Hinter uns liegt ein ganzes Jahr Erstliga-Fußball. Ein Zweites wird es in der anstehenden Spielzeit zumindest nicht geben. Der FCSP ist abgestiegen und ich möchte mich im Folgenden mit den Gründen auseinandersetzen.
Nach einem sehr interessanten Gespräch mit einem guten Freund habe ich es ihm gleich getan und mich durch 5 zähe Videos gequält, nämlich die von Stanis und Trullers Vorstellung in ihrer neuen Heimat Hoffenheim. Die erste Erkenntnis ist, dass Stani sich in Hoffenheim sichtlich wohl fühlt und ich will ihm nicht einmal verdenken, dass er die Gegebenheiten dort zu schätzen weiß und dann kann er ja auch noch ein bisschen gegen seine langjährige Heimat schießen, lassen wir es gut sein, er freut sich doch über den elektrischen Toröffner.
Was ich jedoch nicht gut sein lassen kann, ist mir darüber Gedanken zu machen, was zu diesem unfassbar unnötigen Abstieg geführt hat. Ich wurde gestern gefragt, ob ich glaube, dass Holger Stanislawski ein guter Trainer ist. Diese Frage würde ich relativ klar mit einem “Ja!” beantworten. Nur wenn Herr Stanislawski und Herr Tanner in der Pressekonferenz durchklingen lassen, dass:
- Stani und Tanner sich seit Wochen zwecks Kaderplanung an neutralen Orten getroffen haben
- Kontakte seit Frühjahr bestehen
- Stani sich vorstellen kann Spieler aus St. Pauli mitzunehmen
dann muss die Frage erlaubt sein, ob Stani all seine Konzentration, all seine Motivation, all das eben, was ihn zu einem guten Trainer macht, im letzten halben Jahr auch beim FCSP eingebracht hat. In dem Gespräch mit meinem Kumpel zu diesem Thema wurde mir gesagt es hieße, dass die Gespräche mit Hoffenheim schon seit Januar laufen. Ich habe diese Passage, so es sie gibt, gerade verpasst, daher bleibe ich bei den oben genannten Fakten, die ich definitiv vernommen habe. Vielleicht gibt es da ja noch eine andere Quelle, sollte dem so sein, wäre ich über einen Link in der Kommentarspalte durchaus dankbar.
Wir sind uns wohl einig, dass eine große, wenn nicht die Stärke unserer Mannschaft in der Hinrunde der Teamgeist war. Ich glaube tatsächlich das Stani dahingehend eigentlich auch viel auf dem Kasten hat – Geschichten wie das Rafting in einem der vergangenen Trainingslager halte ich für sehr geeignet zum Teambuilding. In meinen Augen war dieser Teamgeist im letzten halben Jahr in dieser Form nicht mehr existent. Dies wird mit großer Sicherheit unter anderem an den vielen Sperenzchen, die sich der eine oder andere Spieler unseres Kaders geleistet hat, liegen, was einfach auf den Zusammenhalt einer Truppe schlägt. Wenn solche Spieler dann gegebenenfalls dann auch dennoch spielen, und nicht nur hier kommt Stani ins Spiel, ist das dem Teamgeist ebenfalls nicht gerade zuträglich.
Das größte Problem beim Teamgeist in Verbindung mit der Person Stanislawski, sehe ich bei der Tatsache, dass er offensichtlich mitten im Abstiegskampf seine eigenen Schäfchen ins Trockene brachte. Ich kann mir beim besten Willen nicht vorstellen, dass eine Mannschaft nicht mitbekommt, dass ihr Trainer nebenbei längst seine Zukunft fernab von Millerntor und Kollaustraße plant, ich zumindest habe das schon in meinem Frankfurt-Bericht vermutet. So etwas macht ganz schnell die Runde in der Kabine und so etwas schlägt auf die Moral. Es ist ein Unding Phrasen und auf Pullis zu drucken, die Losung es müssten alle an einem Strang ziehen heraus zu geben und obendrein, so die Medien mit ihrer Vermutung richtig lagen, einen Spieler wegen mangelnder Integrität (Kesslers Ziehen der Option) zu demissionieren, wenn der Einzige, der ganz offensichtlich nicht mehr an diesem Strang ziehen wollte, der Cheftrainer himself war. In diesem Kontext wirkt die Aussage, der verpasste Klassenerhalt sei unverständlich und unnötig gewesen wie eine Farce, wenngleich sie richtig ist.
Sollte Stani in diesem Zusammenhang auch noch einzelne Spieler angesprochen fragen, ob sie ihm nach Hoffenheim folgen würden, dann wäre auch dies innerhalb der Mannschaft nicht unbemerkt geblieben und hätte den Spaltungsprozess nur verstärkt. Dies ist rein hypothetisch und wäre auch nur die Kirsche auf der Sahnehaube.
