Stellungnahme zum Abschlussbericht des ÖASS

Zum “Abschlussbericht der Arbeitsgruppe zur Aufarbeitung der Geschehnisse rund um den Schweinske Cup” (PDF) hat die AGiM eine Stellungnahme verfasst, die wir hier gerne dokumentieren möchten:

Stellungnahme zum Abschlussbericht des ÖASS

Am 2. April 2013 veröffentlichte eine Arbeitsgruppe des Örtlichen Ausschusses Sport und Sicherheit (ÖASS) ihren „Abschlussbericht zur Aufarbeitung der Geschehnisse rund um den Schweinske-Cup 2012“. Entgegen seiner Bezeichnung trägt dieser Bericht jedoch nur wenig zu einer tatsächlichen und umfassenden Aufarbeitung bei.

So wird bereits in den Vorbemerkungen eine Bewertung polizeilichen Einsatzverhaltens ausgeschlossen, angesichts der deutlichen Vorwürfe an die Polizei, welche sich aus dem bereits im Mai 2012 vorgelegten Bericht der unabhängigen Untersuchungskommission unter Führung von Prof. Dr. Thomas Feltes ergeben, ein höchst fragwürdiger Ansatz. Sämtliche bei der Vorstellung des „Feltes-Berichtes“ durch den Ständigen Fanausschuss formulierten Fragen bleiben im Bericht der Arbeitsgruppe unbeantwortet.

Stattdessen finden sich im Bericht widersprüchliche Aussagen. Beispielsweise moniert die Polizei die zu geringe Anzahl der Ordner, an anderer Stelle wird beschrieben, dass Ordnungsdienstmitarbeiter bei einem Polizeieinsatz beim Einlass der Lübecker Zuschauer verletzt wurden und dadurch ausfielen. Polizeiliche Maßnahmen in der Halle seien hingegen nicht möglich gewesen, da es nun wiederum auch nach diesem Polizeieinsatz keine Vorfälle gegeben habe.
Geradezu grotesk ist die Aussage, nach dem Bannerklau waren „polizeiliche Maßnahmen nicht zulässig“. Dieser Bannerklau ist keineswegs nur eine Provokation und Demütigung der anderen Fangruppe, sondern auch eine Straftat. Offensichtlich sieht es die Hamburger Polizei nicht mehr als ihre Aufgabe an, vor ihren Augen begangene Straftaten zu verfolgen.

Die Beobachtung durch Polizeibeamte, dass auch sich sonst friedliche verhaltende Fans an den späteren Auseinandersetzungen mit der Polizei beteiligt waren, erklärt der Bericht ausschließlich mit einer „grundlegenden Ablehnung jeglicher Staatsgewalt“ und denunziert damit letztlich alle beteiligten Fans. Die naheliegende Erklärung, dass die Betroffenen vor allem aus Erregung über den unmittelbar zuvor erlebten massiven und völlig überzogenen Polizeieinsatz, insbesondere den exzessiven Einsatz von Pfefferspray in einem geschlossenen Raum, gehandelt haben mögen, wurde offenbar nicht in Betracht gezogen.

Zum Ende des Abschlussberichtes wird die Notwendigkeit einer Annäherung der an Konflikten beteiligten Akteure betont. Dies ist insofern bemerkenswert, als dass zwar Vertreter von Vereinen, Politik und Polizei gemeinsam beraten haben, Vertreter der Fanszene aber – wie leider nach wie vor üblich – ausgeschlossen waren.

Als Ergebnis bleibt festzuhalten, dass die Hamburger Polizei offenbar nach wie vor nicht an einer kritischen und ergebnisoffenen Aufarbeitung der Vorkommnisse beim Schweinske-Cup 2012 interessiert ist. Der abschließende Appell aller Teilnehmer der AG und damit auch der Polizei selbst, „die notwendige Offenheit für positive Veränderungen aufzubringen“, entbehrt damit zumindest nicht einer gewissen Komik. Hierzu sei angemerkt, dass Vertreter des FC St. Pauli nach den Ereignissen mehrfach auch Fehlverhalten der eigenen Anhänger eingeräumt haben.

Mit diesem enttäuschenden Ergebnis des Abschlussberichtes liegt der Ball nun wieder bei Innensenator Michael Neumann und seiner Ankündigung, für eine Aufklärung der Vorkommnisse und insbesondere der gegen die Polizei erhobenen Vorwürfe zu sorgen. Der Bericht der AG des ÖASS ist hierfür in keiner Weise geeignet.

