Die Macht kommt von unten

Was bisher geschah:

Blogs:
Übersteiger Blog: 32. Spieltag (H) – Hansa Rostock
Magischer FC: ACABaB und die Zwei mit HumorGlaubt eigentlich irgendwer noch der Hamburger Morgenpost?Ääääähhhhmmmm, geh mal denken
Metalust: Der “Störer” ist vor allem die Polizei – trotzdem: Danke an die Mannschaft für 6 Punkte gegen Hansa!!!
KleinerTod: Rumstehterroristen – #FCSP nahezu ohne Hansa Rostock im Gefahrengebiet
Publikative.Org: St. Pauli vs. HRO: Police and ThievesGanz Sankt Pauli fragt die Polizei

Stellungnahmen:
FC St. Pauli: Gewalt verurteilt
Fanladen: Zum Spiel FC St. Pauli gegen den FC Hansa Rostock

Kommentarfunktion

Eine Aufarbeitung der Geschehnisse rund um den 32. Spieltag bzw. das Heimspiel des FC St. Pauli gegen den FC Hansa Rostock geschieht vielerorts und mit unterschiedlicher Akzentuierung. So Manches auf unzähligen Seiten Forum empfand ich als nachvollziehbar, manches als differenziert, in vielen Beiträgen fanden sich plausible Ansichten wieder. Selbst bei nur oberflächlicher Lektüre fällt auf, so viele komplette Fehlschüsse sind es gar nicht. Die scheinen sich, wie es stets zuverlässig der Fall ist, in den Kommentarspalten des Internetauftritts eines Hamburger Boulevardblattes zu finden. Ohne auch nur einen Blick darauf geworfen zu haben, ist die Stoßrichtung jener Kommentare ohne weiteres zu erahnen.

Guter Text, liebe selbsternannten Blogger,
nur wozu? Den Leuten vom Fach mal ins Gewissen reden, dass sie es doch besser wissen müssten? Tun sie wahrscheinlich zumindest in Ansätzen. Aber ihr wisst doch genau wie das läuft in den Redaktionen. Und ihr wisst genau, warum ein aus 3, 4, 5 lyrisch und journalistisch wenig wertvollen Mopo-Online-Kurztexten ein lyrisch und journalistisch ebenso wertloser Mopo(-Online)-Langtext zusammen gesetzt wird. Ihr kennt euch doch aus, nach unter anderem 12 Jahren Texte ins Internet setzen. Ihr haltet doch die ganze Zeit die Stange, weil ihr wisst, wie es läuft, weil ihr wisst, dass es eine große Leerstelle auszufüllen gibt, neben den Nachrichten in den Medien aller Couleur. Weil Fußballfans mehr interessiert, als dass Buttje Rosenfeld ein Tor geschossen hat, was ohnehin alle im Stadion oder Fernsehen gesehen haben. Weil ihr teilen wollt. Erfahrungen, Emotionen, Ansichten – und ihr werdet gelesen, weil sich Menschen dafür interessieren, weil sie den Austausch mögen, weil sie ähnliche oder abweichende Meinungen anderer Fans interessieren. Blogs sind doch im Prinzip die virtualisierte Form eines der wichtigsten Elemente beim Bier in der Kneipe nach dem Spiel oder bei der Zigarette auf der Arbeit vor dem Wochenende. Mit einem weit größeren Wirkradius als diese bezugsgruppenbezogenen Konversationen es je leisten könnten. Und doch ist es eine Minderheit, die sich für derart detaillierte, mitunter differenzierte und stets zutiefst subjektive Wahrnehmungen einer Wahrheit um ihren Verein interessiert. Charmanterweise ist die Quote der Quellen der für diesen Austausch nötigen Schreibenden gemessen an der Zielgruppe / den Lesenden, weit höher als beim Anderen.

Das Andere. Das sind die von euch oben angesprochenen. Die machen Meldungen für die Massen. Quote kommt vor Inhalt. Die Masse hat gar kein Interesse an Inhalten, wie ihr oder auch ich sie zu vermitteln versuchen. Die lesen Zeitungen, wie sie ins Stadion gehen: reines Konsumieren. Ja, ich werte hier. Ganz subjektiv versteht sich. Ohne eine Existenzberechtigung abzusprechen, denn die gibt es. Jedoch schweife ich ab.

