind“[9] zusammengefasst.

Foucault zitiert in Überwachen und Strafen Nicolaus Heinrich Julius, der das Panopticon ebenso wie Foucault nicht nur als architektonisches Modell, sondern als Skizze eines Gesellschaftstyps verstand. Julius sieht das Panopticon als Gegenmodell zum antiken Theater oder Zirkus, wo vielen der Überblick über wenige verschafft werden müsse. Das Panopticon brächte im Gegenteil wenigen den Überblick über viele. So, dass es in der neuen Zeit der Gesellschaft, in der private Individuen einerseits und der Staat andererseits die Hauptelemente darstellten, das entsprechende Modell zum Gesellschaftstyp sei.[10]

Das Fußballstadion ist seinerseits nun sowohl Zirkus als auch Panopticon. Seine Vordergründige Funktion ist die des Zirkus. Im Fokus steht das Schauspiel des Sportes auf dem Rasen in der Mitte des Stadions. Von den, den Rasen umgebenden Tribünen kann das Spiel der Wenigen (22 Spieler) von vielen Zuschauern verfolgt werden. Die Zuschauer ihrerseits sind im klassischen Zirkusmodell eine anonyme Masse, der Einzelne verliert sich im Kollektiv. In modernen Fußballstadien, wo einem gesteigertem Interesse an medialer Verwertbarkeit und daraus resultierender Kommerzialisierung ein gesteigertes Interesse an Sicherheit im Sinne eines reibungslosen Ablaufes folgt, finden sich auch zunehmend Charakteristika des Panopticon. Ein modernes Fußballstadion braucht eine Anlage zur Videoüberwachung der Zuschauerbereiche, auf die die Polizei, der sowohl ein eigener Einsatzleitraum, als auch eine Stadionwache zur Verfügung gestellt werden soll, Zugriff haben muss.[11] Jeder Bereich des Stadions kann so überwacht werden, die Stadionwache samt Arrestbereichen bietet Raum delinquente Fans schon vor Ort in Gewahrsam zu nehmen.

So wird zunehmend versucht die Zuschauer zu identifizieren. Am leichtesten fällt dies durch Sitzplätze, so ist jeder Fan im Stadion einer genau bestimmten Platznummer zuzuordnen. Die Quote der Stehplätze ist in modernen Stadien enorm zurückgegangen. Während es im englischen Profifußball nur noch sogenannte „All-Seater“, reine Sitzplatzstadien, gibt, haben viele Stadien in Deutschland weiterhin Stehplatzkurven.[12] Da Stehplätze in internationalen Wettbewerben bereits nicht mehr zulässig sind, wird diese Entwicklung beschleunigt. Dass es dabei nicht nur um die Sicherheit der Fans, sondern eben auch um die Identifizierung von Delinquenten geht, wird ohne weiteres zugegeben. Die Zentrale Informationsstelle Sporteinsätze (ZIS) forderte 2010 die Abschaffung der Stehplätze „um zu verhindern, dass Gewalttäter im Schutz der dort größeren Anonymität Straftaten begehen.“[13] Auch der jüngst zum DFB-Präsidenten gewählte Wolfgang Niersbach verkündete in seinem Antrittsinterview mit der ‚Bild am Sonntag’: „Wenn wir die Stehplätze erhalten wollen, müssen die friedlichen Fans dafür sorgen, dass die Randalierer identifiziert und ausgegrenzt werden. Wir dürfen uns nicht von einer kleinen Minderheit terrorisieren lassen.“[14]

Wie hilfreich die Parzellierung der Zuschauermassen im Stadion bei der Verfolgung von Delinquenz ist, lässt sich am Beispiel des FC St. Pauli nachvollziehen: Am 01. April 2011 hat ein Zuschauer von der Haupttribüne einen Linienrichter mit einem geworfenen Bierbecher getroffen. Der Fan konnte über seinen Sitzplatz identifiziert werden.[15] Am 19. Dezember warf ein Fan von den Stehplätzen der Südtribüne eine Kassenrolle und traf damit einen Spieler der Gastmannschaft auf Frankfurt am Kopf. Seiner wurde der Verein nur habhaft nachdem sich der Fan stellte.[16]

Der eingangs erwähnte städtebauliche Aspekt der Makroperspektive lässt sich im Fußballkontext ebenso anwenden: moderne Stadien werden in der Regel außerhalb der Stadt in ländlichen oder industriellen Gebieten in der nähe eines Autobahnzubringers gebaut. Hier kann Fantrennung effizient durchgeführt werden und, sollte dies doch einmal nicht gelingen, verursachen die Fangruppierungen am Stadtrand wenig Schaden für die Gesellschaft und üben keinen Einfluss auf das Konsumklima aus.

3.2. Anonymität der Macht

Elementarer Bestandteil des Panoptismus, der Überwachung und der Individualisierung ist die Anonymität der Macht. Umso stärker die Macht anonymisiert wird, desto stärker können Individuen in der Masse individualisiert werden und je stärker Einzelne aus der Masse individualisiert werden, desto stärker wird die Macht anonymisiert.

3.2.1. Eine Maske der Macht: Die „Szenekundigen Beamten“

Zur Individualisierung von Fußballfans werden von der Polizei unter anderem „Szenekundige Beamtinnen und Beamte“ (SKB) eingesetzt. Sie bewegen sich stets nah an den Fans, beobachten diese und erstellen Lageeinschätzungen. Sie werden selten ausgetauscht und lernen die jeweilige Fanszene und ihre Protagonisten kennen.[17] Zwar sind sie auch den Fanszenen bekannt, so dass der Eindruck entstehen könnte, sie gäben der Macht gar ein Gesicht und trügen nicht zu ihrer Anonymisierung bei, doch ist ihr Bekanntheitsgrad für die Anonymisierung der Macht irrelevant, eventuell sogar förderlich, schließlich geht von den SKB lediglich Aufklärungsarbeit aus, sie bieten dabei den Fans aber Reibungsfläche. Diesbezüglich sei an die These die Macht wirke in den Beziehungen erinnert. Durch die enge Verbindung zwischen den SKB und den Fußballfans gewinnt der Polizeiapparat einen erhöhten Einfluss auf den Einzelnen in der Masse der Fans, ohne dabei jedoch zwangsläufig eine Wirkung zwischen Beamten und Fans in einem auf alle Fans gleichermaßen zutreffenden Rahmen zu bedingen. Die SKB sind Stellvertreter der Disziplinarmacht womit aus ihrer Anwesenheit eine Machtbeziehung eröffnet wird. Die Möglichkeit, vom SKB als „anormaler Fan“ identifiziert zu werden, genügt der Normierungsmacht dieser Beziehung. Die Funktion des SKB ist die dominante und das, was die Beziehung zu den Fans prägt; in diese Funktion kann auch eine andere Person eingesetzt werden.

Die Vollstreckungsgewalt geht jedoch von den Einsatzkräften aus, die in ihren Uniformen und (abgesehen von Berlin) ohne individuelle Kennzeichen eine aus Sicht der Fußballfans nicht unterscheidbare Masse von Polizist_innen darstellen. Die Einsatzkräfte werden nicht isoliert als Individuen wahrgenommen, sondern als Vertreter_innen einer Institution, die der Überführung in die Delinquenz dient.

