Vorbei, endlich vorbei … ein Präsidium demontiert sich selbst

Der alte Song der Brieftauben kam mir spontan in den Sinn, als ich das Interview mit dem aktuellen Präsidium im Abendblatt las.

Disclaimer: Das Präsidium arbeitet ehrenamtlich. Ich habe Achtung vor der Gesamtleistung und dass sie sich in erheblichem Umfang eingebracht haben. Und natürlich gab es positive Aspekte, insbesondere eine Professionalisierung im finanziellen Bereich – unabhängig davon, ob man nun der Meinung ist, dass das wirtschaftliche Potential des Vereins ausgeschöpft wurde oder nicht (vgl. Übersteiger-Artikel von Hermanus Pfeiffer). Das alles bringt aber keine Narrenfreiheit mit sich. Vorbei, endlich vorbei … ein Präsidium demontiert sich selbst weiterlesen

Madiba und die Heuchler

Was kommen sie wieder aus ihren Löchern gekrochen, die Schmalspur-Politiker und Möchtegern-Wichtigen dieser Welt, um die Legende Mandelas zu fleddern. Mandela war schon zu Jugendzeiten mutig und progressiv, indem er gegen Stammestraditionen rebellierte. Später wurde er zu einem Revolutionär, der bereit war, seine eigene Freiheit, Gesundheit und Leben einzusetzen. Die „Exzellenz“ der herrschenden Politikergeneration besteht hingegen in grenzenloser Anpassung und skrupellosem Opportunismus. Die meisten der Merkels und Bushs hätten ihn vor 25 Jahren genauso als Terroristen bezeichnet und seinen Kampf verteufelt, wie es damals Thatcher, Reagan und Franz Josef Strauß taten. Ihr Kerninteresse ist die Staats- und Systemtreue, die Räson geht ihnen vor Gerechtigkeit und Menschenwürde. Madiba und die Heuchler weiterlesen

Internationaler Flüchtlingsgipfel St. Pauli

„Lampedusa“: Dieses Wort hat die katastrophale Situation vieler Flüchtlinge wieder ins Bewusstsein gebracht. Nicht irgendwo, sondern mitten unter uns, in St. Pauli. Viele Fans leisten hier tagtäglich großartige und unverzichtbare Arbeit. Das ist wenig überraschend — abseits der breiten Öffentlichkeit engagieren sich St. Pauli-Fans schon lange und nicht nur in Deutschland für Flüchtlinge. Am Samstag, dem 26.10. kommen Gruppen aus verschiedenen Ländern in den „Fanräumen“ zusammen, um gemeinsam zu diskutieren, zu kicken und zu feiern. Internationaler Flüchtlingsgipfel St. Pauli weiterlesen

Aufruf – gestalten wir unsere Gegengerade!

Hier der Aufruf verschiedener Fans auf der Gegengeraden und der AG Stadionbau:

Im Rahmen der Gespräche zwischen Verein und AG Stadionbau wurde beschlossen, dass wir Fans die Wände der neuen Gegengeraden selbst gestalten können. Nach den üblichen Irrungen und Wirrungen ist es jetzt endlich soweit: Die Vorbereitungen sind weitestgehend abgeschlossen, die Grundfarben sind bei einem Sponsor des Vereins bestellt.

Das Ziel ist, den grauen Beton bis zur Saisoneröffnung am 12.07.2013 weitestgehend verschwinden zulassen. Personen und Gruppen, die selbst eine bestimmte Fläche gestalten möchten, schicken bitte ihre Idee angegengeradegestaltung@gmail.com. Flächen, für die keine ansprechende individuelle Gestaltung gefunden wird, erhalten zunächst einen braun-weißen Anstrich und können ggf. später übermalt werden.

Ganz konkret sucht anscheinend auch das Aktionsbündnis gegen Homophobie und Sexismus Sankt Pauli nach konkreten Gestaltungsideen – wer inhaltlich in diese Richtung was machen möchte, wendet sich am besten direkt an die Gruppe.

Für die Umsetzung benötigen wir natürlich jede Menge Unterstützung: Die Flächen in und an der Gegengeraden sind deutlich größer, als man im ersten Moment vermuten mag. Daher sind Helfer_innen für die zunächst geplanten Mal-Termine an den Wochenenden 29./30. Juni und 06./07. Juli sehr gern gesehen. Schickt bitte ebenfalls eine E-Mail angegengeradegestaltung@gmail.com, damit wir abschätzen können, mit wie vielen Leuten wir rechnen können.

Organsisiert wird das ganze von Fans verschiedener Gruppierungen auf der Gegengeraden.

 

Veranstaltungstipp: Fans & Repression in Schottland

Der St. Pauli CSC und die Basch veranstalten im Vorfeld der St.Pauli-Celtic-Party schon an diesem Donnerstag im Fanladen eine Infoveranstaltung zur Green Brigade, zu „Fans Against Criminalisation“-FAC, zu Repressionen und Alltag im schottischen Fussball.

Für Informationen aus erster Hand sind Angehörige der Green Brigade anwesend – also nicht verpassen!

Übersetzung von Schottisch nach Deutsch wird natürlich bereitgestellt, soweit benötigt.

Veranstaltungsankündigung der Basch

12:12 — Niederlage oder Sieg? Und wie weiter?

Was für eine Spannungskurve: erst lehnen auf Druck der Fans die meisten Bundesliga-Clubs das erste Sicherheitspapier ab. Gegen ein überarbeitetes Maßnahmenpaket entwickelt sich mit der 12:12-Aktion ein selten eindrucksvoller Protest, viel durchschlagender, als es die größten Optimisten erhofft hätten. Selbst die Mainstream-Medien schwenken überwiegend auf einen sachlich-kritischen Kurs um, fangen plötzlich an zu recherchieren. Die DFL macht erste Zugeständnisse. Am 12.12. der Showdown —zwischen 600 und 1000 Fans reisen aus ganz Deutschland an, die Clubs diskutieren Verschiebungs- und Änderungsanträge. Die Pressekonferenz mehrmals verschoben.

