Ein Geist am Jungfernstieg

Ihgittipfui, moderner Fußball…

Da mich vergangene Woche diverse Umstände vom Kommentieren der Geisterspielgeschichte rund um das “teuerste Bier der Welt” (ach Gottchen…) abgehalten haben, möchte ich in Ermangelung eines passenden Bildes für den Auswärtsbericht gegen Leverkusen, einfach die Gelegenheit nutzen und sowohl Leverkusen als auch das was mir so zum Geisterspiel einfällt, in einem Blogpost gemeinsam abfrühstücken. Passt ja auch, hat doch beides eklatant mit modernem Fußball zu tun, der ekelhaft und seelenlos ist.

Verkackte S C H E I S S E!!

Ja, ich gebe zu ich bin manchmal ein bisschen pessimistisch, aber das heißt eben nicht, dass ich nicht auch in der ausweglosesten Situation noch immer an ein  Wunder glauben würde. So auch in Leverkusen, wie jeder vernünftige Anbieter von Sportwetten, rechnete ich mit einem Kantersieg der Pillendreher gegen unsere dezimierten Boys in Brown, hoffte aber natürlich trotzdem auf einen Sieg, eine Überraschung, ein Wunder, ein Produkt aus Kampf und Willenskraft.

Tja die “Boys in Brown” liefen dort jetzt aber in Weiß auf und präsentierten sich für ihre Situation sehr ansehnlich: Sie kämpften! Und sie gingen in Führung. Es war nicht so, dass sie zu irgend einem Zeitpunkt irgendwie überlegen gewesen wären, aber sie waren genauso wenig stark unterlegen. Klar haben die Bosse des Bayer-Konzerns die besseren Kicker mit den schickeren Individualfertigkeiten, aber unsere FCSP-Spieler haben sich als Mannschaft und als Einheit präsentiert und gekämpft.

Teilweise hat man sich die Haare gerauft warum der jetzt nicht jenes machen kann oder warum dieser nun ausgerechnet das machen muss, aber im Großen und Ganzen war das doch eine vernünftige Kampfleistung und es ist so unendlich bitter für unsere Jungs, dass sie nie belohnt werden. Es war ja jetzt nicht so, dass wir immenses Pech gehabt hätten, nur hatten wir genauso wenig Glück über den Normalzustand hinaus, das aber könnten wir doch gerade so gut gebrauchen.

Tja vom sportlichen einmal abgesehen, war Leverkusen eine Runde Auswärtsfahrt. Starteten wir noch in dichtem Frühnebel über die Elbbrücken hinweg, drang bald die Sonne hervor und diverse Sonnenbrillen und sonst von schmollenden Lippen bedeckte, freigelegte Zähne wussten von einer grandiosen Stimmung berichten. Die Sonne wurde ausgiebigst genossen und entweder führte sie zu Sonnenbrand oder dazu, dass die Wirkung des zuvor genehmigten Alkohols definitiv spürbar wurde.

In Leverkusen herrscht noch friedliche Fankultur, doch jedes zweite Wochenende und manchmal auch öfter brechen Horden verrückter aus Deutschland und Europa über die friedliebende Industriestadt ein und befallen den Gästeblock. Aus Angst vor dem Zorn solcher “so genannter Fußballfans” hat man sich in Leverkusen schöne Stachelrollen oben am Zaun des Gästeblocks einfallen lassen, damit auch gar niemand auf die Idee kommt sich nicht Regelkonform zu verhalten.
Es sollte sich noch vor dem Anpfiff herausstellen, das diese Investition sich für die “BayArena” gelohnt hat, zeigte sich doch eine neue Gruppierung das erste mal im Stadion: die “pauli-hooligans”. Glück gehabt, liebe Leverkusener, ohne euren Nato-Einfallsreichtum hätte das böse enden können.

Und Ultras Lev und der Rest der Bagage, der sich hat in die Ecke stellen lassen? Auf dem Weg zum Gästeblock steht “Scheiß Gäste”, eine solide Pauschalbeleidigung, die schlecht auf das Wellblech geschmiert ist und dennoch leider schon den Höhepunkt der Leistungsfähigkeit hiesiger Fankultur darzustellen scheint. Was muss man für ein Fußballfan sein, wenn man beim Ertönen des Schlusspfiffs keinen wirklich vernehmbaren Jubel zu Stande bekommt? Was ist das für eine Fankultur, wo sich binnen weniger Augenblicke das Stadion dann halb leert und was ist das für eine Fanszene, die nicht einmal im Falle der Führung vernehmbaren Support zu stande bringt? Meine Meinung: Nix los in Leverkusen. Alles Stümper. Schwache Leistung. You nicht mal sing, when you’re winning. Deshalb werden die auch nie deutscher Meister 😉

