Dringlichkeitsantrag: Vollkontrollen

In Ergänzung zu unserem Text zu den verschiedenen JHV Anträgen gebietet es die Vollständigkeit, auch einen Dringlichkeitsantrag, dessen Stellung im Sankt-Pauli-Forum öffentlich gemacht wurde, hier aufzugreifen. Wenngleich nicht klar ist, ob dem Dringlichkeitsantrag stattgegeben wird, ist es ein guter und wichtiger Antrag.

Im Antrag wird der erneute Vorstoß der DFL ein Sicherheitspapier zu etablieren aufgegriffen und dem Verein untersagt, sogenannte Vollkontrollen durchzuführen. Ein gutes und wichtiges Versatzstück in der Auseinandersetzung um den öffentlichen Sicherheitswahn wäre mit der Annahme des Antrags beim FC St. Pauli implementiert.

Antrag:Dringlichkeitsantrag an die Ordentliche Mitgliederversammlung am 26.11.2012 gemäß § 15 Ziffer 5 der Vereinssatzung

Die Mitgliederversammlung möge beschließen, den Organen des Vereins die Veranlassung sogenannter Vollkontrollen / Ganzkörperkontrollen von Heim- oder Gästefans bei den Spielen des FC St. Pauli zu untersagen und sie zugleich beauftragen, im Falle einer entsprechenden Veranlassung von staatlicher oder anderer Seite sämtliche rechtmäßig zur Verfügung stehenden Mittel, insbes. auch Rechtsmittel, auszuschöpfen, um die Durchführung abzuwenden.

Begründung:Vor dem Hintergrund der Debatte um die Sicherheit in den Stadien und der derzeitigen DFL-/DFB-Linie zeigt die aktuelle Entwicklung deutlich, dass Vereine sich verstärkt im Druck sehen, sich vor drakonischen Verbandsstrafen durch überhöhte Maßnahmen zur Kontrolle der Stadionbesucher abzusichern. Es erscheint zunehmend notwendig, in diesem Themenbereich Grenzen zu definieren und diese auf der breiten Basis eines Mitgliedervotums den Vereinsorganen an die Hand zu geben. Besondere Aktualität hat hierbei das Thema Ganzkörperkontrollen gewonnen, nachdem innerhalb nur einer Woche zwei Vereine zu dieser Maßnahme gegriffen haben, so dass dies im Mittelpunkt dieses Dringlichkeitsantrages steht.

Mit dem Mittel der Ganzkörperkontrollen sehen die Antragsteller eine entscheidende Grenze als klar überschritten an, denn dieses drastische Mittel ist zur Erhöhung der Stadionsicherheit weder erforderlich, noch geeignet, noch angemessen, und daher unverhältnismäßig im Sinne des rechtsstaatlich verankerten Verhältnismäßigkeitsprinzips, mithin fehlt ihm jede Legitimation und Rechtmäßigkeit. Vollkontrollen, bei denen Stadionbesucher intensiv durchsucht werden und sich ganz oder teilweise entkleiden müssen, bedeuten einen tiefreichenden Einschnitt in die Privatsphäre und die grundrechtlich geschützte Würde des Menschen. Der daraus resultierende hohe Anspruch, der an die Kriterien zur Durchführung einer solchen Maßnahme zu stellen ist, wird vollkommen missachtet, indem hier große Personengruppen, die nicht näher bestimmt werden als durch die Pauschaldefinition, Besucher eines Fußballspiels zu sein, dieser Prozedur unterzogen werden. Stadionbesucher werden schon allein durch deren Androhung unter einen kriminalisierenden Generalverdacht gestellt, während die Auswahl der Personen, an denen die Maßnahme tatsächlich vollzogen wird, willkürlich und fernab jeder Kontrolle auf Basis undurchsichtiger und undefinierter Kriterien durchgeführt wird, was im krassen Gegensatz zu jedem rechtsstaatlichen Mindestanspruch steht.

Hinzu tritt die fehlende Erforderlichkeit und Geeignetheit einer solchen Maßnahme, zur Erhöhung der Sicherheit im Stadionbetrieb beizutragen. Während die Erforderlichkeit schon anhand offizieller und öffentlich verfügbarer Daten und Statistiken leicht widerlegbar ist (der Besucher eines Fußballspiels lebt hiernach erheblich sicherer als der Besucher nahezu jeder anderen Großveranstaltung), wird hinsichtlich der Geeignetheit das Ziel nicht nur verfehlt, sondern gar unnötig ein Eskalationspotential erst geschaffen, da sich die ersichtliche Unangemessenheit und Überzogenheit provozierend und konfliktverschärfend auswirkt. Auch die große Mehrheit der friedfertigen Stadionbesucher wird es nicht widerstandslos über sich ergehen lassen, sich diskriminierenden und demütigenden Einlasskontrollen zu unterziehen, die ohne klaren Grund so massiv in ihre Persönlichkeitsrechte eingreifen.

Schlussendlich werden alle Bemühungen, die sogenannte „Gewaltdebatte“ zu versachlichen und von hysterischen Untertönen befreit in einen konstruktiven Dialog aller Beteiligten hinüberzuführen, durch solche Maßnahmen massiv konterkariert und torpediert. Wenn die DFL in ihren Vorschlägen zur statuarischen Verankerung des Dialoges richtigerweise feststellt, dass u.a. Diskriminierung, Gewalt und Rechtsverstöße nicht Bestandteil einer positiven Fankultur sein können, dann sollte dieser Grundsatz auch für die Kultur der Verbände und Vereine Gültigkeit haben.

Lichterkarussell Wahlempfehlung: Der Zulassung des Antrags und dem dann hoffentlich zugelassenen Antrag sollte unbedingt stattgegeben werden.