Es sei sich nur einmal vorgestellt, alle Nachrichten entstünden ungefähr so, wie die im Fußballfankontext. Das lesen auch ganz viele Menschen, was sollen sie auch sonst machen. Und sie glauben das, finden es gut oder schlecht. Aber sie glauben es. Zumindest die Masse glaubt es. Sie soll es glauben, sie will es glauben, sie kann nicht anders als es zu glauben. Deswegen funktioniert das ganze System. Will sagen: Wir haben doch letzten Endes weit größere Probleme als die journalistische Qualität in Sportredaktionen. Und das schreibt ihr ja auch, und wenn man ehrlich ist, stehen die Dinge eben nicht auf der Agenda eines Sportjournalisten und gehören da im engeren Sinn auch nicht hin. Das können wir gut oder doof finden, ist aber erstmal so. Da werden irgendwelche Hanseln dafür bezahlt, massentaugliche Hetze über Dinge zu bringen, von denen sie nicht im Ansatz Ahnung haben. Brauchen sie auch nicht, denn sie sollen ja das schreiben was interessiert, was aufregt, was das Herz berührt. Immer streng normkonform und immer unter dem Dogma der hohen Auflage bzw. im Zeitalter neuer Medien möglichst vieler Klicks. Und den größten Gefallen tun wir ihnen auch noch, denn auch wir knüppeln uns den Scheiß rein. Im Wissen um eine andere Wahrheit schreiben wir dann unsere Pamphlete und lenken noch mehr Leute auf die Seiten derer. Streng genommen sind wir auch bloß eine Komponente im Boulevardapparat. Mopo – come in and find out, oder so…

Letzten Endes bleibt also ein wirklich schön geschriebener Blogtext, in dem wir uns alle wieder mal klar gemacht haben, dass:

-”wir” in der Minderheit sind
-die Medien so sind wie sie sind
-Zielgruppenorientierung in jedem Kontext das einzig wichtige Paradigma ist
-Sankt Pauli dreckig war, ist und irgendwelcher “Kriminellen” sei dank auch bleibt.

Herzlichst
ein dezent desillusioniertes Lichterkarussell
(Blogger, weder selbster- noch sogenannt, sondern einfach so)

Schreibe ich und erhalte prompt eine SMS, das solle ich mal in mein eigenes Blog packen, das sei zu gut, um in einer Kommentarspalte zu versauern. Nagut.

Nur wenn ich das tue, dann muss ich auch andere Punkte ansprechen, denn das ist kein Blogbeitrag, das ist bloß ein Kommentar. So viel also, als zu lange Einleitung, hoffe der Hauptteil wird kürzer.

Worüber müssen wir also sprechen? Ein Thema ist die mediale Aufarbeitung des Geschehenen, da haben sich die Kollegen vom MagischenFC schon zu genüge abgearbeitet und auch von meiner Seite ist in form der obigen Zeilen mehr als nötig zum Thema beigetragen.

Denn wir müssen über Repression sprechen

Es ist der Dauerbrenner unter Fußballfans. Die Repression, die ihnen allenthalben entgegenschlägt. In erster Instanz natürlich von der Staatsmacht, ferner werden aber auch Anstoßzeiten, Verbände, Vermarktung, Fernsehen, usw. als böse Einflüsse auf ihre Kultur perzipiert. De facto üben all jene genannten Akteure, Institutionen und Faktoren tatsächlich einen Einfluss auf den Profifußball aus und tangieren damit natürlich direkt oder indirekt die Fans und ihre Belange.

„Man muß aufhören, die Wirkungen der Macht immer negativ zu beschreiben, als ob sie nur ausschließen, unterdrücken, verdrängen, zensieren, abstrahieren, maskieren, verschleiern würde. In Wirklichkeit ist die Macht produktiv; und sie produziert Wirkliches. Sie produziert Gegenstandsbereiche und Wahrheitsrituale: das Individuum und seine Erkenntnis sind Ergebnisse dieser Produktion.“ (Foucault: Überwachen und Strafen 1977, 250)

Es ist mitnichten so, dass der böse Repressionsapparat die armen kleinen Fußballfreunde in der Auslebung ihrer Kultur hindert, vielmehr ist es der Produktionsapparat der Macht, der Fußballfans die Rahmenbedingungen ihres Handelns und Seins definieren lässt, oder anders gesagt, die Fußballfankultur, wie sie vor den bösen Einflüssen von außen zu verteidigen sei, gäbe es in der (zu  verteidigenden) Form gar nicht ohne diese Einflüsse. Wir tun gut daran uns nicht als Opfer eines Herrschaftsapparates zu sehen, dem wir uns machtlos gegenüber finden und gegen den wir mit unseren „Bullenschweine“-Transparenten nicht im Ansatz etwas auszurichten im Stande sind. Stattdessen sollte sich die Selbstwahrnehmung viel mehr dahin verändern, dass wir uns als Teil eines komplexen Apparates verstehen, in dem Milieus kreiert werden, Delinquenz produziert wird, in dem der Widerstand der einen Gruppe einen normativen Effekt auf eine andere Gruppe hat. Wir müssen beginnen uns jener vielschichtiger Verflechtungen bewusst zu werden.

