Wahlkampf in Merkeldeutschland

Ganz Merkeldeutschland ist aus dem Häuschen, im September darf “Mutti” wiedergewählt werden. Das findet zumindest Marusha, die uns in den 90ern unter anderem mit einer schlechten Bumstechno-Version von “Somewhere over the Rainbow” die Gehörgänge malträtierte. Ihren Merkelfanatismus durfte sie jetzt gepaart mit Nationalchauvinismus und einer Menge Krisenverklärung in die Welt posaunen und so ein Bild einer außerordentlich dummen Person zeichnen. Danke für diese 5 schmerzhaft lustigen Minuten!

Sie hat 80 Millionen Kinder. Sie ist gut zu allen. Ich habe sie mal mit Claudia Roth kichern sehen. Schwarz-grün wäre super, eine Revolution für Deutschland. Vielleicht wähle ich das so. Ja, ich wähle das so! Eigentlich lebe ich ja grün. Ich trenne meinen Müll. Ich ernähre mich halb vegan, halb vegetarisch, esse aber auch mal ein Stück Huhn, wenn ich weiß, es ist bio. Aber zurück zu Angela Merkel: Sie tritt unscheinbar auf, und trotzdem leuchtet sie. […] Angela Merkel leuchtet durch ihre Aura. Sie strahlt stärker als Gorleben. (Welt.De)

Disco Henning

Fremdschämfreuden der ganz anderen Art bieten uns die CDU- (Jaja, Marusha, Merkel macht das alles im Alleingang) Herausforderer von der SPD: Wahlkampf-Kinderlieder. Zur Melodie des „Lied über mich“ singt Mario “Disco” Henning aus und für Wahlkreis 68 über sich, seine Partei und natürlich Harz und Aschersleben. Ein Hauch Mallorca weht mit dem Septemberwind durch die Täler des Harzes. Für Bergbewohner typisch gibt es dankenswerterweise gib es die wohl ungewollte Frei.Wild-Referenz gleich dazu (Achtung, Youtube: Frei.Wild!): Er ist wie wir/ihr/wer?, von hier.

via Schlecky Silberstein

Sklavenhandel? Dies ist MARKTWIRTSCHAFT!

Oh Jemine, Gott steh uns bei. Das halbe Land empört sich, wegen der bösen Leute von Amazon, die sich die Taschen vollstopfen und die armen Menschen versklaven. Oh wait.

Was bei Amazon passiert ist scheiße, keine Frage. Die Recherchen der ARD schockieren. Menschen werden in Feriendörfern untergebracht und von der Außenwelt weitgehend abgeschottet. Neonazis stellen den Sicherheitsdienst und überwachen die Leiharbeiter*innen. Die Arbeitsbedingungen sind mies, sicherlich. Das war es dann aber auch schon fast. Zur Erinnerung, die Leute verdienen 8,53€ pro Stunde. Das sind 3 Cent mehr, als die Gewerkschaften als Mindestlohn fordern. Nicht viel, klar. Es gibt aber auch genug Leute, die weniger verdienen. Doch auch wenn das alles andere als “fair” und “nett” abläuft ist das KEIN “moderner Sklavenhandel”. Der Kapitalismus ist bloß einfach nicht mehr so “nett”, wie noch vor 20 Jahren. Die Menschen gehen aber nicht in Ketten. Die schlechten Arbeitsbedingungen der Leiharbeiter*innen soll man nicht verharmlosen, die Sklaverei aber genauso wenig.

Dabei ist das alles zu erwarten gewesen, nicht erst seit der Agenda 2010. Sie verstärkt nur das, worauf der Kapitalismus angelegt ist, also dass genau das passiert. Ein Versatzstück war Clements Einsatz für bessere Bedingungen für Zeitarbeitsfirmen, bei denen er schlussendlich auf der Gehaltsliste stand. Schlimm? Kapitalismus! Die Demokratie muss sich also gegen die bösen Kapitalisten wehren? BULLSHIT! Die Demokratie wurde letztlich wegen des Kapitalismus‘ eingeführt, meine Lieben. Die französische Revolution war die Revolution des Bürgertums, also – stark vereinfacht und auf heute übertragen – der Amazon Geschäftsführung.

