Mitgliederversammlung des FC Sankt Pauli im Jahr 2012

Am 26.11.2012 zieht es uns wieder ins CCH um in stundenlangem Gähnwettbewerb die Geschicke unseres Vereins zu lenken, bei viel zu hohen Getränkepreisen und schlechter Bockwurst. Sei es drum, geschissen sei auf die Längen, auf die Preise, auf das Asbest in den Wänden. Diese Veranstaltung ist wichtig und es kann eigentlich keine Ausreden geben, dem fern zu bleiben. Gestern wurden die Anträge veröffentlicht, daher empfielt sich eine kurze Übersicht.

Anträge

1) Der erste Antrag rekurriert auf einen Artikel dieses Blogs, der zu den Meistgelesenen zählt. Dass sich nun ein JHV Antrag daraus speist, unterstreicht nur einmal mehr, welche Wellen dieser – zugegeben leicht polemische – Text und sein Hintergrund geschlagen hat. Zurecht! Mitunter könnte es an dieser Stelle das erste mal hoch her gehen. Sollte dem so sein, so ist das als komödiantische Zwischeneinlage zu verbuchen. Popcorn nicht vergessen!

Antrag: Die Mitgliederversammlung möge beschließen, die beiden auf dem Südkurvenvorplatz ausgelegten Danksagungs-Pflastersteine für Torsten Vierkant und Wolfgang Helbing zu entfernen.

Begründung: Die Pflastersteine sind keine durch die Mitgliederversammlung beschlossene Ehrung oder andersartige Ehrung durch den FC St. Pauli, wurden aber dennoch mit der Aufschrift „Der FC St. Pauli dankt …“ auf einem öffentlichen Platz ausgelegt. … Es handelt sich um eine „Ehrung“ für Verdienste für den Verein, die unter anderem im Rahmen eines Angestelltenverhältnisses erbracht wurden. … durch die unter dem Namen „Stolpersteine bekanntgewordene Ehrung von Opfern des NS-Regimes und die hierfür verlegten Gedenksteine vermitteln diese „Ehrungspflastersteine“ … ein Gefühl der Respektlosigkeit und Überhöhung.

Lichterkarussell Wahlempfehlung: Dem Antrag ist stattzugeben.

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2) Im zweiten Antrag geht es um die Erhöhung der zur Verfügung gestellten Plätze für Rollstuhlfahrer_innen. Man sollte meinen, einem Verein wie dem FC Sankt Pauli lägen Rollstuhlfahrer_innen soweit am Herzen, dass die Mindestanforderungen des Stadionhandbuchs erfüllt würden. Gerade wir, so war ich immer der Meinung haben ohnehin eine hohe Quote von Menschen mit (körperlichen) Behinderungen in unseren Reihen, eben weil wir uns gegen Diskriminierungen engagieren. Der Antrag geht nun nicht mal so weit, die Mindestforderungen des DFL Stadionhandbuches zu fordern, sondern hebt lediglich auf die der UEFA ab, die doch weit darunter liegen. Die Anpassung der Kapazität ist ein wichtiges und unterstützenswertes Anliegen.

Antrag: Die Mitgliederversammlung möge beschließen, dass das Präsidium sicherstellt, persönlich oder durch Ausübung der Gesellschafterrechte des Vereins in der Millerntorstadionbetriebsgesellschaft (MSB), dass nach Fertigstellung des Stadions, bzw. zu Beginn der Nutzung der neuen Nordtribüne eine Kapazität von mind. 180 Rollstuhlfahrerplätzen/sog. Läuferplätzen außerhalb von „VIP-Plätzen“ (Loge/Businessseats) samt Infrastruktur (Parkplätze/Toiletten/Rolli zugängliche Kioske) vorhanden sind. Dabei ist zu beachten, dass mind. 120 dieser Plätze Rollstuhlfahrern vorbehalten werden sollten (2/3). Von einer Abgrenzung der Rollstuhlfahrer in Heim- und Auswärtsfans ist nach Möglichkeit abzusehen.

Begründung: Das Millerntorstadion verfügt aktuell über 48 Rollstuhlfahrerplätze und ungefähr die gleiche Menge an sog. Läuferplätzen. Gemäß Stadionhandbuch (…) der Deutschen Fußball Liga (DFL) ist die Musterversammlungsstättenverordnung (…) § 10 zu beachten. Gemäß diesem Paragraphen ist eine Kapazität von 1% für körperlich behinderte Fans vorzuhalten, was bei einer geschätzten Endkapazität von 30.000 Zuschauerplätzen einer Kapazität von 300 Plätzen entspräche. Da jedoch anscheinend diese Regelung keine Beachtung gefunden hat, ist auch den Einreichenden dieses Antrags klar, dass das Erreichen dieser Kapazität für den FC St. Pauli respektive die MSB schlicht utopisch ist. Da jedoch der FC St. Pauli und seine Fans über die Stadtgrenzen Hamburgs hinweg für ein hohes soziales Engagement und gegen eine Ausgrenzung von Menschen aufgrund ihrer körperlichen Gegebenheiten stehen, betrachten die Einreichenden es als unabdingbar, zumindest die Richtzahl des UEFA-Stadionhandbuches zu erreichen. In diesem heißt es …, dass Rollstuhlfahrern ab einer Kapazität von 20.000 Zuschauerplätzen eine Kapazität von 150 Plätzen zzgl. 3 Plätzen je zusätzlicher 1000 Plätze zu gewähren ist. Dies bedeutet …, dass mindestens 180 … Plätze für Rollstuhlfahrer bzw. „Läufer“ vorhanden sind – eine Quote von 0,6 % der Gesamtkapazität. Nach Rücksprache (in Gremienarbeit) mit den Betroffenen bzw. dem Behindertenbeauftragten des FC St. Pauli, sehen die Einreichenden es als zwingend notwendig an, diese Anzahl an Plätzen vorzuhalten. Wir bitten daher die Mitgliederversammlung, diesen Antrag anzunehmen, im Sinne des gemeinschaftlichen Stadionerlebnisses aller Fans …

Lichterkarussell Wahlempfehlung:  Dem Antrag ist stattzugeben.

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3) Es folgt der erste wirklich kontroverse Antrag, sollten nicht schon die Pflastersteine die Halle zum Kochen gebracht haben, wird dieser Antrag es ganz sicher tun. Die Vorraussetzungen dieses Antrages könnten strukturell schlechter kaum sein, braucht es doch einer 3/4 Mehrheit um ein Präsidiumsmitglied oder das gesamte Präsidium abzuberufen. Doch wie steht es um die Chancen, dass eine solche Mehrheit auf der Versammlung erreicht würde? Das ist wahrlich schwer zu beurteilen. Fest steht, dass gerade Gernot Stenger sich den Unmut der aktiven und organisierten Fanszene zugezogen hat. Dabei geht es nicht nur, aber nicht zu kleinen Teilen, um die Rolle Gernot Stengers in der Kommission zur Ausarbeitung des umstrittenen DFL-Papiers „Sicheres Stadionerlebnis“. Andere Punkte wären sein zu geringes/lange ausbleibendes Engagement gegen die Polizeiwache / für das Museum, sowie eine moralingetränkte Grundhaltung bei Entscheidungen die oftmals völlig entgegen der Interessen von Fans ausfallen. Gerade auf das DFL Papier und die damit verbundenen Zusammenhänge stützt sich die Begründung dieses Antrags. Stenger wird darin vorgeworfen, nicht nur an den Maßnahmen mitgearbeitet zu haben, sondern diese als unterschriftsfähig bezeichnet zu haben. Außerdem habe Gernot Stenger gegenüber Fanladen und Fanvertretern diesbezüglich die Unwahrheit gesagt. In einer heute Abend erschienenen Stellungnahme zu diesem Antrag streitet Stenger beide Vorwürfe ab. Es ist für uns an dieser Stelle nicht nachvollziehbar, wie die Debatte um das Papier im Detail ablief. Es scheint jedoch ratsam, daran zu erinnern, dass wir mit Stengers Wortgewandtheit, die er aus seiner Erfahrung als Rechtsanwalt zieht, nicht selten unsere Erfahrungen machen mussten. Lässt Stenger also folgendes verlautbaren: „Dabei ging es um eine Besprechung mit dem Ständigen Fanausschuss, in der ich nach im „Kicker“ veröffentlichten Thesen – als Zusammenfassung der zentralen Maßnahmen des Diskussionspapieres – gefragt wurde, welche ich bis dato nicht kannte. Ich antwortete daher wahrheitsgemäß, dass mir diese Thesen nicht vorgelegen haben […].“ So heißt  das mitnichten, dass er nicht gelogen habe. Es liegt hier durchaus im Rahmen des Möglichen, dass die Worte so bewusst gewählt werden, dass legte man sie auf die Goldwage der Vorwurf des Lügens nicht haltbar ist, bei allgemeiner Betrachtung aber sehr wohl haltbar sein könnte. Klarheit kann letztlich nur der STFA und der AR herstellen.

Stellt sich die Frage, ob man Gernot Stenger abberufen sollte, oder nicht. Es fällt schwer hier eine klare Ansage zu machen. Es ist unklar, wie der Rest des Präsidiums auf eine mögliche Abwahl reagiert. Auch ist es schwer auszumachen, wie sich der Verlust Stengers auf die Arbeit des Präsidiums auswirkt. Grundsätzlich muss man sagen, dass es wünschenswert wäre, das gesamte Präsidium ginge. Gerade angesichts dessen, dass es keinen Antrag gibt, der das allgemeine weitere Vorgehen mit dem Präsidium begleiten lässt, macht mindestens das kommende Jahr zur Zerreißprobe für Verein, Fans, Mitglieder und Vorstand. Eine Einschätzung freilich, die maßgeblich auf den Erfahrungen der letzten Wochen fußt.

Antrag: Beantragung der Abberufung des Vizepräsidenten Gernot Stenger gemäß § 13 Abs. 6 der Satzung

Begründung: Gernot Stenger ist im Präsidium unter anderem zuständig für Fanbelange und Faninteressen. Er handelt jedoch … nicht im Sinne der Fans, sondern … gegen deren Interessen. So war er an der Erarbeitung eines „Sicherheitspapiers“ beteiligt, welches erhebliche Verschärfungen der Bedingungen für Fans bedeuten würde. Die dort vorgeschlagenen Maßnahmen wurden jedoch von ihm nicht nur mit erarbeitet, sondern von Herrn Stenger auch ausdrücklich als unterschriftsfähig bezeichnet. Zudem hat Herr Stenger bezüglich der geplanten Maßnahmen gegenüber dem Fanladen und Fanvertretern wissentlich die Unwahrheit gesagt. Ein solches Verhalten widerspricht nicht nur den Interessen vieler Fans, sondern … auch den Leitlinien unseres Vereins und ist daher in einer leitenden Funktion im Verein nicht tolerabel

Lichterkarussell Wahlempfehlung:  Der Antrag birgt großes Konfliktpotential. Eine abschließende Empfehlung kann hier nicht ausgesprochen werden. Die Chancen, dass die nötige 3/4 Mehrheit erreicht wird, erscheinen gering. In Erwägung diese Einschätzung trifft zu, bietet sich ein Stattgeben des Antrags als „Schuss vor den Bug“ an.

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4) Bei Viagogo gibt es bereits Karten für den FC Sankt Pauli zu erwerben. Beim HSV führte das zu einem großen Krach. Für uns sollte eine Absage an diese und ähnliche Plattformen eine Selbstverständlichkeit sein. Wer soziale Verantwortung auf seine Fahnen schreibt, wer glaubwürdig gegen den Schwarzmarkt kämpfen will (was war gleich das Hauptargument für elektronische Einlasskontrollen?!), der kann nicht einen Zweitvermarkter wie Viagogo Tickets für exorbitante Preise verhökern lassen. Bin gespannt auf die Kommentare von Seiten des Vorstands und der Geschäftsführung zu diesem Antrag. Die Wahlempfehlung fällt jedoch wieder eindeutig aus.

Antrag: Die Versammlung möge beschließen, einen Verkauf von Ticketkontingenten, auch nicht verkaufter Restkontingente, durch einen Zweitvermarkter zu untersagen. Der Verein muss sicherstellen, dass die Tickets für sämtliche Liga und Pokalspiele nationaler und internationaler Wettbewerbe zum Originalpreis zzgl. der üblichen Vorverkaufsgebühren den Mitgliedern und Fans zugänglich gemacht werden.

Begründung: Der Verein stand und steht … für Gleichberechtigung und soziale Verantwortung. Der Zwischenverkauf an einen Zweitvermarkter bedeutet nach bisheriger Erfahrung … eine unverhältnismäßige Verteuerung der zur Verfügung stehenden Tickets. Wir … sind der Meinung, dass dies nicht im Sinne der Mitglieder und Fans sein würde. Wir sollten daher der jetzigen und den zukünftigen Vereinsführungen … ein klares Votum geben, dieses wertvolle Gut zu schützen.

Lichterkarussell Wahlempfehlung: Dem Antrag ist stattzugeben. 