Denn wir müssen über Macht sprechen

Macht ist nicht das, was ein Präsident oder Vorstand von Polizei, Fußballbund, Ligaverband, Verein, Fernsehsender, etc. in seiner Schreibtischschublade liegen hat und bei bedarf gegen die bösen Chaoten, Fußballfans, Autonomen, Störer, Krawallos, unbescholtene Bürger oder sonst irgendwen herausholt und einsetzt um seine Interessen durchzusetzen und dem letztgenannte im Umkehrschluss machtlos gegenüberstehen, ihr ausgesetzt sind. Wäre das so, hätte es nicht eine Revolution gegeben oder, um nicht ganz in die großen Zusammenhänge zu gehen, gäbe es z.B. keinen Ständigen Fanausschuss, der sich mit dem Präsidium unseres Vereins trifft.

„Wo es Macht gibt, gibt es Widerstand. Und doch oder vielmehr deswegen liegt der Widerstand niemals außerhalb der Macht.“ (Foucault: Der Wille zum Wissen. Sexualität und Wahrheit I 1983, 96)

Wenngleich Hannah Arendt einen etwas anderen Machtbegriff entwirft,

„Über Macht verfügt niemals ein Einzelner; sie ist im Besitz einer Gruppe und bleibt nur so lange existent, als die Gruppe zusammenhält“ (Arendt: Macht und Gewalt)

tun wir nicht schlecht daran ein Bewusstsein dafür zu entwickeln, dass ganz gleich wessen Machtbegriff der Realität mehr entspricht, wir keineswegs macht- und einflusslos vor schier unlösbaren Problemen stehen, wobei mir der übergeordnete Fußballkontext das größere Problem zu sein scheint, als eventuelle szeneinterne Probleme.

Denn wir müssen über Gewalt sprechen

Wir wissen alle, dass es Gewalt bei Sankt Pauli immer gab und ich bin es, genau wie viele andere sicherlich auch, leid ständig irgendwem erklären zu müssen, dass linke Gegenkultur, wie sie am Millerntor in den 1980ern Einzug gehalten hat, nie frei von Gewalt stattfindet. Es scheint mir aber ein weit verbreitetes Phänomen, die Vergangenheit verklärt wahrzunehmen, was irgendwelche Hirnforscher ja auch zu Hauf erklärt haben. Es scheint mir auch der allgemeine Zeitgeist zu sein, Entwicklung als etwas Rückständiges, wie Rückschrittiges zu begreifen. Das Bild der Mönche, die einen Schritt vor und zwei zurück machen und sich im Anschluss die Bibel vor die Rübe ballern (Monty Pythons: Die Ritter der Kokosnuss), trifft doch ziemlich gut, wie sich ein Großteil der Menschen – oder der Menschheit gar – verhält bzw. entwickelt.

Wenngleich ich genug Leute kenne, die, genau wie auch ich selbst, bestimmten Auswüchsen und Phänomenen in und um unsere Fanszene kritisch gegenüberstehen, ist es viel zu leicht und viel zu kurz gedacht, die Lösung dessen in Distanzierungen oder Ausschlüssen zu suchen. Viele Aspekte der angesprochenen Phänomene stehen grundsätzlichen Werten unserer Fanszene diametral gegenüber. Mackertum, Sexismus, etc. sind keine Seltenheiten. Das ist der Grund, weswegen von einem Problem gesprochen werden kann. Die Frage die sich stellt ist doch, wie und ob, wir einer Lage Herr werden können, deren Ursachen vielschichtiger nicht sein können. Die Soziologen in meinem Freundeskreis hantieren mit Begriffen wie „anomischer Druck“, „Bildungsferne“, „Gewaltdynamik“, etc.. Will sagen, wir besitzen viele tolle Theorien, über das was da passiert, nur patente Lösungsmodelle zu entwickeln, um jenem reaktionären Einfällen von Ausschluss und Distanzierung etwas entgegenzusetzen fällt zunehmend schwer, jedoch widersprechen jene reaktionären Verlautbarungen den Werten unserer Fanszene ebenso und sind nicht minder als Problem zu benennen.

