… ein bisschen Blues für Zwischendurch
(1942)
… ein bisschen Blues für Zwischendurch
(1942)
Ein besonders ausführliches, dafür aber um so besseres Interview zur rassistischen Mordserie des „NSU“ mit dem Politologen Kien Nghi Ha gibt es auf Migazin.de nachzulesen. Hier kann nur mit allem Nachdruck darauf verwiesen werden, dass sich dieses Interview das Prädikat „besonders lesenswert“ absolut verdient.
Passend dazu haben jetzt mehrere politische Gruppen aus Hamburg eine Demonstration unter dem Motto „Der Tod ist ein Meister aus Deutschland“ für den 28. Januar angemeldet. Das Blog ist zwar noch nicht fertig, der Aufruf ist aber schon da. Spread the Word!
Kleine Kostprobe aus dem Interview gefällig?
Johnny Van Hove: Wie erklären Sie sich das behördliche Versagen?
Kien Nghi Ha: In Deutschland hat die übermäßige Toleranz gegenüber rechtsextremer Politik und Gewalt nicht nur wiederkehrende Konjunkturphasen, sondern auch eine lange Tradition. Die oftmals wenig rühmliche Rolle staatstragender Organisationen und Regierungen im wilhelminischen Kolonialkaiserreich, in der Weimarer Republik, in der Nazi-Diktatur, aber auch im geteilten und wiedervereinten Deutschland deuten in ihrer kontinuierlichen Fortschreibung auf ein strukturelles Problemfeld hin. Ich denke, dass wir diese Frage nur dann sinnvoll diskutieren können, wenn wir die tagespolitische Ebene verlassen und uns mit den Strukturen der deutschen Gesellschaftsgeschichte auseinandersetzen.
Johnny Van Hove: Nur allzu gern. Welche strukturellen Elemente begünstigten Ihrer Meinung nach den braunen Terror?
Kien Nghi Ha: Besonders die Ideologie und Macht der nationalen Identitätsform gilt es meines Erachtens zu berücksichtigen. Wir können den subtilen oder offenen Ethnozentrismus der Institutionen nicht verstehen, wenn wir die Jahrhunderte des rassistischen Nationalismus, der europäischen Kolonialerfahrung und die Rassifizierung deutscher Identität aus der Analyse ausklammern. Denn diese historische Machtmatrix beeinflusst – willentlich oder unbewusst, wahrgenommen oder verdrängt – sowohl die politischen Horizonte der NSU, das jetzige Verhalten der Staatsapparate und ihrer Mitglieder, die medialen Reaktionen als auch unsere unterschiedliche politische Betroffenheit und Anteilnahme.
Johnny Van Hove: Wie hat die „Rassifizierung der deutschen Identität“ – wie Sie es eben nannten – genau den Weg für die NSU-Mordserie geebnet?
Kien Nghi Ha: Die Opfer der NSU wurden umgebracht, weil die Betroffenen nicht in das vorgegebene rassifizierte Identitätsbild der Nation hineinpassen. Die fixe Idee der Verteidigung der Nation und ihrer Identität vor dem rassistisch definierten Fremden hat sich dabei als ein wirksames ideologisches Fundament erwiesen, das die politische Mitte mit rechtsextremen und zu einem geringeren Ausmaß sogar mit linksnationalistischen Kräften verbindet. Durch den Ausschluss aus dem kollektiven Selbstbild und den demokratischen Institutionen werden bestimmte migrantische Gruppen als Ziel rassistischer Angriffe kulturell produziert und als politisch verhandelbares Diskriminierungsangebot konstituiert, um soziale Konflikte zu regulieren und die Widersprüche der nationalen Identität auf rassistisch marginalisierte Gruppen zu projizieren. Ein Effekt der Ausgrenzung zeigt sich unter anderem in der spezifischen politischen Blindheit der staatlichen Institutionen gegenüber rassistischen, islamophoben und antiziganistischen Bedrohungen und Erfahrungen. All das ist zweifellos ein komplexes und nicht nur auf Deutschland beschränktes Problem, obwohl ihre kulturellen und politischen Ausdrucksformen mit der Entfaltung des ihr innewohnenden Gewaltpotenzials durchaus länderspezifische Züge trägt.
„Wenn irgend so ’n Nazi da meint, er könnte im Sankt Pauli Block irgendartige Sprüche loslassen, dann muss er auch das Gefühl haben, dass ihm das gesundheitlich womöglich nicht ganz gut tut – anders kann man so ’ne Attitüde doch gar nicht durchsetzen!“
Sven Brux