Goldgelbes Laub auf den Wegen und Straßen und der morgendliche Griff nach Mütze, Schal und Handschuhen lassen, neben der Tatsache, dass man das Haus mitunter im Dunkeln verlässt und später auch wieder betritt, nur einen logischen Schluss zu: Es ist Herbst! Das bedeutet nicht nur Schnodderseuche, sondern vor allem eine Zeit des Politischen. Der Castor wird wieder einmal ins (paradoxerweise sogenannte) vorläufige Endlager zu Gorleben rollen und hoffentlich, wieder einmal von einer großen Zahl „Störer“ begleitet bzw. besser behindert werden. Der Bauwagenplatz Zomia steht Momente vor der angekündigten Räumung, der SMS Verteiler ist eingerichtet. Dazu die schon zum Alltag gewordenen Probleme um die Wohnungsnot und nun wird der deutsche Michel auch noch daran erinnert, dass seine unrühmliche Vergangenheit einerseits nicht verdrängt werden kann und darf und andererseits offenbar längst nicht vernünftig aufgearbeitet zu sein scheint.
Fußballfans aus Rostock und Sankt Pauli wird in diese heiße Zeit auch noch ein Großereignis ganz anderer Couleur in den Kalender gedrückt: das heißersehnte „Hass-Derby“. Ich zähle das nicht(!) in einer Reihe mit den zuvor genannten Ereignissen auf und möchte erst recht keine Parallele durch eine vermeintliche politische Komponente aufbauen. Natürlich gibt es bei uns dankenswerterweise einen großen Haufen „Zecken“ und natürlich hat Rostock nach wie vor ein Problem mit Neo-Nazis, oder denen, die sonst nie da sind. Nein, eine Parallele lässt sich viel eher über das öffentliche Bild dieser Ereignisse, der Panik, die von Staat(in Form der Bullen) und Medien geschürt wird und den damit einhergehenden repressiven Aufrüstungen für dieses Szenario des Weltenbrands herstellen. Die Hysterie um das Pokalspiel zwischen Dortmund und Dresden ist noch nicht einmal ganz im Rauschen des Blätterwaldes entschwunden, da können die behelmten Schergen, deren Gewerkschaft sich in steter Regelmäßigkeit durch unglaubwürdiges Rumgejammer Öffentlichkeit verschafft, wieder einmal neue Eskalationsstufen üben.
Für uns bedeutet diese Fahrt also kein sommerlicher Sonntags-Ausflug ins beschauliche Freiburg zu werden sondern bürgerkriegsähnlicher Ausnahmezustand. Schon in Altona wird die Bundespolizei die braun-weißen Fußballterroristen gebührend in Empfang nehmen und mit allem begegnen, was die dehnbare Rechtsstaatlichkeit der Bundesrepublik zu bieten hat. De facto bedeutet das die Kontrolle aller Menschen, die nach Rostock fahren wollen. In den Zeiten vor und nach dem Spiel wird es, so hat es die Polizei mittels einer Allgemeinverfügung erlassen, verboten sein Glasflaschen und pyrotechnische Erzeugnisse mitzuführen – allen Reisenden, auch Nicht-Fußballfans. In Rostock wird die Anreise zum Stadion zentralisiert vom Rostocker Hauptbahnhof mittels Shuttlebussen „gelöst“ werden. Kein Marsch von der Parkstraße, wie gewohnt. Über die Beweggründe lässt die Polizei die Öffentlichkeit im Ungewissen. Ich zumindest hasse es in Shuttlebusse gepfercht zu werden. Am Eingang erwarten uns dann noch Sprengstoffspürhunde und verstärkte Videoüberwachung. Darüber hinaus munkelt man über Hubschrauberbegleitung der Züge aus Hamburg.
Was am Samstag passieren kann und wird ist Spekulation, doch die Möglichkeit, dass jemand ein Glasfläschchen oder pyrotechnische Stilmittel mit sich führt, dürfte nicht allzu klein sein, genauso wenig, dass sich daraus eventuell eine Solidarisierung mit der oder den betreffenden Person(en) ergibt. Sicher werden einer Eskalation weitere Repressalien folgen, doch sich zum Maulesel der polizeilichen und medialen Demagogie zu machen, kann und darf keine Handlungsoption darstellen und ist auf Grund zuvor genannter Eventualitäten gar keine, denn irgendjemanden gibt es immer. Dem Sicherheitswahn der Behörden gilt es entschlossen entgegenzutreten, verfolgt er doch einzig das Ziel Freiräume zu unterbinden, denn sie gelten als unkontrollierbar und passen daher nicht in ins Weltbild. Blinder Gehorsam jedoch, war schon immer das falscheste aller Mittel. Gerade wenn der Diskurs abgelehnt wird, Repression die Antwort auf lebendige Fankultur sein soll, dürfen wir keinen Schritt zurückweichen. Wenn sie gemeingefährliche Terroristen wollen, dann bin ich eher geneigt ihnen diese zu geben, als vor ihrer blinden Repression zu Kreuze zu kriechen. Wie Vati immer zu sagen pflegte: „Wer nicht hören will, muss fühlen.“ Sie wollten nie zuhören. Wie Mutti immer zu sagen pflegte, wenn ich unaufhörlich flehte: „Gib dem Affen Zucker.“ Sie flehen unerbittlich.
Wetten, ob die Züge den Altonaer Bahnhof verlassen, können sicherlich beim Wettbüro des Vertrauens platziert werden. Eine Empfehlung spreche ich an dieser Stelle nicht aus.
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