Und dann die Enttäuschung, die Vereine stimmen allen Punkten mit großer Mehrheit zu, nur wenige enthalten sich oder stimmen dagegen. Gefühl: ein Schlag in die Magengrube, von 100 auf 0, von Hoffnung auf Leere, teilweise aufkommender Hass aufgrund der gezeigten Ignoranz. Das waren auch meine Gefühle: Wut und die Erwartung, dass die Kurven am letzten Spieltag vor der Winterpause brennen werden. Eskalation und Kampf sind durchaus keine unattraktiven Optionen, sie kanalisieren Emotionen, mobilisieren Energien, komplexe Zusammenhänge vereinfachen sich.

Auf in den Kampf also! Aber wogegen oder wofür genau? Ohne ein klares Ziel kann kein Kampf gelingen. Wäre das alte Sicherheitspapier beschlossen worden, wäre die Lage klar. Doch mit etwas Abstand von den Ereignissen verschiebt sich das Bild dessen, was in den letzten Tagen und Wochen geschehen ist, das so einfach wirkende Gefüge hat sich deutlich verkompliziert. War der 12.12.2012 wirklich eine Niederlage, ein Sieg oder eher ein Patt? Absolut klar sollte sein, dass das Geschehen rund um das Thema „Sicherheitspapier“ nur eine Schlacht im immerwährenden Ringen darum ist, wie Fußball- und Fankultur in diesem Land gelebt und gestaltet werden kann.

Was spricht also für einen Erfolg, was für eine Niederlage? An positiven Punkten gibt es jedenfalls einiges:

  • Das Sicherheitspapier wurde deutlich entschärft. Viele Punkte finden sich in den jetzt beschlossenen Maßnahmen nicht mehr, z. B. die angestrebte Verlängerung der Dauer von Stadionverboten. Verwiesen sei auf die Übersicht der beschlossenen Anträge und die Stellungnahme der Eintracht. Dabei ist mir das Eintracht-Papier etwas zu unkritisch, aber in der Tendenz sind die Aussagen nicht falsch.
  • Es hat sich herausgestellt, dass es möglich ist, zumindest bestimmte Protestformen in alle Stadien der Bundesligen zu tragen. Die Geschlossenheit hat die — auch von mir mit großer Skepsis betrachtete — Protestform zu einer guten Waffe gemacht, die auch weitreichendes Medienecho findet. Sie war taktisch geschickt, da sich hier nicht über Tonalität beschwert werden konnte, es wurde das Risiko von Demos umgangen, zu denen sich gerade bei schlechtem Wetter doch nur eine kleine Minderheit aufraffen kann und die Leute, die sonst eh meistens schweigen, waren automatisch Teil des Protests.
  • Die Mainstream-Medien haben sich zu einem guten Teil endlich mit den zugrundeliegenden Fakten beschäftigt, statt nur die Propaganda von Polizei-Gewerkschaften, Innenministern und Fußball-Verbänden nachzuplappern. Fan-Themen und das Verhalten der verschiedenen Parteien wurde plötzlich deutlich kritischer analysiert und dargestellt. Die Aufmerksamkeit und der Stellenwert, den Fanthemen in vielen Medien erreichten, war zuvor fast undenkbar und kann die Basis für eine weitere effektive Kommunikation von Fanseite werden.
  • Die Glaubwürdigkeit von Polizeigewerkschaften, polizeilichen Einrichtungen wie der ZIS und einiger Innenpolitiker wurde erschüttert.

Was war negativ? Welche Verluste gibt es zu beklagen?

  • Letztlich weitestgehend außerhalb des direkten Einflusses der Fans war das Duckmäusertum der Verbände und Vereine gegenüber der Politik. Anstatt ihre Macht zu nutzen und die populistische, mit Falschdarstellungen gespickte Propaganda klar zurückzuweisen, wurde sich auch weiter dahinter versteckt. Auch die Zustimmung der Vereine zu in der Sache eher harmlosen Punkten kann als Eingeständnis gewertet werden, dass die Forderungen aus der Politik und seitens der Polizeigewerkschaften einen wahren Kern haben und die Erwartung wecken, dass man den Fußball auch weiterhin für noch so blödsinnige Kampagnen missbrauchen kann. Die Feststellung auf der Pressekonferenz, dass damit Handlungsfähigkeit bewiesen worden sei und der Fußball nun sicher vor weiterer versuchter Einflussnahme aus der Politik, klingt ähnlich weltfremd, wie die Erwartung, dass man einem Schulhof-Bully durch Eingehen auf dessen Erpressung dazu bringen kann, einen in Zukunft in Ruhe zu lassen.
  • Dass einigen Anträgen zugestimmt worden würde, war klar. Die meisten Punkte haben einen fast ausschließlich administrativen Charakter oder sind sogar positiv, diese hätte man  sowohl aus sachlicher Sicht, als auch zur Wahrung des Gesichts beschließen können, aber gleichzeitig drei bis vier der problematischeren vertagen bzw. an Kommissionen verweisen. Dass dies nicht geschehen ist, war ein Zeichen der Missachtung der Fans. Man hat hier die Gelegenheit versäumt, wieder einen substanziellen Schritt auf diese zuzugehen und in einen echten und ernsthaften Dialog einzusteigen. Die Fanseite hat also durch eine Demonstration der Macht erreicht, einige Punkte zu verhindern oder zu entschärfen, nicht jedoch den Respekt zu erlangen, der für produktive, mitgestaltende Gespräche nötig ist.
  • Die beschlossenen Punkte sind wie bereits ausgeführt unmittelbar nicht übermäßig dramatisch. Die eher negativen Punkte waren oft schon mehr oder weniger gängige Praxis, tlw. handelt es sich um Klarstellungen. Sehr kritisch kann man die festgeschriebene, weiter ausgebaute Kameraüberwachung sehen. Ansonsten handelt es sich um besonders viele Kann-Bestimmungen. Und da liegt ein Problem: es sind durchaus mittelbare Folgen zu befürchten. Methoden der Vereine, die bisher nur schwammig begründbar waren, können in Zukunft ausgeweitet werden, da man einfach auf die Regelungen verweisen kann. Das ist besonders gefährlich im Zusammenhang mit dem weitestgehend willkürlichen Gerichtswesen des DFB. Wenn festgelegt ist, mit welchen Maßnahmen ein Club mit sicherheitskritischen Situationen umgehen kann, diese aber nicht voll ausschöpft, so kann das leicht als strafverschärfende Unterlassung interpretiert werden. Ein bedenkliches Szenario, bedenkt man, dass gerade erst Dynamo Dresden zu einer recht harten Strafe (Ausschluss vom DFB-Pokal in der kommenden Saison) verurteilt wurde, obwohl das DFB-Sportgericht zur Einschätzung kam, dass Dynamo eigentlich keinerlei Fehler anzulasten sind, sich sogar in Teilbereichen besonders gut verhalten hat.