Da ich nach dem Spiel darauf angesprochen wurde, ich hätte ja gesagt, dass die Zahl der Hauer in einer Kurve, die Mitmachquote beim Support negativ beeinträchtigt, Leverkusen aber weder tolle Hauer noch eine herausragende Mitmachquote aufweisen könne, von dieser Stelle auch gerne noch einmal der Hinweis: Es gibt eine Vielzahl von Faktoren, die auf die Supportleistung einwirken. Hauer können ein Faktor sein, Pharmazielaboranten spielen mit den Hauern aber scheinbar in einer Liga. Grundsätzlich muss man aber sagen, Stimmung lässt sich nicht mathematisch berechnen.

Wenn man das aber einmal gedanklich ausklammert, dann war es auf unserer Seite wohl so, dass Abstiegsangst, Mannschaftsleistung und vor allem das herrliche Wetter für eine, in meinen Augen, wieder einmal grandiose Stimmung gesorgt haben. Der Hall beim “Aux Armes” war überwältigend. Mag ja sein, das man uns in Leverkusen für einen Punktelieferanten hält, aber da ich kein Erfolgsfan, sondern Fußball-Fan bin, würde ich für kein Geld der Welt unsere Szene, unsere Stimmung und unsere Fankultur gegen die Punkte von Bayer 04 eintauschen wollen. Sankt Pauli ist und bleibt die einzige Möglichkeit, ganz gleich in welcher Liga!

Mache ich mir jetzt noch Gedanken dazu, ob ich überhaupt die erste Liga will, so wie es Frodo beim Übersteiger-Blog getan hat? Nee heute nicht mehr, ein anderes Mal vielleicht.

Scheiße, die Welt geht unter

Es ist keine Neuheit, dass Boulevardmedien dazu neigen, Nichtigkeiten in unangebrachtem Maße aufzubauschen, auszuweiten bis wirklich der letzte Trottel, der diese Medien konsumiert, die ketzerische Botschaft eines x-beliebigen Vorfalls geschluckt und als seine eigene Meinung übernommen hat. Ferner ist auch hinlänglich bekannt, dass man seine Nachrichten besser über andere Medien beziehen sollte, die zwar auch mal daneben greifen können in ihrer Berichterstattung, aber zumindest etwas seriöser und glaubwürdiger und vor allem weniger offensichtlich versuchen ihre Sicht der Dinge darzustellen. Die Auflagen der Boulevardmedien geben ihnen aber ja dennoch Recht und ich kann ja jetzt auch nicht sagen, ich hätte die Inhalte dieser zum “bösen Becherwurf” nicht zumindest zur Kenntnis genommen, anderenfalls würde ich ja jetzt nicht diesen Text in dieser Art und Weise verfassen.

Ein Geist am Jungfernstieg

Es muss die Frage erlaubt sein, ob es in Zeiten, in denen auf der einen Hälfte des Erdenrunds gegen den atomaren Super-GAU gekämpft wird und anderenorts die Bürger eines Landes die Revolution gegen ihren Diktator durchzuführen bemüht sind und viele andere Dinge mit hohem Nachrichtenwert erwähnenswert sind, wirklich von Nöten ist vier Tage (!) lang wegen eines geworfenen Weich(!)plastikbechers, der keine Verletzung oder andere relevante Umstände zur Folge hatte, vom Spielabbruch einmal abgesehen, die Titelseiten mit eben dieser Thematik zu füllen. Das ganze geschieht dann auch noch in einer Art und Weise, die den Titel “Hetze” mehr als verdient hat. Der Beschuldigte wird schlecht unkenntlich gemacht mit Foto veröffentlicht, sein Wohnort wird so detailgetreu beschrieben, das jeder interessierte einfach in den genannten Ort fahren könnte und dem ja noch gar nicht genügend gescholtenen Mann noch ein Mal persönlich in die Cojones zu treten. Unfassbar widerlich. Wir reden hier von einem verschissenen Becherwurf inklusive Glückstreffer. Nicht weniger aber vor allem nicht mehr! Aber es gibt ja nichts wichtigeres, worüber man berichten könnte. Lieber Menschen für eine Dummheit das Leben zur Hölle machen. In diesem Sinne: Mitten im szenigen, aber etwas dreckigen Karolinenviertel, dort, wo heute Szeneboutiquen, In-Kneipen und Trödelhändler ihren Platz gefunden haben, wuchs er auf. Nichts aber auch wirklich rein gar nichts lässt darauf schließen, dass in diesem Milieu zwischen Berbern und Bildungsbürgern tatsächlich ein Mopo-Redakteur aufgewachsen ist, wenngleich seinerzeit vornehmlich Arbeiter hier Quartier bezogen hatten. Oder anders gesagt: Mopo, geh kacken! Zu dem Fazit kommt übrigens auch das Blog “magischerfc.de”, nebst einer ausführlichen und sehr gut verständlichen Aufarbeitung der folgen für den Täter aus juristischer Perspektive.

