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DFB “neutralisiert” Millerntor

Beitragsbild: (C) Peter Böhmer www.boehmer-fotografie.de

Die DFB Auswahl trainiert für ihren Test gegen Polen (Imtech Arena, Di. 13.05.2014 20:45) am Millerntor. Das große “Kein Fußball den Faschisten” auf der Gegengerade wurde im Zuge dieses Trainings partiell mit grüner Plane abgehängt, so dass der Schriftzug “Kein Fußball” übrig blieb.

Der DFB begründet diesen Schritt auf Twitter wie folgt:

Neutralisiert euch selber!

Das ist natürlich großer Humbug. Konsequent zu Ende gedacht ist selbst das DFB Team eine politische Äußerung, gründet es sich doch auf der Konstruktion einer Nation. Die DFB Auswahl sollte sich also entweder selbst neutralisieren oder von derart kleingeistigem Bullshit Abstand nehmen. So wird jede Antirassismus-Äußerung des Verbands als die Lippenbekenntnisse enttarnt, für diese viele halten. Entweder man macht sich gerade gegen Faschismus, Rassismus und Nazis, oder man bereitet ihnen die Existenzgrundlage. Zu Recht hat sich der DFB einen veritablen Shitstorm eingefangen. Über die nächsten “Mexiko”-Gesänge, “Sieg”-Rufe, etc. darf man sich beim DFB jedenfalls so nicht wundern.

Entsprechend teilt der  Fanclubsprecherrat (FCSR) auf Facebook mit:

Der DFB hat mit der Aktion bewiesen wieviel Heuchelei in seiner Haltung gegen Rassismus steckt.

Wir hoffen, ihr habt den Rasen heile gelassen, unsere filigranen Fanclubs benötigen beste Bedingungen beim Fanclubturnier.

Zudem erwarten wir, dass wenn ihr unser Wohnzimmer mietet, dies so belasst, wie ihr es vorgefunden habt. Und bei uns gehört Politik dazu!

Auch der FC Sankt Pauli ist schuld

Laut Übersteiger auf Twitter wussten die Verantwortlichen des FC Sankt Pauli nichts von der Aktion. Andere, gewöhnlich gut unterrichtete Kreise aus dem Vereinsumfeld, wollen von einer Erklärung wissen, nach der dem DFB das Recht zustünde werbliche und politische Inhalte abzuhängen. Wie es auch sei, der FC Sankt Pauli trägt eine nicht unerhebliche Mitschuld an dieser Frechheit. Eine vernünftige Stellungnahme ist das Mindeste, was von der Vereinsführung nun zu erwarten ist. Ansonsten ist es auch nur noch ein halbes Jahr bis zur JHV…

Immerhin: Das Statement “Kein Fußball den Faschisten” hat heute so viel Verbreitung erfahren, wie wohl lange nicht.

Nie wieder Faschismus, nie wieder Deutschland!
Siehe auch: Publikative.org

Update 13.05.2014 16:15Der Pressesprecher der Nationalelf, Jens Grittner versuchte am heutigen Nachmittag die Situation aus seiner Sicht mit PR-Sprech zu entschärfen, was ihm nur schwerlich gelang. Man stehe zwar hinter der Aussage, aber Bildmaterial der Nationalmannschaft mit dem Schriftzug “für Faschisten” wolle ja auch niemand sehen. Dieser eher klägliche Versuch einer Rechtfertigung entbehrt nur jeder Grundlage, denn es heißt ja “Kein Fußball DEN Faschisten”. So mag Herr Grittner denken es gäbe eine zweite Seite, die man doch bitte auch betrachten soll, nur einleuchten mag das so recht kaum jemandem (Tweets: 1, 2 & 3).

Das Präsidium des FC Sankt Pauli hat derweil eine Stellungnahme veröffentlicht, in der sie sich deutlich vom Handeln des DFB distanzieren und sich empört zeigen über die Praxis. Deutlich stellen sie sich hinter die Fanszene und die Leitlinien des Vereins:

„Kein Fußball den Faschisten“ stellt für uns in diesem Zusammenhang keine politische Botschaft dar. Vielmehr verkörpern diese Worte eine Haltung und Werte, die gesellschaftlicher Konsens sein sollten und nicht nur am Millerntor gelebt werden sollten. […] Wir werden auch weiterhin klare Zeichen setzen. Kein Fußball den Faschisten. (FC St. Pauli)

Zuvor hatte der Fanclubsprecherrat sich in einem offenen Brief an Wolfgang Niersbach bzw. den DFB gewandt:

Für uns sind Slogans wie “Zeig dem Rassismus die rote Karte“ kein Eintrag in Hochglanzbroschüren, sondern eine wichtige und richtige Aussage, um den immer wieder gezeigten Anfeindungen in manchen Kurven deutlich zu zeigen, welche gesellschaftlichen Mindestansprüche zu leben sind. (FCSR)

Eine gute Übersicht zu den unzähligen Blogposts und Medienberichten findet sich bei Grenzenlos Sankt Pauli.

Und dann war da noch die AfD, die heute Mittag für ein wenig Erheiterung sorgte: Der Kreisverband AfD Rhein-Sieg-Kreis retweetete unseren Tweet mit dem Foto der abgeklebten Stadionwand und erklärte auf Nachfrage, damit wolle man dem DFB Anerkennung zollen. Von extremen politischen Aussagen müsse man sich schließlich distanzieren und wenn der Sport politisch würde, wo käme man denn da hin? Mit populistischen Parteien ist es aber wie mit schlechten Filmen: für kurze Zeit ganz witzig, dann aber auch schnell sehr nervig. Argumenten von Grund auf nicht zugänglich folgten daher ein paar Wahlplakate, dumme Sprüche und sonstiges inhaltsleere Gedröhne und die Aufmerksamkeit war schnell verflogen.

Veröffentlicht von

Hugo Kaufmann

Geboren nahe einem Bauernhof in Norddeutschland wuchs Hugo in ländlicher Idylle auf. Von der Ruhe genervt zog er mit Anfang 20 in die weite Welt hinaus, getrieben von dem Ziel fortan an jeder etwas größeren Revolution teilzunehmen. Letztlich strandete er in Hamburg, wo der FC Sankt Pauli sein Revolutionsersatz wurde. Er glaubt weiter an das schöne Leben in der klassen- und herrschaftslosen Gesellschaft, weiß aber, mit Sankt Pauli wird das nicht erreicht. Es folgte die Flucht in digitale Welten, wo er das Lichterkarussell im alkoholisierten Überschwang “erfand”. Fehlende Ahnung wird seither mit exzessivem Fremdwortgebrauch zu kaschieren versucht. Halbwegs gebildete Menschen durchschauen das natürlich sofort. Motto: “Auch wenn alle meiner Meinung sind, können alle unrecht haben.”