„97 % der Ultras in den neuen und 71,7 % der Ultras aus den alten Bundesländern gaben in der Untersuchung von Pilz an, dass das Verhältnis zur Polizei schlecht ist. Aus einem Interview zitiert Prof. Pilz ein Mitglied der Ultraszene wie folgt: ‚Das Verhältnis zur Polizei – das sind Arschlöcher, das sind einfach Arschlöcher. Diese Leute sind dafür angestellt, uns irgendwie was anzuhängen. Kommen pissfreundlich daher, wollen lediglich ein paar Informationen haben und von hinten treten sie dir dann noch mal nach. Also meinetwegen können die alle tot umfallen und möglichst sofort.’. Die tiefgreifende Ablehnung gegenüber der Polizei kommt in einem weiteren Interview deutlich zutage: ‚Wenn mein Kind Bulle werden will, würde ich’s, glaub ich, umbringen. Das wäre die Niederlage meines Lebens. Der kann schwul werden, der kann Marsmännchen anbeten.’. Durch die vorherrschende Grundeinstellung der Ultras werden polizeiliche Maßnahmen häufig als übertrieben willkürlich und nicht verhältnismäßig empfunden. Ein großes Polizeiaufgebot empfinden Ultragruppierungen bereits als Provokation und Anlass für Auseinandersetzungen.“[18]

Hier wird deutlich, wie Polizei und Fans jeweils gegenseitige Feindbilder aufbauen und pflegen, doch ist dies weniger als eine persönliche bzw. gruppenübergreifende Fehde zu begreifen sondern viel mehr als Mechanismus der Macht, schließlich sind sie alle, SKB oder Bereitschaftspolizist, Ultrà oder Familie Elemente in einer Machtstruktur,

„[d]enn die Überwachung beruht zwar auf Individuen, doch wirkt sie wie ein Beziehungsnetz von oben nach unten und bis zu einem gewissen Grade auch von unten nach oben und nach den Seiten. Dieses Netz ‚hält’ das Ganze und durchsetzt es mit Machtwirkungen, die sich gegenseitig stützen: pausenlos überwachte Überwacher. In der hierarchisierten Überwachung der Disziplinen ist die Macht keine Sache, die man innehat, kein Eigentum, das man überträgt; sondern eine Maschinerie, die funktioniert.“[19]

3.2.2. Macht/Wissen durch Fankategorien und die Datei Gewalttäter Sport

Zur Bezeichnung der Individuen ist die normierende Sanktion ein tragender Mechanismus:

„Die Anordnung nach Rängen oder Stufen hat eine zweifache Aufgabe: sie soll die Abstände markieren, die Qualitäten, Kompetenzen und Fähigkeiten hierarchisieren; sie soll aber auch bestrafen und belohnen. Die Reihung wirkt sanktionierend, die Sanktionen wirken ordnend. Die Disziplin belohnt durch Beförderungen, durch die Verleihung von Rängen und Plätzen; sie bestraft durch Zurücksetzungen. Der Rang selber gilt als Belohnung oder Bestrafung.“[20]

Ein derartiges Raster, eine Rangfolge der Individuen in einer Fanstruktur, eine detaillierte Auflistung, wer welche Aufgaben und Funktionen übernimmt, von wem welche potentiellen Gefahren ausgehen, zu erstellen ist Aufgabe der SKB.

Neben der direkten Aufklärungsarbeit zum Verhalten bestimmter Individuen werden Fußballfans in der polizeilichen Analyse in drei Kategorien eingeteilt:

  • Kategorie A = normaler Fan
  • Kategorie B = bedingt gewaltbereit
  • Kategorie C = gewaltbereit, suchen Auseinandersetzungen [21]

Dies ist ein Paradebeispiel für den Macht-Wissen-Komplex im Sinne Foucaults. Hier wird mit quasi sozialwissenschaftlichen Methoden Wissen erzeugt aus dem sich Machtbeziehungen ableiten.[22]

Wer wann und aus welchem Grund welcher Kategorie zugeordnet wird, bleibt im Allgemeinen untransparent. Sogenannte Problemfans rekrutieren sich in dieser Logik aus den Kategorien B und C. Das ergibt Sinn individualisiert die Macht doch „durch vergleichende Messungen, die sich auf die „Norm“ beziehen“[23], die Individualisierungsmechanismen also immer auf die Abweichung von der Norm anzusetzen sucht.[24]

Eng mit diesen Kategorien verzahnt ist die „Datei Gewalttäter Sport“. Diese Datei umfasst mittlerweile mehr als 13.000 Menschen. Zur Aufnahme reicht ein Verdacht; eine Löschung der persönlichen Daten aus ihr hingegen erweist sich in der Regel als schwieriges Anliegen.[25]

Die weitreichenden Folgen für die individuelle Freiheit und Freizügigkeit, die aus den Kategorisierungen im Allgemeinen und der Datei Gewalttäter Sport im Speziellen resultieren sind den Fans bewusst. Ebenso sind im kollektiven Bewusstsein der Fußballfans jene persönlichen Geschichten[26] von Fußballfans bekannt, die offenbar ohne Schuld ein Stadionverbot erhalten haben oder in die Datei Gewalttäter Sport aufgenommen wurden.

3.3. Freiheitsberaubung durch Ausschluss: Stadionverbote als subjektives Gefängnis

„In den Augen des Gesetzes mag die Haft bloße Freiheitsberaubung sein. Tatsächlich enthielt sie immer ein technisches Projekt.“[27] Zwar gibt es die Haftstrafe auch in der Vita einiger Fußballfans, dem vorgelagert ist aber eine etwas weniger ganzheitliche Strafe: das Stadionverbot. Was beim Gefängnis die Einsperrung ist, ist beim Stadionverbot die Aussperrung, die aus dem Blickwinkel der Fußballfans jedoch dieselbe vordergründige Funktion der Freiheitsberaubung inne hat. DFB und DFL haben dieser allgemeinen Sanktion für Fußballfans ein umfassendes Regelwerk zu Grunde gelegt, dass es Vereinen und Verbänden erlaubt, nahezu jeden Fußballfan zu sanktionieren, soll doch

„[d]ie Festsetzung eines Stadionverbotes […] im Hinblick auf die Zwecksetzung (§ 1 Abs. 2) möglichst zeitnah zur sicherheitsbeeinträchtigenden Handlung des Betroffenen und in der Regel zu dem Zeitpunkt erfolgen, zu welchem dem Hausrechtsinhaber die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens bzw. die Durchführung eines sonstigen Verfahrens oder das Vorliegen eines ausreichenden Verdachts der Verwirklichung eines Tatbestandes nach § 4 dieser Richtlinie bekannt wird.“[28]

Es braucht demnach keine Verurteilung durch ein ordentliches Gericht um mit einem Stadionverbot belegt zu werden, vielmehr reicht ein einfacher Verdacht oder die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens. Das System der Stadionverbote ist seinem Wesen nach ein Disziplinarsystem mit normierender Funktion:

„Im Herzen aller Disziplinarsysteme arbeitet ein kleiner Strafmechanismus, der mit seinen eigenen Gesetzen, Delikten, Sanktionsformen und Gerichtsinstanzen so etwas wie ein Justizprivileg genießt. Die Disziplinen etablieren eine ‚Sub-Justiz’; sie erfassen einen Raum, der von den Gesetzen übergangen wird; sie bestrafen und qualifizieren Verhaltensweisen, die den großen Bestrafungssystemen entwischen.“[29]

Die normierende Funktion des Stadionverbots ist dabei weniger die Strafe als solche, sondern vielmehr die forcierte Trennung des sanktionierten Fans von den anderen Fans, denn „[d]er erwartete Besserungseffekt resultiert weniger aus Sühne und Reue als vielmehr direkt aus der Mechanik einer Dressur. Richten ist Abrichten.“[30]

Die hier aufgezeigte Mechanik der Disziplin funktioniert auch bei anderen Sanktionen zur Einschränkung der individuellen Freiheit wie beispielsweise polizeilichen Meldeauflagen während eines Fußballspiels.

4. Die Produktion von Delinquenz und das Schaffen eines Milieus

„Das Gefängnis ermöglicht, ja begünstigt die Organisation eines solidarischen und hierarchisierten Milieus von Delinquenten, die zu allen Komplizenschaften bereit sind[…] [u]nd in diesen Klubs [also Milieus, d. Verf.] spielt sich die Erziehung des jungen Delinquenten ab[…].“[31]

Wenngleich das Gefängnis, wie in Abschnitt 3.3. bereits erwähnt im für Fußballfans gängigen Strafsystem eine untergeordnete Rolle einnimmt, lässt sich dennoch in diesem Kontext ein Kreieren von Milieus nachvollziehen.

„Verantwortlich für diese Entwicklung [Zunahme von Gewalt im Fußballkontext, d. Verf.] ist eine, gemessen an der Zuschauerzahl in den Stadien, kleine gewaltbereite Gruppe von Ultras. Diese spielen im Rahmen der Wirtschaftsbilanz eines Vereines keine Rolle. Umso unverständlicher ist der privilegierte Umgang der Vereine mit diesen Gruppierungen.“[32]

Durch die in Abschnitt 3. aufgezeigten Straf- und Disziplinarmaßnahmen, durch Selbst- und Fremdbezeichnung als „Ultras“ oder „Hooligans“ werden in der Außenwahrnehmung homogene, delinquente Milieus erzeugt, welche sich von der Norm abheben.

