Der Antrag zum Verschieben des Gegengeradenbaus, der zurückgezogen wurde, inklusive Begründung exklusiv dokumentiert beim Lichterkarussell:
Die Versammlung möge beschließen:
Das Präsidium des FC St. Pauli wird beauftragt, den Bau der Gegengeraden-Tribüne (3. Bauabschnitt „Osttribüne“ des Millerntorstadions) um mindestens ein Jahr auf einen Zeitpunkt zu verschieben, zu dem er nach Klärung der offenen Fragen hinsichtlich Architektur, Infrastruktur, Sicherheit und Finanzierung kalkulierbar ausgeführt werden kann. Alle Maßnahmen, die zu einer vorzeitigen vertraglichen oder tatsächlichen Festlegung auf bestimmte Varianten und Ausgestaltungen des Bauwerks führen, haben zu unterbleiben bis eine zufriedenstellende Lösung in Abstimmung mit der Arbeitsgemeinschaft Stadionbau und dem Verein Fanräume e.V. gefunden wurde.
Begründung
Zunächst: Am Freitag, dem 18. November 2011, wurde ich via e-mail von Michael Meeske über die Entscheidung für das Basismodell und die damit verbundene Hinfälligkeit meines Antrages informiert. Gestern hielt der FC St. Pauli die entsprechende Pressekonferenz ab, womit die breite Öffentlichkeit in Kenntnis gesetzt wurde (und auch heute wurde die Entscheidung noch ein Mal den Mitgliedern unseres Clubs präsentiert).
Zunächst einmal ist es mir ein wichtiges Anliegen, zu erwähnen, dass ich das Vorgehen von Präsidium, Aufsichtsrat und Geschäftsführung, eine für die Geschicke unseres Vereins elementare Entscheidung, zu der es einen JHV-Antrag gibt, auf Grund vermeintlicher Sachzwänge, vor der JHV abschließend zu fällen, für außerordentlich fragwürdig empfinde. Ich weise darauf hin, dass dies durchaus als eine Entscheidung gewertet werden kann, die vorsätzlich am höchsten Organ unseres Vereins vorbei getroffen wurde. Das ist schlechter Stil. Und es handelte sich nicht, wie auf der Pressekonferenz behauptet um 2 oder 3 Wochen. Die Entscheidung ist am Freitag gefallen und hätte mit etwas mehr Geduld, sicherlich auch morgen fallen können. Das wären 3 Werktage … nicht 2 bis 3 Wochen! Die Chancen, dass ich meinen Antrag zurückziehe, wären wahrscheinlich gar nicht so klein gewesen, wenn man mir Lösungen präsentiert hätte; mit mir kommuniziert hätte. Dies ist nicht geschehen, stattdessen fühle ich mich erstmal vor vollendete Tatsachen gestellt.
Zum Inhalt meines Antrags:
Die in meinem Antrag angesprochenen Probleme seien, so die e-mail von Michael Meeske, gelöst oder zumindest in den bestmöglichen Kompromissen für alle Interessengruppen aufgegangen.
Es geht mir nicht um Welle oder Basismodell – das ist mir offengestanden egal – über Geschmack lässt sich nun mal nicht streiten und eine rationale Entscheidungsfindung ist hinsichtlich dieses Kriteriums schlichtweg unmöglich. Nein! Mir geht es darum, dass wir ein Stadion bauen, bei dem gravierende Fehler vermieden werden sollen.
So ein Stadion baut man nicht mal eben so. Das, was im Sommer in Beton gegossen werden soll, wird dort vermutlich die nächsten 30 bis 50 Jahre stehen; und wird mit einem Finanzvolumen belastet, dass nicht einfach aus der Portokasse zu bezahlen ist. Insofern ist es unabdingbar, dass das Optimum ausgeschöpft wird. Bedenkt man, dass die provisorische Sitztribüne der Gegengerade statt dem geplanten einen Jahr nun über 20 Jahre an Ort und Stelle steht, mag es ja sogar sein, dass ich mit den 30 bis 50 Jahren noch zu kurz gegriffen habe. Wir können viele Dinge nicht einfach im Nachhinein ändern. Somit wird eine umfassende Planung unabdingbar, wenngleich die Diskussionen mitunter anstrengend sein mögen: sie werden sich auszahlen.
Die AG Stadionbau, hat die Planungen der Tribüne nahezu von Anfang an kritisch begleitet und viele Impulse geben können, die sehr wichtig waren und sind für das, was nun entstehen soll. Bis zuletzt gab es seitens der AG noch Kritik bezüglich ungeklärter Fragen bzw. Problemfeldern.
Da ist:
-Der Abstand zwischen Baukörper und Heiligengeistfeld. Es besteht die Gefahr, dass der Weg zwischen Tribüne und Domfläche sich in seiner Breite vom jetzigen nicht unterscheiden wird. In Anbetracht dessen, dass die Zuschauerzahl sich nahezu verdoppelt, der Platz sogar geringer zu werden scheint, liegt der Gedanke an ein „Loveparade Szenario“ in nicht all zu großer Ferne. Insbesondere zu Dom-Zeiten ist es unabdingbar, ausreichende Sicherheitskorridore einzuplanen. Wer das nicht tut, hat offensichtlich zu dieser Zeit noch kein Spiel am Millerntor in der Gegengrade besucht. Mittlerweile ist dies als Vorbehalt in den Bauvertrag mit aufgenommen worden. Kann ein Streifen von 13 Metern Breite nicht gewährleistet werden, wird nicht gebaut.
