“Das Ding vor Ort” fragt in Karlsruhe beim Abschlusskonzert der “Frei.Wild”-Tour die Fans ob die Band denn jetzt rechts sei. Außerdem wird Felix Benneckenstein, ehemaliger Nazi, rechter Liedermacher (Flex) und heute Aussteiger sowie Mitgründer von Aussteigerhilfe Bayern e.V. zur Band und ihren Liedern befragt.
*Disclaimer: Die hier verlinkten Quellen konnten von mir nicht auf “Coolness” überprüft werden. Sie dienten der Recherche und dienen hier als Beleg. Kann sich aber durchaus gut und gern um Arschgeigen handeln, die die Seiten betreiben – Keine Ahnung! Grundsätzlich ist mir der ganze (Black) Metal Wust allgemein ein viel zu undurchsichtiger Sumpf, da gibt es Menschen, die sich weit besser als ich auskennen.*
Im letzten Blogpost thematisierte ich in einer Randnotiz die Black Metal Band “Faagrim” und ihr (ehemaliges) Plattenlabel “Christhunt Productions”. Letzteres steht in direktem Bezug zu diversen NSBM-Bands, die sie vertreibt. Ich hatte nicht mitgeschnitten, dass “Faagrim” das Label mittlerweile gewechselt hat, der Vorwurf in einer Grauzone verortet werden zu müssen wird dadurch nicht weniger haltbar. Zur Kritik am ehemaligen Label erklärt der “Faagrim”-Frontmann:
“Ich persönlich habe kein Problem mit Christhunt Productions. Sicherlich wird man des Öfteren mit anderen Bands die auch unter CHP fungieren gleichgesetzt, aber das stört mich herzlich wenig. So lange man sich selbst nichts zu schulden kommen lässt, gibt es keinen Grund sich mit irgendwelchen unberechtigten Denunzierungen auseinanderzusetzen. Und eine Band nur wegen eines Labels oder eventuell “ähnlichen” Bands in eine bestimmte Ecke zu drängen, finde ich ohnehin etwas lächerlich.”
Was Frontmann “Rottensang” nervt wird auch aufgegriffen:
“Aber auch diese ganzen osteuropäischen pseudeo NSBM Bands [regen ihn auf; Anm. d. Verf.], deren Großväter wahrscheinlich noch die unseren im Krieg erschossen und die damalige „Ideologie“ bekämpft haben [Rassismus ist ausschließliches Recht von Deutschen?; Anm. d. Verf.], denen es heutzutage aber anscheinend nur noch darum geht, möglichst oft „SH“ zu brüllen und die Symbolik des dritten Reichs im Logo, oder CD-Booklet zu haben, gehen mir gehörig gegen den Strich.” [meine Hervorhebung; d. Verf.]
Eine generelle Distanzierung vom NSBM sieht anders aus. Es impliziert ja sogar, dass es richtigen und legitimen NSBM gäbe, der nicht zu kritisieren sei. Hier wird die Problematik des Genres, besonders des Schwarzmetalls, mehr als deutlich. In einem Fahrwasser, das ohnehin schon mit den Mythen und der Mythologie, dem Germanentum und ähnlichen Themen, strukturelle Anknüpfungspunkte für rassistische und faschistoide Ideologien bietet, wird ein klares Bekenntnis gegen derartige, verblendete Sichtweisen noch notwendiger, als es ohnehin schon ist. Genau das erfolgt aber nicht. Stattdessen wird nach dem klassischen Schema verfahren, nach dem man sich selbst als “unpolitisch” präsentiert und die Diskussion um Ideologie damit für beendet erklärt.
Rassismus wird damit zur legitimen politischen Ansicht bagatellisiert und politische Ansichten werden zur Privatsache verklärt. So verfährt auch die Band “Nekrokrist SS” deren Name schon aufschrecken lässt. Diese finnische Kombo, bestehend aus “Nekroführer” und “Nekrokommando” sieht sich selbst als gänzlich normale Black Metal Band. Die persönlichen Ansichten werden zur Privatsache erklärt (“Nekrokrist is not NSBM band, what WE are is not anyone’s business!”). Der Namenszusatz “SS” bezieht sich natürlich nicht auf das, was alle denken, sondern symbolisiert die satanische Bruderschaft des Anti-Christen (“‘SS’ – of the band name have very different meaning that you may think. In a way it symbolizes the satanic brotherhood of me and Nekrokommando! The name Nekrokrist SS means us the brotherhood of Anti-Christ.”). Das alles wirkt wenig glaubwürdig und mehr als zweifelhaft, nicht zuletzt beim Titel des 2003er Demotapes “Gas Chambers, Crematory And Hell“, das unter anderem den Track “Gas Chamber 88” enthält. Der Zahlencode 88 ist dort natürlich sicher nur zufällig. (Interview-Passagen)
Mit dieser doch eher zweifelhaften Band hat “Faagrim”, die seit ihrer zweiten Platte beim französischen Label “Thors Hammer Productions” erscheinen, nun eine Split CD veröffentlicht. Die Verortung von “Faagrim” in der Grauzone scheint damit zusätzlich zu oben zitierter Aussage nochmals unterstrichen.
(Nachtrag: Diese Split ist von Thors Hammer Productions in Zusammenarbeit mit “Darker than Black Records” produziert worden. Dies ist das Haus und Hof-Label DER deutschen NSBM-Band “Absurd”. Dies ist zweifelsohne als weiterer Beleg für die uncoolen Fahrwasser, in denen sich Faagrim bewegt, zu werten.
Ein weiteres schönes Beispiel für Faagrims mindestens vorhandene Rechtsoffenheit ist das Demotape “…und Winter kam”. Auf dem Tape fand sich mit “The Vampiric Tyrant” ein Cover der Band “Satanic Warmaster” zu der u.a. Wikipedia Interessantes zu berichten weiß. Abgerundet wird das Tape durch einen Schriftzug in Runenform im Booklet: “Nordgermanischer Heimatsfront Schwarz Metall” steht dort geschrieben.)
Ich hatte im letzten Blogpost dem Elmshorner Eventclub “One” vorgeworfen, dieser Band mit dem dort am Samstag 12.01.2013 stattfindenden Bandcontest ein Forum zu bieten, was nach dem Konzert der rechten Hoolband “Kategorie C” ein weiterer Beleg für die Kurzsichtigkeit des Veranstalters gewesen sei. Was bei “KC” fehlte, war hier nun gegeben, nämlich der Bandname und damit die Möglichkeit zu Recherche und Kontaktaufnahme. Allerdings natürlich bestünde auch für mich die Möglichkeit der Kontaktaufnahme zum “One Elmshorn”. Ich wurde heute darauf hingewiesen, dass – anders als ich – offenbar Elmshorner Metalfans das “One” direkt mit den Ergebnissen einer ähnlichen Recherche zu “Faagrim”, wie ich sie angestellt habe, konfrontiert haben.
Der Betreiber war dem Vernehmen nach sehr dankbar für den Hinweis und gab der Band daraufhin die Chance sich zu erklären. Da diese sich auf die typischen Gemeinposten “unpolitisch”,“nur Musik”, etc. zurückzogen, wurde die Band daraufhin offenbar vom Contest ausgeschlossen. Insofern muss dem “One” und seinem Betreiber hier ein Lob und den entsprechenden Elmshorner Metalheads ein Dank für’s Kümmern ausgesprochen werden.
(Nachtrag: Anders verhält es sich mit dem eher linken “Juki42” in Ahrensburg, wo Faagrim am 26.01.2012 beim “Mosh N Roll” Festival auftreten darf. Unseren Informationen zufolge, hatte man die Band anfangs Abgelehnt, ihnen inzwischen aber abgenommen, sich glaubhaft vom vorherigen Schaffen losgesagt zu haben. Wie glaubwürdig die Distanzierung sein kann, wo die oben angesprochene Split, die doch deutliche Verquickungen ins NSBM-Milieu aufweist, doch erst 2012 erschienen ist, bleibt fraglich.)
(Nachtrag: Wie ein Kommentator richtig anmerkte ist “Faagrim” mittlerweile bei “Misanthropic Art Productions”, das Album “Torchlight Funerals” soll dieses Jahr erscheinen.)
Vielen Dank an alle, die weitere Hinweise gegeben haben.
Wenn die Band „Kategorie C – Hungrige Wölfe“ heutzutage Konzerte spielt, wird der genaue Veranstaltungsort stets erst am Konzertabend über eine anzurufende Handynummer bekanntgegeben. Vorher gibt es nur eine grobe Ortsbestimmung, etwa „Großraum Hamburg“. Das macht antifaschistische Intervention gegen die Bremer Hooliganband und ihre Fans, beide „unpolitisch“ – also in weiten Teilen extrem rechts, tatsächlich schwierig. So bleibt oftmals nur, die Betreiber der Lokalitäten, in denen die Band ihre Konzerte spielt, auf das Wesen der Gäste hinzuweisen.