Amazon Versandzentrum in Leipzig (CC BY-SA 3.0) Medien-gbr
Amazon Versandzentrum in Leipzig (CC BY-SA 3.0) Medien-gbr

Nicht erst in den letzten Jahren setzte sich der Glaube durch, sozial sei das, was Arbeit schaffe. Dabei ist es nicht Arbeit, die wir zum Leben brauchen, sondern Bleibe, Wärme, Leute, Mampf, Dinge. Die Arbeit ist Mittel zum Zweck. Dabei haben die meisten Menschen nicht einmal die Wahl, welche Arbeit sie ernährt, wenn sie denn eine haben. Die Kritik an den Arbeitsbedingungen, die sich gerade wie eine Flutwelle über Deutschland und Amazon ergießt schlägt völlig ins Leere. Nicht die Arbeitsbedingungen, die könnten weit schlechter sein, müssen kritisiert werden, sondern das System in dem Menschen ihre Arbeitskraft verkaufen müssen. Amazon hat sich das nicht ausgedacht. Amazon nutzt nur, was das System ihnen ermöglicht. Profitmaximierung ist das grundlegende Prinzip in der Marktwirtschaft. Daran ändert auch das formale Vorwort „sozial“ nichts. In abgemilderter Form war das auch vor 20-30 Jahren schon so.

Es zeichnet sich ab, dass die, die sich nun aufregen und gegen das Versandhaus “shitstormen”, die sind, die im Herbst an die Wahlurnen rennen. Dann verteilen sie ihre Stimmen an SPD, CDU, Grüne, FDP, NPD, LINKE, Piraten und so weiter. Jede diese Parteien ist für sich genommen aus diversen Gründen scheiße. Sie alle stehen aber für das System der Lohnarbeit. Keine von ihnen hatte je vor das Prinzip grundlegend in Frage zu stellen. Das Problem war, ist und bleibt der Kapitalismus.

Der einzige Grund Amazon wirklich zu haten ist die Zusammenarbeit mit Nazis. Aber wen wundert das, die nehmen doch auch nur äußerst widerwillig Nazistuff aus dem Sortiment.

Kapitalismus mit rundlichem Antlitz

Investmentbanken und Hedgefonds agieren wieder wie vor der Krise, Großbanken manipulieren die Zinsen, die Manager lassen sich Traumgehälter und Phantasieboni auszahlen, Milliardenhilfen für Griechenland und andere notleidende Staaten gehen zu 80 Prozent zurück an die Banken. Das Primat der Politik steht nur noch auf dem Papier, in Wirklichkeit bestimmt die Finanzindustrie den Takt der Politik.

Vor diesem Hintergrund ist es erschütternd, wie schnell die Vorschläge von Sigmar Gabriel zur Bankenregulierung als “Populismus” (Wolfgang Schäuble) abgebürstet wurden. Denn der SPD-Chef hat recht, wenn er die Frage der Kontrolle der Finanzindustrie zur Überlebensfrage der Demokratie erklärt. Deshalb ist das Thema Finanzmarktregulierung auch das richtige Wahlkampfthema. (Sprengsatz.de)

Es geht um das Thesenpapier des Sigmar Gabriel. Die Speerspitze der revolutionären Proletarierbewegung „SPD“ hat sich in Form ihres Parteichefs zur Eurokrise positioniert und präsentiert einen klientelgerechten, weil leicht verständlichen und zutiefst populistischen, sowie der Parteilinie treu bleibenden, weil unwirksamen Lösungsansatz: den Banken das Zocken verbieten.