„Man könnte […] annehmen, daß das Gefängnis und überhaupt die Strafmittel nicht dazu bestimmt sind, Straftaten zu unterdrücken, sondern sie zu differenzieren, sie zu ordnen, sie nutzbar zu machen; daß sie weniger diejenigen gefügig machen sollen, die Gesetze überschreiten, sondern daß sie die Überschreitung der Gesetze in einer allgemeinen Taktik der Unterwerfungen zweckmäßig organisieren sollen.“[33]

Von dieser Warte ist der Text „Der deutsche Fußball und sein Gewaltproblem“ von Olaf Kühl zu lesen und zu verstehen. Hier wird ein Milieu beschrieben, seine Ausdrucks- und Aktionsformen werden herausgestellt und die verschiedenen Straftaten, die dem Milieu zuzuordnen sind werden benannt.[34]

„Die Auswertung der Delinquenz als abgesondertes und leicht zu handhabendes Milieu hat sich vor allem an den Grenzen der Legalität vollzogen. […] Als gebändigte Gesetzwidrigkeit ist die Delinquenz ein Agent im Dienste der Gesetzwidrigkeit der herrschenden Gruppen. Die Einrichtung von Prostitutionsnetzen im 19. Jahrhundert ist charakteristisch dafür[…]. Der Handel mit Waffen, in gewissen Ländern der Handel mit Alkohol oder neuerdings der Handel mit Drogen zeigen gleichfalls dieses Funktionieren der ‚nützlichen Delinquenz’: die Existenz eines gesetzlichen Verbots läßt ein Feld gesetzwidriger Praktiken entstehen, das der Kontrolle unterworfen wird und aus dem sich unerlaubter Profit ziehen läßt – und zwar mit Hilfe von Elementen, die selber gesetzwidrig sind, die man aber als Delinquenz organisiert und damit im Griff hat.“[35]

Ein Beispiel für diese „nützliche Delinquenz“ aus dem Kontext der Fußballfans ist der Einsatz von Pyrotechnik. Für viele Fußballfans gehört der Einsatz von Fackeln zu ihrem Selbstverständnis; für sie ist der Einsatz von Pyrotechnik ein stimmungsvolles Stilmittel.[36] Tatsächlich gehörten Bengalische Lichter lange Zeit zum gewohnten Bild der Fankurven.

„Es steht außer Zweifel, dass bengalische Feuer und farbiger Rauch eine ganz eigene, viele sagen auch einmalige, Atmosphäre verbreiten. Das sehen nicht nur die Fans so, denn auch in den Medien wurde über viele Jahre von der ‚herrlichen Atmosphäre’ und einer ‚Stimmung wie in einem Hexenkessel’ geschwärmt. Das Abbrennen von Pyrotechnik ist aber wegen der erhöhten Verletzungsgefahr generell – mit Ausnahme weniger Stunden um die Jahreswechsel – verboten, wurde aber in den Stadien lange Zeit noch in gewisser Weise toleriert. Erst in jüngerer Zeit wurde das Abbrennen von Feuerwerkskörpern beim Fußball tabuisiert und von den Vereinen und dem DFB verstärkt bekämpft. Mittlerweile haben auch die Medien eine ambivalente Haltung eingenommen: Bei Bildern aus dem Ausland sind positive Äußerungen nichts Ungewöhnliches, beim Einsatz in deutschen Stadien ist schnell von ‚Chaoten’ die Rede.“[37]

Was zuvor also ein zwar nicht legales aber nicht verfolgtes Stilmittel in den Kurven war, wird nun zu einer Gesetzwidrigkeit umgedeutet, womit ein Feld von Delinquenz eröffnet und definiert wird. Wir tun gut daran, diese Verschiebung unter den in Abschnitt 3.1. erörterten Aspekten der Kommerzialisierung des öffentlichen Raumes im Allgemeinen und des Fußballs im Speziellen zu betrachten. Durch das Schaffen des Straftatbestandes und die daraus resultierende Entstehung eines delinquenten Milieus, werden Möglichkeiten zur Kontrolle und Einflussnahme geschaffen. Die Norm ist heutzutage der verwertbare, kommerzialisierte Raum. Erst mit der Möglichkeit die Abweichung von der Norm zu kontrollieren lässt sich Profit aus der Norm ziehen.

Die Sanktionen von Polizei, Vereinen und Verbänden werden von Fußballfans gerne als Repression wahrgenommen.[38] Die Maßnahmen schränkten sie in der Auslebung ihres Verständnisses ihrer Kultur ein. Jedoch

„muß [man] aufhören, die Wirkungen der Macht immer negativ zu beschreiben, als ob sie nur „ausschließen“, „unterdrücken“, „verdrängen“, „zensieren“, „abstrahieren“, „maskieren“, „verschleiern“ würde. In Wirklichkeit ist die Macht produktiv; und sie produziert Wirkliches. Sie produziert Gegenstandsbereiche und Wahrheitsrituale: das Individuum und seine Erkenntnis sind Ergebnisse dieser Produktion.“[39]

Es ist weniger so, dass Stadionverbote, Meldeauflagen, Verbot des Einsatzes von Pyrotechnik, Versitzplatzung der Stadien, etc. Fußballfans oder Ultras im Ausleben ihrer Kultur einengen. All diese Maßnahmen sind es vielmehr erst, die den Bezugsrahmen dieser Fußballkultur abstecken.

5. Zusammenfassung / Fazit

Forschungsfrage dieser Arbeit war, ob Foucaults These, das Gefängnissystem bzw. das ihm gleichende Disziplinarsystem unserer Gesellschaft, brächte Delinquenz hervor, anstatt tatsächlich ausschließlich Straftaten zu verhindern, auf Maßnahmen und Sanktionen gegenüber Fußballfans zu übertragen sei. Wir können dabei feststellen, dass dies durchaus zutrifft. Mitunter lassen sich in Maßnahmen/Techniken gegenüber Fußballfans von Foucault beschriebene Machtmechanismen in erstaunlicher Äquivalenz wiederfinden.

Sei es die Parzellierung des Raumes, die lückenlose Überwachung von Fußballfans im Stadion und auf ihren Reisen zu den Spielen, der Einsatz von individualisierenden Vertreter_innen der Macht, der Ausschluss bestimmter Fans von Spielen und das, sich letztendlich aus all diesen Versatzstücken herausbildende, Kreieren eines delinquenten Milieus. All das sind die Mechanismen und Strukturen der Produktion von Delinquenz, die Foucault in „Überwachen und Strafen“ herausarbeitet.

Es scheint als ließe sich Foucaults Beobachtung, vorgebrachte Reformen zum Funktionsrahmen des Gefängnisapparates wiederholten sich in Aussage und Wortlaut ohne je eine Veränderung hervorgebracht zu haben auch auf Straffälligkeit im Fußball übertragen, wo schon in den 1930er Jahren getätigte Aussagen über „eine tumultsuchende Minderheit von Schurken“[40] in ihrem Wortlaut kaum von heutigen Beschreibungen über „Rowdys“, „Chaoten“ oder „Unverbesserliche“ unterscheiden.

Delinquente Milieus im Fußballkontext werden systematisch erzeugt und am Bestehen gehalten.

 

Literaturverzeichnis

Primärquellen

Arbeitsgemeinschaft Fananwälte: „Datei Gewalttäter Sport“ April 2011, unter: http://fananwaelte.de/Forderungen/Datei-Gewalttaeter-Sport/1,000000306302,8,1 (zuletzt abgerufen am 09.04.2012).

Denzer, Wolfgang; Fischer, Gerd: „Die Szenekundigen Beamten“ 25.10.2011, unter http://www.polizei.rlp.de/internet/nav/9a8/broker.jsp?uCon=7882311b-8484-2014-4b94-615af5711f80&uBasVariantCon=22222222-2222-2222-2222-222222222222 (zuletzt abgerufen am 14.04.2012).