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5) An Stelle Fünf steht ein Antrag zum umstrittenen DFL-Papier „Sicheres Stadionerlebnis“. Auch beim Lichterkarussell, hat Tom Machir dazu einen mehr als lesenswerten Text geschrieben. Die Argumente gegen das Papier sind so vielfältig, wie einleuchtend. Das Thema bei Fußballfans derzeit so Präsent, wie kaum ein anderes. Der Antrag zielt darauf ab, das aktuelle Papier, aber auch möglicherweise kommende Papiere und einzelne im Papier genannte Maßnahmen zu verhindern, außer sie sind mit Fanvertreter_innen etc. erarbeitet. Durch die Einschränkung wird nicht nur eine Tür offen gehalten, sie gibt auch klar den Weg vor, der zu gehen ist, sollte es (und davon ist auszugehen) Bestrebungen geben ein neues DFL Papier zu entwerfen. Ohne Fans, hat der FC Sankt Pauli die Tür geschlossen zu halten. Ein gut formulierter und runder Antrag. Auf die mündlich erfolgende Begründung darf man erfahrungsgemäß gespannt sein.

Antrag: Die Versammlung möge beschließen:
Das Präsidium wird beauftragt, das unter dem Titel „Sicheres Stadionerlebnis“ bekannt gewordene Maßnahmenpaket der DFL bei allen künftigen Abstimmungen abzulehnen. Dies gilt ebenso für alle eventuell einzeln zur Abstimmung stehenden, in der Präsentation genannten Maßnahmen. Das Präsidium wird weiterhin beauftragt, auch künftige Maßnahmen und –pakete, welche eine Verschärfung von Kontrollen, Sicherheitsauflagen o.ä. beinhalten, bei Abstimmungen bei DFL und DFB abzulehnen. Auszunehmen sind Maßnahmen, welche gemeinsam mit Fanvertretern, Fanprojekt und zuständigen Vereinsmitarbeitern erarbeitet und beschlossen wurden.

Begründung: Erfolgt mündlich auf der Versammlung

Lichterkarussell Wahlempfehlung: Dem Antrag ist stattzugeben. 

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6) Ein Antrag, der so einleuchtend ist, dass er eigentlich keiner weiteren Ausführung bedarf: Wir haben genug Logen und teure Plätze, kein Schritt weiter. Vor allem zielt dieser Antrag wohl auf die Nordpolloge ab, die an gewohnter Stelle im Favela-Look den ganz besonders spröden Schicki-Micki-Werber-Charme am Millerntor versprühen soll. Die Bewertung der Nordpolloge ist grundsätzlich stets von Ambivalenz geprägt gewesen. Einerseits passte sie besser zum alten Millerntor, als die Doppelstocklogen der Haupttribüne, andererseits eröffnete sie weitere teure Plätze jenseits der etablierten Hochpreisblöcke auf Süd- und Haupttribüne. Dazu kamen seinerzeit die Querelen um die Positionierung. So wurde unter anderem dem Fanladen gesagt, es gebe dort keinen Platz für deren Container, kurze Zeit später stand das neue Edeldomizil mit Bierbahn. Letztlich ertragen wurde die Loge unter der Prämisse, dass es sich mit dem Abriss der alten Gegengerade auch mit der Loge erledigt habe. Dass diese nun wieder zur Diskussion steht macht nachfolgenden Antrag wohl zwingend nötig.

Weiteres Themenfeld ist – und da brachte mich erst ein Freund drauf – die Frage, ob dieser Antrag die Bestrebungen, die Business Seats auf der Süd loszuwerden konterkariert. Ich habe darüber kurz sinniert und bin zum Schluss gekommen, dass dem nicht so ist. Wir werden diese Business Seats nicht über das Verschieben auf andere Tribünen los. Dafür fehlt dort nicht nur die Infrastruktur, sondern auch der Platz. Das Kind ist in den Brunnen gefallen, als der Bau der Haupttribüne vorgezogen wurde und damit das Finanzierungsmodell auf ein kreditbasiertes umgestellt wurde. Seit dem liegt es dort und ein rettendes Seil scheint nicht in Sicht. Hierzu werden Verhandlungen verschiedener Akteure vonnöten sein. Sollten derartige Verhandlungen scheitern, bliebe noch der Weg über einen JHV Antrag zum Rückbau. Dies wäre wohl tatsächlich mit Problemen bei der Kredittilgung verbunden, was pessismistisch gesehen durchaus zum Lizenzentzug führen könnte (worst case). Dieses Finanzierungsmanöver, das den FCSP über Jahre hinweg an „Sachzwänge“ bindet, bleibt der größte dem Präsidium zu machende Vorwurf. Eine kolossale Fehlentscheidung!

Antrag: Die Jahreshauptversammlung … möge beschließen, dass keine weiteren Logen, logenartigen Plätze, Business Seats, oder andere, als hochpreisig und exklusiv anzusehende Plätze vorübergehend oder dauerhaft im Millerntorstadion eingerichtet werden sollen, außer den bereits auf Südkurve und Haupttribüne Bestehenden. Präsidium und Aufsichtsrat werden beauftragt, die Umsetztung dieses Punktes in der laufenden Geschäftsführung sowie bei der Gestaltung und dem Abschluss von Verträgen sicher zu stellen und dazu ggf. auch Gesellschafterrechte in Tochtergesellschaften zu nutzen und auf eine entsprechende laufende Geschäftsführung in diesen hinzuwirken.

Begründung: Das Millerntorstadion verfügt bereits über eine mehr als ausreichende Anzahl von Business Seats und Logen auf Südkurve und Haupttribüne, so dass die Gegengerade und Nordkurve klassische Tribünen bleiben und als solche frei von derartig exklusiven Plätzen sein sollen. … im Bereich der Nordkurve bzw. zwischen Nordkurve und Gegengerade besteht bereits ein Platzproblem, das zu langen Wartezeiten beim Ein- und Auslass sowie einer Überfüllung des Versorgungsraums führt. Im Bereich der Nordkurve stehen aufgrund der Baumaßnahmen bereits jetzt nur eingeschränkt Versorgungseinheiten und sanitäre Einrichtungen zur Verfügung, letztere befinden sich teilweise aktuell in dem Bereich zwischen Gegengerade und Nordkurve. Dieser Bereich ist daher für die Einrichtung weiterer Plätze ungeeignet.

Lichterkarussell Wahlempfehlung: Dem Antrag ist stattzugeben. 

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7) Ein Antrag der für eine Raucherpause prädestiniert ist. So sinnvoll das Anliegen der Antragstellerin ist, so gering ist die Tragweite dieses Antrags. Er wird eine Information ausspucken, sollte er angenommen werden. Yeah!

By the way: Die Begründung hätte man auch kürzer fassen können, aber da bin ich wohl genau der falsche, der das anprangert. 😀

Antrag: …beantrage ich eine Aufschlüsselung der, dem Kartencenter bei dem Versand von Karten für die Heim- und Auswärtsspiele tatsächlich entstehenden Kosten, bzw. eine Information über die Verwendung von eventuell in diesem Bereich erwirtschafteter Gewinne.

Begründung: Für den Versand von online oder telefonisch bestellten Karten erhebt das Kartencenter eine Versandkostenpauschale von 4€ (… Allgemeine Geschäftsbedingungen für den Erwerb und die Verwendung von Eintrittskarten des FC St. Pauli … Punkt 3). Inhaber von Auswärtsdauerkarten zahlen zu Beginn der Saison eine Pauschale von 30€. Verschickt werden die Karten als Standardbrief (0,55€) der Deutschen Post und sind somit unversichert. Überschlägt man die Kosten für Porto, Umschlag und Arbeitsaufwand scheint ein Erreichen der gezahlten 4€ pro Versand unwahrscheinlich. Im Fall der Auswärtsdauerkarten erfolgt der Versand der Karten in mehreren Blöcken. Der Versand der Karten für die ersten neuen Auswärtsspiele der Saison erfolgte in drei Lieferungen. Es ist demnach davon auszugehen, dass für die ganze Saison 2012/2013 etwa 6 – 7 Sendungen nötig werden. Selbst bei Berücksichtigung der für die Einzelkarten erhobenen Versandkostenpauschale von 4€ wird hier ein Restbetrag bleiben. Sowohl für regelmäßige Auswärtsfahrer (ob mit oder ohne Auswärtsdauerkarte) als auch für Heimspielbesucher ohne Dauerkarte, die nicht die Möglichkeit haben, die Karten am Schalter … abzuholen entstehen durch die … Versandkostenpauschale zusätzliche Kosten in nicht unerheblicher Höhe. Einzeln  bestellte Auswärtskarten werden um etwa ¼ des Kaufpreises verteuert und auch bei Heimspielkarten, die in der Regel für zwei oder drei Spiele gleichzeitig bestellt werden können, entstehen zusätzliche Kosten im Höhe des Wertes von zwei oder drei Stehplatzkarten pro Saison.  … außer Frage, dass der Versand von Karten Geld kostet, jedoch scheint es fraglich, dass der Betrag von 4€ durch den unversicherten Versand als Standardbrief aufgezehrt wird. … fordere ich hiermit den FC St. Pauli auf, die Zusammensetzung der Kosten für die Versandkostenpauschale sowie die Verwendung der überschüssigen Gelder offenzulegen.

Lichterkarussell Wahlempfehlung: Dem Antrag kann ohne weiteres stattgegeben werden.  Oder rauchen.

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8) Das Präsidium kommt mit ihrem beinahe schon obligatorischen Antrag zum Schluss. Es geht, wie sollte es anders sein, um die Polizeiwache. Manch einer spottete auf Facebook, der Antrag sei mit Absicht so gestellt, dass man ihm nicht zustimmen könne. Andere widerum wollten nicht so weit gehen dem Präsidium auch nur den Hauch von taktischer Rafinesse zu unterstellen. Ganz gleich, wie es nun ist oder nicht, es erscheint wichtig sich anzugucken, worauf dieser Antrag hinaus will. Behandelt werden zwei Dinge, nämlich erstens, die Verwaltungskostenpauschale und zweitens, die Ticketpreise. Beides sollen Instrumente sein, den Bau einer externen Polizeiwache, also den Neubau der Domwache zu finanzieren. Wir wollen hier nun nicht darauf abheben, dass so etwas ja eigentlich von öffentlichen Geldern finanziert werden sollte, der Fall ist hinlänglich diskutiert.

Für die Verwaltungskostenpauschale wurde schon auf der AFM JHV in diesem Jahr der Weg geebnet. Eine Abstimmung bei der ich mich enthalten habe, weil ich schon befürchtete, dass es nicht nur (oder gar nicht) um die Finanzierung des Museums gehen würde, sondern um die Finanzierung der Polizeiwache. Die Erhöhung der Pauschale bedeutet, dass der Zweck der Mitgliedsbeiträge so umgestellt wird, dass die Finanzierung der Wache daraus teilweise gedeckt werden kann. Die Mitgliedsbeiträge werden dadurch nicht erhöht, es kommt nur ein kleinerer Teil (im Fall der AFM) bei den Jugendspielern an und ein größerer (vorher nichts) bei der Polizei.

Update: Die Mitgliedsbeiträge sollen nicht direkt die Wache finanzieren, das wäre normalerweise auch rechtlich problematisch, sondern eine Miete der für das Museum zu nutzenden Fläche in der Gegengerade, die die wegfallende Miete der Polizei ersetzt. Hier refinanziert also der Verein (weitestgehend) nur für ein Museum sowieso angefallene Kosten und verschiebt diese Gelder aus dem Verein in die MSB, die sonst eine Deckungslücke hätte.

Über die Ticketpreise ist wenig zu sagen. Weder im Antrag, noch in der Begründung wird expliziert, um welchen Betrag die Tickets erhöht werden sollen. Dies wäre auf der Versammlung zu erfragen.

Grundsätzlich war der Antrag erwartbar, nach allen Statements, die vor allem Michael Meeske in den Medien in den letzten Tagen verlautbaren ließ. Bauchschmerzen dürfte dieser Antrag dennoch bereiten, denn es sind zwar genug Mitglieder und Fans bereit, bei einer Finanzierung des Museums zu unterstützen, den Polizisten eine Wache finanzieren, das möchte fürwahr niemand. Zumal hier für den FC St. Pauli ein gutes Geschäft liegt. Über Mieteinnahmen wird die von Fans finanzierte Wache refinanziert. Nur bekommen nicht die Fans das Geld zurück, sondern der Verein, der sich derzeit nicht im Stande sieht die Polizeiwache zu finanzieren. Hier stecken wir also in einem Dilemma. Entweder du baust den Bullen die Wache, oder sie ziehen in dein Stadion.