Noch einmal, dass Stani mitten im Abstiegskampf mit seinem neuen Arbeitgeber verhandelt und bereits an der Kaderplanung beteiligt war ist für mich ein Grund für den Abstieg. Er kann nicht mehr die volle Konzentration und das Herzblut aufgebracht haben, um diesen Abstieg mit Händen und Füßen zu verhindern versucht zu haben. Ferner wird das tatsächlich in der Mannschaft bemerkt worden sein und die Spieler werden ihre Rückschlüsse gezogen haben. Wie soll ich die Durchhalte- und Kampf-Parolen eines Trainers, von dessen paralleler Zukunftsplanung ich weiß, noch ernst nehmen? Wie will ein Trainer in einer solchen Situation zu seiner Mannschaft durchdringen?
Stanis Verdienste stehen außer Frage und wurden in diesem Blog schon zu Genüge gewürdigt. Sie sollen mit diesem Post auch keinesfalls in Frage gestellt werden, doch sein Andenken hätte weit mehr glänzen können, als es jetzt der Fall ist. So, lieber Stani, hast du einiges deiner Reputation bei mir zerstört.
Ebenfalls interessant werden die Gründe für den Wechsel sein. Der Tapetenwechsel, die Perspektive der Weiterentwicklung und die in Hoffenheim vorzufindenden Bedingungen mögen alles Punkte sein, die Stani in seiner Entscheidung berücksichtigt hat, ich werde jedoch das Gefühl nicht los, dass es nicht das war, was den Ausschlag zu seiner Entscheidung gegeben hat. Die Gründe dafür sind, so glaube ich, eher intern als extern zu suchen. Stani ist ein Mensch, der es durchaus versteht zu taktieren. Er wird nicht lediglich aus der Motivation einmal etwas anderes kennenzulernen in beinahe berechenbarer Regelmäßigkeit über die Presse lanciert haben, dass es in seinem Vertrag eine festgeschriebene Ablösesumme gibt. Vermutlich dürfte es allein seine ihm nicht abzusprechende Verbundenheit mit Verein und Mannschaft gewesen sein, die ihn zumindest bis zum Ende der Saison hier verweilen lassen haben.
Holger Stanislawski war, so meine Erinnerung, als auch die Erinnerung meines eingangs erwähnten Gesprächspartners, hinsichtlich seiner Vorgesetzten stets relativ kurz angebunden. Er hat bei seinen Äußerungen stets eine gewisse Vorsicht, als auch den gebotenen Respekt, nicht vermissen lassen, man konnte dennoch erahnen, dass es durchaus Reibungspunkte gab. Ich sehe hier in erster Linie Helmut Schulte als den Sand im Getriebe von Stanislawskis Arbeit am Millerntor. Bei der Verpflichtung Schultes gab es Stimmen, die fragten, ob die Zusammenarbeit zwischen Stani und Schulte gut gehen könne. Diese wurden schnell durch beidseitige Erklärungen, die folgenden Transfers und den sich sogar noch steigernden sportlichen Erfolg eines Besseren belehrt. Was hinter den Kulissen geschah blieb natürlich (auch mir) verborgen, doch ich könnte mir Vorstellen, dass die beiden durchaus des Öfteren unterschiedlicher Meinung waren.
Auf zwei Fälle, bei denen ich mir derartige Meinungsverschiedenheiten mehr als gut vorstellen kann und, die ich, so dies denn jeweils zutrifft, als elementare Gründe für die Entscheidung Holger Stanislawskis, den FC St. Pauli zu verlassen, einordnen würde, möchte ich nun kommen. Beides fällt zeitlich dicht beieinander in die Winterpause. Da ist die Entscheidung der sportlichen Leitung, in der Winterpause keinen neuen Spieler zu verpflichten. Offiziell hieß es zum Einen, man vertraue dem vorhandenen Kader und zum Anderen, es wäre kein finanzierbarer Spieler auf dem Markt gewesen. Was “finanzierbar” bedeutet entscheidet in diesem Fall in erster Instanz Helmut Schulte. Ich kann mir nicht vorstellen, dass Stani freiwillig auf eine Verstärkung von Außen verzichtet hat. Hier könnte es durchaus größeren Knartsch zwischen den Beiden gekommen sein.