Der Betreiber des „ONE-Elmshorn“ ahnte nichts Böses, als er seinen Laden für ein Konzert mit „Deutsch-Rock“ buchen lies. Nun erstattet er Anzeige, nicht gegen die Band, sondern die Antifa Pinneberg. Die hatte öffentlich Bedenken geäußert, dass er, Kullen Bronst, neben dem „Karl-Heinz-Timm-Gedächtnisturnier“ für Jugendfußballmannschaften nun offenbar auch Rechtsrock Konzerte veranstalten würde. Der Ärger über die so hergestellte Verbindung und die Angst um seine Reputation ließen ihn nun offenbar das Mittel der Anzeige wählen. Dass er nicht wusste, wem er da das „ONE“ anvertraut, ist durchaus glaubwürdig, die Anzeige zeugt jedoch von schlechtem Stil. Es wäre nicht zu viel verlangt nach dem Namen der Band zu fragen, die da aufspielen soll und Recherchen zu betreiben. Gerade zu „Kategorie C“ ist da ja schnell valides Material zu finden.
So muss man eben auch durch die Scheiße waten, in die man sich wohl nur unabsichtlich hineingeworfen hat. Es mag sein, dass pauschale Fingerzeige auf Betreiber von Eventlocations nicht die Lösung des Problems sind, wie Robert Lüdecke von der Amadeo Antonio Stiftung sagt. Doch können sie eventuell helfen zu einer Sensibilisierung beizutragen. Locationbetreiber sollten allgemein vorsichtiger sein, an wen sie ihre Locations vermieten. Hätte Kullen Bronst sich im Wissen um die Identität der Band gegen das Konzert entschieden, wäre das ein wichtiger Schritt, den nicht einmal alle seiner Kollegen gehen würden. Zu sehr noch gilt vielen extrem rechtes Gedankengut als legitime politische Meinung, über die ein Locationbetreiber nicht zu urteilen hätte.
Lüdeckes Lösungsansatz, mehr verdeckte Ermittler in die Szene der extremen Rechten zu schleusen, mutet wie ein schlechter Scherz an. Es muss doch sehr verwundern, dass eine solche Forderung aus den Reihen der Amadeo Antonio Stiftung kommt, deren Blog Publikative.Org gar schon leierkastenartig auf die Hilf- und Erfolglosigkeit der V-Mann-Praktik der Verfassungsschutzämter hingewiesen hat. Nicht zuletzt durch den NSU-Fall wurde dies auf schockierende Weise bewiesen.
Ein Ansatz dem Problem tatsächlich – zumindest in Teilen – beizukommen, wäre es antifaschistischen Recherchen größere Bedeutung beizumessen. Stattdessen jedoch wird ganz im Sinne der Extremismustheorie alles „linksextreme“ kriminalisiert. Während auf die staatliche Akzeptanz also lange gewartet werden kann, ist die zivile Akzeptanz weit einfacher zu realisieren. Angefangen werden könnte mit dem Zurückziehen der Anzeige. Beim nächsten Mal könnten Kullen Bronst und seine Mitarbeiter ja einfach mal nachfragen, um welche Band es sich handle und sich vertrauensvoll an die Antifa Pinneberg wenden, um zu erfahren, wie cool die Band denn sei. Gesetz dem Fall natürlich, man möchte mit Herrn Bronst noch reden, nach der Anzeige.
Ergänzung: Noch absurder wird die Geschichte, wenn man sich das kommende Programm des One in Elmshorn ansieht. Dort findet in der kommenden Woche ein Bandcontest statt. Teil des Programms ist die Metalband „Faagrim“, die sich selbst als unpolitisch bezeichnet und sich in Interviews gerne vom NSBM (National Socialist Black Metal) distanziert. Schon nach kurzer Recherche ist allerdings ersichtlich, dass das Plattenlabel „Christhunt Productions“ dieser Band eindeutig dem rechten bzw. NSBM Milieu zuzuordnen ist. Nicht zu bestreiten also, dass sich „Faagrim“ damit wenigstens in einer dunklen Grauzone bewegt. Zufall? Offensichtlich zumindest nichts gelernt.
„Matz ab“ für meinen ersten Beitrag auf diesem Blog – welch thematisch grandioser Einstieg. Als ich die Auslassungen des Journalisten Dieter Matz bezüglich des Schweinske-Cups las, reagierten meine Hirnwindungen darauf wie so häufig, wenn sie mit Nonsens konfrontiert werden: „Och bitte“, „Halt doch die Fresse“, „Merkst du noch was?“ sind dabei einige, mögliche Reaktionsformen. Und doch sind es nur Reflexe, was für mich vielmehr die Frage aufwirft: Was nutzen diese kurzzeitigen, geistigen Reaktionen, die genauso vorhersehbar sind wie das Geschreibsel, auf die sie sich beziehen? Und dann schaue ich in die weite Welt des Netzes und stelle mit Erschrecken fest, dass diese Reflexe von anderen Personen auf diversen Kommunikationsplattformen schriftlich verifiziert werden. Mir wird dabei nicht klar, warum Sätzen wie
Statt Jubel auf den Rängen gab es entsetzte Gesichter, fliehende Fans, Mütter mit ihren Kindern – Schreie, Blut und Polizisten, die bemüht waren, diesen „Fußball-Krieg“ zu stoppen.
und einer Person wie Dieter Matz in der Braun-Weißen Sphäre generell eine minimale Bedeutung zugemessen wird. Anstatt sich über den Geisteszustand dieses Menschen zu äußern, über seine Motive zu spekulieren und/oder ihm die Sachkenntnis bezüglich des FCSP abzusprechen liegt der Erkenntnisgewinn doch ganz woanders. Dieter Matz ist der schwarz-weiß-blaue Buttje Rosenfeld. Null Schimmer von Fankultur, sportlicher Durchblick knapp über der Grasnarbe. Das ist Sportjournalismus „Marke Hamburg“, wo jeder Klugscheißer, der drei Ex-Spieler mit Vornamen kennt über alles schreiben und jeden urteilen darf, gepaart mit einer größeren Kelle Gefälligkeit für (in dem Fall) die bankrotten Veranstalter des Budenzaubers. Was als übliches Stilmittel provinzieller Käseblätter gilt, ist dem Hamburger Abendblatt als auch der MOPO gerade Recht genug. Letztere hingegen hatte zumindest den Anstand, über das Ergebnis der unabhängigen Untersuchungskommission zu den Vorfällen beim Schweinske-Cup zu berichten. Das ist Matz und seinen bräsigen Kollegen vom Abendblatt schon damals zu viel gewesen. Daher stellt sich die Frage nicht, ob Dieter Matz besonders dumm oder ignorant ist – er hat schlichtweg einfach keine Ahnung, wovon er schreibt und kommt seiner journalistischen Pflicht einer differenzierten Auseinandersetzung bewusst nicht nach. Schlimm genug, dass Hamburg dieses Geschreibe weiterhin ertragen muss…
„Auf der Jahreshauptversammlung des Clubs hatte die Mitgliedermehrheit Ende November einem Präsidiumsantrag zugestimmt, nach dem die Vereinsbeiträge für die über 17.000 Mitglieder pro Monat um gut 20 Cent steigen und auch die Ticketpreise ab der kommenden Saison erhöht werden, um daraus die Wache zu finanzieren.“ (taz.de)
Erstmal ist davon auszugehen, hier handelt es sich, zumindest bezüglich der Mitgliedsbeiträge, um ein Missverständnis der taz. Im Antrag auf der JHV wurde die Verwaltungskostenpauschale erhöht. Es handelt sich dabei um einen quasi buchhalterischen Posten. Die Mitgliedsbeiträge in den Abteilungen sind nach Abteilungssatzungen den jeweiligen Abteilungszwecken zuzuführen.
Mit dem Errichten einer externen Wache würde erstmal durch die entgangene Polizeimiete ein Finanzierungsloch in der Gegengerade entstehen, das es zu stopfen gilt. Wir haben daher beschlossen, dass die Verwaltungskostenpauschale erhöht wird. Darüber werden den Abteilungszwecken fremde Kosten gedeckt. Der Mitgliedsbeitrag erhöht sich dadurch nicht automatisch, lediglich der Anteil der nicht dem jeweiligen Abteilungszweck zukommt wird größer, bei gleichbleibenden Beiträgen wird eben das zweckgerichtete Geld geringer. Eine Erhöhung der Mitgliedsbeiträge liegt im Zuständigkeitsbereich der Abteilungen.