Nachdem seitens gewisser Vereinsvertreter im Vorfeld eine bedingungslose Akzeptanz jeden Urteils, aus welchen Beweggründen auch immer, zugesichert wurde, hat der DFB dem Antrag des Kontrollausschusses inzwischen im Einzelrichter-Verfahren zugestimmt und geurteilt, es soll zu einem Geisterspiel für Sankt Pauli kommen, wogegen der FCSP glücklicherweise dann doch Einspruch erhoben hat und das Recht einer mündlichen Anhörung wahrnehmen wird. Diese soll am Donnerstag dieser Woche stattfinden. Dass das Strafmaß völlig überzogen und gänzlich unangebracht ist, steht in meinen Augen außer Frage. Einerseits gab es in der jüngeren Vergangenheit schon weit schlimmere Vorfälle in Fußballstadien als eben diesen Becherwurf, warum also ausgerechnet jetzt ein Geisterspiel? Der Übersteiger-Blog hat in seinem insgesamt sehr lesenswerten Blogpost jedoch schon darauf hingewiesen, dass den Tattergreisen vom DFB das Fußballspiel das heiligste ist, was es gibt. Andererseits steht auch die Art der Strafe, nämlich eine Kollektivstrafe, jeglichen Errungenschaften der Aufklärung gar konträr gegenüber (Schöne Spam-Aktion auf der Pinnwand des DFB bei Facebook, wenngleich wohl wirkungslos). Wenn ohnehin schon der Verein als Veranstalter durch den DFB (sofern neben dem Geisterspiel eine Geldstrafe verhängt würde und die Geldstrafe ist ja das gängige Mittel der Wahl zur Bestrafung beim DFB) und der Werfer als Täter straf- und zivilrechtlich belangt werden, warum sollen denn zusätzlich noch gänzlich unbeteiligte und vor allem auch gar nicht in die Lage, ein derartiges Fehlverhalten zu unterbinden, versetzte Menschen obendrein bestraft werden. Das wusste der Tagesspiegel gekonnt zu parodieren – danke dafür!

Es geht dem DFB hier darum, seine Idee vom modernen, sauberen und sicheren Fußballs durchzusetzen, indem ein Exempel statuiert wird. Von dieser Warte aus ist auch jeder Spott und Hohn, der Sankt Pauli seitens anderer Fans entgegengebracht wird, fehl am Platze, denn hier wird ein Präzedenzfall geschaffen, der im Zweifel dazu geeignet ist, Fankultur nachhaltig zu schaden. In meiner Version von Fußball gibt es, ob man das jetzt gut oder schlecht findet, keine gangbare Alternative, die Möglichkeit eines solchen Vorfalls gänzlich zu unterbinden. Ich will weder englische Verhältnisse, die zwar keine Fangnetze haben, wo aber jede kleinere Verfehlung umgehend massiv unterbunden wird und ein Täter, ganz gleich welche Schuld ihm, berechtigt oder nicht, zugesprochen wird, in hohem Maße auch finanziell belangt wird. Nein auf solch eine Law & Order Mentalität in Stadien kann ich dankend verzichten. Ich will auch keine Situation, wie beispielsweise in Belgien oder auch schon in München, wo kein Getränk mit auf die Tribüne darf. Ich persönlich käme damit klar, mein Konsum im Stadion tendiert in der Regel gen Null, aber für viele gehört das dazu und das weiß ich zu respektieren und das kann ich auch nachvollziehen. Ich sagte auch bereits, dass ich keine Fangnetze will, trüben sie mir doch mein Sichtfeld.

Weil ich das alles nicht will, begrüße ich, dass man bei unserem Verein endlich einmal die Möglichkeit nutzt, gegen die Drangsalierungen des DFB vorzugehen. Es geht hier nicht nur um mein persönliches Interesse auf ein Geisterspiel zu verzichten, ich könnte mir sogar viele schöne Aktionen in einem solchen Falle vorstellen, es geht hier um den Kampf zum Erhalt einer Fußball- und Fankultur, wie ich sie kenne und schätze, es geht gegen den modernen Fußball. Ich verweise ja immer wieder gerne auf einen meiner Lieblingsblogs “Es lebe das Laster”, der in diesem Fall den wohl gelungensten Post zu dieser Problematik verfasst hat, und da schließe ich mich u.a. dem ÜS-Blog an: DRINGENDE LESEEMPFEHLUNG!