Weder Gabriel noch Spreng werden der Krisenproblematik hier im Ansatz gerecht. Was ist denn mit der SPD Politik unter Schröder? Und was ist vor allem mit der rot-grünen Beschäftigungspolitik dieser Tage? Wie verhält es sich denn mit der bundesdeutschen Nettolohnentwicklung und der Wirtschaftskrise?
Statt also die eigene Arbeitsmarkt-, Wirtschafts- und Finanzpolitik in der Zeit der rot-grünen Bundesregierung als eine der bedeutendsten Ursachen für die Krise zu benennen oder gar dem Problem mit vernünftiger Kapitalismuskritik beizukommen, wird tumb auf die armen Bankvorstände eingedroschen.

Da sitzen ein paar Vorzeigekapitalisten in den Chefetagen großer Banken und verhalten sich so, wie es das System möchte und Siggi fordert mehr Anstand und Regulierung – ganz im Sinne des „kleinen Mannes“, versteht sich. Was fordert Gabriel denn da? Anständige Kapitalisten? Kapitalismus mit menschlichem Antlitz? Mir wird schlecht!

Sprengs Text baut auf der selben ekelhaften Verblendungsrhetorik auf, wie Gabriels Thesen. Was soll das sein? Eine Wahlempfehlung für die SPD? Hier wird eine Hoffnung in die offenbar leblose Opposition gesteckt, die wirklich rein gar nichts tut, was sie als Opposition erkennbar werden ließe. Sprengs Text trieft vor der Angst dem Wahlvolk sei das Gespenst der „Alternativlosigkeit“ schon so sehr in Fleisch und Blut übergegangen, dass Schwarz(-Gelb?) tatsächlich auch die nächste Wahl gewinnen könnte.

Die Regierung macht in der Krise tatsächlich keinen guten Job und die deutsche Austeritätspolitik wird von nahezu allen Seiten nicht zu unrecht kritisiert. Nur hat Schäuble als Regierungsvertreter mit einem Recht: Gabriels Thesenpapier ist blanker Populismus, wer etwas anderes behauptet hofiert diesen. Jeder Satz des Papiers ist als Bankerschelte zu verstehen. Als wären Finanzvorstände die Blutegel, die ein ansonsten funktionierendes System auslaugten. Hier wird mit den Ängsten und Vorurteilen der Wähler_innen gespielt. Das Wesen der Krise bleibt dabei unerwähnt und von den vorgeschlagenen Maßnahmen unberührt. Die Wähler_innen bekommen nicht mehr, sondern andere Antworten. Letztlich werden sie dabei aber nicht besser verarscht, als unter der jetzigen Regierung.

Es ist eine typisch unbeholfene, sozialdemokratische Kapitalismuskritik, wie man sie kennt. Da wirft sich das Oppositionswa(h)lross zum Wahlkampf auf den Beckenrand, winkt mit seinen falschen Thesen und … stellt fest, es kommt nicht mehr ins Wasser. Der Dompteur versucht dem gestrandeten Ungetüm mit ein wenig Wahlkampfhilfe beizukommen, doch das Wa(h)lross ist zu fett. Rein metaphorisch gesprochen, versteht sich.

Occupy Yourself

Die wunderschöne Poesie des Epilogs

So mancher ganz große Denker suchte die Einsamkeit zum Verfassen der ganz großen Schriften. Ich bin kein ganz großer Denker, würde mich nicht einmal einen Denker nennen, vielleicht jemand, der sich Gedanken macht, aber wer tut das nicht? Überdies wird jenes hier auch keine der ganz großen Schriften. Es wird bloß ein Blogpost, eines unter vielen beim Lichterkarussell, unter abertausenden in den Weiten des Internet. Es wird von einer Handvoll Leute gelesen, mehr Strahlkraft wird das Thema auch in Zeiten einer sich ausbreitenden „Occupy-Bewegung“ nicht schaffen. Der Text zum Neubau der Gegengerade wird einer der meistgelesenen bleiben – wahrscheinlich – aber das ist auch völlig in Ordnung so. Occupy Yourself weiterlesen