Ebenso ist da die Entscheidung, die Winterpause nicht für ein Trainingslager in warmen Gefilden zu nutzen. Schön geredet wurde diese Fehlentscheidung, mit der Gewöhnung der Spieler an die hiesigen Temperaturen und Gegebenheiten, während die Konkurrenz sich einer großen Umstellung ausgesetzt sehen würden. Dies mag für die ersten ein bis zwei Spieltage der Rückrunde funktionieren doch auf lange Sicht haben die Teams, die im Sonnenschein waren, die Nase vorn. Die Vorbereitung bei diesen widrigen Bedingungen kann ein Grund für Stanis Entscheidung sein und ist defintiv ein Grund für die fehlende Fitness und die Verletzungsanfälligkeit unserer Spieler. Es grenzt nämlich an Unmöglichkeit, dass all diese Verletzungen aus einer abnormal großen Anhäufung von Pech resultieren. Pech mag einen Anteil haben aber ich sehe hier ein herausragendes Versagen bei den Verantwortlichen für diese Rückrundenvorbereitung, also wieder in erster Instanz bei Helmut Schulte.
Wir sind nicht abgestiegen, weil andere Teams so viel besser waren, im Gegenteil, es haben diese Saison so viele Teams riesigen Bockmist zusammengespielt, dass der Klassenerhalt eigentlich hätte Pflicht sein müssen. Es waren die Entscheidungen in der Winterpause die Mannschaft nicht zu verstärken, obwohl Ebbers und Asamoah vorne nicht genug gerissen haben. Zur Erinnerung: der FCSP hatte nach der Hinrunde 16 Tore, so wenig wie sonst kein Team in der Liga. Wir sind abgestiegen, weil man die Vorbereitung bei wahrhaft unwirtlichen Bedingungen durchgeführt hat, woraus mangelnde Fitness und hohe Verletzungsanfälligkeit resultiert sein werden, was uns spätestens nach dem legendären Derbysieg begann das Genick zu brechen.
Diese beiden Punkte werden ihren Anteil an Stanis Entscheidung seine Zukunft jenseits Hamburgs zu planen haben. Stani hat mit seinem Verhalten dazu beigetragen, dass die letzte Trumpfkarte im Kampf um den Klassenerhalt, der Zusammenhalt in der Mannschaft, deutlich spürbare Risse bekommen hat und somit einen nicht wegzudiskutierenden Anteil am verpassten Saisonziel.
Das soll es von meiner Seite zur Aufarbeitung des Abstieges gewesen sein, doch bevor ich meinen Blick demnächst gen Zukunft richte möchte ich noch einen postiven Blick auf die Saison werfen, und meine drei Highlights der Saison krönen. Ich verzichte dabei auf eine Wertung, da sich für mich überhaupt keine Vergleichbarkeit dieser Ereignisse herstellen lässt.
- Der Derbysieg war ohne Frage ein Highlight nicht nur der Saison, sondern der letzten Jahre, wenn nicht meiner gesamten bisherigen Existenz und es wird mir auch nie wieder gelingen, dieses Ereignis derart in Worte zu fassen, wie ich es kurz danach tat, daher kann die interessierte Leserschaft hier noch einmal in Erinnerungen schwelgen.
- Das Heimspiel gegen den SC Freiburg, als das Stadion durch den Jolly Rouge in eine rotes Meer der Empörung getaucht wurde und eine unglaubliche Präsentation von Ge- und Entschlossenheit einer Fanszene, die ganz offensichtlich ihres Gleichen sucht, stattfand. Dieser Tag hat meine kühnsten Erwartungen übertroffen und so oft ich mich über Besucher des Millerntors aufrege, so oft ich den Teufel an die Wand male, an diesem Tag am Millerntor war ich rundum glücklich und konnte ohne jeden Vorbehalt sagen “Das ist mein Pauli!”
- Das gestrige Abschiedsspiel von Marcel Eger und Florian Lechner, wohl der einzig positive Aspekt an der nicht erfolgten Verlängerung der Arbeitspapiere dieser beiden durch und durch braun-weißen Recken. Ich kann mir weder einen schöneren und würdigeren Abschied für zwei solche Spieler vorstellen. Noch kann ich mir keinen angemesseneren Rahmen für die Abschlussfeier einer vielleicht nicht erfolgreichen, aber alleine wegen der beiden zuvor genannten Punkte, mehr als denkwürdigen Spielzeit vorstellen. Mein aufrichtiger Dank gilt daher allen, die dieses besondere Ereignis möglich gemacht und auch allen, die daran teilgenommen haben. Ebenfalls danke ich allen die Pyro mit hatten und dieses schöne Feuerwerk, vielleicht nicht koordiniert aber kontrolliert abgebrannt haben. Ich danke aber vor allem Egi und Lelle für 7 Jahre Herzblut. Euer weggang macht mir Heartache! Jetzt weiß ich wie sich Fliegen im Auge anfühlen. 😉