Mit dem erhöhten Verwaltungskostenanteil soll die Miete für die Museumsfläche gedeckt werden, die Wache wird dadurch also nur äußerst indirekt finanziert. Anders verhält es sich mit den Ticketpreisen. Diese sollen tatsächlich zur Generierung von Finanzmitteln zum Bau einer externen Wache eingesetzt werden. Das war aber auf der Versammlung klar, wurde dort auf Nachfrage nochmals von Michael Meeske bestätigt und darf nun nicht allzusehr überraschen. Der Antrag war zwar schwammig formuliert, die Auswirkungen erwartbar. Wenn es in der taz nun heißt, die externe Wache würde teurer, dann war es ja sogar aus ökonomischer Vereinssicht genau richtig, den Antrag so zu stellen.
Natürlich ist es kritisch zu sehen, dass Fans des FCSP der Hamburger Polizei eine Wache finanzieren, was soll es daran auch positives zu sehen geben. Letztlich ist es ein Freikaufen aus einem etwas größeren Übel. Nach all den Erfahrungen, die Fußballfans im Allgemeinen mit der Polizei machen ist es natürlich eigentlich blanker Hohn, dass ausgerechnet jene nun direkt für bessere Infrastruktur bei der Polizei sorgen müssen. Auch gedenkt natürlich niemand, sollte sich der Wachenbau durch Mieteinnahmen amortisieren, den Fans den „Kredit“ zurückzugeben. Es ist unser Dankesgeschenk für Jolly-Überfall, Schweinske-Cup und all die anderen schönen Partys, die wir mit reaktionären Mittelstandskids in grün und blau feiern durften.
Grundsätzlich sollte der Bau einer Polizeiwache der öffentlichen Hand obligen. Windige Absprachen zwischen Expräsi Littmann und Stadtvertretern, sowie verworrene DFL Richtlinien führen nun zu einem Aushöhlen des Aufgabenbereichs der öffentlichen Hand. Der Bau einer Polizeiwache wird privatisiert, Wendt und Neumann tanzen vor Freude den Ententanz und wir müssen versuchen uns das ganze Elend damit schönzureden, dass wir unser Stadion in weit geringerem Maße mit der Polizei teilen, als ursprünglich gedacht.
Viele haben uns nach unserem wunderschönen Titelfoto gefragt und wollten es als Wallpaper für den Desktop oder als Fototapete für die Küche haben. Nun nach Absprache mit dem Fotografen können wir euch diesen Wunsch erfüllen. Wir haben uns (wallpaperfreundlich) dazu entschieden euch das 4:3 und das 16:9 (oder so) Format anzubieten. Außerdem gab uns der Fotograf neben der bekannten bunten Variante noch eine in Graustufen.
Die Fotos unterliegen weiterhin dem Urheberrecht.
Für euch interessant:
§ 53 Vervielfältigungen zum privaten und sonstigen eigenen Gebrauch (UrhG)
(1) Zulässig sind einzelne Vervielfältigungen eines Werkes durch eine natürliche Person zum privaten Gebrauch auf beliebigen Trägern, sofern sie weder unmittelbar noch mittelbar Erwerbszwecken dienen, soweit nicht zur Vervielfältigung eine offensichtlich rechtswidrig hergestellte oder öffentlich zugänglich gemachte Vorlage verwendet wird. Der zur Vervielfältigung Befugte darf die Vervielfältigungsstücke auch durch einen anderen herstellen lassen, sofern dies unentgeltlich geschieht oder es sich um Vervielfältigungen auf Papier oder einem ähnlichen Träger mittels beliebiger photomechanischer Verfahren oder anderer Verfahren mit ähnlicher Wirkung handelt.
Solltet ihr euch unsicher sein, was ihr nun damit dürft oder nicht, fragt einfach nach.
Ein frohes Weihnachtsfest, lasst euch nicht zu sehr ärgern (oder ärgert zurück) und genießt hoffentlich gutes Essen.
Herzliche Grüße
Das Lichterkarussell Team
Die Bilder durch Klick in auf die jeweilige kleine Ansicht groß öffnen:
Die Mädels und Jungs von USP bitten zum Solidaritätstanz und das Lichterkarussell lässt sich natürlich nicht lumpen zu diesem wichtigen Anlass die Werbetrommel zu rühren. Konkret geht es um den Genossen Zizza aus Venedig, der nach Stress mit Nazis im Knast sitzt. Doch bevor Musik in die Glieder fährt, gibt es ein bisschen Input für die grauen Zellen: Aufklärung in Sachen Linke Politik bei Ultras von Eintracht Braunschweig. Pflichttermin!!
Nach dem Fest ist vor dem Fest, und zwischen den Tagen macht das Feiern besonders viel Spaß! Der Anlass zu dieser doch recht spontanen Soli-Party bietet allerdings weniger Grund zum Freude.
Wie ihr bestimmt schon in der Basch gelesen habt, haben unsere Freunde von VeneziaMestre schlimme Probleme mit Faschos & Justiz. Nach einer Auseinandersetzung mit rechten Ultras der Gruppe „Vecchi Ultrà“ im November sitzt unser Freund Zizza nun schon mehrere Wochen im Knast. Die Zustände im Gefängnis sind schlimm und die Kosten für den bevorstehenden Prozess werden hoch sein! Nun liegt es an uns Solidarität zu zeigen und Geld zu sammeln und genau dafür bietet dieser Abend die perfekte Basis!
Passend zum Kontext der Party wird es vorab eine Infoveranstaltung über Linke Ultras bei Eintracht Braunschweig geben. Der Vortrag wird von den „Ultras Braunschweig“ gehalten und beginnt um 19:30 Uhr. Anschließend wird die Electro-Pop Band E123 ein Konzert geben, danach wird es reichlich Musik vom Teller geben, es dürfte für jedes Holzbein etwas dabei sein!
In aller Kürze:
28.12.2012
19:30
Knust
5€ + Soli
Keine Ausreden!
Update 28.12.2012
Das ganze wird etwas erfreulicher:
Wir haben Grund zu feiern!
Zizza wurde heute vorläufig aus der Haft entlassen und kann den Jahreswechsel bei seiner Familie verbringen. Natürlich ist es weiterhin wichtig Geld zu generieren um den anstehenden Prozess zu finanzieren.
Um noch länger mit euch tanzen zu können, haben wir kurzfristig noch Hocker vom Electro Mob Sankt Pauli verpflichtet. Früh nach Hause muss morgen jedenfalls niemand, getanzt wird bis der Bäcker aufmacht!
Mit dieser widersinnigen Interpretation des Protestierens würden sich Castor-Demonstrationen stets in jenem Moment in Wohlgefallen auflösen, in dem das Ding auf die Gleise rollt. Atomkraft-Gegner hätten fröhlich lachend die Segel gestrichen, nachdem Schwarz-Gelb den Ausstieg aus dem Ausstieg bekannt gegeben hatte. Doch die Proteste blieben standhaft, denn sie hatten ein konkretes Ziel.
Ein Dresden-Fan redet sich in Wut (Frankfurter Rundschau)
Thomas Wendrich geht mit seinem 15-jährigen Patenkind regelmäßig Spazieren und berichtet vom Gespräch beim letzten Treffen über Gerechtigkeit, Rechtsprechung, Kollektivstrafen, Demokratie und die domestizierung des Ostfußballs. Mich stört zwar die ewige Rhetorik von „Kriminellen“, da das meines Erachtens zu kurz greift, dennoch werden Mechanismen sehr schön aufgezeigt und dem Jungen kann man zu so viel Scharfsinn nur gratulieren (wenn es sich denn so zugetragen hat).
Oh, mein sonst so friedlich Latein büffelnder Patensohn hat sich in Wut geredet! Es freut mich, dass er aufbegehrt und Schlüsse zieht! Ich frage ihn, ob er lieber den Richter beseitigen wolle, oder das Gesetz, wonach er geurteilt habe. Am besten beides! Denn was keinen Nutzen habe, solle auch nichts kosten! Wir lachen, und er entschuldigt sich leise.
Fußball und ich (mustERkennung) Bericht vom Unioner Gastspiel bei der Braunschweiger Eintracht aus der Sicht eines, den es nur selten ins Stadion treibt, der mit dem Sport Fußball als solchem wenig anfangen kann, der aber das Stadionerlebnis, die Kultur auf den Rängen, den gesamten irrationalen Quatsch von Kälte und Bier, kollektiven Emotionen und Heiserkeit zu schätzen weiß. Eine beinahe Außenperspektive auf die Kultur, die es zu schützen gilt und die eben aus mehr besteht, als Fahnen und Transparenten.