Das Ergebnis ist somit gemischt. Gemessen an dem, was Fans sonst erreicht haben, tendiere ich in der Summe dazu, es als einen Erfolg zu werten. In der Sache ist eine leichte Verschlechterung eingetreten, aber einige Inhalte konnten verhindert werden, es wurden grundsätzliche Debatten angestoßen und in die Mainstream-Medien getragen, die zunehmend besser zuhören. Um bei den Kriegsmetaphern zu bleiben: die Gegenseite hat einen Geländegewinn erzielt, den aber mit Verlusten und Einbußen strategischer Optionen bezahlt.

Die Fanszene in Deutschland hat sich mithin eine bessere langfristige Perspektive erkämpft. Um diesen Vorteil auch in einen tatsächlichen Erfolg zu verwandeln, muss man diese Vorlage aber auch zu nutzen wissen. Und hier landen wir wieder bei der oben aufgeführten Fragestellung: was ist überhaupt das Ziel weiterer Proteste und Initiativen?

Ein Beharren auf der Rücknahme der Beschlüsse des 12.12. würde in jedem Fall viel zu kurz greifen. Diese sind fast alle entweder nicht angreifbar, da relativ problemfrei oder als so schwammige Kann-Bestimmung formuliert, dass sie wenig Angriffsfläche bieten. Die Gefährlichkeit dieser Punkte liegt nicht unmittelbar in ihren Worten, sondern in der Anwendung durch die Vereine. Und da wird zunächst wenig passieren, zumindest wenn die Clubs halbwegs intelligent damit umgehen. Der Prozess wird eher schleichend sein, hier mal eine Verringerung des Auswärtskontingents, da mal ein Durchsuchungszelt, bei dem natürlich erst mal nur die Jacke ausgezogen und die Taschen geleert werden müssen. Derartig langsam und verteilt ablaufende Änderungen sind kaum wirksam bekämpfbar.

Zudem ist es keinesfalls so, dass vor dem 12.12. alles super gewesen wäre. Die Kampagne für sogenannte „Sicherheit“ und die in der Folge getroffenen Entscheidungen waren eher der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen brachte. Eine steigende Repression und schleichende Entrechtung von Fußballfans ist schon viel länger zu beobachten. Dabei konnten die meisten Methoden ohne Berücksichtigung der Verhältnismäßigkeit und v.a. ohne wirksame Erfolgskontrolle eingesetzt werden. Und die sogenannte „Sportgerichtsbarkeit“ war und ist an Lächerlichkeit kaum zu überbieten, darüber hatte ich mich schon in einem älteren Beitrag  ausgelassen. Es ist also elementar wichtig, dass man sich weg von der defensiven Reaktion auf weitere Verschlechterungen hin zu einer aktiven Aktion für die Erreichung der eigenen Ziele bewegt.

Welches sind nun die Kriterien, die ein von der Fanszene zu erkämpfendes Ziel erfüllen muss? Meiner Einschätzung nach sind dies die wesentlichen Punkte:

  • Es müssen nicht nur die aktuell hochgekochten Punkte, sondern auch und gerade die bereits bestehenden Probleme adressiert werden. Gleichzeitig darf der Katalog an Forderungen nicht zu umfangreich werden.
  • Es muss eine Reihe von Maßnahmen gefordert werden, die sich möglichst klar beschreiben lassen. Nur bei einem wohldefinierten Ziel lässt sich ein Erfolg konkret erreichen und damit auch messen. Diese Klarheit fehlt derzeit zumindest mir völlig. Wogegen genau wird jetzt weiter protestiert?
  • Die Maßnahmen müssen gut kommunizierbar sein und eine möglichst große Unterstützung unter den Fans, potentiell aber auch in der Bevölkerung allgemein genießen. Aktuell fokussiert sich viel zu viel auf das Thema Pyrotechnik, das unter all den sonstigen Repressionen und Einschränkungen eigentlich nur einen Randaspekt darstellt. Völlig unverhältnismäßige Stadionverbote, Materialverbote, Betretungsverbote für ganze Städte, lächerlich späte Terminierung von Spielen usw. usf. sind mir jedenfalls wichtiger, als unter hochkomplexen Bedingungen und nach umständlichen Genehmigungsprozeduren ein paar Pyros abbrennen zu können. Das ist eher ein langfristiges Ziel, das sich teilweise aus anderen Änderungen implizit ergeben könnte.
  • Von besonderem Interesse sind Forderungen, die kongruent zu den Interessen der Vereine sind. Mit deren offener und verdeckter Unterstützung lässt sich viel mehr erreichen, schließlich bilden sie den Ligaverband, während Fans nur von außen wirken können. Beispiele sind hier eine Überarbeitung der Sportgerichtsbarkeit und die Terminierung der Spieltage. Letztere sind auch für die Vereine aus wirtschaftlicher Sicht höchst problematisch. Die meisten Clubs verfügen inzwischen über moderne Stadien mit umfangreichen Hospitality-Räumlichkeiten, die gute Profite abwerfen könnten — wüsste man denn, wann sie überhaupt verfügbar sind. Auch hinsichtlich fußballfremder Großveranstaltungen ist dies relevant, siehe z. B. der HSV und die dort ausgerichtete Boxveranstaltung.