Antrag: Der FC St. Pauli ist bestrebt, ein Museum im Stadion zu errichten. Die Verlegung der Stadion- und Domwache in das Umfeld des Stadions, würde in der Gegentribüne … Räumlichkeiten schaffen, die …. zur Errichtung eines Museums genutzt werden könnten. Die Realisierung einer … externen Polizeiwache erfordert neben einem generellen Engagement des Vereins auch die Bereitstellung zusätzlicher Flächen der FHH und … eine entsprechende Finanzierung, wobei beides zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht final geklärt ist. Die in dem Antrag genannte Refinanzierung beinhaltet allerdings noch keine mit der konkreten Einrichtung eines Museums verbundenen Kosten, sondern beschränkt sich lediglich auf die räumliche Unterbringung.
Antrag: … beantragen, vorbehaltlich einer positiven Klärung dieser Punkte, die dann benötigte Refinanzierung von bis zu EUR 150.000 pro Jahr bei einer Laufzeit von 10 Jahren, über eine Erhöhung der Verwaltungskostenpauschale um EUR 43.300 sowie eine entsprechende Ticketpreisanpassung in Höhe des Differenzbetrages umzulegen. Die genaue Höhe und die exakte Verteilung werden dann mit den relevanten Gremien abgestimmt, sobald eine verbindliche Kalkulation vorliegt.

Begründung: Aufgrund seiner umfassenden wirtschaftlichen Verpflichtungen, welche aus dem Umbau des Stadions sowie des Trainingszentrums resultieren, ist es dem Verein nicht möglich durch eine Umschichtung seines Budgets eine derartige Investition zu refinanzieren. Aufgrund der breiten Zustimmung für ein Museum gehen die Antragsteller aber davon aus, dass eine derartige Verteilung der Belastung der einzelnen Betroffenen auf dem Weg zu einem clubeigenen Museum innerhalb des Stadions darstellt. Die konkrete Erhöhung der Verwaltungskostenpauschale um EUR 43.300 entspricht dabei einer Steigerung von (gegenwärtig) ca. 20 Cent pro Mitglied und Monat. Die genannte Summe von EUR 43.300 ergibt sich aus der angedachten Miethöhe für die Stadion- und Domwache.

Lichterkarussell Wahlempfehlung: Vorbehalte gegenüber dem Antrag sind mehr als verständlich.  Eine Wahlempfehlung kann an dieser Stelle nicht ausgesprochen werden. Setzt euch mit den Vor- und Nachteilen, sowie den Konsequenzen auseinander und fällt eine Entscheidung – oder enthaltet euch. Bedenkt, dass bei Ablehnung des Antrags eine externe Lösung der Polizeiwachenproblematik mit größter Wahrscheinlichkeit nicht erfolgen wird.

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Satzungsänderungsanträge

1) In diesem Satzungsänderungsantrag des Aufsichtsrat, geht es darum, dass dem Aufsichtsrat der Finanzplan früher als bisher vorgelegt wird, damit der Aufsichtsrat seine Prüfaufsicht angemessen wahrnehmen kann. Dieser Antrag stärkt den Aufsichtsrat gegenüber dem Präsidium auf sinnvolle weise.

Antrag: § 20 (Aufgaben des Aufsichtsrats), Abs. 2, 4. Satz:
Alt:
… Er beschließt zu Beginn eines jeden Geschäftsjahres über den vom Präsidium vorzulegenden Finanzplan.

Neu:
… Er beschließt vor Beginn der Kaderplanung des Lizenzspielbereichs für die folgende Saison über die vom Präsidium vorzulegenden Eckpunkte eines Finanzplans. Er beschließt vor Einreichung der Unterlagen für den Lizenzantrag beim Verband über den Finanzplan. …

Begründung: In der bisherigen Praxis wird dem Aufsichtsrat der Finanzplan erst relativ kurzfristig vor der Einreichung der Lizensierungsunterlagen vorgelegt. Dies geschieht gleichzeitig mit der Vorlage des Zwischenabschlusses zum 31.12. des voran gegangenen Kalenderjahres. Dem Aufsichtsrat ist es so kaum möglich die Planungen substanziell zu überprüfen und die darin enthaltenen Prognosen einzuschätzen und kritisch zu bewerten. Eine Korrektur der Annahmen und damit der Planungen ist allein aufgrund des Zeitdrucks im Hinblick auf den letzten Termin für die Einreichung der Lizensierungsunterlagen schon gar nicht möglich. Deshalb benötigt der Aufsichtsrat zur Ausübung seiner Kontrollpflichten eine frühzeitige Information über die planerischen Annahmen und die daraus abgeleiteten Eckpunkte. Nur so ist ggf. eine frühzeitige Intervention und eine entsprechende Korrektur der Planungen möglich.

Lichterkarussell Wahlempfehlung: Dem Antrag ist stattzugeben. 

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2) Bezüglich dieses Antrags möchte ich die Worte der letzten Basch Ausgabe zitieren, wo ein Ähnlicher Text, wie dieser entstand, nur dass er sich lediglich bei den Satzungsänderungsanträgen am expliziten Antrag abgearbeitet hat. Im Falle dieses Antrags sind die Worte präzise gewählt und die Entscheidungsrelevanten Facetten vollständig benannt:

„Der zwei­te Sat­zungs­än­de­rungs­an­trag des Auf­sichts­ra­tes ist etwas pre­kä­rer. Hier geht es darum, dem Auf­sichts­rat ein Zu­stim­mungs­recht bei Ein­stel­lung und Ent­las­sung lei­ten­der An­ge­stell­ter (Chef­trai­ner, Sport­chef, Ge­schäfts­füh­rer) ein­zu­räu­men. Dies ist in­so­fern „schwie­rig“, als dass dem Auf­sichts­rat somit ef­fek­tiv ein Ein­fluss auf den sport­li­chen Be­reich zu Teil käme. Die ori­gi­nä­re Funk­ti­on des Auf­sichts­ra­tes ist aber le­dig­lich die der wirt­schaft­li­chen Prü­fung. Hier genau wird ar­gu­men­ta­tiv vom Auf­sichts­rat an­ge­setzt. In der Be­grün­dung des An­trags heißt es: „In der Ver­gan­gen­heit ist es wie­der­holt vor­ge­kom­men, dass der Auf­sichts­rat erst un­mit­tel­bar vor der be­ab­sich­tig­ten Ent­las­sung eines Chef­trai­ners in­for­miert wurde. Dabei wurde eine Zu­stim­mungs­er­for­der­nis vom Prä­si­di­um nicht ge­se­hen. Al­ler­dings sind die mit­tel­ba­ren wirt­schaft­li­chen Kon­se­quen­zen einer Ent­las­sung (Auf­he­bungs­ver­trag, Neu­ein­stel­lung eines Nach­fol­gers) dann in aller Regel sehr wohl zu­stim­mungs­pflich­tig.“ Jüngs­ter und wohl ent­schei­den­der Be­zugs­punkt ist wohl die Posse um die Ent­las­sung Schu­berts und die Ver­pflich­tung Front­zecks. An die­ser Stel­le bin ich mir tat­säch­lich un­si­cher. Ich teile zwar die Ein­schät­zung des fi­nan­zi­el­len Be­zugs, der einer Auf­sicht be­dürf­te, eine fak­ti­sche Ent­schei­dungs­macht aber soll­te dem Auf­sichts­rat ei­gent­lich nicht zu­kom­men. Ich ten­die­re aber dazu, auch die­sem An­trag statt­zu­ge­ben, da ich der­zeit jede Re­gle­men­tie­rung un­se­res Prä­si­di­ums be­für­wor­te. Zu be­den­ken ist dabei aber, dass das der­zei­ti­ge Per­so­nal nicht für immer ge­ge­ben ist. Nicht immer wird der Auf­sichts­rat wei­test­ge­hend cool, das Prä­si­di­um wei­test­ge­hend schei­ße sein. Es kann auch mal genau an­ders herum sein, theo­re­tisch zu­min­dest. Hier wäre dann ein Macht­he­bel auf Sei­ten des Auf­sichts­ra­tes ein­ge­baut, der da ei­gent­lich nicht hin­ge­hört. Schwie­rig. Macht euch da auch mal eure Ge­dan­ken und wägt klug ab.“

Antrag: § 22 (Zuständigkeit des Präsidiums), Abs. 3:

Das Präsidium bedarf der vorherigen Zustimmung des Aufsichtsrats für den Abschluss folgender Geschäfte:

Ziffer d) Alt:
Abschluss von Arbeits- und Dienstverträgen, soweit diese den Verin zur jährlichen Zahlung von mehr als 40.000,– Euro verpflichten

Ziffer d) Neu:
Abschluss von Arbeits- und Dienstverträgen, soweit diese den Verin zur jährlichen Zahlung von mehr als 40.000,– Euro verpflichten. (Ergänzung:) Bei Neueinstellungen leitender Angestellter (Cheftrainer Fußball, Geschäftsführer) ist dem Aufsichtsrat vor der Endauswahl eine Kandidatenliste zur Genehmigung vorzulegen.

Neueinfügung der Ziffer h):
h) Freistellung oder Entlassung eines leitenden Angestellten (Cheftrainer Fußball, Geschäftsführer), wobei die beabsichtigte Freistellung oder Entlassung dem Aufsichtsrat so rechtzeitig mitzuteilen ist, dass er die Möglichkeit hat, dem betroffenen leitenden Angestellten noch Gehör zu gewähren.

Begründung: Begründung für beide Punkte:
In der Vergangenheit ist es wiederholt vorgekommen, dass der Aufsichtsrat erst unmittelbar vor der beabsichtigten Entlassung eines Cheftrainers informiert wurde. Dabei wurde eine Zustimmungserfordernis vom Präsidium nicht gesehen. Allerdings sind die mittelbaren wirtschaftlichen Konsequenzen einer Entlassung (Aufhebungsvertrag, Neueinstellung eines Nachfolgers) dann in aller Regel sehr wohl zustimmungspflichtig. Der Aufsichtsrat wird auf diese Weise unter Zugzwang gesetzt und hat nicht mehr die Möglichkeit, seiner Aufsichtspflicht nach bestem Wissen und Gewissen nachzukommen. Ähnliches gilt bei der Neueinstellung eines Cheftrainers oder Geschäftsführers. Wenn dem Aufsichtsrat ein ausgehandelter Vertrag am Tag der internen Vorstellung des ausgewählten Kandidaten vorgelegt wird, besteht für den Aufsichtsrat keine Möglichkeit mehr, flankierend einzugreifen, ohne den Prozess komplett zu stoppen und dem Verein Schaden zuzufügen. Deshalb hält der Aufsichtsrat es für notwendig, bereits die Shortlist der in der Endauswahl befindlichen Kandidaten zur Genehmigung vorgelegt zu bekommen. Denn nur auf diese Weise erhält der Aufsichtsrat die Möglichkeit, wirtschaftliche oder inhaltliche Limits zu setzen, ohne den Auswahlprozess grundsätzlich zu torpedieren.

Lichterkarussell Wahlempfehlung: Dem Antrag kann durchaus stattgegeben werden.  Enthaltungen oder ablehnende Meinungen sind aber durchaus verständlich. Im Sinne einer Kontrolle unseres mitunter frei drehenden Präsidiums erscheint eine Annahme des Antrags sinnvoll. Nichtsdestoweniger darf dieser Antrag nicht in Vergessenheit geraten – unter anderer Machtkonstellation im Verein kann hiermit großer Schaden angerichtet werden. Im Zweifel muss in der Zukunft ein diese Änderung zurücknehmender Antrag gestellt werden.

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3) Ein unspektakulärer, wie verständlicher Antrag. Der Wahlausschuss möchte gerne in seiner Zahl erweitertert werden, da die Zahl der Abteilungen in den letzten Jahren gestiegen ist. Der Antrag birgt keinerlei Konfliktpotential.

Antrag: § 17 Wahlausschuss, Abs. 1:

Alt:
Der Wahlausschuss besteht aus fünf Mitgliedern, die von der Mitgliederversammlung gewählt werden. …

Neu:
Der Wahlausschuss besteht aus sechs Mitgliedern, die von der Mitgliederversammlung gewählt werden. …

 

Begründung: Seit der Installation des Wahlausschusses im Jahr 2001 hat sich die Anzahl der … durch den Wahlausschuss zu leitenden Wahlen durch die Neugründungen der Abteilungen Boxen, Dart, Marathon, Radsport, Tischkicker, Tor- und Goalball, sowie Triathlon deutlich erhöht. Der Wahlausschuss bittet die Mitglieder … um die Zustimmung, den erhöhten Arbeitsaufwand durch ein sechstes Wahlausschussmitglied abdecken zu dürfen. … erfolgt die nächste Neuwahl des Wahlausschusses auf der nächsten ordentlichen Mitgliederversammlung im Herbst 2013.

Lichterkarussell Wahlempfehlung: Dem Antrag ist stattzugeben. 

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4) Der einzige Antrag, der etwas komplizierter daher kommt. Hier geht es um den konsolidierten Jahresabschluss. Letztlich wird hiermit eine aus der Professionalisierung (dutzende Gesellschaften etc pp) folgende Konsequenz (konsolidierter Jahresabschluss) in die Satzung eingefügt werden. Wir sehen hier keinerlei Probleme – lassen uns aber gerne eines besseren belehren (dann bitte Kommentar schreiben).