Bis zum Anpfiff sind es noch 2 Stunden, es ist kalt und nass, zum Glück kein Regen. Ich ahne ein knappes Kontingent an Karten und entscheide mich dazu, gleich die Karte zu kaufen, im Gästeareal zu warten, vielleicht ein Bier zu trinken. Es gab nur noch Sitzplatzkarten, genau, dass was ich nicht wollte, dass was ich wollte, ich wollte – nun endlich entschieden – die Lieder hören, die Mannschaft feiern, begeistert sein von einem Verein. Meinem Verein?
Den Ikens, Wenigs, Rosenfelds, Dierengas, Friedrichs, Neumanns, Schünemanns, Wendts, Jekys, Kuschelpunkers, Sparschälers etc. dieser Welt gewidmet – Krause, Wöckener, ihr seid ganz ok 😉
Kaum ist das Sicherheitspapier verabschiedet, kaum hat die öffentliche Meinung scheinbar erkannt, die Fans seien keine unkritische, dumpfe Masse, scheint es vielen ein Anliegen zu sein die Heterogenität der Besucher in den Stadien zu betonen. Unglücklicherweise jedoch wird der erst jüngst eingeschlagene Weg der sachlichen Debatte in diesem Zuge postwendend verlassen. Dabei wird zum Beispiel von „wahren Fans“ gesprochen. Die Mainzer Fangruppe „Meenzer Metzger“ spricht in einem offenen Schreiben an einen Protagonisten des neu entdeckten Themas, Harald Strutz, von einem Keil der zwischen die Fans getrieben würde und selbst im nicht gänzlich unkritischen Text des Abendblattschreibers Matthias Iken finden sich Elemente der Wahr-Falsch-These, wie wir die Kategorisierung von Fans in richtige und eben nicht so richtige mal nennen möchten. Das Bemerkenswerte an dieser These ist, das der erfolgenden Kategorisierung offensichtlich keinerlei belastbare Kriterien zugrunde liegen. Die Autoren dieser bestenfalls glossenjournalistischen Beiträge bewegen sich damit auf unterstem Stammtischniveau. Grund genug die Debatte um die Fans, Stadionerlebnis und Gewalt zu ihrer jungen Seriösität zurückzuführen. Zeit einen Blick auf die Stufen und Plastikschalen deutscher Stadien zu werfen und dabei auch die Selbstkritik nicht zu kurz kommen zu lassen.
Vorab gilt es festzustellen, dass die Unterscheidung in gute und schlechte, wahre und falsche Fans grundsätzlich wenig zielführend ist. Offensichtlich entsteht sie jedoch aus dem Gefühl, es gäbe so etwas wie qualitativ zu wertende Unterschiede zwischen Fans. Wird über Ultras berichtet, ist nicht selten die Rede davon, dass sie sich als die wahren Fans sähen, oder es gar seien. Diese Behauptung muss ja beinahe schon in einem Abwehrreflex all jener münden, die sich nicht als Ultras definieren und sich durch derartige Thesen in ihrer „Fanwürde“ verletzt sehen. Die Behauptung als solche ist aber so schon nicht haltbar. Gerade bei älteren Ultras, so ist es zumindest unsere Erfahrung, gibt es eine solche Haltung nicht. Am ehesten noch gibt es eine Erwartung für das eigene ungewöhnlich hohe Engagement eine gewisse Form von Respekt zu erfahren – nur stellt das keine Wertung von irgendetwas dar. Manch (junger?) Ultrà mag sich vielleicht auch für einen besseren Fan halten, das jedoch ist einerseits als Freiheit der Jugend zu verbuchen und sollte andererseits von einer pluralistischen Stadiongesellschaft ausgehalten werden können. Wohl wissend, dass sich das ungestüme Verhalten ohnehin in der Regel „herauswächst“.
Statt entsprechender Gelassenheit fußt bei manchem Fan und Journalisten ein halbes Weltbild auf dieser unzutreffenden Annahme. Das angenommene Besserfan-Dasein der Ultras wird diesen daraufhin unisono abgesprochen und stattdessen auf die Restmenge der Stadionbesucher umgemünzt. Distinktion at its best. Nun sind es wieder die Ultras, die den Frieden stören und wir sind wieder bei den 99% friedlicher Fans, denen die ewig meckernden und randalierenden Ultras ohne Einsicht gegenüber stehen. Dabei ist es schon erstaunlich, wie ambivalent und kontextabhängig die Wahrnehmung dieser Subkultur ist.
Wir möchten das nicht mal auf Ultras beschränken, zumindest am Millerntor wird es den Realitäten nicht gerecht. Hier engagieren sich diverse Fans im und um den Verein. Es gibt einen hohen Organisationsgrad, auch jenseits des „Gesangsteppichs“ mit verhältnismäßig langer Geschichte. Schon lange bevor mit USP eine neue Generation von Fans sich vor 10 Jahren anschickte, den Support im Stadion wieder zu beleben (ja, der war weitestgehend tot – sagen auch viele die mit der Supportform nichts anfangen können), waren Fans organisiert und brachten ihre Meinungen ein. Sogar Pyro soll es schon weit vor den ersten Anfängen der Ultrà-Kultur am Millerntor gegeben haben.
Im nunmehr verabschiedeten Sicherheitspaket der DFL gibt es unter anderem einen Punkt, der die Vereinsführungen anhält den Austausch mit den eigenen Fans zu suchen. Hier stellt sich grundsätzlich die Legitimationsfrage. Lange hat das aktuelle Präsidium gehadert, den Ständigen Fanausschuss als Gremium zu akzeptieren, dass die Fanszene repräsentieren kann und auch jetzt gibt es wieder Gedankenspiele einen Fanbeirat einzurichten. Wie ein legitimes Gremium aussehen kann und soll, dazu gibt es freilich wenig substantielle Ideen. Unser Präsidium ist legitimiert für unseren Verein zu handeln, da wir es gewählt haben. Durch den zurückgezogenen Abwahlantrag gegen einen Vizepräsidenten ist unser Präsidium als Ganzes zur Amtshalbzeit ein weiteres Mal legitimiert worden, so man den Antrag als „Vertrauensfrage von unten“ sieht. Meinungen dadurch sei vieles kaputt gegangen sind unseres Erachtens nicht haltbar. Stattdessen kann man die Vorgänge als „reinigendes Gewitter“ werten, aus dem der Verein in seiner Gesamtheit gestärkt hervorgegeht – wenn denn daraus auch die richtigen Schlüsse gezogen werden.
In Demokratien legitimieren sich Regierungen im Spannungsfeld von Effizienz (Output-Legitimität) und Inklusion (Input-Legitimität). Großbritannien galt lange Zeit zu Recht als das klassische Paradebeispiel für eine Mehrheitsdemokratie, deren Regierungen sich via Effizienz legitimieren. Deutschland oder Österreich hingegen sind eher konsensuale Demokratien. Legitimation wird hier stärker über Inklusion und Partizipation erreicht, als über Effizienz.
Littmann war ein Präsident, der seine Legitimität über die Effizienz bezogen hat. Anstatt möglichst alle Meinungen einzuholen, war er ein Macher und ließ sich an seinen Taten messen. Er hatte Freunde und Feinde, Fürsprecher und Gegner, das liegt in der Natur der Sache. Als erster Präsident des FC Sankt Pauli seit Jahren hat er es aber geschafft, ein Stadionbauprojekt anzustoßen, das Realität werden sollte. Das legitimierte ihn – neben der Wahl versteht sich. Das jetzige Präsidium des FCSP ist da gegenteilig einzuordnen. Es hat keinen „starken Mann“ in erster Reihe stehen. Präsident Orth wird gerne profillos genannt. Mag sein, dass das stimmt. Was in jedem Fall stimmt, ist dass dieses Präsidium die Partizipation und die Inklusion braucht. Es muss seine Vereinsmitglieder anhören, sie mitnehmen. Das Präsidium versteht sich als Team und es tut gut daran, das Team nicht nur mit 5 Spielern auflaufen zu lassen, sondern Verein und Umeld mitzunehmen. Nicht zuletzt deswegen ist es so interessant, wie die Kommunikation zwischen Basis und Führungsetage funktioniert.
Die Fragen, die sich also stellen sind, wie kann eine Fanvertretung legitimiert sein und inwiefern muss sie es überhaupt? Wie können, sollen und dürfen Fans ihre Interessen artikulieren und wie sind sie im Bild, in dem das Präsidium als Regierung gedacht wird einzuordnen?