Um langfristig Fußball- und Fankultur mit all ihren Facetten besser ausleben können, als es heute der Fall ist, sollte daher nicht formuliert werden, wogegen man ist, sondern was man erreichen will. Wie sieht die Fußballwelt aus, in der wir uns ausleben und dabei sicher und respektiert fühlen können? Das muss die Vision sein, die man mit einer Auswahl an konkreten Forderungen hinterlegt und für die man dann auch offensiv eintreten kann, gegenüber Clubs, Verbänden und Politikern, aber auch im Umgang mit der Presse. An dieser Stelle kann und soll ein solcher Forderungskatalog nicht aufgestellt werden, das kann keine einzelne Person seriös leisten, aber trotzdem ein paar Beispiele, nicht voll ausformuliert und ohne bestimmte Reihenfolge:

  • Beschränkung der Sportgerichtsbarkeit auf Vorfälle im oder direkt am Stadion, keine Sanktionierung von Verstößen, die ein Verein auch bei Einhaltung der Regularien nicht verhindern konnte.
  • Bundesweite Stadionverbote nur für Vorfälle im oder direkt am Stadion in einem Spiel eines regulären Liga- oder Pokalwettbewerbs und nur für strafrechtlich geahndete Vorfälle.
  • Deutlich frühere Terminierung der Spiele, zumindest für die Vereine, die nicht (mehr) in internationalen Wettbewerben stehen.
  • Die Erlaubnis, die Freiheit, etwas zu tun oder zu lassen, muss immer der Normalfall sein. Jede Einschränkung und Kontrolle ist zu begründen und die Auswirkungen zu beobachten. Unwirksame oder unverhältnismäßige Maßnahmen sind aufzuheben oder passend zu ändern.
  • Gewährleistung der Meinungsfreiheit im Rahmen der geltenden Gesetze auch innerhalb des Stadions.
  • Materialverbote nur in extremen Ausnahmefällen und unter Nachweis der Verhältnismäßigkeit. Beispiel: Verbote von Trommeln und Megaphonen sind eigentlich immer ausschließlich Schikane, man kann damit weder etwas verdecken, noch angreifen.
  • Eine von den Verbänden bezahlte, unabhängige Beobachtung und wissenschaftliche Begleitung der Spieltage.
  • Eindeutige, anonymisierte Kennzeichnung aller im Rahmen eines Fußballspiels eingesetzter Sicherheitskräfte, einschließlich der Polizei.

Wir haben die Chance, etwas zu erreichen und den Status Quo zu ändern. Die sollte man nicht liegen lassen. Es steckt genügend Potential in der Fankultur in Deutschland. Unsere größten Feinde sind fehlender Mut und mangelnde Organisation, nur eigene Schwäche könnte uns dauerhaft aufhalten.

Unsicheres Fanladen-Erlebnis – Bärte rasieren!

Es gibt Regelungen, die sind nirgendwo in Gesetze gegossen, aber werden normalerweise von allen Seiten beachtet. Eine davon ist die Unantastbarkeit sozialer Einrichtungen, in diesem Fall das Fanprojekt/Fanladen. Die Polizei hält sich hier normalerweise zurück, um die präventive und fallbezogene Arbeit nicht zu behindern. Ein Fanprojekt kann nur dann eine gute und erfolgreiche Arbeit leisten, wenn die betreute Klientel sich dort sicher fühlt, es als Anlaufpunkt und Beratungsinstanz ernst nimmt. Nur so ist ein Zugang und eine Einflussnahme möglich.

Jegliche Behinderung wäre gleich doppelt widersinnig — nicht nur in der Sache selbst, sondern es würde mit der Polizei eine staatlich finanzierte Stelle eine andere von der Stadt zumindest unterstützte Einrichtung behindert.

Ganz sicherlich ist es eine Behinderung, wenn Polizisten davor herumlungern und direkt am Eingang des Fanladens unnötige Maßnahmen treffen. Wenn das noch in Zivilkleidung, unter an Nötigung grenzender Bedrohung und mit mehr als seltsamer Wortwahl geschieht, dann ist das doppelt und dreifach schlecht. Dann sorgt das sorgt das auch bei Fans, die eigentlich „nichts zu befürchten hätten“ für ein ungutes Gefühl, hat doch wohl schon so gut wie jeder so seine Erfahrungen mit der besonderen Rationalität polizeilichen Handelns gemacht.

Einen solchen Fall schildert eindrucksvoll diese Stellungnahme der St. Pauli Mafia.

Es ist völlig klar, dass ein Fanprojekt zwar ein geschützter, aber kein rechtsfreier Raum ist. Ohne irgendeinen konkreten Vorfall war das Vorgehen aber völlig inakzeptabel und das besonders asoziale Verhalten des Ziegenbarts nochmals eine Steigerung davon.

Ich hoffe, ich erwarte diesbezüglich weitere, auch öffentliche Reaktionen des Fanladens und des Vereins. Es darf sich keine Praxis einschleichen, in der hingenommen wird, dass die Polizei den Fanladen nutzt, wie ein Raubtier in der Steppe das Wasserloch, an dem sich seine potentielle Beute versammelt.

Nix Sicherheit – it’s Vermarktung, stupid!

The Rant

Was ist das erste Kennzeichen dafür, dass etwas unehrlich und falsch ist oder zumindest sehr verdächtig? Richtig, eine besonders lange und komplizierte Bezeichnung. Das fragliche und fragwürdige Dokument trägt den knackigen Titel

INFORMATION UND DISKUSSION ÜBER WEITERE SCHRITTE ZUR UMSETZUNG DER ERGEBNISSE DER SICHERHEITSKONFERENZ IN BERLIN UND DER INNENMINISTERKONFERENZ („Sicheres Stadionerlebnis“).