Da sind:
-Die Fanräume. Sie sind seit Beginn des Stadion-Neubaus das anvisierte Ziel der Fanszene unseres Vereins. Sie sollen neuer Mittelpunkt des Fanlebens werden und mit dem Fanladen und der AFM zwei wichtigen Stützen unserer Strukturen eine neue Heimat geben. Sie sollen sich nicht nur, aber auch, am Spieltag zum Sammel- und Treffpunkt für Sankt Paulianer_innen aller Couleur entwickeln. Es stellte sich heraus, dass eine Einbindung in die neue Gegengerade nicht so erfolgen kann, wie geplant und zum Beispiel auf den Biergarten hätte verzichtet werden müssen. Zumindest in Zeiten eines leeren Heiligengeistfeldes ist dies nun, da die Position der Fanräume wohl in die Mitte der Tribüne verschoben werden soll in kleinem Umfang möglich. Die Nähe der Fanräume zur Polizeiwache, die ins Stadion integriert werden soll, ist ein weiterer Punkt, den es kritisch zu betrachten gilt, schließlich soll im Fanladen mit jungen Menschen gearbeitet werden, die mitunter ein durchaus angespanntes Verhältnis zu den Damen und Herren Ordnungshütern unterhalten.
Daraus folgt – ein Problemfeld ist:
-Die Polizeiwache. Einer Fanszene, die derart viele schlechte Erfahrungen mit der Polizei gemacht hat, ist es ohnehin schwer zu vermitteln, warum ausgerechnet in ihr Stadion eine Polizeiwache ziehen soll. Wenngleich es diesbezüglich Vorgaben von der DFL gibt, bleibt die konkrete Ausgestaltung weiterhin ein Thema, an dem es zu arbeiten gilt, was aber nach meinen Informationen auch geschieht. Allerdings muss dieses Thema vor Beginn des Baus einvernehmlich gelöst sein. Polizeiräumlichkeiten über das geforderte Mindestmaß für Stadien hinaus darf es ebenso wenig geben, wie die Positionierung dieser in unmittelbarer Nähe zu den Fanräumen und dem Fanladen.
Und da sind:
-Die Kamerapositionen in der neuen Gegengerade. Sie waren auf herkömmliche Sitzplätze und herkömmliches Sitzverhalten ausgelegt. Im Sitzplatzbereich kann, ausgehend von den aktuellen Entwürfen nicht gestanden werden ohne möglicherweise das Bild zu stören. Im Stehplatzbereich könnten keine Fahnen geschwenkt werden. Dass das ein undenkbares Szenario ist, muss ich wohl nicht erwähnen. Auch hier müssen Lösungen erarbeitet werden.
Diese Punkt zeigen aber für mich auch deutlich auf, dass bei der Planung bislang aus Sicht der Fans und Zuschauer wesentliche Faktoren, erst auf Intervention von Fanseite Beachtung gefunden haben. Es besteht die Gefahr, dass aufgrund des engen Zeitplans hier keine optimalen Lösungen gefunden, sondern lediglich Kompromisse eingegangen werden können. Kompromisse bei einem Bauvorhaben, welches die nächsten Jahrzehnte unseren Verein und seine Fanszene prägen wird?
Wenn schon nicht wenige Tage lang auf das Ergebnis meines Antrags auf der JHV gewartet werden kann, ohne dass angeblich der Zeitplan in Gefahr ist, lässt dies für die Änderung grundlegender Teile des Tribünenbaus wenig Gutes erahnen.
Dennoch freut es mich tatsächlich sehr, dass die Lösung der Probleme angegangen wird, das war zum Zeitpunkt der Antragstellung nicht erkennbar. Es sind aber bislang wenig konkrete Informationen und Fakten genannt worden. Gerade in den Punkten Polizeiwache und Kameraposition besteht noch massiver Handlungsbedarf. Reine Lippenbekenntnisse à la „wir werden das berücksichtigen“ reichen mir daher nicht aus. Ich wünsche mir hier klare Zusagen von der Vereinsführung, dass
-die Kameras so positioniert werden, dass ein Ausleben der Fankultur am Millerntor weiterhin ohne Weiteres möglich sein wird.
-dass keine Polizeiwache in unser Stadion integriert wird, die über das Mindestmaß der Vorgaben hinaus geht und, dass alles daran gesetzt wird eine Positionierung in direkter Nähe zu Fanräumen und Fanladen zu vermeiden.
Unter diesen Vorraussetzungen und in Anbetracht dessen, das bereits Lösungen auf den Weg gebracht wurden, möchte ich der Veränderten Situation aber Rechnung tragen und ziehe meinen Antrag zurück. Ich warne aber eindringlich davor, die beiden zuletzt genannten Punkte halbherzig oder gar nicht zu berücksichtigen, denn das würde unserem Verein bzw. dem Vereinsleben nachhaltig schaden.
Unabhängig hiervon danke jedoch der AG Stadionbau und dem für das Präsidium verantortlich in Gesprächen teilnehmenden Gernot Stenger außerordentlich für die geleistete Arbeit und hoffe, dass diese erfolgreich und konstruktiv-kritisch weitergeführt und von allen Gremien und Gruppen in Verein und Fanszene unterstützt wird. Es ist noch viel zu tun.
Vielen Dank für eure Aufmerksamkeit
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