Denzer, Wolfgang; Fischer, Gerd: „Fans und Problemfans“ 18.03.2009, unter: http://www.polizei.rlp.de/internet/nav/9a8/broker.jsp?uMen=9a8509c6-071a-9001-be59-2680a525fe06&uCon=9d92311b-8484-2014-4b94-615af5711f80&uBasVariantCon=22222222-2222-2222-2222-222222222222&uTem=21b50783-53b3-a001-be59-2680a525fe06 (zuletzt abgerufen am 14.04.2012).

Deutscher Fußballbund (DFB), Deutsche Fußball Liga (DFL): „Stadionhandbuch“, unter: http://www.bundesliga.de/media/native/dfl/dfl_dfb_stadion_handbuch.pdf (zuletzt abgerufen am 15.04.2012).

Deutscher Fußballbund (DFB), Deutsche Fußball Liga (DFL): „Richtlinien zur einheitlichen Behandlung von Stadionverboten“ März 2008, unter http://www.bundesliga.de/media/native/dfl/sicherheit/stadionverbotsrichtlinien_0104.pdf (zuletzt abgerufen am 15.04.2012).

Kühl, Olaf: „Der deutsche Fußball und sein Gewaltproblem“, unter: http://www.gdp.de/gdp/gdpmp.nsf/id/DE_GdP-M-V-Der-deutsche-Fussball-und-sein-Gewaltproblem (zuletzt abgerufen am 15.04.2012).

Kühl, Olaf: „Die Ultras in Fußballstadien – die Diskrepanz zwischen Support und Gewalt“ 21.10.2008, unter: http://www.gdp.de/gdp/gdpmp.nsf/id/DE_GdP_M-V_Die_Ultras_in_Fuszballstadien_die_Diskrepanz_zwischen_Support_und_Gewalt (zuletzt abgerufen am 14.04.2012).

Straten, Walter M.; Sulzer, Thomas: „Retten Sie den Fußball vor den Chaoten?“ 03.03.2012, unter: http://www.bild.de/sport/fussball/wolfgang-niersbach/sein-kampf-gegen-die-fan-chaoten-22954574.bild.html (zuletzt abgerufen am 15.04.2012).

Wolf, Matthias: „Das kann jedem Fan passieren!“ 19.03.2012, unter http://www.11freunde.de/bundesligen/150467 (zuletzt abgerufen am 14.04.2012).

Unbekannter Autor: „Abschaffung von Stehplätzen beim Fußball gefordert“ 18.03.2010, unter: http://www.focus.de/sport/fussball/bundesliga1/bundesliga-abschaffung-von-stehplaetzen-beim-fussball-gefordert_aid_490872.html (zuletzt abgerufen am 15.04.2012).

Unbekannter Autor: „Becherwerfer gefasst – wieder frei“ 02.04.2011, unter: http://www.mopo.de/fc-st–pauli/43-jaehriger-verursachte-spielabbruch-becherwerfer-gefasst—wieder-frei,5067040,8293392.html (zuletzt abgerufen am 15.04.2012).

Unbekannter Autor: „Kassenrolle-Werfer hat sich gestellt“ 22.12.2011, unter http://www.mopo.de/fc-st–pauli/gestaendnis-in-fc-st–pauli-geschaeftsstelle-kassenrollen-werfer-hat-sich-gestellt,5067040,11345296.html (zuletzt abgerufen am 15.04.2012).

Unbekannter Autor: Website der Allianz-Arena, unter: http://www.allianz-arena.de/de/fakten/allgemeine-informationen/index.php (zuletzt abgerufen am 15.04.2012).

Sekundärquellen

Foucault, Michel: Survellier et punir. La naissance de la prison. Paris 1975: Edition Gallimard 1975. Deutsche Übersetzung: Überwachen und Strafen. Die Geburt des Gefängnisses. Frankfurt/Main: Suhrkamp 1977.

Gabler, Jonas: „Die Ultras – Fußballfans und Fußballkulturen in Deutschland“ Köln: PapyRossa Verlag 2011.

Marchi, Valerio: „Il derby del bambino morto. Violenca e ordine pubblico nel calcio“ Roma: DeriveApprodi 2005 in Francesio, Giovanni: „Tifare Contro“ Milano: Sperling & Kupfer Editori 2008. Deutsche Übersetzung: Tippmann, Kai: „Tifare Contro. Eine Geschichte der italienischen Ultras“ Freital OT Pesterwitz: Burkhardt & Partner Verlag 2010.



[1] Vgl. Foucault, Michel: Survellier et punir. La naissance de la prison. Paris 1975: Edition Gallimard 1975. Deutsche Übersetzung: Überwachen und Strafen. Die Geburt des Gefängnisses. Frankfurt/Main: Suhrkamp 1977, S. 9 ff.

[2] Ebd., S. 63.

[3] Ebd., S. 129.

[4] Ebd., S. 248 f.

[5] Vgl. Foucault 1977, Kap. III.

[6] Ebd., S. 257.

[7] Ebd., S. 259 f.

[8] Ebd., S. 268.

[9] Deutscher Fußballbund (DFB), Deutsche Fußball Liga (DFL): „Stadionhandbuch“, S. 3, unter: http://www.bundesliga.de/media/native/dfl/dfl_dfb_stadion_handbuch.pdf (zuletzt abgerufen am 15.04.2012).

[10] Vgl. Foucault 1977, S. 277 f.

[11] Vgl. Deutscher Fußballbund (DFB), Deutsche Fußball Liga (DFL): „Stadionhandbuch“, unter: http://www.bundesliga.de/media/native/dfl/dfl_dfb_stadion_handbuch.pdf (zuletzt abgerufen am 15.04.2012).

[12] Die Allianz-Arena in München stellt ausschließlich Sitzplätze zur Verfügung (66.000), wovon einige Bereiche jedoch als Stehplätze verkauft werden können. Vgl. hierzu: Website der Allianz-Arena, unter: http://www.allianz-arena.de/de/fakten/allgemeine-informationen/index.php (zuletzt abgerufen am 15.04.2012).

[13] Unbekannter Autor: „Abschaffung von Stehplätzen beim Fußball gefordert“ 18.03.2010, unter: http://www.focus.de/sport/fussball/bundesliga1/bundesliga-abschaffung-von-stehplaetzen-beim-fussball-gefordert_aid_490872.html (zuletzt abgerufen am 15.04.2012).

[14] Straten, Walter M.; Sulzer, Thomas: „Retten Sie den Fußball vor den Chaoten?“ 03.03.2012, unter: http://www.bild.de/sport/fussball/wolfgang-niersbach/sein-kampf-gegen-die-fan-chaoten-22954574.bild.html (zuletzt abgerufen am 15.04.2012).

[15] Unbekannter Autor: „Becherwerfer gefasst – wieder frei“ 02.04.2011, unter: http://www.mopo.de/fc-st–pauli/43-jaehriger-verursachte-spielabbruch-becherwerfer-gefasst—wieder-frei,5067040,8293392.html (zuletzt abgerufen am 15.04.2012).

[16] Unbekannter Autor: „Kassenrolle-Werfer hat sich gestellt“ 22.12.2011, unter http://www.mopo.de/fc-st–pauli/gestaendnis-in-fc-st–pauli-geschaeftsstelle-kassenrollen-werfer-hat-sich-gestellt,5067040,11345296.html (zuletzt abgerufen am 15.04.2012).

[17] Vgl. Denzer, Wolfgang; Fischer, Gerd: „Die Szenekundigen Beamten“ 25.10.2011, unter http://www.polizei.rlp.de/internet/nav/9a8/broker.jsp?uCon=7882311b-8484-2014-4b94-615af5711f80&uBasVariantCon=22222222-2222-2222-2222-222222222222 (zuletzt abgerufen am 14.04.2012).

[18] Kühl, Olaf: „Die Ultras in Fußballstadien – die Diskrepanz zwischen Support und Gewalt“ 21.10.2008, unter: http://www.gdp.de/gdp/gdpmp.nsf/id/DE_GdP_M-V_Die_Ultras_in_Fuszballstadien_die_Diskrepanz_zwischen_Support_und_Gewalt (zuletzt abgerufen am 14.04.2012).