Wenn man je das Konzept des Potemkinschen Dorfes anhand eines Dokuments erläutern wollte — hier ist die perfekte Gelegenheit.

Probleme werden lediglich behauptet, Lösungen ohne Beleg als „wirksam“ oder „angemessen“ deklariert, alles graphisch professionell und in sich „logisch“ präsentiert und für den oberflächlichen oder unkritischen Leser sind immer wieder ein paar Brocken eingestreut, die den Eindruck erwecken sollen, es ginge um ein ausgewogenes Handlungspaket, das den Interessen der verschiedenen Parteien gerecht wird. Die reine Behauptung einer Problemlösung, nämlich der Beseitigung von Gefahr hin zu einer Sicherstellung der Sicherheit in und um die Stadien. Eine bunte Fassade, mehr nicht, sollen doch so ziemlich alle repressiven Elemente verbindlich für die Lizenzierung oder die Sportgerichtsbarkeit werden, während die kleinen „Zugeständnisse“ überwiegend Kann-Bestimmungen bleiben, den Clubs überlassen werden oder nur so allgemein ausgeführt sind, dass sie keine Schlüsse auf die praktische Relevanz ermöglichen. „Zugeständnis“ steht übrigens in Anführungsstrichen, da es sich natürlich auch nicht um wirkliche Zugeständnisse handelt, sondern lediglich um die teilweise Korrektur einiger Vorgehensweisen, die von den rechtsstaatlichen Grundsätzen her eher ins späte deutsche Kaiserreich denn ins 21. Jahrhundert gehören.

Rechtsstaatlichkeit?

In einer Gesellschaft gibt es Regeln, kodifiziert in Gesetzen: BGB, Strafgesetzbuch und so. Man mag das, was die Mehrheit in einer Gesellschaft mehr oder weniger abstrakt für wünschenswert hält, jetzt im Einzelfall für toll oder weniger toll halten, aber grundsätzlich funktioniert das hier ganz ordentlich. Wenn jemand gegen Regeln verstößt, dann ist es eine Ordnungswidrigkeit oder ein Straftatbestand und kann entsprechend verfolgt werden. Für den Sport gibt es Ausnahmen: dieser hat eine eigene Sportgerichtsbarkeit, was eine pragmatische Lösung ist, um nicht jede missglückte Grätsche als Körperverletzung verfolgen zu müssen und den Besonderheiten des sportlichen Wettkampf gerecht zu werden. Mit der Teilnahme am Spielbetrieb unterwerfen sich Vereine und Spieler diesem Reglement, da es letztlich zum Vorteil aller Beteiligten wirkt.

So hat das lange Zeit auch ganz gut funktioniert: Die Sportgerichtsbarkeit kümmert sich um die Verstöße im sportlichen Wettkampf, wozu ggf. auch Fehlverhalten eines Clubs außerhalb des Spielfelds zählen kann, wenn z. B. durch wirtschaftliches Fehlverhalten oder Bestechung unfaire Wettbewerbsvorteile erzielt wurden. Gleichzeitig kümmert sich die ordentliche Gerichtsbarkeit um die Verstöße anderer Personen oder Gruppen, die nichts mit dem Erfolg auf dem Spielfeld zu tun haben: wenn ein Fan randaliert, jemanden zusammenschlägt oder beraubt oder volksverhetzende oder beleidigende Äußerungen tätigt, dann wird das von der Polizei aufgeklärt, zur Anklage gebracht und vor einem ordentlichen Gericht nach strengen rechtsstaatlichen Maßstäben und Abläufen verhandelt, beurteilt und ggf. eine Strafe verhängt.

Schon seit einiger Zeit entfernen sich DFB und DFL von dieser Aufteilung. Sie streben danach, immer größere Anteile des Geschehens außerhalb der rein sportlichen Aspekte zu kontrollieren. Dabei werden normale Bürger nur aufgrund einer Teilnahme oder beabsichtigten Teilnahme als Zuschauer einer Veranstaltung plötzlich einer zweiten Gerichtsbarkeit unterworfen, die gar nicht dafür geschaffen wurde, Fälle außerhalb des rein sportlichen Ablaufs und des Verhältnisses von Vereinen untereinander zu regeln. Das wirft drei Probleme auf:

  1. Die Sportgerichtsbarkeit, die letztlich eher eine Art Schlichtungsstelle unter Sportskameraden darstellt, ist von ihren ganzen Abläufen und Maßstäben überhaupt nicht dafür geeignet, Vorgänge außerhalb des originär sportlichen Bereichs zu verhandeln und zu verurteilen.
  2. Es werden Bürger dieser Parallel-Gerichtsbarkeit unterworfen, die sich dazu nicht durch die Teilnahme als aktive Sportler bereit erklärt haben und daraus auch keinen Vorteil ziehen. Jegliche Form von Gerichtsbarkeit außerhalb der ordentlichen ist sowieso schon ein extremer Ausnahmefall und beruht immer auf Gegenseitigkeit, alle Parteien vereinbaren, bestimmte Fälle über eigene Schiedsgerichte zu klären. Der Fan aber wird hier einer solchen Sondergerichtsbarkeit unterworfen, ohne seine Zustimmung zu geben. Teilweise geschieht das direkt, v.a. in Form der Stadionverbote, die keinesfalls ein rein präventives Mittel darstellen. Noch schwerer, da potentiell existenzbedrohend, sind hingegen die indirekten Wirkungen, überwiegend in Form von Schadensersatzforderungen der Vereine, die durch Fehlverhalten von Fans im Sportgerichtsverfahren zu Strafen verurteilt wurden. Die Schadensersatzpflicht muss dabei höchst kritisch gesehen werden, folgt das Sportgerichtsverfahren doch nicht den hohen Anforderungen der ordentlichen Gerichtsbarkeit und der Täter hat auch keine Chance auf eine Beeinflussung des Verfahrens.
  3. Es kommt zu Doppelbestrafungen. Strafen werden üblicherweise ausgesprochen, um einen Täter dazu zu bringen, eine Tat nicht erneut zu begehen, sei es durch Angst vor erneuter Bestrafung oder echter Läuterung. Im Umkehrschluss bedeutet das aber auch, dass die Strafe vor einem ordentlichen Gericht als ausreichend zur Erzielung dieses Zwecks gelten muss. Jegliche direkte oder indirekte Bestrafung aus Folge eines Sportgerichtsurteils ist also quasi „on top“ und somit automatisch exzessiv. Faktisch wird der Fan hier sogar schlechter gestellt als der aktive Sportler, für den die Sportgerichtsbarkeit eigentlich gemacht ist: der Sportler umgeht durch das Urteil normalerweise die ordentliche Gerichtsbarkeit, den Fan treffen in vielen Fällen beide.