Ein Aspekt, warum heute überhaupt Konflikte auch innerhalb der Vereine und zwischen Vereinsführungen und Fans entstehen ist in einem grundsätzlichen Wandel zu begründen. Früher galten Vereine hauptsächlich aktiven und ehemaligen Sportlern. Die Clubführung handelte normalerweise weitestgehend autonom. Die Fans, so überhaupt vorhanden, standen klar außerhalb des Vereins und hatten kaum eine Stimme. Heute sind Vereine gewachsen. Sie sind, gerade im Profifußball, mittlere bis große Wirtschaftsunternehmen, mancherorts noch auf Vereinsbasis, anderenorts als „komplette“ Kapitalgesellschaften. Dort, wo es den Verein noch als einen solchen gibt, stellen Fans zumeist die Mehrheit der Vereinsmitglieder. Da der Verein die Gesamtheit aller Mitglieder repräsentiert, sind Faninteressen somit automatisch auch Vereinsinteressen und Fans sind daher berechtigt und in der Lage, ihre Stimme zum Wohle des Vereins zu artikulieren. Die Zuschauerstruktur in den Stadien ist nicht mehr so proletarisch geprägt, wie in den 1980ern. Stattdessen hat sich der Fußball vom „Volkssport“ zum „Gesellschaftssport“ gewandelt. Viele Mitglieder und Fans sind hoch qualifiziert und es aus ihren Fangruppierungen gewohnt, Prozesse selbst zu gestalten. In Teilbereichen organisieren (und analysieren) einfache Fans und Mitglieder heute besser als Vereinsführungen mit hauptamtlichem Unterbau. Hieraus leitet sich ein höherer Wille zur Partizipation und eine geschärftes Problembewusstsein ab, das auch zu Unwohlsein bei vermeintlich oder tatsächlich vorhandenen Unzulänglichkeiten der Clubs und Verbände führt.
Zumindest im Fall Sankt Pauli spielt natürlich auch die historische Komponente in die Kultur von Fanorganisation hinein. Aus Hafenstraßenbesetzerzeiten sind es Fans am Millerntor traditionell gewohnt nichts geschenkt zu bekommen und mit wenig Mitteln möglichst viel zu erreichen. Aus dieser Do-It-Yourself-Kultur bildeten sich einige Organisationstalente heraus. Auch die Ultràbewegung ist stark vom „DIY“-Ansatz geprägt, was insofern auch als eine Ursache des Partizipationswillen gedeutet werden könnte.
Traditionell ist eine Beteiligung der Mitglieder an der Führung des Vereins nur über die – normalerweise jährlichen – Mitgliederversammlungen vorgesehen. Hier können Vereinsorgane wie Präsidium und Aufsichtsrat gewählt und abbestellt, außerdem der Vereinsführung bindende Aufträge erteilt werden. Eine Beschränkung der Inklusion des Mitgliederwillens auf diese Möglichkeiten erscheint aber immer weniger angemessen zu sein. Für eine so relativ selten stattfindende Veranstaltung sind die Geschwindigkeit des Wandels, die Vielzahl und Vielfältigkeit der innerhalb eines Jahres auftretenden Herausforderungen zu hoch. Auch sind viele Themen so komplex, dass eine ausreichend sorgfältige Diskussion den Rahmen einer Versammlung sprengt.
Damit kommt einfachen Mitgliedern und Fans auch außerhalb der Mitgliederversammlungen keine Bittstellerrolle zu. Ganz im Gegenteil: die Vereinsführung sollte die Partizipation der Mitglieder und tlw. auch des weiteren Umfelds an der Erarbeitung und Entscheidung von Themen fördern, sind sie doch auf den Input von Fans angewiesen. In der öffentlichen Wahrnehmung wird dieses Verhältnis leider gerne verdreht.
Unabhängig von einer Vereinsmitgliedschaft sind Fans immer und in erster Linie Fans und stellen damit für den Verein das dar, was die Gesellschaft für den Staat ist. Sie sind von Entscheidungen betroffen und sie halten den Verein mit ihrem Kapital und natürlich ihrer Hingabe am Leben.
Zwischen Staat und Gesellschaft sollen Interessenverbände vermitteln. Die Führungsetage eines Fußballvereins braucht wie die Regierung eines Staates die Expertise und die Informationen aus der Gesellschaft um überhaupt angemessen handlungsfähig zu sein. Ferner wird die Gesellschaft über Interessensvertretungen in die Entscheidungsprozesse eingebunden. Natürlich sind im Staat längst nicht alle in der Gesellschaft vertretenen Interessen organisiert und nicht alle Interessenvertretungen finden gleichen Zugang zur Politik. Dennoch darf gelten, dass je mehr Interessen angehört werden, desto legitimierter ist die Politik von Seiten der Gesellschaft. Dabei ist es beinahe paradox, dass durch dieses Mehr an Teilhabe die Demokratie in der Wahrnehmung geschwächt wird. Die Transparenz nämlich sinkt durch diese Inklusion. Die Aggregation von Interessen widerspricht dem Grundsatz einer liberalen Demokratie („One Man, one Vote“), denn die Interessenvertretungen freilich sind nicht immer durch Wahlen legitimiert. Sie haben jedoch Ressourcen, wie die vertretenen Mitglieder im Rücken. Daraus resultiert ein nicht gänzlich aufzulösendes Legitimationsdilemma, das lediglich durch möglichst große Transparenz und offenen Interessenvertretungen reduziert werden kann. Grundsätzlich ist es erstmal gut, wenn aus der Gesellschaft Interessen in die Politik getragen werden und die Entscheidungsträger so aus ihrer Informationsblase herausgerissen werden. Beim Fußball verhält sich das nicht anders.
Dass Ultras und andere aktive Fans sich organisieren und ihre Interessen einbringen ist also völlig legitim und sogar wünschenswert. Beim FC St. Pauli ist das Legitimitätsdilemma darüber hinaus bei weitem nicht so groß, wie es im Staatsbeispiel sein kann. Es ist selbsterklärend, dass unser Präsidium nicht für jeden Furz 19 Millionen angebliche Sympathisanten befragen kann, die mal irgendwann gesagt haben, dass sie den FC Sankt Pauli ja ganz töfte fänden. Wer sich aber zumindest durch unregelmäßige Stadionbesuche einen Fan nennt, hat alle Mittel und Wege seine Stimme in die Waagschale zu werfen. Die Wege beim FC Sankt Pauli sind sogar so kurz, dass alle dem Präsidium Emails schreiben können, um ihre Meinung kund zu tun. Erstaunlicherweise sind die, die das tun, in der Regel an einer Hand abzuzählen.
Im Allgemeinen können sich ALLE Fans organisieren zumal das mit fast keinen Hürden verbunden ist. Es braucht 5 Gleichgesinnte und insgesamt 30 Euro Jahresbeitrag um einen Fanclub zu gründen der den Fanclubsprecherrat wählt. Hier findet direkte demokratische Legitimierung der eigenen Interessenvertretung statt. Mit dem FCSR steht allen Fanclubs ein zuverlässiger Ansprechpartner zur Verfügung. Es ist also nicht schwer sich zu organisieren und durchaus von Vorteil. Organisierte Fans sind aber (wir wiederholen uns, weil wir es müssen) keine besseren Fans als der Sympathisant, der noch nie am Millerntor war – der Einsatz für den Verein bleibt jedem überlassen und daraus leitet sich keine Wertigkeit ab – aber sie sind besser informiert, besser vernetzt und im Zweifel auch eher von negativen Entwicklungen betroffen. Und ja sie tragen einen erheblichen Teil zum Stadionerlebnis (ob sicher oder nicht) bei. Sie sind dabei genauso Bestandteil wie der Sitzplatzfan (und sitzen und organisiert sein schließt sich nicht aus, wie beim FCSP nicht nur die „Oldtras“ und die „Desorganisierten“ beweisen), der lediglich mit seinem Fanschal in das Stadion kommt, nur ist ehrlicherweise letzterer eventuell einen Tick leichter zu ersetzen – das will aber ja niemand!