Antrag: § 5 Geschäftsjahr, Jahresabschluss:

Ziffer 2 – alt:
2. Das Präsidium hat einen Jahresabschluss und einen Lagebericht nach handelsrechtlichen Grundsätzen aufzustellen. Jahresbericht und Lagebericht sind von einem Wirtschaftsprüfer oder einer Wirtschaftsprüfungsgesellschaft zu prüfen.

Ziffer 2, 3, 4 – neu:
2. Das Präsidium hat einen Jahresabschluss und einen Lagebericht nach handelsrechtlichen Grundsätzen aufzustellen. Jahresabschluss ( alt: „Jahresbericht“) und Lagebericht sind von einem Wirtschaftsprüfer oder einer Wirtschaftsprüfungsgesellschaft zu prüfen.

(Ergänzung):
3. Das Präsidium hat darüber hinaus einen konsolidierten Jahresabschluss des Vereins und seiner Tochtergesellschaften (Unternehmensgruppe des FC St. Pauli) nach handelsrechtlichen Grundsätzen aufzustellen, sofern und soweit sich nicht aufgrund nationaler oder internationaler Regelungen – insbesondere des Deutschen Fußball-Bund e.V. (DFB), des Die Liga – Fußballverband e. V. (Ligaverband), der DFL Deutsche Fußball Liga GmbH, der UEFA oder ähnlichen Institutionen oder Verbänden des nationalen oder internationalen Lizenzspielbetriebs – ergibt, dass der konsolidierte Jahresabschluss nach anderen Rechnungslegungsgrundsätzen aufzustellen ist.

(Ergänzung):
4. Für den Fall, dass die Aufstellung eines konsolidierten Jahresabschlusses des Vereins und seiner Tochtergesellschaften im Sinne der Ziffer 3 weder nach nationalen noch nach internationalen Regelungen – insbesondere des Deutschen Fußball-Bund e.V. (DFB), des Die Liga – Fußballverband e. V. (Ligaverband), der DFL Deutsche Fußball Liga GmbH, der UEFA oder ähnlichen Institutionen oder Verbänden des nationalen oder internationalen Lizenzspielbetriebs – erforderlich ist, kann die Mitgliederversammlung mit einfacher Mehrheit beschließen, dass kein konsolidierter Jahresabschluss aufzustellen ist.

§ 14 Einberufung der Mitgliederversammlung:

Ziffer 7 – alt:
7. Eine erläuterte Bilanz, eine Gewinn- und Verlustrechnung sowie der Lagebericht des Vereins müssen zwei Wochen vor der ordentlichen Mitgliederversammlung für alle Mitglieder zugänglich auf der Geschäftsstelle des Vereins ausliegen und dürfen von den Mitgliedern gegen Vorlage des Mitgliedsausweises und eines Personaldokuments (Personalausweis/Reisepass) auf der Geschäftsstelle eingesehen werden. Auf Wunsch eines Mitglieds werden diese oben genannten Unterlagen auf seine Kosten zugesandt.

Ziffer 7 – neu:
7. Eine erläuterte Bilanz, eine Gewinn- und Verlustrechnung sowie der Lagebericht des Vereins müssen zwei Wochen vor der ordentlichen Mitgliederversammlung für alle Mitglieder zugänglich auf der Geschäftsstelle des Vereins ausliegen und dürfen von den Mitgliedern gegen Vorlage des Mitgliedsausweises und eines Personaldokuments (Personalausweis/Reisepass) auf der Geschäftsstelle eingesehen werden. (Ergänzung) Gleiches gilt für den konsolidierten Jahresabschluss im Sinne des § 5 Ziffer 3, sofern ein solcher aufgestellt wurde. Auf Wunsch eines Mitglieds werden diese oben genannten Unterlagen auf seine Kosten zugesandt.

Begründung: Der FC St. Pauli von 1910 e. V. hat erstmalig für das Geschäftsjahr 2011/2012 auf Basis der Regelungen der Lizensierungsordnung der DFL Deutsche Fußball Liga GmbH in Verbindung mit dem UEFA-Reglement zur Klublizensierung und zum finanziellen Fairplay einen Konzernabschluss gemäß Handelsgesetzbuch (HGB) aufgestellt, der den Mitgliedern in der für den Einzelabschluss des Vereins gängigen Weise zugänglich gemacht wird. Der vorliegende Änderungsantrag soll diese Praxis bzgl. des konsolidierten Jahresabschlusses in der Satzung durch Einfügung von § 5 Ziffer 3 und einer Ergänzung von § 14 Ziffer 7 verankern. Der neu eingefügte § 5 Ziffer 4 soll den – derzeit nicht absehbaren – Fall einer möglicherweise notwendigen Neubewertung des Kosten-Nutzen-Verhältnisses der Aufstellung eines konsolidierten Jahresabschlusses durch die Mitgliederversammlung berücksichtigen (z.B. bei deutlich gesunkener Komplexität der Unternehmensstruktur).

Lichterkarussell Wahlempfehlung: Dem Antrag ist stattzugeben. 

***

Zusammenfassender Ausblick auf die JHV

Am 26.11.2012 steht uns ein langer Montag Abend bevor, dagegen ist dieser Text noch gar nichts. Das Konfliktpotential ist mit der Veröffentlichung der Anträge nochmals gesteigert worden. Nachdem am Montag Abend auf drei Tribünen deutliche Kritik an Gernot Stenger auf Tapetenbahnen transportierten, steht dieser mit dem Antrag zu seiner Abberufung nun mit dem Rücken zur Wand, was nicht zuletzt durch die bisweilen reaktionär-bissige Stellungnahme seinerseits untermauert wird.

Wenn Metalust um des Vereinsfriedens willen dem gesamten Präsidium den Rücktritt nahelegt, entbehrt das nicht einer gewissen Berechtigung. Die Fronten zwischen Vereinsführung und Fans/Mitgliedern (die Darstellung in zwei homogene Lager ist natürlich arg verkürzt) scheinen nunmehr gänzlich verhärtet. Hatte man schon nach der letzten Jahreshauptversammlung das Gefühl vorhandene Konflikte beinahe künstlich ignoriert zu haben (exemplarisch hierfür der zurückgezogene Baustopp-Antrag oder die Uneinigkeit bei den Fans bezüglich der Business Seats), scheint der Verein ein weiteres Jahr ohne Konsequenzen in der Führungsetage nicht ohne den großen Knall überstehen.

Das Sicherheitspapier bleibt damit tonangebender Einfluss für die diesjährige JHV. Aber auch andere Themenkomplexe, etwa Zuständigkeiten des Aufsichtsrates bieten Diskussionsstoff.

Wir dürfen uns auf eine spannende, aufreibende, lange, anstrengende und vor allem richtungsweisende Jahreshauptversammlung freuen, bei der durchaus in gewissem Umfang die Fetzen fliegen können.

Ist zwar ein Montag und Montag is‘ Kotze, aber da muss man einfach hin!

Lesetipps (Folge 02)

Die heutige Folge der Lesetipps beginnt da, wo die letzte aufhörte, bei Batman.

Männer mit Masken 
(Göttinger Institut für Demokratieforschung)
Nils C. Kumkar sieht in Filmen ein prognostisches Potential für Gesellschaften und widmet sich entsprechend The Dark Knight Rises von Christopher Nolan zu. Wie schon der letzte Beitrag zu diesem Thema ist auch dieser Text nur denen zu empfehlen, die den Film schon kennen oder sich aus anderen Gründen Inhalte verraten lassen wollen.

Stellungnahme der Fan- und Mitgliederabteilung des 1. FC Union Berlin
(1. FC UNION)
Wie man sich zum Sicherheitstrara von DFB und DFL ausgewogen und im Interesse seines Vereins, seiner Mitglieder und Fans äußert beweist einmal mehr der 1. FC Union Berlin, bzw. besser gesagt dessen Fan- und Mitgliederabteilung (vermutlich vergleichbar mit der AFM beim FC St. Pauli). In der Rezeption der Nachwehen von Sicherheitsgipfel und Kodex geht Union als gefühlter „Gewinner“ hervor. Es wäre wünschenswert gewesen, dass ein solches Verhalten nicht Ausnahme, sondern Regel gewesen wäre.

Kein Hauch von 68
(Kultur und Gespenster #13) PDF
Auf 14 lesenswerten Seiten entfalten eine Studentin und ein Dozent, die sich beide hochschulpolitisch engagiert haben, eine Analyse der Bedeutung heutiger Tätigkeit an einer Hochschule. Am besten ausdrucken.

Die Produktion von Delinquenz am Beispiel von Fußballfans

Angesichts der jüngsten Sicherheitskonferenz in Berlin scheint es mir angebracht eine Ausarbeitung zur Produktion von Delinquenz bei Fußballfans nach Foucaults Überwachen und Strafen zu veröffentlichen. In der Diskussion um das vermeintliche Gewaltproblem des Fußballs und zu sanktionierendes Fehlverhalten wird sich leider stets innerhalb der selben Paradigmen bewegt. Grundsätzlich heißt es stets, natürlich sei dies oder jenes zumindest in der gegebenen Situation falsch, was mir persönlich etwas zu einfach gedacht ist. Mit der vorliegenden Arbeit soll der Diskurs um eine weitere Perspektive ergänzt und hoffentlich befruchtet werden. Auch wenn die Länge die eines gewöhnlichen Blogposts etwas übersteigt hoffe ich, dass sich der Beitrag gut lesen lässt und die Länge nicht all zu abschreckend wirkt.

1. Einleitung

2. Analyse von Machtstrukturen anhand „Überwachen und Strafen“
2.1. Das gegen die Gesellschaft gerichtete Verbrechen
2.2. Umkehr der Individualisierungsobjekte

3. Maßnahmen gegenüber Fußballfans unter Bezugnahme auf Foucault
3.1. Räumliche Individualisierung – Das Verschwinden der Stehplätze
3.2. Anonymität der Macht
3.2.1. Eine Maske der Macht: Die „Szenekundigen Beamten“
3.2.2. Macht/Wissen durch Fankategorien und die Datei Gewalttäter Sport
3.3. Freiheitsberaubung durch Ausschluss: Stadionverbote als subjektives Gefängnis

4. Die Produktion von Delinquenz und das Schaffen eines Milieus

5. Zusammenfassung / Fazit

1. Einleitung

Michel Foucault hat in seinem wohl bekanntesten Werk „Überwachen und Strafen“ die These aufgestellt, dass das Gefängnissystem Delinquenz produziert und nicht etwa dazu dient Straftaten zu verhindern. Diese These besagt, dass das Gefängnis sich deshalb durchgesetzt hat, weil es als Institution den Mechanismen der Disziplinargesellschaft adäquat ist. Diese Arbeit untersucht, ob auch im staatlichen Umgang mit Fußballfans Delinquenz im Sinne Foucaults produziert wird und wie dies geschieht.

Hierzu ist es notwendig zunächst den von Foucault aufgezeigten Wandel der Strafpraktiken, der sich zwischen Mitte des 18. und Mitte des 19. Jahrhunderts vollzogen hat zu skizzieren: Gesetzesbrüche werden nicht mehr als gegen Regent_innen gerichtet wahrgenommen, sondern vielmehr als etwas gegen die gesamte Gesellschaft gerichtetes (Abschnitt 2.1.). Darzustellen ist dies um zu überprüfen, ob die Mechanismen der Disziplinarmacht ungebrochen auch im Jahre 2012 im gesellschaftlichen Feld des Fußballs wirken. In Abschnitt 2.2. wird auf eine aus dem zuvor aufgezeigten Wandel resultierende Umkehr der Individualisierungsprozesse eingegangen. Veranlasste die Herrschaftsstruktur des Ancien Règime die Individualisierungstechniken auf die wenigen Herrschenden möglichst ausgeprägt anzuwenden, bedingte der Wandel der Herrschaftsverhältnisse hingegen die Möglichkeit der Individualisierung im stärksten Maße auf einzelne in der breiten Massengesellschaft anzuwenden, um dadurch jede Abweichung von der Norm kenntlich zu machen. Die Darstellung der Individualisierungspraktiken ist notwendig um im Folgenden die einzelnen Mechanismen der Machtstrukturen im Fußballkontext zu erläutern, finden sich doch auch hier die zuvor skizzierten Individualisierungsmechanismen wieder (Abschnitt 2.2.). Mittel dazu ist die Parzellierung des Raumes und der Mechanismus des Panoptismus worauf in Abschnitt 3.1. eingegangen wird. Dabei wird auch noch einmal deutlich, dass die von Foucault in „Überwachen und Strafen“ behauptete Anonymität und Eigendynamik der Macht und die Individualisierung bestimmter Mitglieder der Gesellschaft tatsächlich einander bedingen, was im Abschnitt 3.2. anhand der „Szenekundigen Beamtinnen und Beamten“ (3.2.1.), der Fankategorisierungen und der „Datei Gewalttäter Sport“ (3.2.2.) genauer zu beleuchten versucht wird.