An dieser Stelle komme ich nicht weiter. Ein handfestes Echo auf polizeiliche Eingriffe in die Freiheit der Menschen finde ich schwerlich zu verurteilen. Ein Angriff auf eine leere Kneipe kann ich als Dummheit verurteilen, nur kann ich sie von ersterem trennen? Welche Rolle habe ich als Blogger, welche wir als Fanszene in Bezug auf diese Entwicklung? Was können und wollen wir dulden, was finden wir sogar gut und wo hört der Spaß auf? Es ist schwer darauf Antworten zu finden. Gewissheit besteht für mich lediglich in dem Punkt, dass mir pauschale Verurteilungen irgendeiner Handlung doch etwas zu tumb sind – dafür unterhalte ich mich zu oft und zu gerne mit den Soziologen unter meinen Freunden.

Wir können feststellen, dass unsere Probleme die Probleme unserer Gesellschaft ist, wir können feststellen, dass Macht eine komplexe Angelegenheit ist, wir können eine Utopie haben, in der Gewalt zwar existent ist, aber minimiert sein sollte, wir können, kurzum, vieles, nur können wir nicht mit Populismus die Probleme einer Gesellschaft lösen. Das können wir genauso wenig, wie die Politik. Zumindest können wir das nicht alleine. Das einzig kompetente Kollektiv, fähig diese Sachverhalte aufzulösen, scheint mir die Gesellschaft selbst.

Und daher ist der Text von den Kollegen beim MagischenFC Blog vielleicht doch ein Stoß in die richtige Richtung, denn letzten Endes geht es um ein Bewusstwerden, um ein Bewusstmachen gesellschaftlicher Prozesse und da spielen gerade die Medien der Masse eine entscheidende Rolle. Der Text wird nichts verändern, ich bleibe dabei, er ist bloß Balsam für die interessierte Fanseele. Er benennt aber zweifelsohne zentrale Akteure und damit eventuell einen der Schlüssel, zur Entwirrung gesamtgesellschaftlicher Probleme, deren Auflösung ich in so weiter Ferne sehe, weswegen ich desillusioniert aber nicht resigniert verbleibe, denn:

„Die Macht kommt von unten,[…]“ (Foucault: Der Wille zum Wissen. Sexualität und Wahrheit I 1983, 115)

Veröffentlicht von

Hugo Kaufmann

Geboren nahe einem Bauernhof in Norddeutschland wuchs Hugo in ländlicher Idylle auf. Von der Ruhe genervt zog er mit Anfang 20 in die weite Welt hinaus, getrieben von dem Ziel fortan an jeder etwas größeren Revolution teilzunehmen. Letztlich strandete er in Hamburg, wo der FC Sankt Pauli sein Revolutionsersatz wurde. Er glaubt weiter an das schöne Leben in der klassen- und herrschaftslosen Gesellschaft, weiß aber, mit Sankt Pauli wird das nicht erreicht. Es folgte die Flucht in digitale Welten, wo er das Lichterkarussell im alkoholisierten Überschwang “erfand”. Fehlende Ahnung wird seither mit exzessivem Fremdwortgebrauch zu kaschieren versucht. Halbwegs gebildete Menschen durchschauen das natürlich sofort. Motto: “Auch wenn alle meiner Meinung sind, können alle unrecht haben.”

  • http://stpaulinu.de ring2

    Wie so oft Zustimmung in weiten Teilen, nur hierzu noch eine Anmerkung: „Und doch ist es eine Minderheit, die sich für derart detaillierte, mitunter differenzierte und stets zutiefst subjektive Wahrnehmungen einer Wahrheit um ihren Verein interessiert. “
    … das halte ich für falsch. Denn wenn man unsere Reichweite kumuliert, und diejenigen einbezieht, die wir über unsere Diskurse erreichen, dann kann sich eine Mopo warm anziehen!

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  • http://blog.uebersteiger.de Frodo

    Lieber ring2, Deinen Optimismus in allen Ehren, aber das „kumulieren“ scheitert wahrscheinlich schon daran, dass ein großer Teil der interessierten Leser unserer Seiten wohl „Allesleser“ ist und sich das Kumulieren daher eher verbietet, weil die Schnittmange einfach zu groß ist… Und selbst wenn doch, erreichen wir eben nicht die „Masse“. Das ist aber (oder sollte), wie hier richtig ausgeführt, auch nicht unser Anspruch sein. Die Masse liest Boulevard, und wenn man sich dann ein mal im Jahr versehentlich in deren Online-Kommentare verirrt, kommt man vor lauter Kotzen gar nicht mehr zum Atmen.
    Die Leute will ich nicht erreichen, und könnte es wahrscheinlich inhaltlich auch nicht, macht aber nichts.