Durch ihr Wissen und ihren Erfahrungshorizont, durch ihre lebendige Diskussionskultur und auch ihre Heterogenität, sind Fanstrukturen wie der StFA, der in toto eine ganze Menge regelmäßiger Stadionbesucher (Heim wie Auswärts) und Vereinsmitglieder repräsentiert, durchaus legitime und wichtige Ansprechpartner für die Vereinsführung. Ein Fanbeirat, wie er von unserem Präsidenten angeregt wurde, sollte entsprechend nicht von oben installiert werden. Wenn der Bedarf gesehen wird sollte er aus der Mitte der Fans entwickelt werden. Die Kanzlerin bestimmt ja auch nicht den DGB-Vorsitzenden. Dass also ein Votum eines Gremiums, dass eine große Menge von Fans und Mitgliedern vertritt mehr Gewicht hat, als eine Einzelmeinung liegt in der Natur der Sache. Ein solches Gremium muss nicht die Meinung aller vertreten, kann es auch gar nicht. Das Schöne an einer pluralistischen Gesellschaft ist doch die Vielfalt, auch die der Meinungen und Interessen. Die Herausforderung für unser Präsidium ist es, möglichst vielen dieser Interessen gerecht zu werden. Wenn es aber nur die Verfechter einer „Interessenrichtung“ schaffen sich und ihre Anliegen zu organisieren, dann ist es weder hilfreich noch zeugt es von sonderlich großem Demokratieverständnis, diesen dann den Status eines vollwertigen Mitglieds der Subgesellschaft abzusprechen. Es mag ja sein, dass die aktive Fanszene (wie auch immer man sie fassen mag) in der Minderheit ist, aber es ist nicht ihre Schuld, dass große Teile der restlichen Fans sich und ihre Interessen nicht artikulieren und organisieren können oder wollen. Es ist dann auch unangemessen und undemokratisch, der „schweigenden Masse“ eine bestimmte, homogene Meinung zuzusprechen, wie es gerne von Vereinsführungen und Verbänden zur Begründung der Legitimation ihrer Entscheidungen getan wird. Wer sich nicht wahrnehmbar artikuliert, enthält sich seiner Stimme.
Noch ein Mal: niemand ist besserer oder schlechterer Fan. Niemand schreibt jemandem vor, wie Fansein auszuleben sei. Nur darf sich auch niemand beschweren, dass sich interessierte Fans zusammenschließen und dadurch ein größeres Pfund in der Hand haben. Wo bleibt die Gründung der deutschlandweiten Liga der außergewöhnlichen Klatschpappenfans gegen Pyrotechnik oder so was? Niemand würde sich dagegen wehren, im Gegenteil das wäre total erfreulich.
Nur zeugt es eben von schlechtem Stil, wenn der eigene Frust, die eigenen Komplexe und die Paranoia auf eine Gruppe projiziert werden. Andere Fans sind weder weniger echt noch unter einen generellen Kriminalitätsverdacht zu stellen. „Wer nichts zu verbergen hat“-Rhetorik sollte sich eigentlich mittlerweile selbst als Unterkomplex enttarnen. Es ist doch schon erstaunlich, dass gerade das bürgerliche Spektrum seine eigene Herrschaftsform ganz offensichtlich nicht verstanden hat. Bezeichnend jedoch, dass diejenigen, die sich demokratisch organisieren und verhalten, aus der Gesellschaft ausgeschlossen werden sollen.
Die Demokratie ist mitnichten perfekt. Sie ist wohl besser als jede Diktatur, aber sie hat ihre Schwächen und sie produziert ihre Ungerechtigkeiten. Die Revolution ist derzeit aber nicht in Sichtweite und so hat man sich wohl oder übel erst mal mit ihr zu arrangieren. Aktive Fans und Ultras spielen ihre Rolle in der Demokratie besser als mancher Innenminister, der in den 1970ern mal ne Mark für den Stehplatzbereich bei Bayern Hof bezahlt hat aber ganz offensichtlich gar keine Ahnung vom Thema seiner Wahl hat, mancher Polizeigewerkschaftler, der als Scharfmacher der Nation eine ruhigere Debatte fordert oder mancher Journalist, der sich ernsthaft darüber wundert, dass eine Vereinsführung das Votum seiner Mitgliederversammlung respektiert. Es stünde all jenen doch sehr gut zu Gesicht, sich ein Beispiel an diesem Demokratieverständnis zu nehmen. Das ganze Gejammer und Gewimmer um wahre Fans ist nicht weniger als ein Zeugnis eines mangelhaften Demokratieverständnisses. Vielleicht ist es geprägt vom politischen Programm des Neoliberalismus, in dem in Extremismustheorie, Leistungswahn und „Sozialschmarotzer“-Denunziation eine Absage an den Pluralismus ihren Ausdruck finden.
Gemeinsam Laut: Fußballfans
Beim FC Sankt Pauli mag die Organisation besser funktionieren als anderswo. Ein Rummenigge wird vermutlich nie einen Fan als Gesprächspartner auf Augenhöhe akzeptieren. Hier liegt es an den Fans sich weiter zu organisieren, sich zu koordinieren und für ihre Interessen einzustehen. Wenngleich es genug Probleme in den Fanszenen und mit Fans gibt, hier seien nur die Kurven genannt, in denen Nazis geduldet oder gar hofiert werden, es hat sich doch gezeigt, dass Fußballfans heute in der Lage sind sich zu organisieren und willens sind an demokratischen Prozessen zu partizipieren. Wer einen solchen Organisationsgrad für sich nicht will, wer es vielleicht gerade mal schafft alle vier Jahre sein Präsidium zu wählen, wenn überhaupt, der sollte sich nicht darüber beschweren, dass seine Stimme nicht gehört wird. Denn eins sollten doch gerade Fußballfans praktisch seit jeher wissen, gemeinsam sind sie lauter!
Was für eine Spannungskurve: erst lehnen auf Druck der Fans die meisten Bundesliga-Clubs das erste Sicherheitspapier ab. Gegen ein überarbeitetes Maßnahmenpaket entwickelt sich mit der 12:12-Aktion ein selten eindrucksvoller Protest, viel durchschlagender, als es die größten Optimisten erhofft hätten. Selbst die Mainstream-Medien schwenken überwiegend auf einen sachlich-kritischen Kurs um, fangen plötzlich an zu recherchieren. Die DFL macht erste Zugeständnisse. Am 12.12. der Showdown —zwischen 600 und 1000 Fans reisen aus ganz Deutschland an, die Clubs diskutieren Verschiebungs- und Änderungsanträge. Die Pressekonferenz mehrmals verschoben.
Und dann die Enttäuschung, die Vereine stimmen allen Punkten mit großer Mehrheit zu, nur wenige enthalten sich oder stimmen dagegen. Gefühl: ein Schlag in die Magengrube, von 100 auf 0, von Hoffnung auf Leere, teilweise aufkommender Hass aufgrund der gezeigten Ignoranz. Das waren auch meine Gefühle: Wut und die Erwartung, dass die Kurven am letzten Spieltag vor der Winterpause brennen werden. Eskalation und Kampf sind durchaus keine unattraktiven Optionen, sie kanalisieren Emotionen, mobilisieren Energien, komplexe Zusammenhänge vereinfachen sich.
Auf in den Kampf also! Aber wogegen oder wofür genau? Ohne ein klares Ziel kann kein Kampf gelingen. Wäre das alte Sicherheitspapier beschlossen worden, wäre die Lage klar. Doch mit etwas Abstand von den Ereignissen verschiebt sich das Bild dessen, was in den letzten Tagen und Wochen geschehen ist, das so einfach wirkende Gefüge hat sich deutlich verkompliziert. War der 12.12.2012 wirklich eine Niederlage, ein Sieg oder eher ein Patt? Absolut klar sollte sein, dass das Geschehen rund um das Thema „Sicherheitspapier“ nur eine Schlacht im immerwährenden Ringen darum ist, wie Fußball- und Fankultur in diesem Land gelebt und gestaltet werden kann.
Was spricht also für einen Erfolg, was für eine Niederlage? An positiven Punkten gibt es jedenfalls einiges:
Das Sicherheitspapier wurde deutlich entschärft. Viele Punkte finden sich in den jetzt beschlossenen Maßnahmen nicht mehr, z. B. die angestrebte Verlängerung der Dauer von Stadionverboten. Verwiesen sei auf die Übersicht der beschlossenen Anträge und die Stellungnahme der Eintracht. Dabei ist mir das Eintracht-Papier etwas zu unkritisch, aber in der Tendenz sind die Aussagen nicht falsch.
Es hat sich herausgestellt, dass es möglich ist, zumindest bestimmte Protestformen in alle Stadien der Bundesligen zu tragen. Die Geschlossenheit hat die — auch von mir mit großer Skepsis betrachtete — Protestform zu einer guten Waffe gemacht, die auch weitreichendes Medienecho findet. Sie war taktisch geschickt, da sich hier nicht über Tonalität beschwert werden konnte, es wurde das Risiko von Demos umgangen, zu denen sich gerade bei schlechtem Wetter doch nur eine kleine Minderheit aufraffen kann und die Leute, die sonst eh meistens schweigen, waren automatisch Teil des Protests.
Die Mainstream-Medien haben sich zu einem guten Teil endlich mit den zugrundeliegenden Fakten beschäftigt, statt nur die Propaganda von Polizei-Gewerkschaften, Innenministern und Fußball-Verbänden nachzuplappern. Fan-Themen und das Verhalten der verschiedenen Parteien wurde plötzlich deutlich kritischer analysiert und dargestellt. Die Aufmerksamkeit und der Stellenwert, den Fanthemen in vielen Medien erreichten, war zuvor fast undenkbar und kann die Basis für eine weitere effektive Kommunikation von Fanseite werden.