In Abschnitt 3.3. wird in diesem Zusammenhang auf direkte Sanktionen, wie Stadionverbote und Meldeauflagen eingegangen. Hier wird argumentativ die in Abschnitt 4. aufgezeigte Funktionsweise der Produktion von Delinquenz vorbereitet. Diese bezieht sich zwar nicht ausschließlich auf die in 3.3 beschriebenen Sanktionen, sondern umfasst alle in Abschnitt 3. beschriebenen Maßnahmen und geht darüber hinaus mit dem Kreieren eines Milieus einher.

Im Zusammenhang mit der Delinquenz wird auch auf die These Foucaults eingegangen, Macht sei produktiv.

In dieser Arbeit werden zentrale Thesen Foucaults aus „Überwachen uns Strafen“ auf verschiedene Primärquellen, wie Richtlinien von Fußballverbänden, Stellungnahmen von Polizeivertreter_innen und Medienberichte über Fußballfans, sowie Sekundärliteratur zu Fußballfans angewendet. Dabei wird bewusst kein Bezug auf den aktuellen Forschungsstand zu „Überwachen und Strafen“ genommen, sondern lediglich das Originalwerk Foucaults behandelt. Ein Bezug auf jüngere Forschungsliteratur, wie beispielsweise zum Konzept der, den Gehalt von „Überwachen und Strafen“ teils ergänzende, teils aber auch konterkarierenden, „Gouvernementalität“, das Foucault in den posthum veröffentlichten Vorlesungen entfaltete, sprengte den Rahmen dieser Arbeit. Darüber hinaus gibt keine Forschungsarbeit, die „Überwachen und Strafen“ auf den Kontext von Fußballfans anwendet, womit diese Arbeit gewissermaßen „Pioniercharakter“ bekommt.

Ferner beschränkt sich diese Arbeit auf den Kontext von Fußballfans in Deutschland. Mit Sicherheit ließen sich große Teile der, in dieser Arbeit aufgezeigten, Mechanismen auch auf Fußballfanszenen in anderen (zumindest europäischen) Ländern übertragen, jedoch sprengte auch das den Rahmen dieser Arbeit.

2. Analyse von Machtstrukturen anhand „Überwachen und Strafen“

2.1. Das gegen die Gesellschaft gerichtete Verbrechen

Foucault beginnt seine Ausführungen in „Überwachen und Strafen“ mit einer Gegenüberstellung zweier Strafpraktiken. Zum einen ist das die Hinrichtung Damiens in Gestalt der Leibesmarter im Jahr 1757 und zum anderen Auszüge aus einem Reglement für ein Gefängnis aus dem Jahr 1837[1]. Zwischen der Vierteilung Damiens und der minutiösen Zeit- und Tätigkeitsplanung der Gefangenen liegt grob ein drei viertel Jahrhundert. In dieser Zeit ist in die Strafpraktiken nicht nur eine vermeintliche Form der Menschlichkeit (de facto ein Mehr an Macht) eingekehrt, sie hat sich in ihrem Wesen zu einem Disziplinarapparat verändert. Für den ersten Fall gilt: „Das Verbrechen greift über sein unmittelbares Opfer den Souverän an; es greift ihn persönlich an, da das Gesetz als Wille des Souveräns gilt; es greift ihn physisch an, da die Kraft des Gesetzes die Kraft des Fürsten ist.“[2] Womit die Marter als Strafpraktik eine rechtlich-politische Funktion bekommt, soll sie doch dazu dienen die verletzte Souveränität des/der Regent_in wieder herzustellen und die maximale Schwere des Verbrechens wie in einer Analogie abbilden.  Im Falle der humanisierten Strafpraktiken der Neuzeit

„wird der Verbrecher als Feind aller bezeichnet, den zu verfolgen alle ein Interesse haben, er fällt aus dem [Gesellschafts-, der Verf.]Vertrag heraus, disqualifiziert sich als Bürger und wird zu einem, der ein Stück Natur in sich trägt. Er erscheint als Ruchloser, Monster, vielleicht als Wahnsinniger, als Kranker und bald als ‚Anormaler’.“[3]

Aus der Auffassung, dass sich ein Verbrechen nicht etwa gegen die Regierung oder das Parlament, gegen die Gerichte oder die Justiz richtet, sondern gegen die gesamte Gesellschaft als Souverän des (Rechts-)Staates, ergibt sich ein normativer Charakter des Strafvollzugs. Nur wer die Regeln, welche sich die Gesellschaft selbst auferlegt hat, befolgt, ist vollwertiger Teil der Gesellschaft, wer hingegen Gesetze bricht verwirkt seine Bürgerrechte (zumindest in Teilen). Ziel der Gesellschaft kann es jedoch nicht sein, seine Mitglieder zu verlieren, so ergibt sich – auch durch den normativen Charakter – eine Disziplinarfunktion der Strafpraktiken, schließlich sollen die verloren gegangenen Mitglieder vorgeblich wieder ihren Weg in die Gesellschaft finden, während jedoch de facto delinquente Milieus kreiert werden.

2.2. Umkehr der Individualisierungsobjekte

Aus diesem Wandel der Strafpraktiken resultiert eine Umkehr der zu individualisierenden Subjekte in der Gesellschaft.

„In einem Disziplinarregime […] ist die Individualisierung „absteigend“: je anonymer und funktioneller die Macht wird, um so mehr werden die dieser Macht Unterworfenen individualisiert: und zwar weniger durch Zeremonien als durch Überwachungen; weniger durch Erinnerungsberichte als durch Beobachtungen; nicht durch Genealogien, die auf Ahnen verweisen, sondern durch vergleichende Messungen, die sich auf die „Norm“ beziehen; weniger durch außerordentliche Taten als durch „Abstände“. In einem Disziplinarsystem wird das Kind mehr individualisiert als der Erwachsene, der Kranke mehr als der Gesunde, der Wahnsinnige und der Delinquent mehr als der Normale. Es sind jedenfalls immer die Ersteren, auf die unsere Zivilisation alle Individualisierungsmechanismen ansetzt; und wenn man den gesunden, normalen, gesetzestreuen Erwachsenen individualisieren will, so befragt man ihn immer danach, was er noch vom Kind in sich hat, welcher geheime Irrsinn in ihm steckt, welches tiefe Verbrechen er eigentlich begehen wollte. Alle Psychologien, -graphien, -metrien, -analysen, -hygienen, -techniken und -therapien gehen von dieser historischen Wende der Individualisierungsprozeduren aus.“[4]

Im Umgang mit Fußballfans lassen sich diese Individualisierungsprozeduren gut nachvollziehen. Gerade in der großen anonymen Masse, welche die Fans im Stadion und auf ihren Reisen zu den Spielen darstellen scheint ein Zerlegen dieser Masse in ihre einzelnen Bestandteile, ihre Mitglieder, das vorrangigste aller Ziele zu sein. Besonderes Augenmerk wird dabei auf die Fangruppierungen und -strukturen gelegt, die durch abweichendes Verhalten auffallen. Die junge Familie, als Stereotyp der Normalität, steht demnach weniger im Fokus als die Gruppe Ultras, die zwar in der Regel eine Minderheit im Stadion darstellt, durch ihr Auftreten und ihr Selbstverständnis jedoch einen großen Wirkradius erzeugt. Diese Fans rücken in das Interesse der individualisierenden Macht; sie gilt es in ihrer Struktur zu zerlegen, ihre Aktionsarten und Organisationsformen zu dechiffrieren und sie letzten Endes greifbar zu machen, um im Zuge dessen Rädelsführer_innen, Gewalttäter_innen, etc. herauszustellen. Jedem von der Norm abweichenden Fußballfan wird demnach eine eigene Akte zuteil.

Die gängige Literatur betrachtet Fußballfans im Spannungsfeld zwischen Polizei und Verbänden. Dabei sind die einzelnen Akteure nicht als gleichberechtigte, einander gegenüberstehende Konfliktparteien zu betrachten, deren einzelne Handlungen dabei aber mitunter als Reaktionen auf die Handlungen einer jeweils anderen Gruppe gedeutet und erklärt werden können und müssen. Wichtig ist es hingegen, die Machtbeziehungen, wie sie Foucault in „Überwachen und Strafen“ entwickelt auf diesen Gegenstandsbereich anzuwenden. Die Polizei ist in diesem Zusammenhang das ausführende Subjekt der Macht, dem gegenüber das individualisierte Individuum „Fußballfan“ steht. In dieser Arbeit sollen Fußballfans, Polizei und Verbände im Sinne der Mikrophysik der Macht betrachtet werden, Was bedeutet, dass Macht kein Besitz eines Einzelnen oder einer bestimmten Klasse oder Gruppe ist. Vielmehr wirkt sie in Beziehungen. Dazu ist es nötig zu beleuchten, wie die Individualisierung im Kontext der Lebenswelten von Fußballfans aussieht und sich in Relation zu den die Machtstrukturen Ausagierenden darstellt. Dies soll im Folgenden geschehen.

3. Maßnahmen gegenüber Fußballfans unter Bezugnahme auf Foucault

3.1. Räumliche Individualisierung – Das Verschwinden der Stehplätze

Im Kontext der Individualisierung nimmt die Überwachung eine zentrale Rolle ein. Ein dichtes Netz der Polizei, die Kontrolle innerhalb der Institutionen, aber auch die gesellschaftliche Kontrolle jedes einzelnen gegenüber sich selbst und allen anderen forcieren die Einhaltung der Norm. Foucault geht im Mittelteil von Überwachen und Strafen auf die normierenden Funktionsweisen der Disziplinen ein.[5] Die Disziplinarmacht entfaltet erst durch die Kontrolle und die dem Fehlverhalten folgende Sanktion seine tatsächliche Wirkung. Um diese Strategie tatsächlich durchsetzbar zu gestalten, funktioniert sie sowohl auf einer räumlichen als auch auf einer zeitlichen Achse. Die räumliche Komponente findet sich in diversen architektonischen Ausgestaltungen. Diese beziehen sich auf städtebauliche Aspekte in der Makroperspektive und die Architekturen der Institutionen in der Mikroperspektive. Stets dient die Parzellierung des Raumes der Einteilung der Individuen in diesen und damit ihrer Zuordenbarkeit und letzten Endes ihrer Kontrolle.

Die Überwachung findet dabei seine höchste Form im Panoptismus, jenem dem Panopticon Benthams entlehntem Mechanismus, welcher die perfekte Überwachung wirklich macht. Das Panopticon ist die architektonische Utopie einer Institution, in der die Überwachung bzw. Kontrolle von Individuen gefordert ist. Ein Wachturm im Zentrum und diesen ringförmig umgebende und sowohl nach außen als auch nach innen befensterte oder vergitterte Zellenblöcke sind für dieses Modell charakteristisch. Die Insass_innen (ganz gleich ob nun Gefängnis, Krankenhaus, Schule, etc.) in ihren Zellen sind ihrerseits isoliert, können nicht miteinander kommunizieren oder interagieren, sie nehmen einander nicht wahr, wohl aber sind sie sich gewahr, dass sie jederzeit von dem/der Wächter_in im Turme im Blick gehalten werden können. Foucault konstatiert dazu:

„Die panoptische Anlage schafft Raumeinheiten, die es ermöglichen ohne Unterlaß zu sehen und zugleich zu erkennen. Das Prinzip des Kerkers wird umgekehrt, genauer gesagt: von seinen drei Funktionen – einsperren, verdunkeln und verbergen – wird nur die erste aufrechterhalten, die beiden anderen fallen weg. Das volle Licht und der Blick des Aufsehers erfassen besser als das Dunkel, das auch schützte. Die Sichtbarkeit ist eine Falle.“[6]

Ferner hält er fest:

„Diese Anlage ist deswegen so bedeutend, weil sie die Macht automatisiert und entindividualisiert. […] Folglich hat es wenig Bedeutung, wer die Macht ausübt. Beinahe jedes beliebige Individuum kann die Maschine in Gang setzten: anstelle des Direktors auch seine Familie […]“[7]

Daraus ergibt sich eine Internalisierung der Macht. Es ist unerheblich wer überwacht oder ob überhaupt überwacht wird. Die reine Möglichkeit überwacht zu werden, zwingt die Individuen zur Anpassung ihres Verhaltens an die Norm.

Für Foucault ist Benthams Panopticon lediglich das technische Modell eines Disziplinar- bzw. Machtmechanismus, welcher den gesamten Gesellschaftskörper durchzieht. „Der Panoptismus ist das allgemeine Prinzip einer neuen ‚politischen Anatomie’, die es nicht mit dem Verhältnis der Souveränität, sondern mit den Beziehungen der Disziplin zu tun hat.“[8]

Im Gegensatz zu den von Foucault zitierten Zeiträumen generieren sich die normativen Grundsätze der Gesellschaft heutzutage vordergründig aus der Verwertbarkeit am Markt. Diese Verwertbarkeit betrifft nahezu alle gesellschaftlichen Felder und damit auch den Profifußball. Mit der Kommerzialisierung des Fußballs geht auch eine infrastrukturelle Veränderung einher. Gerade Welt- oder Europameisterschaften dienen hierbei als Katalysator. So wurden in Deutschland  zur Vorbereitung zur Weltmeisterschaft im Jahr 2006 diverse Fußballstadien modernisiert oder neu gebaut. Die Deutsche Fußball Liga (DFL) und der Deutsche Fußballbund (DFB) haben im Stadionhandbuch „alle rechtlichen Grundlagen und Anforderungen, die für den Bau und die Erhaltung eines Stadions relevant sind“[9] zusammengefasst.