Als Beispiel für die Problematik kann man den Becherwerfer vom Spiel gegen Schalke nehmen und das ist schon ein relativ anspruchsvoller Fall im Vergleich zu völlig abstrusen Strafen wie der für ein Banner mit der völlig legalen Aufschrift „Bullenschweine“. Jedenfalls hat selbst der Becherwerfer in einem Rechtsstaat das Anrecht auf eine entsprechende Behandlung, egal, für wie idiotisch man seine Tat nun hält. Was ist passiert: ein besoffener Fan bewirft einen Schiedsrichter mit einem Bierbecher, trifft ihn und der kann seinen Job nicht mehr ausführen, das Spiel wird abgebrochen. Der Wurf konnte vom Verein durch keinen Ordnungsdienst der Welt verhindert werden, als einzige – aus guten Gründen nicht vorgeschriebene – Maßnahme wären engmaschige Netze um das komplette Spielfeld herum denkbar.

Nach DFB/DFL-Wunsch lief es wie folgt: aufgrund des Spielabbruchs wird das Spiel gegen den FCSP gewertet. Zusätzlich wird eine Strafe ausgesprochen, die in einer Verlegung eines Heimspiels in eine andere Stadt mit einigen weiteren Auflagen besteht. Der Fan bekommt eine Anzeige wegen Körperverletzung, Haus- bzw. Stadionverbot und der Verein versucht, den wirtschaftlichen Schaden von rund 500.000 Euro als Schadensersatz geltend zu machen.

Logisch und fair wäre eine andere Vorgehensweise: da der Spielabbruch letztlich auf die Partei „FCSP“ zurückgeht, wird das Spiel gegen den FCSP gewertet, das ist gut und korrekt. Die Tat an sich war vom Verein nicht zu verhindern, der Werfer wurde identifiziert und festgesetzt, somit waren Überwachung und Ordnungsdienst ausreichend, daher keine weitere Strafe. Der Werfer bekommt eine Anzeige aufgrund von Körperverletzung und muss Schmerzensgeld an den Schiedsrichterassistenten zahlen. Zusätzlich könnte man ein befristetes Hausverbot für das Millerntor aussprechen, das wäre sicherlich nicht überzogen.

Das ist DFB und DFL aber zu wenig. Die Verbände maßen sich an, viel tiefer in diese außersportlichen Zusammenhänge einzugreifen. Sie wollen die volle Kontrolle über alles, was mit Fußball bzw. v.a. den kommerziell erfolgreichen Bundesligen zu tun hat, selbst Anfahrtswege und Meinungsäußerungen.

Warum das alles?

Da alle Statistiken und Vergleiche zeigen, dass Bundesligaspiele so ziemlich die sichersten Veranstaltungen in Deutschland überhaupt darstellen, deutet alles darauf hin, dass man mittelfristig hin zu einer ohne Brüche konsumierbaren Popcorn- und Disney-Land-Fußballkultur gelangen will, ähnlich den Sport-Franchise-Unternehmen in den USA oder näherliegend der EPL, auf deren Fernsehgelder die Verantwortlichen der DFL immer wieder voller Neid blicken. Dabei wird gerne vergessen, dass ein Vergleich der Bundesliga mit der EPL aus mehreren Gründen nicht ganz aufgehen kann, da letztere diverse Vorteile für die internationale Vermarktung aufweist — den Bonus, als erstes auf dem Markt gewesen zu sein, die weitaus geringere Sprachbarriere und die weitaus größere internationale kulturelle Ausstrahlung des Landes aufgrund wiederum der Sprache, aber natürlich auch der Zeit des Empires und heute des Commonwealth.

Die Idee, die in jeglicher Hinsicht bunt gemischte und lebendige Fußballkultur aus verschiedensten sozialen und kulturellen Gruppen vom Mecker-Opa bis zur pyrozündenden Jung-Ultresse für einen Traum von einer stromlinienförmigeren Vermarktung zu opfern, ist durchaus nachvollziehbar — aus dem Blickwinkel von Menschen, deren Job die profitmaximierende Vermarktung der Vereine ist. Es ist letztlich eine Nebenwirkung der Professionalisierung; die Clubs dürsten nach immer mehr Geld, insbesondere die, die sich in den internationalen Wettbewerben behaupten müssen und gleichzeitig zu den mächtigsten Clubs in Deutschland und damit auch innerhalb der DFL gehören. Die Angestellten in der dafür geschaffenen DFL versuchen zu liefern. Verantwortlich ist damit also nicht so sehr die DFL, sondern viel stärker die Vereine, denn sie sind die Auftraggeber und es ist ihre Aufgabe, der DFL Vorgaben zu machen.

Ohne Vorgaben werden sich Vermarktungsprofis kaum intensiv um den Erhalt einer ihnen mal sehr, mal weniger fernen Fußballkultur kümmern, sondern eher die wirtschaftlich und sportlich erfolgreichsten Ligen als Benchmark für die Entwicklung der Bundesliga nehmen. Das mag im Interesse der wenigen dauerhaft international konkurrierenden Teams sein, für alle anderen bedeuten etwaige Mehreinnahmen jedoch einzig und allein steigende Kosten für Spieler und zudem längerfristig ggf. eine negative Kompensation durch geringere Zuschauerzahlen.