[19] Foucault 1977, S. 228 f.

[20] Foucault 1977, S. 234.

[22] Vgl. Foucault 1977, S. 39 f.

[23] Foucault 1977, S.248.

[24] Vgl. Ebd.

[25] Vgl. Arbeitsgemeinschaft Fananwälte: „Datei Gewalttäter Sport“ April 2011, unter: http://fananwaelte.de/Forderungen/Datei-Gewalttaeter-Sport/1,000000306302,8,1 (zuletzt abgerufen am 09.04.2012).

[26] Vgl. Wolf, Matthias: „Das kann jedem Fan passieren!“ 19.03.2012, unter http://www.11freunde.de/bundesligen/150467 (zuletzt abgerufen am 14.04.2012).

[27] Foucault 1977, S. 330.

[28] Deutscher Fußballbund (DFB), Deutsche Fußball Liga (DFL): „Richtlinien zur einheitlichen Behandlung von Stadionverboten“ S. 5, §3 (3) März 2008, unter http://www.bundesliga.de/media/native/dfl/sicherheit/stadionverbotsrichtlinien_0104.pdf (zuletzt abgerufen am 15.04.2012).

[29] Foucault 1977, S. 230.

[30] Ebd., S. 232.

[31] Ebd., S. 343 f.

[32] Kühl, Olaf: „Der deutsche Fußball und sein Gewaltproblem“ unter: http://www.gdp.de/gdp/gdpmp.nsf/id/DE_GdP-M-V-Der-deutsche-Fussball-und-sein-Gewaltproblem (zuletzt abgerufen am 15.04.2012). Hervorhebungen im Original.

[33] Foucault 1977, S. 350 f.

[34] Vgl. Kühl, Olaf: „Der deutsche Fußball und sein Gewaltproblem“ unter: http://www.gdp.de/gdp/gdpmp.nsf/id/DE_GdP-M-V-Der-deutsche-Fussball-und-sein-Gewaltproblem (zuletzt abgerufen am 15.04.2012).

[35] Foucault 1977, S. 359 ff.

[36] Vgl. „Pyrotechnik legalisieren! Emotionen respektieren!“ unter http://www.pyrotechnik-legalisieren.de (zuletzt abgerufen am 15.04.2012).

[37] Gabler, Jonas: „Die Ultras – Fußballfans und Fußballkulturen in Deutschland“ Köln: PapyRossa Verlag 2011, S. 145.

[38] Gabler 2011, S. 159 ff.

[39] Foucault 1977, S. 250.

[40] Marchi, Valerio: „Il derby del bambino morto. Violenca e ordine pubblico nel calcio“ Roma: DeriveApprodi 2005 in Francesio, Giovanni: „Tifare Contro“ Milano: Sperling & Kupfer Editori 2008. Deutsche Übersetzung: Tippmann, Kai: „Tifare Contro. Eine Geschichte der italienischen Ultras“ Freital OT Pesterwitz: Burkhardt & Partner Verlag 2010, S. 27.

Einseitig außer Kraft gesetzt

An dieser Stelle ist es darüber hinaus zwingend notwendig das Präsidium unseres Vereines und alle anderen in diesen Fall involvierten Verantwortlichen ausdrücklich zu loben und ihnen zu danken. Lob und Dank gebührt ihnen für ihren Einsatz für die Fans. Es ist mehr als schön zu sehen, dass sich dieser Einsatz lohnt. Ganz offensichtlich wurde einerseits aus Fehlern der Vergangenheit gelernt und hat andererseits der stete Dialog zwischen Fans und “Offiziellen” Früchte getragen.

Höchste Töne, die ich hier für unseren gewählten Vertreter übrig hatte und das berechtigterweise, hat man sich doch in der jüngeren Vergangenheit mehrfach vor seine Fans gestellt. Eine Kontinuität, die der jüngsten Stellungnahmen [1; 2] unseres Präsidiums und dem ihnen anhaftenden Konformismus wegen, gebrochen zu sein scheint.

Betrachten wir die Stellungnahmen im Kontext jener positiven Vorgeschichte, können wir die erste Stellungnahme („Gewalt verurteilt“) getrost ignorieren. Es ist die übliche Distanzierung, die sich zwar als verkürzt und wenig Lösungsorientiert erweist, in Hinblick auf mediale Taktik aber nicht unsinnig ist. Darüber kann hinweggesehen werden. Viel interessanter ist hingegen die zweite Stellungnahme bezüglich der jüngsten Verbandsstrafen.

Es ist kein Geheimnis, dass die Damen und (vor allem) Herren beim DFB die ganze links, bunt, alternativ, dagegen, etc. Kiste beim FCSP längst nicht so kultig und lustig finden, wie sie anderswo aufgenommen wird. Unser Verein scheint in deren Augen ein Fanproblem zu haben, das sich in seinem Wesen von den vermeintlichen Fanproblemen anderer Vereine nicht unterscheidet. Es wäre demnach falsch, beispielsweise zu sagen, der DFB sei auf dem rechten Auge blind oder ähnliches. Fakt ist: der DFB schert sich nicht um Fankultur, um politische Ausprägungen, usw.. Der DFB schert sich um den Fußballsport, alles andere ist weniger als sekundär. Das Urteil nach dem Becherwurf vom 01. April 2011 hat dies eindrucksvoll untermauert. In den Augen des DFB sind Fans nicht mehr als potentielle Gefahrenherde und nicht weniger als wirtschaftliche Faktoren.

Unsere Vereinsführung sieht den Stellenwert von Fußballfans dankenswerter Weise anders. So hat sie sich vor ihre Fans gestellt, als diese Opfer einer völlig von jeder Vernunft entkoppelten Polizei beim (Bullen-)Schweinske-Cup malträtiert wurden, sie hat mehrfach für Fanrechte eingestanden und geklagt (Kassenrollenurteil, Hansa) und allem Vernehmen nach wird sie auch weitere Instanzen bemühen.

Nun gibt es eine Strafe für den Schweinske-Cup. An Lächerlichkeit ist das kaum zu überbieten, denkt man sich in die DFB Logik hinein, war es aber wohl zu erwarten. Unserer Vereinsführung ist kein Vorwurf zu machen, dass sie diese Strafe nun hinnehmen. Zu widersinnig ist die Logik des DFB und eine Kosten/Nutzen Rechnung endet in diesem Fall mit roten Zahlen und kaum fanpolitischem Erfolg.

Ebenso verhält es sich mit der noch viel lächerlicheren Strafe für das Wort „Bullenschweine“ in der Choreo von USP beim Spiel gegen Braunschweig. Das falle angeblich unter Beleidigung und doch ist es viel eher eine politische Meinungsäußerung, als eine Beleidigung. Und nun kommt der zu kritisierende Part:

Präsident Stefan Orth: „Auch wenn uns kein Fall aus den letzten Jahrzehnten bekannt ist, in dem ein Lizenzverein aufgrund des Verhaltens seiner Anhänger bei einem Hallenturnier bestraft wurde, haben wir dem Strafantrag zugestimmt und werden nicht wieder die Gerichte bemühen. Was den zweiten Fall betrifft, fordert der FC St. Pauli seine Fans dazu auf, künftig keine Banner mit beleidigendem oder unsportlichem Inhalt im Stadion zu verwenden.„‬‬

Orth zudem: „Wir sind es langsam leid. Eine Strafe hier, eine Strafe dort. Das läppert sich zusammen und wird von uns nicht mehr tatenlos hingenommen. Ich erwarte, dass hier ein Umdenken in einigen Bereichen des Stadions und im Umfeld einsetzt. Wenn das nicht ab sofort der Fall ist, werden wir zum Handeln gezwungen. Diese Strafen tun dem Verein verdammt weh und gehen am Ende immer zu Lasten von uns allen. Es ist ein Punkt erreicht, an dem sich alle, die den FC St. Pauli ins Herz geschlossen haben, fragen müssen, ob wir wirklich so weitermachen wollen. Wir alle zusammen haben Leitlinien für den Verein aufgestellt, die nicht nur einseitig gelebt werden und von einigen nach ihrem Ermessen außer Kraft gesetzt werden dürfen. Allen sollte bewusst sein, dass wir uns auf dem Präsentierteller befinden und jede noch so kleine Verfehlung spürbare Konsequenzen für den Verein zur Folge hat.“

Volles Verständnis dafür, es leid zu sein. Ja wir stehen im Fokus des DFB, anders sind diese jüngsten Strafen gar nicht zu erklären. Und dennoch: Falscher Adressat, falsche Konsequenz!