Foucault zitiert in Überwachen und Strafen Nicolaus Heinrich Julius, der das Panopticon ebenso wie Foucault nicht nur als architektonisches Modell, sondern als Skizze eines Gesellschaftstyps verstand. Julius sieht das Panopticon als Gegenmodell zum antiken Theater oder Zirkus, wo vielen der Überblick über wenige verschafft werden müsse. Das Panopticon brächte im Gegenteil wenigen den Überblick über viele. So, dass es in der neuen Zeit der Gesellschaft, in der private Individuen einerseits und der Staat andererseits die Hauptelemente darstellten, das entsprechende Modell zum Gesellschaftstyp sei.[10]

Das Fußballstadion ist seinerseits nun sowohl Zirkus als auch Panopticon. Seine Vordergründige Funktion ist die des Zirkus. Im Fokus steht das Schauspiel des Sportes auf dem Rasen in der Mitte des Stadions. Von den, den Rasen umgebenden Tribünen kann das Spiel der Wenigen (22 Spieler) von vielen Zuschauern verfolgt werden. Die Zuschauer ihrerseits sind im klassischen Zirkusmodell eine anonyme Masse, der Einzelne verliert sich im Kollektiv. In modernen Fußballstadien, wo einem gesteigertem Interesse an medialer Verwertbarkeit und daraus resultierender Kommerzialisierung ein gesteigertes Interesse an Sicherheit im Sinne eines reibungslosen Ablaufes folgt, finden sich auch zunehmend Charakteristika des Panopticon. Ein modernes Fußballstadion braucht eine Anlage zur Videoüberwachung der Zuschauerbereiche, auf die die Polizei, der sowohl ein eigener Einsatzleitraum, als auch eine Stadionwache zur Verfügung gestellt werden soll, Zugriff haben muss.[11] Jeder Bereich des Stadions kann so überwacht werden, die Stadionwache samt Arrestbereichen bietet Raum delinquente Fans schon vor Ort in Gewahrsam zu nehmen.

So wird zunehmend versucht die Zuschauer zu identifizieren. Am leichtesten fällt dies durch Sitzplätze, so ist jeder Fan im Stadion einer genau bestimmten Platznummer zuzuordnen. Die Quote der Stehplätze ist in modernen Stadien enorm zurückgegangen. Während es im englischen Profifußball nur noch sogenannte „All-Seater“, reine Sitzplatzstadien, gibt, haben viele Stadien in Deutschland weiterhin Stehplatzkurven.[12] Da Stehplätze in internationalen Wettbewerben bereits nicht mehr zulässig sind, wird diese Entwicklung beschleunigt. Dass es dabei nicht nur um die Sicherheit der Fans, sondern eben auch um die Identifizierung von Delinquenten geht, wird ohne weiteres zugegeben. Die Zentrale Informationsstelle Sporteinsätze (ZIS) forderte 2010 die Abschaffung der Stehplätze „um zu verhindern, dass Gewalttäter im Schutz der dort größeren Anonymität Straftaten begehen.“[13] Auch der jüngst zum DFB-Präsidenten gewählte Wolfgang Niersbach verkündete in seinem Antrittsinterview mit der ‚Bild am Sonntag’: „Wenn wir die Stehplätze erhalten wollen, müssen die friedlichen Fans dafür sorgen, dass die Randalierer identifiziert und ausgegrenzt werden. Wir dürfen uns nicht von einer kleinen Minderheit terrorisieren lassen.“[14]

Wie hilfreich die Parzellierung der Zuschauermassen im Stadion bei der Verfolgung von Delinquenz ist, lässt sich am Beispiel des FC St. Pauli nachvollziehen: Am 01. April 2011 hat ein Zuschauer von der Haupttribüne einen Linienrichter mit einem geworfenen Bierbecher getroffen. Der Fan konnte über seinen Sitzplatz identifiziert werden.[15] Am 19. Dezember warf ein Fan von den Stehplätzen der Südtribüne eine Kassenrolle und traf damit einen Spieler der Gastmannschaft auf Frankfurt am Kopf. Seiner wurde der Verein nur habhaft nachdem sich der Fan stellte.[16]

Der eingangs erwähnte städtebauliche Aspekt der Makroperspektive lässt sich im Fußballkontext ebenso anwenden: moderne Stadien werden in der Regel außerhalb der Stadt in ländlichen oder industriellen Gebieten in der nähe eines Autobahnzubringers gebaut. Hier kann Fantrennung effizient durchgeführt werden und, sollte dies doch einmal nicht gelingen, verursachen die Fangruppierungen am Stadtrand wenig Schaden für die Gesellschaft und üben keinen Einfluss auf das Konsumklima aus.

3.2. Anonymität der Macht

Elementarer Bestandteil des Panoptismus, der Überwachung und der Individualisierung ist die Anonymität der Macht. Umso stärker die Macht anonymisiert wird, desto stärker können Individuen in der Masse individualisiert werden und je stärker Einzelne aus der Masse individualisiert werden, desto stärker wird die Macht anonymisiert.

3.2.1. Eine Maske der Macht: Die „Szenekundigen Beamten“

Zur Individualisierung von Fußballfans werden von der Polizei unter anderem „Szenekundige Beamtinnen und Beamte“ (SKB) eingesetzt. Sie bewegen sich stets nah an den Fans, beobachten diese und erstellen Lageeinschätzungen. Sie werden selten ausgetauscht und lernen die jeweilige Fanszene und ihre Protagonisten kennen.[17] Zwar sind sie auch den Fanszenen bekannt, so dass der Eindruck entstehen könnte, sie gäben der Macht gar ein Gesicht und trügen nicht zu ihrer Anonymisierung bei, doch ist ihr Bekanntheitsgrad für die Anonymisierung der Macht irrelevant, eventuell sogar förderlich, schließlich geht von den SKB lediglich Aufklärungsarbeit aus, sie bieten dabei den Fans aber Reibungsfläche. Diesbezüglich sei an die These die Macht wirke in den Beziehungen erinnert. Durch die enge Verbindung zwischen den SKB und den Fußballfans gewinnt der Polizeiapparat einen erhöhten Einfluss auf den Einzelnen in der Masse der Fans, ohne dabei jedoch zwangsläufig eine Wirkung zwischen Beamten und Fans in einem auf alle Fans gleichermaßen zutreffenden Rahmen zu bedingen. Die SKB sind Stellvertreter der Disziplinarmacht womit aus ihrer Anwesenheit eine Machtbeziehung eröffnet wird. Die Möglichkeit, vom SKB als „anormaler Fan“ identifiziert zu werden, genügt der Normierungsmacht dieser Beziehung. Die Funktion des SKB ist die dominante und das, was die Beziehung zu den Fans prägt; in diese Funktion kann auch eine andere Person eingesetzt werden.

Die Vollstreckungsgewalt geht jedoch von den Einsatzkräften aus, die in ihren Uniformen und (abgesehen von Berlin) ohne individuelle Kennzeichen eine aus Sicht der Fußballfans nicht unterscheidbare Masse von Polizist_innen darstellen. Die Einsatzkräfte werden nicht isoliert als Individuen wahrgenommen, sondern als Vertreter_innen einer Institution, die der Überführung in die Delinquenz dient.

„97 % der Ultras in den neuen und 71,7 % der Ultras aus den alten Bundesländern gaben in der Untersuchung von Pilz an, dass das Verhältnis zur Polizei schlecht ist. Aus einem Interview zitiert Prof. Pilz ein Mitglied der Ultraszene wie folgt: ‚Das Verhältnis zur Polizei – das sind Arschlöcher, das sind einfach Arschlöcher. Diese Leute sind dafür angestellt, uns irgendwie was anzuhängen. Kommen pissfreundlich daher, wollen lediglich ein paar Informationen haben und von hinten treten sie dir dann noch mal nach. Also meinetwegen können die alle tot umfallen und möglichst sofort.’. Die tiefgreifende Ablehnung gegenüber der Polizei kommt in einem weiteren Interview deutlich zutage: ‚Wenn mein Kind Bulle werden will, würde ich’s, glaub ich, umbringen. Das wäre die Niederlage meines Lebens. Der kann schwul werden, der kann Marsmännchen anbeten.’. Durch die vorherrschende Grundeinstellung der Ultras werden polizeiliche Maßnahmen häufig als übertrieben willkürlich und nicht verhältnismäßig empfunden. Ein großes Polizeiaufgebot empfinden Ultragruppierungen bereits als Provokation und Anlass für Auseinandersetzungen.“[18]

Hier wird deutlich, wie Polizei und Fans jeweils gegenseitige Feindbilder aufbauen und pflegen, doch ist dies weniger als eine persönliche bzw. gruppenübergreifende Fehde zu begreifen sondern viel mehr als Mechanismus der Macht, schließlich sind sie alle, SKB oder Bereitschaftspolizist, Ultrà oder Familie Elemente in einer Machtstruktur,

„[d]enn die Überwachung beruht zwar auf Individuen, doch wirkt sie wie ein Beziehungsnetz von oben nach unten und bis zu einem gewissen Grade auch von unten nach oben und nach den Seiten. Dieses Netz ‚hält’ das Ganze und durchsetzt es mit Machtwirkungen, die sich gegenseitig stützen: pausenlos überwachte Überwacher. In der hierarchisierten Überwachung der Disziplinen ist die Macht keine Sache, die man innehat, kein Eigentum, das man überträgt; sondern eine Maschinerie, die funktioniert.“[19]

3.2.2. Macht/Wissen durch Fankategorien und die Datei Gewalttäter Sport

Zur Bezeichnung der Individuen ist die normierende Sanktion ein tragender Mechanismus:

„Die Anordnung nach Rängen oder Stufen hat eine zweifache Aufgabe: sie soll die Abstände markieren, die Qualitäten, Kompetenzen und Fähigkeiten hierarchisieren; sie soll aber auch bestrafen und belohnen. Die Reihung wirkt sanktionierend, die Sanktionen wirken ordnend. Die Disziplin belohnt durch Beförderungen, durch die Verleihung von Rängen und Plätzen; sie bestraft durch Zurücksetzungen. Der Rang selber gilt als Belohnung oder Bestrafung.“[20]

Ein derartiges Raster, eine Rangfolge der Individuen in einer Fanstruktur, eine detaillierte Auflistung, wer welche Aufgaben und Funktionen übernimmt, von wem welche potentiellen Gefahren ausgehen, zu erstellen ist Aufgabe der SKB.

Neben der direkten Aufklärungsarbeit zum Verhalten bestimmter Individuen werden Fußballfans in der polizeilichen Analyse in drei Kategorien eingeteilt:

  • Kategorie A = normaler Fan
  • Kategorie B = bedingt gewaltbereit
  • Kategorie C = gewaltbereit, suchen Auseinandersetzungen [21]

Dies ist ein Paradebeispiel für den Macht-Wissen-Komplex im Sinne Foucaults. Hier wird mit quasi sozialwissenschaftlichen Methoden Wissen erzeugt aus dem sich Machtbeziehungen ableiten.[22]

Wer wann und aus welchem Grund welcher Kategorie zugeordnet wird, bleibt im Allgemeinen untransparent. Sogenannte Problemfans rekrutieren sich in dieser Logik aus den Kategorien B und C. Das ergibt Sinn individualisiert die Macht doch „durch vergleichende Messungen, die sich auf die „Norm“ beziehen“[23], die Individualisierungsmechanismen also immer auf die Abweichung von der Norm anzusetzen sucht.[24]

Eng mit diesen Kategorien verzahnt ist die „Datei Gewalttäter Sport“. Diese Datei umfasst mittlerweile mehr als 13.000 Menschen. Zur Aufnahme reicht ein Verdacht; eine Löschung der persönlichen Daten aus ihr hingegen erweist sich in der Regel als schwieriges Anliegen.[25]

Die weitreichenden Folgen für die individuelle Freiheit und Freizügigkeit, die aus den Kategorisierungen im Allgemeinen und der Datei Gewalttäter Sport im Speziellen resultieren sind den Fans bewusst. Ebenso sind im kollektiven Bewusstsein der Fußballfans jene persönlichen Geschichten[26] von Fußballfans bekannt, die offenbar ohne Schuld ein Stadionverbot erhalten haben oder in die Datei Gewalttäter Sport aufgenommen wurden.