Es ist zudem eine recht kurzfristige Sichtweise. In der EPL gehen die Besucherzahlen bereits zurück, während das Durchschnittsalter der Besucher stark steigt. Die Zeiten des Zuschauerbooms neigen sich dort dem Ende zu und von „englischer Stimmung“ kann überwiegend schon lange nicht mehr gesprochen werden. Man kann von Ultra-Gehopse halten was man will, aber ich weiß ziemlich genau, in welchem Teil des Stadions ich in diesem Spiel lieber gewesen wäre.

Alles privat oder was?

Die Bestrebungen zum Thema „Sicheres Stadionerlebnis“ und viele wenn nicht die meisten anderen Dokumente, Verlautbarungen und — besonders schlimm — Taten atmen den Geist von „wir Vereine sind eine rein private Veranstaltung.“ Keiner darf uns reinreden, außer ein bisschen Politik und die Sicherheitsbehörden, mit denen wir uns gut stellen wollen. Die Fans sind wie die Besucher einer Diskothek. Kunden, bei denen wir entscheiden, wer rein darf und wenn wir der Meinung sind, einer passt nicht mehr rein, dann werfen wir den halt ohne Begründung raus. Willkommen ist nur, wer schön lustig und begeistert ist, ganz viel konsumiert, gefällig aussieht und ansonsten keinen Ärger macht, wobei Ärger auch schon Kritik oder ein falsches Wort sein darf, die grundgesetzlich garantierte freie Meinungsäußerung also nach Gusto des Betreibers ausgesetzt werden kann.

Fans sind dann also nichts anderes als Kunden und die DFL und ihre Clubs ohne einen Unterschied zu z. B. einer bundesweiten Vereinigung von Diskothekenbetreibern, die ihre eigenen Gesetze schreiben und mit ihren Kunden tun können, was sie wollen? Meiner Einschätzung nach eine Interpretation, die so nicht zulässig ist. Zuvorderst natürlich aus ideellen und sachlichen Gründen, aber hinsichtlich Teilaspekten wie Haus- und Stadionverboten könnte man das Fußballspiel an sich selbst juristisch in einer Grauzone zwischen öffentlich und privat sehen.

Ich bin kein Jurist und zwei Juristen hätten dazu sicherlich bereits drei verschiedene Meinungen, aber manche Aspekte sprechen dafür, dass es sich um eine öffentliche Veranstaltung im Sinne einer Veranstaltung mit besonderem öffentlichen Interesse handelt: das normalerweise diskriminierungsfreie Angebot des Zugangs (jeder kann entsprechend Verfügbarkeit Karten kaufen), die überragende kulturelle und soziale Bedeutung, wobei sich gerade beim FC St. Pauli die besonders starke Einbindung in Stadtteil und Gesellschaft zeigt, und nicht zuletzt die Monopolstellung — wird man bei einer Disko nicht reingelassen, geht man halt zur nächsten, das ist bei Fußballvereinen normalerweise nicht der Fall. Wenn man sich auf die 36 Clubs der DFL beschränkt ist das in vielen Fällen bereits örtlich ein Problem (es gibt meistens schlicht keinen anderen), gleichzeitig verbietet die hohe Identifikation mit einem Verein ein „Hoppen“ zwischen diesen. Im Kontext der bundesweiten Stadionverbote würde selbst ein Vereinswechsel nichts mehr bringen.

Wie oben bereits geschrieben: wasserdicht belegen kann ich das nicht. Es ist aber immerhin argumentierbar, dass die Freizügigkeit der Clubs bei der Ausübung ihres Hausrechts und die der Verbände in Hinblick auf die Zuständigkeit ihrer Sportgerichte durch das überragende öffentliche Interesse eingeschränkt sind und sie da, wo es Berührungspunkte gibt, besondere Sorgfalt und rechtsstaatliche Grundsätze beachten müssen. Umgekehrt ist die Position der Verbände und Clubs, dass im Stadion die übliche freie Meinungsäußerung, Persönlichkeitsrechte usw. nur eingeschränkt und innerhalb der Willkür des Hausrechts gelten, sehr angreifbar.

Sachlich ist die Argumentation noch einfacher: Fans, Interessierte und Club bilden eine äußerst langfristige, oft generationsübergreifende Symbiose, nicht umsonst spricht man vom „Umfeld“ eines Vereins. Dieses Umfeld benötigt einerseits den Club, die Mannschaft, um sich überhaupt zu konstituieren und eine gemeinsame Identifikation zu finden, umgekehrt aber ist der Club auf die Nährung durch dieses Umfeld angewiesen und hat dieses auch immer angenommen, nicht verweigert. Ohne das Interesse und den Input des Umfelds wäre Fußball ein reiner Amateursport, vergleichbar vielleicht mit der gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Bedeutung von Feldhockey. Erst durch die Fans wird Fußball interessant für Besucher, Sponsoren und TV-Sender.

Das Umfeld sorgt also für einen ganz erheblichen und entscheidenden Mehrwert für den Verein — und bezahlt de facto auch noch für dieses „Privileg“. Das unterscheidet einen Fan von einem Kunden: Kunde ist ein Fan natürlich durch sein Ticket, für das er als Gegenleistung das Spiel angucken kann. Was aber ist die Gegenleistung für das gesamte sonstige Engagement, von der Teilnahme am Support im Stadion über die Vereinsmitgliedschaft bis hin zu aufwendigster freiwilliger und unbezahlter Arbeit zur Stärkung von Club und Umfeld? Sie kann und muss in Respekt, Partizipation und v.a. der Anerkennung des Fans als einen Teil des Konstrukts „Fußball-Club“ liegen. Innerhalb der Vereine ist das oft schon der Fall und wird u.a. an den steigenden Zahlen von in sporttreibender Hinsicht passiven Mitglieder deutlich, siehe AFM oder die HSV Supporters. Im Kontext des eigentlichen Fußballspiels und auf Verbandsebene wird das aber offensichtlich noch weitestgehend ignoriert. Dieser ganze Aspekt der Symbiose des Clubs mit dem Umfeld gilt für den FC St. Pauli wiederum besonders stark, liegen seine gesellschaftliche und wirtschaftliche Bedeutung doch schon seit geraumer Zeit weit über der sportlichen.