Die Glaubwürdigkeit von Polizeigewerkschaften, polizeilichen Einrichtungen wie der ZIS und einiger Innenpolitiker wurde erschüttert.
Was war negativ? Welche Verluste gibt es zu beklagen?
Letztlich weitestgehend außerhalb des direkten Einflusses der Fans war das Duckmäusertum der Verbände und Vereine gegenüber der Politik. Anstatt ihre Macht zu nutzen und die populistische, mit Falschdarstellungen gespickte Propaganda klar zurückzuweisen, wurde sich auch weiter dahinter versteckt. Auch die Zustimmung der Vereine zu in der Sache eher harmlosen Punkten kann als Eingeständnis gewertet werden, dass die Forderungen aus der Politik und seitens der Polizeigewerkschaften einen wahren Kern haben und die Erwartung wecken, dass man den Fußball auch weiterhin für noch so blödsinnige Kampagnen missbrauchen kann. Die Feststellung auf der Pressekonferenz, dass damit Handlungsfähigkeit bewiesen worden sei und der Fußball nun sicher vor weiterer versuchter Einflussnahme aus der Politik, klingt ähnlich weltfremd, wie die Erwartung, dass man einem Schulhof-Bully durch Eingehen auf dessen Erpressung dazu bringen kann, einen in Zukunft in Ruhe zu lassen.
Dass einigen Anträgen zugestimmt worden würde, war klar. Die meisten Punkte haben einen fast ausschließlich administrativen Charakter oder sind sogar positiv, diese hätte man sowohl aus sachlicher Sicht, als auch zur Wahrung des Gesichts beschließen können, aber gleichzeitig drei bis vier der problematischeren vertagen bzw. an Kommissionen verweisen. Dass dies nicht geschehen ist, war ein Zeichen der Missachtung der Fans. Man hat hier die Gelegenheit versäumt, wieder einen substanziellen Schritt auf diese zuzugehen und in einen echten und ernsthaften Dialog einzusteigen. Die Fanseite hat also durch eine Demonstration der Macht erreicht, einige Punkte zu verhindern oder zu entschärfen, nicht jedoch den Respekt zu erlangen, der für produktive, mitgestaltende Gespräche nötig ist.
Die beschlossenen Punkte sind wie bereits ausgeführt unmittelbar nicht übermäßig dramatisch. Die eher negativen Punkte waren oft schon mehr oder weniger gängige Praxis, tlw. handelt es sich um Klarstellungen. Sehr kritisch kann man die festgeschriebene, weiter ausgebaute Kameraüberwachung sehen. Ansonsten handelt es sich um besonders viele Kann-Bestimmungen. Und da liegt ein Problem: es sind durchaus mittelbare Folgen zu befürchten. Methoden der Vereine, die bisher nur schwammig begründbar waren, können in Zukunft ausgeweitet werden, da man einfach auf die Regelungen verweisen kann. Das ist besonders gefährlich im Zusammenhang mit dem weitestgehend willkürlichen Gerichtswesen des DFB. Wenn festgelegt ist, mit welchen Maßnahmen ein Club mit sicherheitskritischen Situationen umgehen kann, diese aber nicht voll ausschöpft, so kann das leicht als strafverschärfende Unterlassung interpretiert werden. Ein bedenkliches Szenario, bedenkt man, dass gerade erst Dynamo Dresden zu einer recht harten Strafe (Ausschluss vom DFB-Pokal in der kommenden Saison) verurteilt wurde, obwohl das DFB-Sportgericht zur Einschätzung kam, dass Dynamo eigentlich keinerlei Fehler anzulasten sind, sich sogar in Teilbereichen besonders gut verhalten hat.
Das Ergebnis ist somit gemischt. Gemessen an dem, was Fans sonst erreicht haben, tendiere ich in der Summe dazu, es als einen Erfolg zu werten. In der Sache ist eine leichte Verschlechterung eingetreten, aber einige Inhalte konnten verhindert werden, es wurden grundsätzliche Debatten angestoßen und in die Mainstream-Medien getragen, die zunehmend besser zuhören. Um bei den Kriegsmetaphern zu bleiben: die Gegenseite hat einen Geländegewinn erzielt, den aber mit Verlusten und Einbußen strategischer Optionen bezahlt.
Die Fanszene in Deutschland hat sich mithin eine bessere langfristige Perspektive erkämpft. Um diesen Vorteil auch in einen tatsächlichen Erfolg zu verwandeln, muss man diese Vorlage aber auch zu nutzen wissen. Und hier landen wir wieder bei der oben aufgeführten Fragestellung: was ist überhaupt das Ziel weiterer Proteste und Initiativen?
Ein Beharren auf der Rücknahme der Beschlüsse des 12.12. würde in jedem Fall viel zu kurz greifen. Diese sind fast alle entweder nicht angreifbar, da relativ problemfrei oder als so schwammige Kann-Bestimmung formuliert, dass sie wenig Angriffsfläche bieten. Die Gefährlichkeit dieser Punkte liegt nicht unmittelbar in ihren Worten, sondern in der Anwendung durch die Vereine. Und da wird zunächst wenig passieren, zumindest wenn die Clubs halbwegs intelligent damit umgehen. Der Prozess wird eher schleichend sein, hier mal eine Verringerung des Auswärtskontingents, da mal ein Durchsuchungszelt, bei dem natürlich erst mal nur die Jacke ausgezogen und die Taschen geleert werden müssen. Derartig langsam und verteilt ablaufende Änderungen sind kaum wirksam bekämpfbar.
Zudem ist es keinesfalls so, dass vor dem 12.12. alles super gewesen wäre. Die Kampagne für sogenannte „Sicherheit“ und die in der Folge getroffenen Entscheidungen waren eher der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen brachte. Eine steigende Repression und schleichende Entrechtung von Fußballfans ist schon viel länger zu beobachten. Dabei konnten die meisten Methoden ohne Berücksichtigung der Verhältnismäßigkeit und v.a. ohne wirksame Erfolgskontrolle eingesetzt werden. Und die sogenannte „Sportgerichtsbarkeit“ war und ist an Lächerlichkeit kaum zu überbieten, darüber hatte ich mich schon in einem älteren Beitrag ausgelassen. Es ist also elementar wichtig, dass man sich weg von der defensiven Reaktion auf weitere Verschlechterungen hin zu einer aktiven Aktion für die Erreichung der eigenen Ziele bewegt.
Welches sind nun die Kriterien, die ein von der Fanszene zu erkämpfendes Ziel erfüllen muss? Meiner Einschätzung nach sind dies die wesentlichen Punkte:
Es müssen nicht nur die aktuell hochgekochten Punkte, sondern auch und gerade die bereits bestehenden Probleme adressiert werden. Gleichzeitig darf der Katalog an Forderungen nicht zu umfangreich werden.
Es muss eine Reihe von Maßnahmen gefordert werden, die sich möglichst klar beschreiben lassen. Nur bei einem wohldefinierten Ziel lässt sich ein Erfolg konkret erreichen und damit auch messen. Diese Klarheit fehlt derzeit zumindest mir völlig. Wogegen genau wird jetzt weiter protestiert?
Die Maßnahmen müssen gut kommunizierbar sein und eine möglichst große Unterstützung unter den Fans, potentiell aber auch in der Bevölkerung allgemein genießen. Aktuell fokussiert sich viel zu viel auf das Thema Pyrotechnik, das unter all den sonstigen Repressionen und Einschränkungen eigentlich nur einen Randaspekt darstellt. Völlig unverhältnismäßige Stadionverbote, Materialverbote, Betretungsverbote für ganze Städte, lächerlich späte Terminierung von Spielen usw. usf. sind mir jedenfalls wichtiger, als unter hochkomplexen Bedingungen und nach umständlichen Genehmigungsprozeduren ein paar Pyros abbrennen zu können. Das ist eher ein langfristiges Ziel, das sich teilweise aus anderen Änderungen implizit ergeben könnte.
Von besonderem Interesse sind Forderungen, die kongruent zu den Interessen der Vereine sind. Mit deren offener und verdeckter Unterstützung lässt sich viel mehr erreichen, schließlich bilden sie den Ligaverband, während Fans nur von außen wirken können. Beispiele sind hier eine Überarbeitung der Sportgerichtsbarkeit und die Terminierung der Spieltage. Letztere sind auch für die Vereine aus wirtschaftlicher Sicht höchst problematisch. Die meisten Clubs verfügen inzwischen über moderne Stadien mit umfangreichen Hospitality-Räumlichkeiten, die gute Profite abwerfen könnten — wüsste man denn, wann sie überhaupt verfügbar sind. Auch hinsichtlich fußballfremder Großveranstaltungen ist dies relevant, siehe z. B. der HSV und die dort ausgerichtete Boxveranstaltung.