3.3. Freiheitsberaubung durch Ausschluss: Stadionverbote als subjektives Gefängnis

„In den Augen des Gesetzes mag die Haft bloße Freiheitsberaubung sein. Tatsächlich enthielt sie immer ein technisches Projekt.“[27] Zwar gibt es die Haftstrafe auch in der Vita einiger Fußballfans, dem vorgelagert ist aber eine etwas weniger ganzheitliche Strafe: das Stadionverbot. Was beim Gefängnis die Einsperrung ist, ist beim Stadionverbot die Aussperrung, die aus dem Blickwinkel der Fußballfans jedoch dieselbe vordergründige Funktion der Freiheitsberaubung inne hat. DFB und DFL haben dieser allgemeinen Sanktion für Fußballfans ein umfassendes Regelwerk zu Grunde gelegt, dass es Vereinen und Verbänden erlaubt, nahezu jeden Fußballfan zu sanktionieren, soll doch

„[d]ie Festsetzung eines Stadionverbotes […] im Hinblick auf die Zwecksetzung (§ 1 Abs. 2) möglichst zeitnah zur sicherheitsbeeinträchtigenden Handlung des Betroffenen und in der Regel zu dem Zeitpunkt erfolgen, zu welchem dem Hausrechtsinhaber die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens bzw. die Durchführung eines sonstigen Verfahrens oder das Vorliegen eines ausreichenden Verdachts der Verwirklichung eines Tatbestandes nach § 4 dieser Richtlinie bekannt wird.“[28]

Es braucht demnach keine Verurteilung durch ein ordentliches Gericht um mit einem Stadionverbot belegt zu werden, vielmehr reicht ein einfacher Verdacht oder die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens. Das System der Stadionverbote ist seinem Wesen nach ein Disziplinarsystem mit normierender Funktion:

„Im Herzen aller Disziplinarsysteme arbeitet ein kleiner Strafmechanismus, der mit seinen eigenen Gesetzen, Delikten, Sanktionsformen und Gerichtsinstanzen so etwas wie ein Justizprivileg genießt. Die Disziplinen etablieren eine ‚Sub-Justiz’; sie erfassen einen Raum, der von den Gesetzen übergangen wird; sie bestrafen und qualifizieren Verhaltensweisen, die den großen Bestrafungssystemen entwischen.“[29]

Die normierende Funktion des Stadionverbots ist dabei weniger die Strafe als solche, sondern vielmehr die forcierte Trennung des sanktionierten Fans von den anderen Fans, denn „[d]er erwartete Besserungseffekt resultiert weniger aus Sühne und Reue als vielmehr direkt aus der Mechanik einer Dressur. Richten ist Abrichten.“[30]

Die hier aufgezeigte Mechanik der Disziplin funktioniert auch bei anderen Sanktionen zur Einschränkung der individuellen Freiheit wie beispielsweise polizeilichen Meldeauflagen während eines Fußballspiels.

4. Die Produktion von Delinquenz und das Schaffen eines Milieus

„Das Gefängnis ermöglicht, ja begünstigt die Organisation eines solidarischen und hierarchisierten Milieus von Delinquenten, die zu allen Komplizenschaften bereit sind[…] [u]nd in diesen Klubs [also Milieus, d. Verf.] spielt sich die Erziehung des jungen Delinquenten ab[…].“[31]

Wenngleich das Gefängnis, wie in Abschnitt 3.3. bereits erwähnt im für Fußballfans gängigen Strafsystem eine untergeordnete Rolle einnimmt, lässt sich dennoch in diesem Kontext ein Kreieren von Milieus nachvollziehen.

„Verantwortlich für diese Entwicklung [Zunahme von Gewalt im Fußballkontext, d. Verf.] ist eine, gemessen an der Zuschauerzahl in den Stadien, kleine gewaltbereite Gruppe von Ultras. Diese spielen im Rahmen der Wirtschaftsbilanz eines Vereines keine Rolle. Umso unverständlicher ist der privilegierte Umgang der Vereine mit diesen Gruppierungen.“[32]

Durch die in Abschnitt 3. aufgezeigten Straf- und Disziplinarmaßnahmen, durch Selbst- und Fremdbezeichnung als „Ultras“ oder „Hooligans“ werden in der Außenwahrnehmung homogene, delinquente Milieus erzeugt, welche sich von der Norm abheben.

„Man könnte […] annehmen, daß das Gefängnis und überhaupt die Strafmittel nicht dazu bestimmt sind, Straftaten zu unterdrücken, sondern sie zu differenzieren, sie zu ordnen, sie nutzbar zu machen; daß sie weniger diejenigen gefügig machen sollen, die Gesetze überschreiten, sondern daß sie die Überschreitung der Gesetze in einer allgemeinen Taktik der Unterwerfungen zweckmäßig organisieren sollen.“[33]

Von dieser Warte ist der Text „Der deutsche Fußball und sein Gewaltproblem“ von Olaf Kühl zu lesen und zu verstehen. Hier wird ein Milieu beschrieben, seine Ausdrucks- und Aktionsformen werden herausgestellt und die verschiedenen Straftaten, die dem Milieu zuzuordnen sind werden benannt.[34]

„Die Auswertung der Delinquenz als abgesondertes und leicht zu handhabendes Milieu hat sich vor allem an den Grenzen der Legalität vollzogen. […] Als gebändigte Gesetzwidrigkeit ist die Delinquenz ein Agent im Dienste der Gesetzwidrigkeit der herrschenden Gruppen. Die Einrichtung von Prostitutionsnetzen im 19. Jahrhundert ist charakteristisch dafür[…]. Der Handel mit Waffen, in gewissen Ländern der Handel mit Alkohol oder neuerdings der Handel mit Drogen zeigen gleichfalls dieses Funktionieren der ‚nützlichen Delinquenz’: die Existenz eines gesetzlichen Verbots läßt ein Feld gesetzwidriger Praktiken entstehen, das der Kontrolle unterworfen wird und aus dem sich unerlaubter Profit ziehen läßt – und zwar mit Hilfe von Elementen, die selber gesetzwidrig sind, die man aber als Delinquenz organisiert und damit im Griff hat.“[35]

Ein Beispiel für diese „nützliche Delinquenz“ aus dem Kontext der Fußballfans ist der Einsatz von Pyrotechnik. Für viele Fußballfans gehört der Einsatz von Fackeln zu ihrem Selbstverständnis; für sie ist der Einsatz von Pyrotechnik ein stimmungsvolles Stilmittel.[36] Tatsächlich gehörten Bengalische Lichter lange Zeit zum gewohnten Bild der Fankurven.

„Es steht außer Zweifel, dass bengalische Feuer und farbiger Rauch eine ganz eigene, viele sagen auch einmalige, Atmosphäre verbreiten. Das sehen nicht nur die Fans so, denn auch in den Medien wurde über viele Jahre von der ‚herrlichen Atmosphäre’ und einer ‚Stimmung wie in einem Hexenkessel’ geschwärmt. Das Abbrennen von Pyrotechnik ist aber wegen der erhöhten Verletzungsgefahr generell – mit Ausnahme weniger Stunden um die Jahreswechsel – verboten, wurde aber in den Stadien lange Zeit noch in gewisser Weise toleriert. Erst in jüngerer Zeit wurde das Abbrennen von Feuerwerkskörpern beim Fußball tabuisiert und von den Vereinen und dem DFB verstärkt bekämpft. Mittlerweile haben auch die Medien eine ambivalente Haltung eingenommen: Bei Bildern aus dem Ausland sind positive Äußerungen nichts Ungewöhnliches, beim Einsatz in deutschen Stadien ist schnell von ‚Chaoten’ die Rede.“[37]

Was zuvor also ein zwar nicht legales aber nicht verfolgtes Stilmittel in den Kurven war, wird nun zu einer Gesetzwidrigkeit umgedeutet, womit ein Feld von Delinquenz eröffnet und definiert wird. Wir tun gut daran, diese Verschiebung unter den in Abschnitt 3.1. erörterten Aspekten der Kommerzialisierung des öffentlichen Raumes im Allgemeinen und des Fußballs im Speziellen zu betrachten. Durch das Schaffen des Straftatbestandes und die daraus resultierende Entstehung eines delinquenten Milieus, werden Möglichkeiten zur Kontrolle und Einflussnahme geschaffen. Die Norm ist heutzutage der verwertbare, kommerzialisierte Raum. Erst mit der Möglichkeit die Abweichung von der Norm zu kontrollieren lässt sich Profit aus der Norm ziehen.

Die Sanktionen von Polizei, Vereinen und Verbänden werden von Fußballfans gerne als Repression wahrgenommen.[38] Die Maßnahmen schränkten sie in der Auslebung ihres Verständnisses ihrer Kultur ein. Jedoch

„muß [man] aufhören, die Wirkungen der Macht immer negativ zu beschreiben, als ob sie nur „ausschließen“, „unterdrücken“, „verdrängen“, „zensieren“, „abstrahieren“, „maskieren“, „verschleiern“ würde. In Wirklichkeit ist die Macht produktiv; und sie produziert Wirkliches. Sie produziert Gegenstandsbereiche und Wahrheitsrituale: das Individuum und seine Erkenntnis sind Ergebnisse dieser Produktion.“[39]

Es ist weniger so, dass Stadionverbote, Meldeauflagen, Verbot des Einsatzes von Pyrotechnik, Versitzplatzung der Stadien, etc. Fußballfans oder Ultras im Ausleben ihrer Kultur einengen. All diese Maßnahmen sind es vielmehr erst, die den Bezugsrahmen dieser Fußballkultur abstecken.

5. Zusammenfassung / Fazit

Forschungsfrage dieser Arbeit war, ob Foucaults These, das Gefängnissystem bzw. das ihm gleichende Disziplinarsystem unserer Gesellschaft, brächte Delinquenz hervor, anstatt tatsächlich ausschließlich Straftaten zu verhindern, auf Maßnahmen und Sanktionen gegenüber Fußballfans zu übertragen sei. Wir können dabei feststellen, dass dies durchaus zutrifft. Mitunter lassen sich in Maßnahmen/Techniken gegenüber Fußballfans von Foucault beschriebene Machtmechanismen in erstaunlicher Äquivalenz wiederfinden.

Sei es die Parzellierung des Raumes, die lückenlose Überwachung von Fußballfans im Stadion und auf ihren Reisen zu den Spielen, der Einsatz von individualisierenden Vertreter_innen der Macht, der Ausschluss bestimmter Fans von Spielen und das, sich letztendlich aus all diesen Versatzstücken herausbildende, Kreieren eines delinquenten Milieus. All das sind die Mechanismen und Strukturen der Produktion von Delinquenz, die Foucault in „Überwachen und Strafen“ herausarbeitet.

Es scheint als ließe sich Foucaults Beobachtung, vorgebrachte Reformen zum Funktionsrahmen des Gefängnisapparates wiederholten sich in Aussage und Wortlaut ohne je eine Veränderung hervorgebracht zu haben auch auf Straffälligkeit im Fußball übertragen, wo schon in den 1930er Jahren getätigte Aussagen über „eine tumultsuchende Minderheit von Schurken“[40] in ihrem Wortlaut kaum von heutigen Beschreibungen über „Rowdys“, „Chaoten“ oder „Unverbesserliche“ unterscheiden.

Delinquente Milieus im Fußballkontext werden systematisch erzeugt und am Bestehen gehalten.

 

Literaturverzeichnis

Primärquellen

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Unbekannter Autor: „Kassenrolle-Werfer hat sich gestellt“ 22.12.2011, unter http://www.mopo.de/fc-st–pauli/gestaendnis-in-fc-st–pauli-geschaeftsstelle-kassenrollen-werfer-hat-sich-gestellt,5067040,11345296.html (zuletzt abgerufen am 15.04.2012).

Unbekannter Autor: Website der Allianz-Arena, unter: http://www.allianz-arena.de/de/fakten/allgemeine-informationen/index.php (zuletzt abgerufen am 15.04.2012).

Sekundärquellen

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Gabler, Jonas: „Die Ultras – Fußballfans und Fußballkulturen in Deutschland“ Köln: PapyRossa Verlag 2011.

Marchi, Valerio: „Il derby del bambino morto. Violenca e ordine pubblico nel calcio“ Roma: DeriveApprodi 2005 in Francesio, Giovanni: „Tifare Contro“ Milano: Sperling & Kupfer Editori 2008. Deutsche Übersetzung: Tippmann, Kai: „Tifare Contro. Eine Geschichte der italienischen Ultras“ Freital OT Pesterwitz: Burkhardt & Partner Verlag 2010.



[1] Vgl. Foucault, Michel: Survellier et punir. La naissance de la prison. Paris 1975: Edition Gallimard 1975. Deutsche Übersetzung: Überwachen und Strafen. Die Geburt des Gefängnisses. Frankfurt/Main: Suhrkamp 1977, S. 9 ff.

[2] Ebd., S. 63.

[3] Ebd., S. 129.

[4] Ebd., S. 248 f.

[5] Vgl. Foucault 1977, Kap. III.

[6] Ebd., S. 257.

[7] Ebd., S. 259 f.

[8] Ebd., S. 268.

[9] Deutscher Fußballbund (DFB), Deutsche Fußball Liga (DFL): „Stadionhandbuch“, S. 3, unter: http://www.bundesliga.de/media/native/dfl/dfl_dfb_stadion_handbuch.pdf (zuletzt abgerufen am 15.04.2012).

[10] Vgl. Foucault 1977, S. 277 f.