Was heißt denn hier beleidigend?

Es ist doch hinlänglich bekannt, dass gerade Banner, Tapeten, Spruchbänder verkürzen, verschlagworten und bisweilen gar übertreiben. Es ist auch bekannt, dass sich gerade die aktive Fanszene, was auch immer darunter genau zu verstehen ist, auf die politischen Ursprünge der Fanszene beruft. Wer eine Beleidigung in Aussagen zu (fan-)politischen Themen zu finden meint, hat die Werte des FC St. Pauli nicht verstanden. Das verstanden zu haben erwarte ich nicht vom DFB, von unserem Präsidenten hingegen schon. Gerade im Kontext der Choreo ist ein „Bullenschweine“ keine Beleidigung (wie soll auch ein Kollektiv zu beleidigen sein?) sondern ein positiver Bezug zur eigenen Geschichte, ein positiver Bezug, den an anderer Stelle auch die Vermarktung des Vereins herstellt. Von Beleidigungen darf also gar keine Rede sein!

Was heißt denn hier unsportlich?

Es ist ebenso hinlänglich bekannt, dass der FC St. Pauli in der öffentlichen Wahrnehmung als mehr als bloß ein Fußballverein gilt. Der Verein inszeniert sich als ein solcher und die Fans im Stadion füllen diese Phrase mit Leben. Wenn mit unsportlich also mangelnder Sportbezug gemeint ist, dann vergiss es, Stefan, wir werden unseren Fokus weiter auch auf gesellschaftliche Felder jenseits des Fußballs richten. Aber ich bin mir beinahe sicher, dass du das nicht meinst. Wir reden hier also von sportlicher Fairness? Wir sollen als Fans mehr der Ebbers, als der Rösler sein. Das sind wir in mancher Hinsicht. Wenn wir zum Beispiel unsere eigenen Spieler nicht auspfeifen. Aber sonst? Fußball muss dreckig bleiben, heißt es. Wir sind so „sportlich“ wie wir sein können und wollen, aber nicht mehr und auch nicht weniger. By the way, lieber Stefan, die bösen Hools empfinden sich und ihr Tun auch als zutiefst „sportlich“, aber so sollen wir auch nicht sein, oder?!

Was heißt denn hier Leitlinien außer Kraft setzen?

1. Der FC St. Pauli in seiner Gesamtheit aus Mitgliedern, Angestellten, Fans und Ehrenamtlichen ist Teil der ihn umgebenden Gesellschaft und somit auch mittelbar und unmittelbar von gesellschaftlichen Veränderungen in politischen, kulturellen und sozialen Bereichen betroffen.

Gesellschaftliche Veränderungen, also Prozesse, das sind Dinge wie freidrehende Cops, denen Fußballfans, besonders auf Reisen, zu genüge begegnen. „Bullenschweine“ zu thematisieren ist doch Ausdruck dieses Bewusstseins. Setzt das bitte nicht einseitig außer Kraft!

2. Der FC St. Pauli stellt sich dieser gesellschaftlichen Verantwortung und tritt über den sportlichen Bereich hinaus für die Interessen seiner Mitglieder, Angestellten, Fans und Ehrenamtlichen ein.

Das hat der FC St. Pauli in der jüngeren Vergangenheit, wie oben erwähnt, in herausragender Art und Weise getan. Jetzt den Fans nahezulegen, sich in Zukunft anders zu verhalten, ist eine Farce! Setzt das bitte nicht einseitig außer Kraft!

3. Der FC St. Pauli ist ein Stadtteilverein. Hieraus zieht er seine Identifikation und hat eine soziale sowie politische Verantwortung gegenüber dem Stadtteil und den hier lebenden Menschen.

Wenn die hier lebenden Menschen, ein völlig überzogenes Gefahrengebiet im Zuge eines Spiels des FC St. Pauli vorgesetzt bekommen, dann ist es doch die soziale und politische Verantwortung der Vereinsführung dies zu skandalisieren. Setzt das bitte nicht einseitig außer Kraft!

5. Toleranz und Respekt im gegenseitigen Miteinander sind wichtige Eckpfeiler im FC St. Pauli.

Wenn Fans sich stetig intolerantem und respektlosem Verhalten (beispielsweise seitens der Staatsmacht) gegenübersieht, so ist es um so wichtiger das Skandalisieren dessen zu schützen. Setzt das bitte nicht einseitig außer Kraft!

7. Neben dem allgemein gültigen Recht bilden die Stadionordnung und die Auswärtsfahrtordnung des Fanladens die Basis, auf der sich Mitglieder, Angestellte, Fans und Ehrenamtliche des FC St. Pauli bewegen.

8. Jeder Einzelne und jede Gruppe sollte sein/ihr gegenwärtiges und künftiges Handeln ständig selbstkritisch prüfen und sich seiner/ihrer Verantwortung für andere bewusst sein. Die Vorbildfunktion gerade für Kinder und Jugendliche darf nicht in den Hintergrund geraten.

9. Es gibt keine „besseren“ oder „schlechteren“ Fans. Jeder kann sein Fansein nach eigenem Gutdünken ausleben, solange dies nicht gegen o. g. Bestimmungen verstößt.

Und da es sich eben um keine Beleidigung handelt, und da es eben keine „besseren“ oder „schlechteren“ Fans gibt, geht es nicht an Fans hier vorzuschreiben, wie sie sich zu verhalten hätten. Die Fans des FC St. Pauli müssen ihr Selbstverständnis und ihre Kultur nach ihrem Gutdünken ausleben können. Setzt das bitte nicht einseitig außer Kraft!

11. Die aktive, d. h. in erster Linie die auch am Spieltag vor Ort engagierte Fanszene bildet das Fundament für die Emotionalisierung des Fußballsports, welche wiederum die Grundlage der Vermarktungsfähigkeit des FC St. Pauli darstellt.

Das gilt es sich, gerade seitens der Vereinsoberen permanent in die Köpfe zu hämmern. Diese aktive Fanszene und kritische Äußerungen gehören untrennbar zusammen. Daher ist es ein Unding, gerade dieser Fanszene in ihre Darstellungsformen hineinreden zu wollen. Setzt das bitte nicht einseitig außer Kraft!

Weitere Passagen der Leitlinien passen nicht in diesen Kontext. Was aber klar geworden sein sollte ist, wer hier wider der selbt gegebenen Leitlinien handelt. Aus diesem Grund ist die jüngste Stellungnahme des Präsidiums eine Frechheit. Ständig die Leitlinien als Moralkeule gegen die eigenen Fans ins Feld zu führen und keine Ahnung zu haben, was da eigentlich drin steht, zeugt von ausgeprägter Ignoranz!

Und das bin ich leid!

In diesem Zusammenhang auch lesenswert: Meinungsfreiheit endet im Stadion da, wo der DFB anfängt – #FCSP am Scheideweg?

Die Macht kommt von unten

Was bisher geschah:

Blogs:
Übersteiger Blog: 32. Spieltag (H) – Hansa Rostock
Magischer FC: ACABaB und die Zwei mit HumorGlaubt eigentlich irgendwer noch der Hamburger Morgenpost?Ääääähhhhmmmm, geh mal denken
Metalust: Der “Störer” ist vor allem die Polizei – trotzdem: Danke an die Mannschaft für 6 Punkte gegen Hansa!!!
KleinerTod: Rumstehterroristen – #FCSP nahezu ohne Hansa Rostock im Gefahrengebiet
Publikative.Org: St. Pauli vs. HRO: Police and ThievesGanz Sankt Pauli fragt die Polizei

Stellungnahmen:
FC St. Pauli: Gewalt verurteilt
Fanladen: Zum Spiel FC St. Pauli gegen den FC Hansa Rostock

Kommentarfunktion

Eine Aufarbeitung der Geschehnisse rund um den 32. Spieltag bzw. das Heimspiel des FC St. Pauli gegen den FC Hansa Rostock geschieht vielerorts und mit unterschiedlicher Akzentuierung. So Manches auf unzähligen Seiten Forum empfand ich als nachvollziehbar, manches als differenziert, in vielen Beiträgen fanden sich plausible Ansichten wieder. Selbst bei nur oberflächlicher Lektüre fällt auf, so viele komplette Fehlschüsse sind es gar nicht. Die scheinen sich, wie es stets zuverlässig der Fall ist, in den Kommentarspalten des Internetauftritts eines Hamburger Boulevardblattes zu finden. Ohne auch nur einen Blick darauf geworfen zu haben, ist die Stoßrichtung jener Kommentare ohne weiteres zu erahnen.