Arbeitsgemeinschaft interessierter Mitglieder (AGiM), 17.04.2013

Über Fans schreiben ist wie zu Architektur tanzen

„Matz ab“ für meinen ersten Beitrag auf diesem Blog – welch thematisch grandioser Einstieg. Als ich die Auslassungen des Journalisten Dieter Matz bezüglich des Schweinske-Cups las, reagierten meine Hirnwindungen darauf wie so häufig, wenn sie mit Nonsens konfrontiert werden: „Och bitte“, „Halt doch die Fresse“, „Merkst du noch was?“ sind dabei einige, mögliche Reaktionsformen. Und doch  sind es nur Reflexe, was für mich vielmehr die Frage aufwirft: Was nutzen diese kurzzeitigen, geistigen Reaktionen, die genauso vorhersehbar sind wie das Geschreibsel, auf die sie sich beziehen? Und dann schaue ich in die weite Welt des Netzes und stelle mit Erschrecken fest, dass diese Reflexe von anderen Personen auf diversen Kommunikationsplattformen schriftlich verifiziert werden. Mir wird dabei nicht klar, warum Sätzen wie

Statt Jubel auf den Rängen gab es entsetzte Gesichter, fliehende Fans, Mütter mit ihren Kindern – Schreie, Blut und Polizisten, die bemüht waren, diesen „Fußball-Krieg“ zu stoppen.

und einer Person wie Dieter Matz in der Braun-Weißen Sphäre generell eine minimale Bedeutung zugemessen wird. Anstatt sich über den Geisteszustand dieses Menschen zu äußern, über seine Motive zu spekulieren und/oder ihm die Sachkenntnis bezüglich des FCSP abzusprechen liegt der Erkenntnisgewinn doch ganz woanders. Dieter Matz ist der schwarz-weiß-blaue Buttje Rosenfeld. Null Schimmer von Fankultur, sportlicher Durchblick knapp über der Grasnarbe. Das ist Sportjournalismus „Marke Hamburg“, wo jeder Klugscheißer, der drei Ex-Spieler mit Vornamen kennt über alles schreiben und jeden urteilen darf, gepaart mit einer größeren Kelle Gefälligkeit für (in dem Fall) die bankrotten Veranstalter des Budenzaubers. Was als übliches Stilmittel provinzieller Käseblätter gilt, ist dem Hamburger Abendblatt als auch der MOPO gerade Recht genug. Letztere hingegen hatte zumindest den Anstand, über das Ergebnis der unabhängigen Untersuchungskommission zu den Vorfällen beim Schweinske-Cup zu berichten. Das ist Matz und seinen bräsigen Kollegen vom Abendblatt schon damals zu viel gewesen. Daher stellt sich die Frage nicht, ob Dieter Matz besonders dumm oder ignorant ist – er hat schlichtweg einfach keine Ahnung, wovon er schreibt und kommt seiner journalistischen Pflicht einer differenzierten Auseinandersetzung bewusst nicht nach. Schlimm genug, dass Hamburg dieses Geschreibe weiterhin ertragen muss…

Etwas Besseres als diesen Journalismus

Wenn beim Fußball der Ballsport in den Hintergrund rückt und sich im Nachhinein alle Welt über die Gewaltexzesse in einer nie dagewesenen Dimension auslässt, ist dies in der Regel auf völlig undifferenzierte Darstellung sogenannter Journalist_innen und Polizeivertreter_innen zurückzuführen. Nun ist es nicht so, dass in diesem Diskurs die „bösen Medien“ und die „guten Fans“ auseinanderzudividieren sind, es ist aber doch erstaunlich, mit wie wenig Aufwand so ein Zeitungsartikel zu entstehen scheint. Manch ein Mensch mag sich da fragen, ob die eigene Berufswahl richtig ausgefallen ist, oder ob Journalist_in nicht die bessere und vor allem entspanntere Alternative gewesen wäre.

Nun soll hier undifferenziertem Verhalten ja nicht mit eben solchem begegnet werden und im Rahmen des Kontextes, der derzeit die Gemüter erhitzt, dem „Schweinske-Cup“, sei auf den Text bei Publikative.org verwiesen, die ja schon in der Debatte um die „Dortmund-Dresden-Randale“ durch Sachlichkeit glänzten, während der Rest der Medienwelt in sensationsgeilen Klischees versank.