[11] Vgl. Deutscher Fußballbund (DFB), Deutsche Fußball Liga (DFL): „Stadionhandbuch“, unter: http://www.bundesliga.de/media/native/dfl/dfl_dfb_stadion_handbuch.pdf (zuletzt abgerufen am 15.04.2012).

[12] Die Allianz-Arena in München stellt ausschließlich Sitzplätze zur Verfügung (66.000), wovon einige Bereiche jedoch als Stehplätze verkauft werden können. Vgl. hierzu: Website der Allianz-Arena, unter: http://www.allianz-arena.de/de/fakten/allgemeine-informationen/index.php (zuletzt abgerufen am 15.04.2012).

[13] Unbekannter Autor: „Abschaffung von Stehplätzen beim Fußball gefordert“ 18.03.2010, unter: http://www.focus.de/sport/fussball/bundesliga1/bundesliga-abschaffung-von-stehplaetzen-beim-fussball-gefordert_aid_490872.html (zuletzt abgerufen am 15.04.2012).

[14] Straten, Walter M.; Sulzer, Thomas: „Retten Sie den Fußball vor den Chaoten?“ 03.03.2012, unter: http://www.bild.de/sport/fussball/wolfgang-niersbach/sein-kampf-gegen-die-fan-chaoten-22954574.bild.html (zuletzt abgerufen am 15.04.2012).

[15] Unbekannter Autor: „Becherwerfer gefasst – wieder frei“ 02.04.2011, unter: http://www.mopo.de/fc-st–pauli/43-jaehriger-verursachte-spielabbruch-becherwerfer-gefasst—wieder-frei,5067040,8293392.html (zuletzt abgerufen am 15.04.2012).

[16] Unbekannter Autor: „Kassenrolle-Werfer hat sich gestellt“ 22.12.2011, unter http://www.mopo.de/fc-st–pauli/gestaendnis-in-fc-st–pauli-geschaeftsstelle-kassenrollen-werfer-hat-sich-gestellt,5067040,11345296.html (zuletzt abgerufen am 15.04.2012).

[17] Vgl. Denzer, Wolfgang; Fischer, Gerd: „Die Szenekundigen Beamten“ 25.10.2011, unter http://www.polizei.rlp.de/internet/nav/9a8/broker.jsp?uCon=7882311b-8484-2014-4b94-615af5711f80&uBasVariantCon=22222222-2222-2222-2222-222222222222 (zuletzt abgerufen am 14.04.2012).

[18] Kühl, Olaf: „Die Ultras in Fußballstadien – die Diskrepanz zwischen Support und Gewalt“ 21.10.2008, unter: http://www.gdp.de/gdp/gdpmp.nsf/id/DE_GdP_M-V_Die_Ultras_in_Fuszballstadien_die_Diskrepanz_zwischen_Support_und_Gewalt (zuletzt abgerufen am 14.04.2012).

[19] Foucault 1977, S. 228 f.

[20] Foucault 1977, S. 234.

[22] Vgl. Foucault 1977, S. 39 f.

[23] Foucault 1977, S.248.

[24] Vgl. Ebd.

[25] Vgl. Arbeitsgemeinschaft Fananwälte: „Datei Gewalttäter Sport“ April 2011, unter: http://fananwaelte.de/Forderungen/Datei-Gewalttaeter-Sport/1,000000306302,8,1 (zuletzt abgerufen am 09.04.2012).

[26] Vgl. Wolf, Matthias: „Das kann jedem Fan passieren!“ 19.03.2012, unter http://www.11freunde.de/bundesligen/150467 (zuletzt abgerufen am 14.04.2012).

[27] Foucault 1977, S. 330.

[28] Deutscher Fußballbund (DFB), Deutsche Fußball Liga (DFL): „Richtlinien zur einheitlichen Behandlung von Stadionverboten“ S. 5, §3 (3) März 2008, unter http://www.bundesliga.de/media/native/dfl/sicherheit/stadionverbotsrichtlinien_0104.pdf (zuletzt abgerufen am 15.04.2012).

[29] Foucault 1977, S. 230.

[30] Ebd., S. 232.

[31] Ebd., S. 343 f.

[32] Kühl, Olaf: „Der deutsche Fußball und sein Gewaltproblem“ unter: http://www.gdp.de/gdp/gdpmp.nsf/id/DE_GdP-M-V-Der-deutsche-Fussball-und-sein-Gewaltproblem (zuletzt abgerufen am 15.04.2012). Hervorhebungen im Original.

[33] Foucault 1977, S. 350 f.

[34] Vgl. Kühl, Olaf: „Der deutsche Fußball und sein Gewaltproblem“ unter: http://www.gdp.de/gdp/gdpmp.nsf/id/DE_GdP-M-V-Der-deutsche-Fussball-und-sein-Gewaltproblem (zuletzt abgerufen am 15.04.2012).

[35] Foucault 1977, S. 359 ff.

[36] Vgl. „Pyrotechnik legalisieren! Emotionen respektieren!“ unter http://www.pyrotechnik-legalisieren.de (zuletzt abgerufen am 15.04.2012).

[37] Gabler, Jonas: „Die Ultras – Fußballfans und Fußballkulturen in Deutschland“ Köln: PapyRossa Verlag 2011, S. 145.

[38] Gabler 2011, S. 159 ff.

[39] Foucault 1977, S. 250.

[40] Marchi, Valerio: „Il derby del bambino morto. Violenca e ordine pubblico nel calcio“ Roma: DeriveApprodi 2005 in Francesio, Giovanni: „Tifare Contro“ Milano: Sperling & Kupfer Editori 2008. Deutsche Übersetzung: Tippmann, Kai: „Tifare Contro. Eine Geschichte der italienischen Ultras“ Freital OT Pesterwitz: Burkhardt & Partner Verlag 2010, S. 27.

St. Pauli, Deutschland und die Demokratie

Bernd Georg Spies, Vizepräsident des SC Paderborn hat bei der heutigen Sicherheitskonferenz von DFB und Ligaverband den neuen Verhaltenskodex unterschrieben. Natürlich ist Herr Spies nicht beim SC Paderborn sondern bei unserem FC St. Pauli angestellt tätig, aber offensichtlich nicht in der Lage seine Unterschrift an der richtigen Stelle zu platzieren. Doch sei es drum, wichtig ist nicht wer wo unterschrieben hat, sondern was dort jemand für den FC St. Pauli unterschrieben hat.

Der Verhaltenskodex ist hier abzurufen. Hier findet sich eine erläuternde Pressemitteilung.

Was wurde dort also unterzeichnet. Kommen wir zunächst zu den positiven Punkten:
Die Stehplätze bleiben im deutschen Fußball erhalten. Was eigentlich keiner besonderen Hervorhebung bedürfen sollte, muss leider angesichts populistischer Forderungen in der jüngeren Vergangenheit und der Vollversitzplatzung der Stadien in anderen Ländern (Bsp. England) als absolut positiver Aspekt hervorgehoben werden.

Zudem werden die Mittel für Fanprojekte erhöht. Praktisch wird das so aussehen, dass der Beitrag der Vereine verdoppelt wird. Die bisherige Dreiteilung der Finanzierung von Fanprojekten zu je 1/3 durch Bund, Länder und Vereine gestaltet sich in Zukunft so, dass je 1/4 durch Bund und Länder finanziert wird. Die Vereine tragen zukünftig 50% der Kosten. Effektiv bedeutet das mehr Geld für die Fanprojekte, was positiv zu bewerten ist. Es ist aber kritisch anzumerken, dass sich der öffentliche Sektor wieder einmal aus der Verantwortung stiehlt und seine eigentlichen Aufgaben den Vereinen als privaten (gemeinnützigen) Akteuren überlässt.

Das jedoch ist hinsichtlich der weiteren Beschlüsse, eine Pille, die so schwer zu schlucken nicht ist. So wurde mit der heutigen Konferenz die 2007 beschlossene Limitierung der maximalen Stadionverbotsdauer auf 3 Jahre wieder gekippt. Zukünftig liegt die Höchststrafe im Regelfall bei 5, in Ausnahmefällen bei 10 Jahren. Eine aus rechtsstaatlicher Perspektive fragwürdige Praxis bekommt damit wieder stärkere Auswirkungen. Bekanntlich reicht die Aufnahme eines polizeilichen Ermittlungsverfahren, was beim heute gängigen Sicherheitswahn schnell und vor allem jeder/m passieren kann, zum Kassieren eines Stadionverbotes. Selbst bei gerichtlichem Freispruch kann es also schlimmstenfalls sein, dass die betreffende Person 10 Jahre ausgesperrt bleibt, denn Stadionverbote, gerade die vom DFB verhängten, werden bekanntlich selten zurückgenommen.

Hinsichtlich des alten Leidthemas Pyrotechnik wurden ganz im Sinne der Sicherheitsfanatiker auch endlich Nägel mit Köpfen gemacht. Die unterzeichnenden Vereine erklären, Pyrotechnik in keiner Weise bei Fußballspielen und in deren Umfeld zu dulden und Zuwiderhandlungen konsequent zu sanktionieren. Natürlich stehen in diesem Zusammenhang wieder die guten alten „Fanprivilegien“ auf dem Prüfstand. Eine spekulative Antwort zur Frage, was für Privilegien das sein sollen, erspare ich uns besser. Das alles geschieht, versteht sich, nur „zum Schutz der einzigartigen Fankultur“.

Ferner wurde über weitere Sicherheitstechnik und andere infrastrukturelle und organisatorische Maßnahmen zur Steigerung der Stadionsicherheit diskutiert. Abschließend wir die Pressemitteilung mit zwei wundervollen O-Tönen, der beiden Oberen von Fußballbund und Ligaverband garniert:

„Wer für den Fußball ist, ist gegen Gewalt. Der Schulterschluss der Vereine ist ein wichtiger Schritt und die beschlossenen Maßnahmen sind für mich ein dringend notwendiges Zeichen, dass sich alle der Verantwortung stellen und für mehr Sicherheit eintreten wollen. Zusammen mit Politik, Polizei, Justiz und der großen Masse der friedlichen Fans muss es uns im Sinne des gesamten deutschen Fußballs gelingen, die kleine Gruppe der Störer und Gewalttäter noch besser in den Griff zu bekommen. Ein klares Bekenntnis zu präventiven Aufgaben und gleichzeitig keine Toleranz bei jeder Form von Gewalt – das wird auch weiterhin unser Weg sein.“
(DFB-Präsident Wolfgang Niersbach)

„Der Fußball in Deutschland ist ein Erfolgsmodell und soll es auch künftig bleiben. Wir können stolz sein auf eine traditionsreiche Fankultur mit Stehplätzen und moderaten Eintrittspreisen. Diesen Zustand wollen wir schützen. Und deshalb stellen sich die Klubs ihrer Verantwortung im Sinne von Millionen friedlicher Fans. Vor diesem Hintergrund sind die beschlossenen Maßnahmen unverzichtbar. Dialog und Kommunikation bleiben immer die Grundlage unseres Handelns, ebenso unerlässlich ist aber eine konsequente Bestrafung von Fehlverhalten.“
(Liga-Präsident Dr. Reinhard Rauball)

Vom großartig verschlagworteten Gleichnis Für Fußball = Gegen Gewalt einmal abgesehen, bleiben die grauen Herren natürlich die Erklärung schuldig welcher Zusammenhang noch einmal zwischen Pyrotechnik und Gewalt besteht, doch die Hoffnung dahingehend eine Antwort zu erhalten, die über „Das ist sowieso verboten.“ oder „Das ist gefährlich.“ hinausgeht, habe ich bereits vor einiger Zeit aufgegeben.

Bezeichnend ist die wiederholte Forderung nach Denunziantentum und Distanzierung. Es wird hier eine Konfliktlinie zwischen einer vermeintlichen Norm (friedliche Fans) und ihrer Abweichung (Gewalttäter) gezeichnet, die so nicht existiert bzw. existieren muss. Das ist auch der Punkt, wo Fußballfans unter anderem ansetzen können. Einen derartigen Konflikt zwischen Fans muss es ebenso wenig geben, wie es eine Norm unter Fans gibt.

So bleibt abschließend zu sagen, dass dieses ‚Manifest der Sicherheit‘ sich anschickt einen weiteren Sargnagel für die Fankultur darzustellen. Vereine, Verbände und Politik schnüren das Korsett für kulturelle Entwicklung in den Stehplatzkurven erneut enger. Doch letztlich ist das nur ein erwartbarer Versuch das zu kontrollieren, auf das derartige Institutionen noch nie einen Einfluss hatten. So schrieb einst schon Rudolf Rocker:

„Staaten schaffen keine Kultur, wohl aber gehen sie häufig an höheren Formen der Kultur zugrunde. Macht und Kultur im tiefsten Sinne sind unüberbrückbare Gegensätze.“
(Rocker, Rudolf: Nationalismus und Kultur) 

Lasst uns also hoffen und unser bestes tun, dass auch die hohe Eminenz der Stadionsicherheit an unserer Kultur zugrunde geht. Wer für die Fankultur ist, ist gegen Regeln und Sanktionen.