Guter Text, liebe selbsternannten Blogger,
nur wozu? Den Leuten vom Fach mal ins Gewissen reden, dass sie es doch besser wissen müssten? Tun sie wahrscheinlich zumindest in Ansätzen. Aber ihr wisst doch genau wie das läuft in den Redaktionen. Und ihr wisst genau, warum ein aus 3, 4, 5 lyrisch und journalistisch wenig wertvollen Mopo-Online-Kurztexten ein lyrisch und journalistisch ebenso wertloser Mopo(-Online)-Langtext zusammen gesetzt wird. Ihr kennt euch doch aus, nach unter anderem 12 Jahren Texte ins Internet setzen. Ihr haltet doch die ganze Zeit die Stange, weil ihr wisst, wie es läuft, weil ihr wisst, dass es eine große Leerstelle auszufüllen gibt, neben den Nachrichten in den Medien aller Couleur. Weil Fußballfans mehr interessiert, als dass Buttje Rosenfeld ein Tor geschossen hat, was ohnehin alle im Stadion oder Fernsehen gesehen haben. Weil ihr teilen wollt. Erfahrungen, Emotionen, Ansichten – und ihr werdet gelesen, weil sich Menschen dafür interessieren, weil sie den Austausch mögen, weil sie ähnliche oder abweichende Meinungen anderer Fans interessieren. Blogs sind doch im Prinzip die virtualisierte Form eines der wichtigsten Elemente beim Bier in der Kneipe nach dem Spiel oder bei der Zigarette auf der Arbeit vor dem Wochenende. Mit einem weit größeren Wirkradius als diese bezugsgruppenbezogenen Konversationen es je leisten könnten. Und doch ist es eine Minderheit, die sich für derart detaillierte, mitunter differenzierte und stets zutiefst subjektive Wahrnehmungen einer Wahrheit um ihren Verein interessiert. Charmanterweise ist die Quote der Quellen der für diesen Austausch nötigen Schreibenden gemessen an der Zielgruppe / den Lesenden, weit höher als beim Anderen.

Das Andere. Das sind die von euch oben angesprochenen. Die machen Meldungen für die Massen. Quote kommt vor Inhalt. Die Masse hat gar kein Interesse an Inhalten, wie ihr oder auch ich sie zu vermitteln versuchen. Die lesen Zeitungen, wie sie ins Stadion gehen: reines Konsumieren. Ja, ich werte hier. Ganz subjektiv versteht sich. Ohne eine Existenzberechtigung abzusprechen, denn die gibt es. Jedoch schweife ich ab.

Es sei sich nur einmal vorgestellt, alle Nachrichten entstünden ungefähr so, wie die im Fußballfankontext. Das lesen auch ganz viele Menschen, was sollen sie auch sonst machen. Und sie glauben das, finden es gut oder schlecht. Aber sie glauben es. Zumindest die Masse glaubt es. Sie soll es glauben, sie will es glauben, sie kann nicht anders als es zu glauben. Deswegen funktioniert das ganze System. Will sagen: Wir haben doch letzten Endes weit größere Probleme als die journalistische Qualität in Sportredaktionen. Und das schreibt ihr ja auch, und wenn man ehrlich ist, stehen die Dinge eben nicht auf der Agenda eines Sportjournalisten und gehören da im engeren Sinn auch nicht hin. Das können wir gut oder doof finden, ist aber erstmal so. Da werden irgendwelche Hanseln dafür bezahlt, massentaugliche Hetze über Dinge zu bringen, von denen sie nicht im Ansatz Ahnung haben. Brauchen sie auch nicht, denn sie sollen ja das schreiben was interessiert, was aufregt, was das Herz berührt. Immer streng normkonform und immer unter dem Dogma der hohen Auflage bzw. im Zeitalter neuer Medien möglichst vieler Klicks. Und den größten Gefallen tun wir ihnen auch noch, denn auch wir knüppeln uns den Scheiß rein. Im Wissen um eine andere Wahrheit schreiben wir dann unsere Pamphlete und lenken noch mehr Leute auf die Seiten derer. Streng genommen sind wir auch bloß eine Komponente im Boulevardapparat. Mopo – come in and find out, oder so…

Letzten Endes bleibt also ein wirklich schön geschriebener Blogtext, in dem wir uns alle wieder mal klar gemacht haben, dass:

-”wir” in der Minderheit sind
-die Medien so sind wie sie sind
-Zielgruppenorientierung in jedem Kontext das einzig wichtige Paradigma ist
-Sankt Pauli dreckig war, ist und irgendwelcher “Kriminellen” sei dank auch bleibt.

Herzlichst
ein dezent desillusioniertes Lichterkarussell
(Blogger, weder selbster- noch sogenannt, sondern einfach so)

Schreibe ich und erhalte prompt eine SMS, das solle ich mal in mein eigenes Blog packen, das sei zu gut, um in einer Kommentarspalte zu versauern. Nagut.

Nur wenn ich das tue, dann muss ich auch andere Punkte ansprechen, denn das ist kein Blogbeitrag, das ist bloß ein Kommentar. So viel also, als zu lange Einleitung, hoffe der Hauptteil wird kürzer.

Worüber müssen wir also sprechen? Ein Thema ist die mediale Aufarbeitung des Geschehenen, da haben sich die Kollegen vom MagischenFC schon zu genüge abgearbeitet und auch von meiner Seite ist in form der obigen Zeilen mehr als nötig zum Thema beigetragen.

Denn wir müssen über Repression sprechen

Es ist der Dauerbrenner unter Fußballfans. Die Repression, die ihnen allenthalben entgegenschlägt. In erster Instanz natürlich von der Staatsmacht, ferner werden aber auch Anstoßzeiten, Verbände, Vermarktung, Fernsehen, usw. als böse Einflüsse auf ihre Kultur perzipiert. De facto üben all jene genannten Akteure, Institutionen und Faktoren tatsächlich einen Einfluss auf den Profifußball aus und tangieren damit natürlich direkt oder indirekt die Fans und ihre Belange.

„Man muß aufhören, die Wirkungen der Macht immer negativ zu beschreiben, als ob sie nur ausschließen, unterdrücken, verdrängen, zensieren, abstrahieren, maskieren, verschleiern würde. In Wirklichkeit ist die Macht produktiv; und sie produziert Wirkliches. Sie produziert Gegenstandsbereiche und Wahrheitsrituale: das Individuum und seine Erkenntnis sind Ergebnisse dieser Produktion.“ (Foucault: Überwachen und Strafen 1977, 250)

Es ist mitnichten so, dass der böse Repressionsapparat die armen kleinen Fußballfreunde in der Auslebung ihrer Kultur hindert, vielmehr ist es der Produktionsapparat der Macht, der Fußballfans die Rahmenbedingungen ihres Handelns und Seins definieren lässt, oder anders gesagt, die Fußballfankultur, wie sie vor den bösen Einflüssen von außen zu verteidigen sei, gäbe es in der (zu  verteidigenden) Form gar nicht ohne diese Einflüsse. Wir tun gut daran uns nicht als Opfer eines Herrschaftsapparates zu sehen, dem wir uns machtlos gegenüber finden und gegen den wir mit unseren „Bullenschweine“-Transparenten nicht im Ansatz etwas auszurichten im Stande sind. Stattdessen sollte sich die Selbstwahrnehmung viel mehr dahin verändern, dass wir uns als Teil eines komplexen Apparates verstehen, in dem Milieus kreiert werden, Delinquenz produziert wird, in dem der Widerstand der einen Gruppe einen normativen Effekt auf eine andere Gruppe hat. Wir müssen beginnen uns jener vielschichtiger Verflechtungen bewusst zu werden.

