Wir haben ihn gefeiert, wir haben über ihn geschimpft, wir wollten mit ihm in die Champions-League ;-), wir werden wahrscheinlich mit ihm absteigen, aber ohne ihn weitermachen.
Heute hat Stani endlich das bekannt gemacht, was alle längst geahnt, gehofft, gefürchtet hatten. Er verlässt unseren FC St. Pauli. Ich habe eigentlich gedacht, dieser Blogpost wird mir weit leichter von der Hand gehen, als es nun tatsächlich der Fall ist. Den ganzen Tag über habe ich mir Gedanken gemacht, über Erfolge von Stani, über Bockmist den er verzapft hat, über seine Klüngel mit der Presse, über den Zeitpunkt, über die Art und Weise, darüber, dass Kessler nicht spielt, weil er im Abstiegskampf die Option gezogen hat, Stani aber offensichtlich selbst im Abstiegskampf seine Zukunft außerhalb Sankt Paulis plant, was ich in der Argumentationsweise für Doppelmoral halte, gleichwohl ich die Entscheidung, Bene die nötige Spielpraxis zu geben, absolut richtig finde. Ich habe mir Gedanken gemacht, über die Zukunft, über den Ersatz, darüber ob er in Hoffenheim sein Glück finden wird, darüber ob er sich “sportlich verbessert”. Mein Text hätte, um es vorsichtig auszudrücken, nicht nur gute Haare an Holger Stanislawski gelassen.
Ich konnte aber nicht beginnen zu schreiben, ohne mir vorher seine Abschiedsrede angesehen zu haben und nun wird der Text doch etwas anders ausfallen. Offen gestanden, weiß ich nicht wirklich wie dieser Text ausfallen wird. Ich bin nicht der Typ Schreiberling, der sich im Vorfeld die Worte zurecht legt. Ich lege einfach los und am Ende kommt dann irgendwas dabei raus. Das werde ich jetzt genauso machen, nur habe ich jetzt noch weit weniger Ahnung was am Ende dabei rum kommen wird, als sonst.
18 Jahre FC St. Pauli. Das ist eine verdammt lange Zeit. Stani hat bei und mit dem FC St. Pauli zweifelsohne weit mehr erleben können, dürfen aber auch müssen, als viele Fans. Er beendet seine Karriere bei uns als Trainer, als der, der die letzten zwei Aufstiege und eventuell auch den nächsten Abstieg mit zu verantworten hat. Er ist als Spieler auf- und abgestiegen. Er hat in den oberen 3 Ligen gespielt. Er hat unserem Verein auch in schwersten Zeiten die Treue gehalten und all das macht ihn einfach für den Großteil der Menschen berechtigterweise zu einem Stück Sankt Pauli. Und der FC St. Pauli wurde so für ihn zu einem Stück Familie, zu einem Stück Lebensinhalt und -aufgabe. Der Wunsch nach einer romantischen Ehe, bis das der Tod uns scheidet, ist daher eben so natürlich wie verständlich. Gerne hätten viele gesehen, dass Stani und St. Pauli einen Weg gehen, wie Thomas Schaaf und Werder Bremen beispielsweise. Gerne haben viele ignoriert, dass schon bei Übernahme des Trainerpostens von Andreas Bergmann, Holger Stanislawski klar sagte, dass der Trainerposten das letzte Amt ist, das er bei diesem Verein übernimmt. Ich nehme mich da keineswegs aus. Natürlich lässt “letztes Amt” theoretisch die Möglichkeit der gefühlten Ewigkeit offen, aber es impliziert schon, dass er nicht für immer bleiben würde.
Nun ist eben der Tag gekommen, auf den wir alle mit vielleicht unterschiedlichen Gefühlen, gewartet haben. Es ist auf jeden fall ein dicker Tropfen Wehmut dabei. Für Groll besteht eigentlich kein Raum, auch wenn durchaus einigen gehegt hatte. Ich könnte jetzt viel schreiben, viel “hätte er dies, hätte er jenes” und ich hatte es ernsthaft vor, denn vieles ist einfach unglücklich in unseren jetzigen Situation. Ich habe gesagt, “Wenn der zum HSV geht, dann baue ich ihm ein Denkmal, nur um es zu schänden!”, doch sein Denkmal hat sich Stani 18 Jahre lang errichtet und schänden kann man es nicht mehr. Ich habe beim FC St. Pauli noch nicht oft Reden von Offiziellen gehört, die ich als tatsächlich glaubwürdig empfunden habe, doch diese Abschiedsrede von Holger Stanislawski war glaubwürdig. Er löst sich aus einer Bindung, einer Beziehung, die stets eine emotionale Achterbahnfahrt ist. Sich auf eine Romanze mit dem FC St. Pauli einzulassen endet oft in einer beinahe Ehe-ähnlichen Bindung zu einem Club als manisch-depressiv anmutendem Partner. Er fesselt und er vermag viel zu geben. Gleichsam zehrt er aber auch sehr an einem und verlangt viel. Es ist schwer, auf dieser Gratwanderung lange die Balance zu halten, besonders dann, wenn die Bindung zum FCSP in dieser Intensität besteht, wie es bei Stani der Fall war. 18 Jahre sind in diesem Fall ein mehr als respektabler Zeitraum.
Es endet diese Saison, eine der letzten großen Liebesgeschichten im Profifußball. Stani wird eine Lücke zurücklassen. Nicht weil wir einen neuen Trainer brauchen, Trainer kamen und gingen schon immer, genau wie Spieler. Mit Stani geht, ganz gleich wie man zu ihm steht ein Stück Sankt Pauli.
Damit ist Stani doch wider meiner ersten Gedanken ziemlich gut davon gekommen 😉 aber ich denke alles andere wäre auch nicht angemessen. Warum sollte ich nachtreten? Warum soll ich jetzt über Dinge schimpfen? Er und die Mannschaft werden sich noch einmal rein hängen und am Ende wird es reichen oder eben nicht. Ein neuer Trainer wird wahrscheinlich vor der Aufgabe stehen eine neue Mannschaft aufzubauen, wird vielleicht versuchen Stanis Fußstapfen auszufüllen, oder mit einem eigenen Pfad beginnen. Wir werden sehen, was die Zukunft für den FCSP bringt, wir werden auch sehen was die Zukunft für Stani bereit hält. Das lange Kapitel Stani wird nun langsam geschlossen und wird, um einmal die schöne Rede aufzugreifen, gleich der sich schließenden Tür, eine neue Tür, ein neues Kapitel öffnen, mit leeren Seiten, mit Platz für eine neue Geschichte. Wir werden wie immer mitschreiben.
Ich mach es Stani gleich und verbleibe mit einem aufrichtigen “Tschüss, Stani! Tschüss, bis bald!”
Lesetipp: Gastartikel beim Übersteiger-Blog