Frei nach dem Motto „Ich war zwar nicht dabei, aber…“ empören sich selbsternannte Journalist_innen aber auch ehemalige Spieler über eine angeblich nie dagewesene Form der Gewalt, gerade in den Reihen des braun-weißen Anhangs. „Bild“ und Co. fühlen sich bemüßigt, wieder einmal mit blankem Populismus, auf die Boshaftigkeit der Ultras hinzuweisen – natürlich verbunden mit dem Hinweis, dass man diese Kriminellen ja schon viel zu lange gewähren ließe und sie mit Privilegien ausstatte, anstatt sie endlich heraus zu bekommen. Über die, dieser Aussage innewohnenden, Demagogie muss eigentlich nichts mehr erwähnt werden. Die Gruppe USP formulierte es auf ihrer Fotocollage im Sankt Pauli Museum damals so: „Für die einen sind es Privilegien, für die anderen mehrere 1000 Stunden ehrenamtlicher Arbeit.“

Veranstalter Peter Sander spricht heute im Abendblatt davon, dass es keinerlei Erkenntnisse seitens VfB Lübeck und Polizei gegeben habe, dass die Besucher aus der Marzipanstadt einem gewaltbereiten Klientel zugeordnet werden müssten. Das ist nicht weniger als eine Farce. Allein die Tatsache, dass nur Karten für den Freitag nachgefragt wurden, hätte aufmerken lassen müssen. Dass aber HVV Busse zur Verfügung gestellt wurden um die Gäste zur Halle zu bringen, kann als Indiz gelten, dass man sich der Art des Klientels durchaus bewusst gewesen zu sein scheint.

Doch mehr noch, als der HSV seine Teilnahme noch nicht abgesagt hatte, wusste der Flurfunk bereits für jeden unüberhörbar zu berichten, dass sich nicht nur Unorganisierte und Ultras des HSV Tickets gesichert hatten, sondern auch einschlägig bekannte Hoolkombos des Hamburgischen Vorortvereins. Dass ausgerechnet diese ihre Tickets nicht zurückgegeben haben, muss bekannt gewesen sein. Insofern kann hier durchaus von dilettantischem Verhalten seitens Turnierorganisation und Polizei gesprochen werden.

Es scheint fast, als versuchten die „Szenekundigen Beamten“, deren Position polizeiintern nicht ganz unkritisiert ist, sich durch regelmäßig bewusst zugelassene Eskalation eine Daseinsberechtigung zu verschaffen. Doch das ist Spekulation und soll daher nicht weiter ausgeführt werden.

Keine Spekulation hingegen, ist die offen rassistische und homophobe Agitation des „Anti-Sankt-Pauli-Mobs“ aus Lübeck und Stellingen. Deutsche Grüße und Sprechchöre à la „Deutsche wehrt euch, geht nicht zu Sankt Pauli“ lassen keinen Raum für Interpretationen. Genau an diesem Punkt irren Markus Lotter und seine Geschwister im Geiste. Die Verteidigung der Sankt Paulianer_innen gegenüber den rassistischen oder Rassismus tolerierenden Aggressoren steht der Tradition dessen, was die braun-weiße Fanwelt seit den 1980er Jahren prägte nicht entgegen, sondern reiht sich in erstaunlich präziser Weise in sie ein. Die Faschist_innen am Millerntor ist mensch nicht durch Diskussionsrunden und falsch verstandene Toleranz und Friedfertigkeit losgeworden, sondern durch praktischen Antifaschismus. Alle Fans, die sich in dieser Tradition Rassist_innen entgegenstellen, können nicht nur stolz auf sich sein, sondern glücklicherweise auch auf die Solidarität der allergrößten Teile der „aktiven Fanszene“ unseres Vereins bauen.

Die Darstellung in den Medien lässt genau diese Komponente unter den Tisch fallen. Hier ist die Rede von „rivalisierenden Fan-Gruppen“ und „Auseinandersetzungen zwischen Fußballfans“. Kombiniert mit der Vermutung von Veranstalter und Polizei, es handle sich hier um etwas „Organisiertes“ oder „Verabredetes“ impliziert – selbst, wenn nur die Fans von HSV und Lübeck gemeint sind – ein Einverständnis der Sankt Pauli Fans, von dem schlichtweg nicht die Rede sein kann. Diese Darstellung unterscheidet weder zwischen Angriff und Verteidigung noch bezieht sie die politische Komponente mit ein.

Alles Weitere stellt der FC St. Pauli in seiner Stellungnahme unmissverständlich klar und auch der Übersteiger nimmt darauf noch einmal Bezug. Dem ist nichts hinzuzufügen.