Denn wir müssen über Macht sprechen

Macht ist nicht das, was ein Präsident oder Vorstand von Polizei, Fußballbund, Ligaverband, Verein, Fernsehsender, etc. in seiner Schreibtischschublade liegen hat und bei bedarf gegen die bösen Chaoten, Fußballfans, Autonomen, Störer, Krawallos, unbescholtene Bürger oder sonst irgendwen herausholt und einsetzt um seine Interessen durchzusetzen und dem letztgenannte im Umkehrschluss machtlos gegenüberstehen, ihr ausgesetzt sind. Wäre das so, hätte es nicht eine Revolution gegeben oder, um nicht ganz in die großen Zusammenhänge zu gehen, gäbe es z.B. keinen Ständigen Fanausschuss, der sich mit dem Präsidium unseres Vereins trifft.

„Wo es Macht gibt, gibt es Widerstand. Und doch oder vielmehr deswegen liegt der Widerstand niemals außerhalb der Macht.“ (Foucault: Der Wille zum Wissen. Sexualität und Wahrheit I 1983, 96)

Wenngleich Hannah Arendt einen etwas anderen Machtbegriff entwirft,

„Über Macht verfügt niemals ein Einzelner; sie ist im Besitz einer Gruppe und bleibt nur so lange existent, als die Gruppe zusammenhält“ (Arendt: Macht und Gewalt)

tun wir nicht schlecht daran ein Bewusstsein dafür zu entwickeln, dass ganz gleich wessen Machtbegriff der Realität mehr entspricht, wir keineswegs macht- und einflusslos vor schier unlösbaren Problemen stehen, wobei mir der übergeordnete Fußballkontext das größere Problem zu sein scheint, als eventuelle szeneinterne Probleme.

Denn wir müssen über Gewalt sprechen

Wir wissen alle, dass es Gewalt bei Sankt Pauli immer gab und ich bin es, genau wie viele andere sicherlich auch, leid ständig irgendwem erklären zu müssen, dass linke Gegenkultur, wie sie am Millerntor in den 1980ern Einzug gehalten hat, nie frei von Gewalt stattfindet. Es scheint mir aber ein weit verbreitetes Phänomen, die Vergangenheit verklärt wahrzunehmen, was irgendwelche Hirnforscher ja auch zu Hauf erklärt haben. Es scheint mir auch der allgemeine Zeitgeist zu sein, Entwicklung als etwas Rückständiges, wie Rückschrittiges zu begreifen. Das Bild der Mönche, die einen Schritt vor und zwei zurück machen und sich im Anschluss die Bibel vor die Rübe ballern (Monty Pythons: Die Ritter der Kokosnuss), trifft doch ziemlich gut, wie sich ein Großteil der Menschen – oder der Menschheit gar – verhält bzw. entwickelt.

Wenngleich ich genug Leute kenne, die, genau wie auch ich selbst, bestimmten Auswüchsen und Phänomenen in und um unsere Fanszene kritisch gegenüberstehen, ist es viel zu leicht und viel zu kurz gedacht, die Lösung dessen in Distanzierungen oder Ausschlüssen zu suchen. Viele Aspekte der angesprochenen Phänomene stehen grundsätzlichen Werten unserer Fanszene diametral gegenüber. Mackertum, Sexismus, etc. sind keine Seltenheiten. Das ist der Grund, weswegen von einem Problem gesprochen werden kann. Die Frage die sich stellt ist doch, wie und ob, wir einer Lage Herr werden können, deren Ursachen vielschichtiger nicht sein können. Die Soziologen in meinem Freundeskreis hantieren mit Begriffen wie „anomischer Druck“, „Bildungsferne“, „Gewaltdynamik“, etc.. Will sagen, wir besitzen viele tolle Theorien, über das was da passiert, nur patente Lösungsmodelle zu entwickeln, um jenem reaktionären Einfällen von Ausschluss und Distanzierung etwas entgegenzusetzen fällt zunehmend schwer, jedoch widersprechen jene reaktionären Verlautbarungen den Werten unserer Fanszene ebenso und sind nicht minder als Problem zu benennen.

An dieser Stelle komme ich nicht weiter. Ein handfestes Echo auf polizeiliche Eingriffe in die Freiheit der Menschen finde ich schwerlich zu verurteilen. Ein Angriff auf eine leere Kneipe kann ich als Dummheit verurteilen, nur kann ich sie von ersterem trennen? Welche Rolle habe ich als Blogger, welche wir als Fanszene in Bezug auf diese Entwicklung? Was können und wollen wir dulden, was finden wir sogar gut und wo hört der Spaß auf? Es ist schwer darauf Antworten zu finden. Gewissheit besteht für mich lediglich in dem Punkt, dass mir pauschale Verurteilungen irgendeiner Handlung doch etwas zu tumb sind – dafür unterhalte ich mich zu oft und zu gerne mit den Soziologen unter meinen Freunden.

Wir können feststellen, dass unsere Probleme die Probleme unserer Gesellschaft ist, wir können feststellen, dass Macht eine komplexe Angelegenheit ist, wir können eine Utopie haben, in der Gewalt zwar existent ist, aber minimiert sein sollte, wir können, kurzum, vieles, nur können wir nicht mit Populismus die Probleme einer Gesellschaft lösen. Das können wir genauso wenig, wie die Politik. Zumindest können wir das nicht alleine. Das einzig kompetente Kollektiv, fähig diese Sachverhalte aufzulösen, scheint mir die Gesellschaft selbst.

Und daher ist der Text von den Kollegen beim MagischenFC Blog vielleicht doch ein Stoß in die richtige Richtung, denn letzten Endes geht es um ein Bewusstwerden, um ein Bewusstmachen gesellschaftlicher Prozesse und da spielen gerade die Medien der Masse eine entscheidende Rolle. Der Text wird nichts verändern, ich bleibe dabei, er ist bloß Balsam für die interessierte Fanseele. Er benennt aber zweifelsohne zentrale Akteure und damit eventuell einen der Schlüssel, zur Entwirrung gesamtgesellschaftlicher Probleme, deren Auflösung ich in so weiter Ferne sehe, weswegen ich desillusioniert aber nicht resigniert verbleibe, denn:

„Die Macht kommt von unten,[…]“ (Foucault: Der Wille zum Wissen. Sexualität und Wahrheit I 1983, 115)

„Wir sind alle gefährlich“

Fundstück bei Indymedia:

An den Händen der Institutionen dieses Staates klebt mehr Blut, als die Summe aller Pflastersteine je wird vergossen haben können. Jene Hände haben mehr persönlichen Besitz vernichtet, als jemals durch zerbrochene Fensterscheiben wird vernichtet sein worden. Jene Hände haben die Freiheit der Menschen in größerem Maße eingeschränkt, als brennende Barrikaden und Sitzblockaden aller Zeiten es jemals könnten. Das moralische Dilemma besteht nicht auf Seiten derer, die für ihre Freiheit und die Freiheit ihrer Mitmenschen einstehen und dabei auch vor Methoden des zivilen Ungehorsams nicht zurückschrecken, sondern auf Seiten jener, die diesen Schurkenstaat legitimieren. Sei es durch die Partizipation an Wahlen, sei es durch Denunziation oder durch Wegsehen. Es ist an jedem freiheitsliebenden Menschen, welcher nicht unter jenem Joch leben will, ein deutliches Zeichen gegenüber denen zu setzen, die Dämonen beschwören, wo keine zu erwarten sind. Es gilt dieser Bevormundung, diesem Konterkarieren aller Errungenschaften und Werte der modernen Zivilisation, ein deutliches Zeichen entgegenzusetzen. Die Mittel eines Gandhis sind dabei ebenso legitim, wie die Mittel bekannt aus Gorleben. Lediglich zu Hause bleiben und nichts tun ist keine Option!

„Die glücklichen Sklaven sind die erbittertsten Feinde der Freiheit.“

Ich gehe spazieren – und du?