    @Lichterkarussell: Danke (wie so oft) für diesen Text, dieses Mal hab ich ihn auch ganz wirklich bis zum Ende gelesen und nicht schon vorab blind vertraut 🙂

  • http://metalust.wordpress.com momorulez

    Daran anknüpfend: Was eben geschehen muss, ist, wie schon in den 60er, 70er und 80er Jahren die Institutionen mit kommunikativer Gegenmacht anzugreifen. Das Problem ist doch, dass anders als vor dem Mauerfall auf der Irgendwielinken eine Situation entstanden ist, dass ständig Institutionen, die Teil des Herrschaftsapparates sind, gegen rechte Bestrebungen verteidigt werden mussten – der Sozialstaat, die Grundrechte usw.. Dabei wurde aber vergessen, sie weiterhin unter Legitimationsdruck zu stellen. Theoretisch knüpft das an Hannah Arendt und Habermas an, deren Begriffe kommunikativer Macht den Prozess vor der Institutionalisierung beschreibt. Und der ist gar nicht so weit weg von Foucault, nur das letzterer pfiffig genug war, in vermeintlich progressiven Denkarten wie dem Freudomarxismus, der Verbindung von Marxismus und Psychoanalyse, die Fallen zu finden. Das war ja in den 60er und 70er Jahren eine höchst populäre Strömung. Und auch Foucault unterscheidet zwischen Macht und Herrschaft; letztere ist die geronnene Form, wie sie in der DDR zum Beispiel vorherrschte.

    Lange Rede, kurzer Sinn: Wir machen das schon ganz gut, weil das Internet eben die Möglichkeit bietet, jenseits institutionalisierter Formen kommunikative Gegenmacht zu entfalten. Und dürfen vor allem nicht den Fehler machen, uns ständig Debatten über uns selbst aufdrängen zu lassen, sondern eben weiterhin diese grenztotalitären Konglomerate DFB – Polizei -Medien -Behörden verbal angreifen. Deren völlig überzogenes Reagieren – Gefahrengebiet ausrufen, weil ein Haufen Fans auf dem Südkurvenvorplatz stehen – zeigt doch, wie nervös die so sind. Dass nun auf einmal Warriorz und 187 in den medialen Focus gerückt werden, das ist schon ein Zeichen dafür, dass sie Angst vor der Systemerosion haben, wie sie ja andernorts in Europa längst schon vollzogen ist. Und auch da kann die Antwort wieder nur sein: Die Instituionen an den Pranger stellen und die Frage nach der Legitimation stellen, aber bloß nicht ständig „die Fanszene“ diskutieren. Das kann ja der autoriär-konservative Lynchmob in den Facebook- und Mopo-Kommentaren tun. Die sind eh der ewigen Verdammnis anheim gefallen 😀 – und ernâhren sich von den Systempathologien, deren Symptom sie sind.

    • http://lichterkarussell.net Lichterkarussell

      Das kann ja der autoriär-konservative Lynchmob in den Facebook- und Mopo-Kommentaren tun. Die sind eh der ewigen Verdammnis anheim gefallen – und ernâhren sich von den Systempathologien, deren Symptom sie sind.

      Vermutlich hast du da recht, als Idealist und Utopist, komme ich aber nicht umhin zumindest zu hoffen, dass zumindest einige derer zu erreichen sein könnten.

