Die Saison ist für den FC St. Pauli mit dem heutigen Unentschieden zwischen Düsseldorf und Duisburg trotz des eigenen 5:0 Kantersieges gegen Paderborn zu Ende gegangen. Es gibt für uns dieses Jahr keine Verlängerung, keine Relegation, keinen zusätzlichen Nervenkitzel. Das Geld auf unseren Konten, darf in die Spendentöpfe und über den Tresen beim Antira-Turnier an der Kollaustraße wandern, anstatt in eine Tour nach Berlin investiert werden zu müssen.
Damit war das Spiel auch das letzte Spiel der altehrwürdigen Gegengerade, jenem Gebilde, für das wir seit Jahren nur mit Zudrücken aller möglichen Augen die Ligalizenz erhalten. Jenem Gebilde aber auch, das Heimat der „alternativen Fankultur“ am Millerntor und Geburtsort des „Roars“ war. Ergo ein mit unendlich pathetischen Worten zu umschreibendes Stück Fußballgeschichte: maßlos romantisierter Purismus und Produkt steter Improvisation. Es ist nicht ganz unverständlich, dass vielen altlinken Sozialpädagogen oder diffus kritischen Finanzbeamten und allen anderen merkwürdigen Wesen, die sich auf den gewölbten Stufen (oder was solche mal waren) der Gegengerade herumtreiben, die mitgealterte Heimat so sehr ans Herz gewachsen ist, dass sie ein Stück dessen in ihr persönliches Fankulturantiquariat zu überführen suchen, bevor der architektonische „format c:“-Befehl unseres Hausmeisters Baucheckers Thorsten Vierkant all die materialisierten Erinnerungen an Heimsiege, Niederlagen und vor allem jede Menge Regen in Staub, Schutt, Trümmern und Containern verschwinden lässt und unser Millerntor noch mehr Hellmich Standardbau mit Backsteinbordüre wird und dem Charme der Paderborner Stadtsparkasse bedenklich nahe zu kommen droht. Ja das ist durchaus verständlich – wir kennen so etwas unter dem Terminus „ideelle Werte“.
Doof nur, wenn die Rechnung ohne unsere revolutionären Garden gemäßigt sozialdemokratische Führungsriege gemacht, bzw gar nicht gar nicht gerechnet wird. Ganz die Betriebswirte der Paderborner Stadtsparkasse, kam den gewählten und/oder angestellten Vereinspeople wohl jener Satz aus Buchführung I an Berufsbildenden Schulen in die Fontanelle geschossen: „Keine Buchung ohne Beleg“ – Ergo Rechnung machen: grob 2.000 Sitze mal grob 20 Euro ist gleich grob 40.000 Euro und das ist wiederum besser als 0 Euro. Bei Verkauf aller Sessel. Sonst halt weniger. Die gehen dann auf den Müll. Soweit so logisch. Kurze Mitteilung auf die Homepage, wo sie gaaaanz bestimmt nicht in der Flut der unzähligen nutzlosen Meldungen untergeht (erinnert sich noch wer an die Zeiten, als auf der Homepage tagelang nichts passierte?) und der Drops ist gelutscht.
Damit wären beide Seiten weitestgehend beleuchtet und die Ausgangssituation ist klar. Was passiert ist folgendes: Ein paar kaufen ganz normal Sitze für überteuertes Geld, ein paar andere haben an unserem grandios entlohntem Sicherheitspersonal wie durch Zauberhand doch Werkzeug vorbei geschmuggelt bekommen und behelfen ihrer selbst. Spätestens am Ausgang, wo die stolzen Sitzretter zum Zahlen aufgefordert werden kommt es zu Tumulten, Meinungsverschiedenheiten, Unstimmigkeiten, Verständnislosigkeit, Murren und die Welt, der FCSP, die Werte des Vereins oder Blutzuckerspiegel des Typen aus Reihe 4 geht unter. Das Ende vom Lied: „Der Fisch stinkt vom Kopf.“ Und Thorsten Vierkant sei schuld.
Was hier falsch gemacht wurde ist neben des völlig absurden Preises (wenngleich das für die Haupttribüne wohl auf ähnlichem Niveau ablief) eine völlig mangelhafte Kommunikation der Aktion. Sahnehäubchen des Fauxpas bildet jedoch der Hinweis die Erlöse seien eine Spende (sic) für Fanräume, wovon man bloß bei Fanräume e.V. wiederum überhaupt nichts wusste. Wie auch?! Aus internen Kreisen war zu erfahren, bei Vereinsvertretern hieße es im Vorfeld „die von Fanräume“ bekämen ohnehin schon genug. Fans sind eben ein teures Laster. In diesem Lichte ist die Deklaration der Fanräume-Spende nicht nur eine dreiste Lüge (zu prüfen sei, inwiefern hier arglistige Täuschung geltend gemacht werden kann), sie muss vor allem als dreiste Werbung auf Kosten des Vertrauens der eigenen Fans gewertet werden.
Die Einnahmen aus der missratenen Aktion müss(t)en nun zuzüglich der selben Summe aus den Taschen der Verantwortlichen an Fanräume gehen, eine dicke Entschuldigung bei den Betroffenen ist obendrein fällig. Tatsächlich wird man jetzt kaum umhin kommen das Geld an Fanräume zu geben, ganz gleich, ob man das eigentlich nicht wollte oder sich eventuell gar kurzfristig dazu entschieden hat, das aber nicht mehr zu kommunizieren vermochte. Letztlich bleibt der Eindruck rückständiger, verbissener, provinziell denkender Paderborner Stadtsparkassenbetriebswirte, die schlichtweg keinen blassen Schimmer von den Lebenswelten von Fußballfans haben, mit ihren diffusen Ideen jedoch versuchen jeden Groschen aus ihnen heraus zu pressen.
Die Publikative.org hat den FCSP mittlerweile zum Heiopei der Woche gekrönt. Nicht zu Unrecht – daher: Glückwunsch.
Alle anderen – eigentlich weit wichtigeren – Themen folgen hier in den nächsten Tagen.