Auch aus ideellen Gründen sollte man die Vereine nicht ins rein Private entkommen lassen. Fußball ist ein kulturell wichtiger Teil unser Gesellschaft. Das zeigt sich einerseits bereits am überragenden öffentlichen Interesse an den Clubs und den Ligen, andererseits aber auch an den Wirkungen von Vereinen und insbesondere von deren Umfeld in die Gesellschaft hinein. Viele Jugendliche sozialisieren sich im Fanumfeld und werden dort zum Teil zum ersten Mal intensiv zu Eigeninitiative, demokratischer Willensbildung und Ehrenamtlichkeit motiviert. Fanorganisationen kümmern sich um die Integration auch von problematischen Personen oder Gruppen, die Fanprojekte leisten wichtige Arbeit im sozialen Bereich. Dabei entstehen die sozialen und kriminellen Probleme, die sich natürlich auch rund um den Fußball finden, nicht durch den Fußball oder seine Fankultur, sondern sind überwiegend gesellschaftlich „normal“. Ohne Fußball und sein Umfeld wären die gesellschaftlichen Probleme in diesem Land wahrscheinlich noch deutlich größer. Könnte man noch seitenweise weiter Ausführungen, soll so aber als weiterer Grund reichen, die Vereine als Teil der Öffentlichkeit zu betrachten und nicht als rein private Veranstaltung mit einer eigenen Lex Bundesliga.

Beipackzettel!

Inzwischen haben andere Blogs das Dokument analysiert, u.a. magischerfc und DingeDieDaSind. Daher wird hier darauf verzichtet. Aber es gibt zwei Punkte, bei denen meine Alarmglocken nochmal besonders ins Schwingen geraten:

Erstens: Am 17.07.2012 wurde von Vertretern aller in der DFL organisierten Vereine (bis auf Union Berlin) ein Kodex unterzeichnet und dieser anschließend per Pressemitteilung bekanntgegeben. Von unserem Präsidium wurde anschließend behauptet, dass die Pressemitteilung nicht dem entsprochen hätte, was dort besprochen worden sei und das ganze eigentlich auch sowieso völlig unverbindlich ist. Im jetzt  veröffentlichten Dokument taucht diese Vereinbarung aber wieder auf und wird u. a. als Grundlage für schärfere Strafen bei Verfahren vor dem Sportgericht des DFB gesehen. Vielleicht war das also doch nicht so unverbindlich? Und was sagt unser in der Arbeitsgruppe vertretenes Präsidiumsmitglied dazu? Jedenfalls wird jegliche Zustimmung zur aktuellen Strategie von DFB, DFL und sicherlich auch einiger Vereine als Bestätigung aufgefasst und kann nicht als unwirksam beiseite gewischt werden.

Zweitens: Es wird von manchen Leuten darauf hingewiesen, dass manche Äußerung über das Dokument etwas nach Alarmismus klingt und nicht jede extremere Interpretation dem entspricht, was die DFL vor hat. Das mag für die aktuelle Situation korrekt sein, die Erfahrung lehrt aber, dass Autoritäten jedes Mittel, welches sie in ihr Arsenal bekommen, früher oder später auch nutzen. Bei der Polizei wird das üblicherweise besonders deutlich: die Einführung von chemischen Kampfstoffen diente ursprünglich als Mittel, Menschen in Ausnahmefällen noch dramatischere Gewaltmittel zu ersparen, inzwischen werden sie inflationär bei jeder noch so marginalen Gelegenheit versprüht. Oder ganz frisch die Hamburger Reiterstaffel, die sicherlich nie dazu gedacht war, in eine Sitzblockade reinzureiten und Menschen die Knochen zu brechen. Die Unterwerfung der Clubs unter die Sportgerichtsbarkeit auch in Fällen, die das Geschehen auf dem Platz nicht mal mittelbar betreffen, ist genau so ein Mittel, das jetzt immer stärker ausgeweitet werden soll. Falls also manche Vorschläge der DFL-Arbeitsgruppe nicht ganz so gemeint sind, wie sie von kritischen Fans interpretiert werden, so muss trotzdem das Motto sein:

Wehret den Anfängen und jeglicher weiterer Entwicklung in die aktuell von DFB und DFL vorgegebene Richtung!

Infos der AG Stadionbau zusammengefasst

Die Diskussion um die Polizeiwache, das Museum und die damit verbundene Finanzierungs- und Umsetzungsproblematik wurde heute seitens des Vereins weiter angeheizt. Michael Meeske, Geschäftsführer des FCSP, hantierte dabei mit Zahlen, die einer näheren Überprüfung wenig standhalten können. Die AG Stadionbau reagierte darauf im Forum gewohnt kompetent. Um dem Gebot der Übersichtlichkeit nachzukommen und die wichtigen aber verstreuten Informationen einfacher zugänglich zu machen, habe ich sie hier einmal in Absprache mit der AG Stadionbau zusammengefasst.

Ich bin nämlich viel zu faul, da immer wieder Links rauszusuchen… 😉

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Protestkunst aus dem Fanladen…

Museum statt Polizeiwache - Kunstwerk
Protestkunst für nen Ehrenplatz an der Wand

Immer das gleiche Problem – man geht in den Fanladen, um ein Fanzine zu kaufen und kommt mit leerem Portemonnaie, aber tollen Sachen wieder raus. Wenn schon Servicewüste, dann wenigstens Shoppingparadies. 😉