      Viele Einschränkungen – wohl Ausdruck schwindender Illusionen 😉

      Danke für den umfassenden und wieder mal nicht minder lehrreichen Kommentar

    • andrepascal

      Nun muß hier auch mal ein Nicht-Blogger zum Reden kommen:
      Momo,
      (Zitat) (…) Und dürfen vor allem nicht den Fehler machen, uns ständig Debatten über uns selbst aufdrängen zu lassen, sondern eben weiterhin diese grenztotalitären Konglomerate DFB – Polizei -Medien -Behörden verbal angreifen. (…)“
      … das ist letztlich das Thema, worüber ich gestern den ganzen Tag still nachgedacht habe.
      dfb, polizei, medien spalten mit Ihren Quoten-Gequatsche die Fanszene. Jedes Mal sind alle wieder mit der eigenen Fanszene beschäftigt. „Scheiß usp“ / „fcsp-Krwallejugendliche“ / „fcsp-linksautonome“ etc. Von außen betrachtet könnte man ein „jeder gegen jeden“ wahrnehmen. Und da frage ich mich, ob das nicht genau so gewollt ist. Die Masse der Fanszene spalten. Durch dfb, polizei, medien.
      Ich weiß nicht, welche Reichweite Eure einzelnen Blogs haben. Aber ich finde diesen von Dir zitierten Satz (s.o.) absolut richtig. Egal, wie viele oder wenige Ihr damit auch erreicht. Das, was Ihr schreibt, muß geschrieben/veröffentlicht werden. Um genau dieses Gegengewicht zu haben, welches sich dann nicht nur mit der eigenen Fanzszene beschäftigt und sich diese Diskussion aufdrücken lässt, nein, um eben einen Teil der Fanszene selbst sprechen zu lassen. Einen Teil, der sich das aufdrücken der Selbsthinterfragung verwehrt und stattdessen die äußerliche Macht (dfb, polizei, medien) dazu auffordert, sich zu hinterfragen. Ich verweise bei Gesprächen mit einigen Nörglern („usp mal wieder schuld“) („gegen rostock gab´s ohne usp die beste stimmung“) gerne auf eure Blogs. Den einen oder anderen bringt Ihr zum nachdenken. Und das ist es, was Eure Texte tun sollten. Keine Meinung bilden, sondern anregen zum denken!

      Aber Ihr könnt machen wat Ihr wollt, ich bin kein Blogger… 😉

      • http://lichterkarussell.net Lichterkarussell

        Ich will n Like-Button für Kommentare!

        • http://metalust.wordpress.com momorulez

          Ich schließe mich dem an 🙂 – und der Kampf um „Diskurshoheit“ und „Perspektivenverengung“ oder auch nicht ist ja seit dem Internet auch deutlich offener geworden. Früher mussten sich altehrwürdige Institutionen wie Der Übersteiger da ganz alleine gegen stemmen, jetzt sind es viele.

          Und zumindest die Blogs vom Magischen FC wie auch Stpauli.nu – ergänzt durch die riesige Facebookgruppe, das sind mittlerweile 13.000, glaube ich – haben mittlerweile eine enorme Reichweite, das Lichterkarussell auch, wenn ich mir meine Referer so angucke. Einträge, die durch das Forum geschleift werden, was ich meinerseits von mir aus nie mache aus Gründen, erreichen dann selbst im Falle meiner schwurbeligen Art über 1000 Hits, was für so ein Nischenprogramm wie dem meinen ziemlich okay ist. Es ist zudem so, dass man den Eindruck gewinnt, dass in den Mainstream-Medien vielleicht nicht bei Herrn Wenig, aber, wenn ich das richtig mit bekommen, bei Herrn Wöckener die Aufmerksamkeit ebenso da ist wie bei Teilen der Vereinsoffiziellen. Was ja gut ist, vieles würden die sonst auch gar nicht mitbekommen können, und das sind für die ja wichtige Informationen. Das alles wird nie an die BILD oder so heran reichen, aber wie meinungsbildend die nun wirklich ist, das weiß ja auch kein Schwein, weil gerade im Falle des Shitstorms in Kommentarspalten das Netz manchmal auch verzerrte Eindrücke erzeugt.

          Insofern auch Danke für Deine unterstützenden Worte 😉 …

  • http://metalust.wordpress.com momorulez

    Gern geschehen 🙂 – eine Ergänzung vielleicht noch : Die Gefahr beim verbalen Angreifen der Instituionen ist immer Ungarn aktuell, z.B., diesen Angriff gibt es ja auch von rechts. Auch die französischen Wahlergebnisse, 20% Le Pen, gehören in den Zusammenhang.Die reden ja auch von „Systemparteien“, setzen dem allerdings zu uns völlig konträre Antworten entgegen. Was dann wieder auf ’89 verweist: Der Linken ist die Utopie abhanden gekommen, und das zeigt sich allerorten schmerzlichst. Bloggen im Rahmen des FC St. Pauli begreife ich somit auch als konkrete Utopiearbeit 😀 – ernsthaft. Man muss die Kriterien schärfen, anhand derer man Kritik übt, um bessere Institutionen zu denken, glaube ich. Aber wir sind ja dran hier alle miteinander 🙂 …

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