Um langfristig Fußball- und Fankultur mit all ihren Facetten besser ausleben können, als es heute der Fall ist, sollte daher nicht formuliert werden, wogegen man ist, sondern was man erreichen will. Wie sieht die Fußballwelt aus, in der wir uns ausleben und dabei sicher und respektiert fühlen können? Das muss die Vision sein, die man mit einer Auswahl an konkreten Forderungen hinterlegt und für die man dann auch offensiv eintreten kann, gegenüber Clubs, Verbänden und Politikern, aber auch im Umgang mit der Presse. An dieser Stelle kann und soll ein solcher Forderungskatalog nicht aufgestellt werden, das kann keine einzelne Person seriös leisten, aber trotzdem ein paar Beispiele, nicht voll ausformuliert und ohne bestimmte Reihenfolge:
Beschränkung der Sportgerichtsbarkeit auf Vorfälle im oder direkt am Stadion, keine Sanktionierung von Verstößen, die ein Verein auch bei Einhaltung der Regularien nicht verhindern konnte.
Bundesweite Stadionverbote nur für Vorfälle im oder direkt am Stadion in einem Spiel eines regulären Liga- oder Pokalwettbewerbs und nur für strafrechtlich geahndete Vorfälle.
Deutlich frühere Terminierung der Spiele, zumindest für die Vereine, die nicht (mehr) in internationalen Wettbewerben stehen.
Die Erlaubnis, die Freiheit, etwas zu tun oder zu lassen, muss immer der Normalfall sein. Jede Einschränkung und Kontrolle ist zu begründen und die Auswirkungen zu beobachten. Unwirksame oder unverhältnismäßige Maßnahmen sind aufzuheben oder passend zu ändern.
Gewährleistung der Meinungsfreiheit im Rahmen der geltenden Gesetze auch innerhalb des Stadions.
Materialverbote nur in extremen Ausnahmefällen und unter Nachweis der Verhältnismäßigkeit. Beispiel: Verbote von Trommeln und Megaphonen sind eigentlich immer ausschließlich Schikane, man kann damit weder etwas verdecken, noch angreifen.
Eine von den Verbänden bezahlte, unabhängige Beobachtung und wissenschaftliche Begleitung der Spieltage.
Eindeutige, anonymisierte Kennzeichnung aller im Rahmen eines Fußballspiels eingesetzter Sicherheitskräfte, einschließlich der Polizei.
Wir haben die Chance, etwas zu erreichen und den Status Quo zu ändern. Die sollte man nicht liegen lassen. Es steckt genügend Potential in der Fankultur in Deutschland. Unsere größten Feinde sind fehlender Mut und mangelnde Organisation, nur eigene Schwäche könnte uns dauerhaft aufhalten.
Gestern traf sich der Ligaverband zu seiner Jahreshauptversammlung und gab dort 16 Anträgen zur Umsetzung der im als „Sicheres Stadionerlebnis“ bekannt gewordenen Papier benannten Punkte statt. Das Thema kochte dieser Tage nochmals hoch, nachdem der Protest der Fans zuvor für ein gut wahrnehmbares, durchgängiges Rauschen im Blätterwald gesorgt hatte. Dabei rückte vor allem der Druck der Politik in den Fokus – damit ist der Sachverhalt nichtmal im Ansatz ganzheitlich erörtert. Wenn etwa Stefan Engert in zweiBlogposts beim Sicherheitspolitik-Blog seine Politologensicht auf den Diskurs zum Besten gibt liegt er nicht falsch, aber auch noch nicht richtig richtig:
„Das Dilemma der Clubs und des DFL ist, dass der Sprechakt im sogenannten ‚Schatten der Hierarchie‘ erfolgt ist und damit ein Lehrstück von Governance ist: Kommt es zu keiner (horizontalen) Selbstregulierung durch die DFL, die Clubs und Fanszene bis Jahresende (d.h. am 12 Dezember), wird der Staat selbst die Spielregeln definieren und (hierarchisch) außergewöhnliche Maßnahmen wie vermutlich die „Abschaffung der Stehplätze, personalisierte Tickets oder reduzierte Kartenkontingente“ sowie drastische Geldstrafen für die Vereine, Geisterspiele oder den Komplettausschluss der Gästefans durchsetzen, um die Sicherheit und Ordnung im öffentlichen Raum Stadion wiederherzustellen[…]“ (Stefan Engert)
Auf gut Deutsch bedeutet das, weil die Politik gesagt hat, es gibt ein Sicherheitsproblem, wird die faktische Existenz eines solchen unbedeutend und Vereinen und Verbänden bleibt keine Wahl, als sich durch sicherheitspolitische Eigeninitiative dem Klammergriff des Staates zu entziehen – anderenfalls ist die eigene Autonomie dahin. Den populistischen Druck der Innenminister zu benennen ist wichtig. Es darf hierbei auch nicht unter den Tischen fallen gelassen werden, dass Wahlkampfgetöse und Ablenken vom Versagen beim NSU-Komplex zum Schwenk aufs vermeintliche Sicherheitsproblem im Fußball motivieren. Dennoch wird diese Betrachtungsweise dem Thema nicht vollumfänglich gerecht.
Mit der „Schatten der Hierarchie“-These kann gewiss einiges erklärt werden, doch der Komplexität des Sachverhalts wird dieser Ansatz nicht gerecht. Es scheint angebrachter, dieses Muster in das vielschichtige Akteursnetzwerk einzuweben, aber den Blick eben zu erweitern. Welche Akteure sind also in dieser Debatte aus welchen Gründen wichtig und was sind ihre Partikularinteressen? Bereits erwähnt haben wir die Politik, die DFL, die Vereine und die Fanbasis. Dazu kommen DFB und Polizei(-gewerkschaften).
Von Seiten der Politik, allen voran der Innenminister, werden die Rufe nach mehr Sicherheit in den Stadien immer lauter. Dass sie dabei viel Populismus und wenig Empirie in die Arena werfen ist hinlänglich bekannt und belegt, das tut effektiv aber nur bedingt zur Sache, denn der Druck ist vorhanden und durchaus wirkmächtig. Zwar machen sie sich dadurch medial angreifbar, aber das sind sie ja ohnehin. Das Versagen beim NSU-Komplex, über den zwar nachwievor kritisch berichtet wird, veranlasste das öffnen einer Baustelle, die so nicht gegeben ist. Das erklärt mitunter auch, warum das Problem so groß sein soll, obwohl selbst die unbrauchbaren Zahlen der ZIS keinerlei Anlass zur Panik bieten. Dummerweise ist das leider völlig egal, weil sich der Großteil der dummdeutschen Bevölkerung gar nicht so intensiv mit den Themen auseinandersetzt. Deswegen reichen ein paar Pyrobilder und die Forderung nach mehr Sicherheit um ein riesiges Fass aufzumachen. Deswegen reichen ein bis zwei Entlassungen von Verfassungsschutzamtschefs und eine Rechtsextremismus-Verbunddatei um die empörten Massen zu befriedigen. Ich würde mich freuen hier Unrecht zu haben, der Eindruck drängt sich allerdings auf.
In ein ähnliches Horn blasen die Polizeigewerkschafts-Chefdemagoge Rainer Wendt und seine Geschwister im Geiste. Forderungen nach finanzieller Beteiligung an Polizeieinsätzen, zusätzlichen Befugnissen und immer abstrusere Bedrohungsszenarien zeichnen die wahrgenommene Arbeit der Polizeilobbyisten aus. Interessant diesbezüglich ist, dass die Polizeipraktiker da durchaus andere Ansichten vertreten. Von einem geschlossenen Akteur Polizei mit klaren Interessen kann also nicht die Rede sein. Trotzdem waren es nicht die differenzierten Stimmen aus der Polizei, die maßgeblich in die Debatte eingeflossen sind, sondern immer wieder dieser Populismus.
Wenn Rauball nun ernsthaft glaubt, die Debatte werde mit dem Implementieren des Konzepts ein Ende finden, dies gar von Innenministern und Polizei fordert, lässt er einiges außer Acht. Es wird stets irgendwo gewählt, weitere Skandale um den NSU sind nicht unwahrscheinlich und andere Probleme von denen es abzulenken gilt sind ohnehin stets zu erwarten. Der Fußball ist in Deutschland populär, wie nie zuvor und damit ein stets bewegendes gesellschaftliches Feld. Derart positioniert wird der Fußball stets auch als Plattform profilierungssüchtiger Politiker missbraucht, um einmal den Jargon der Populistenfraktion bezüglich Fanthemen aufzugreifen.
Jedoch sind nicht nur Ablenkung und Wahlkampf treibende Interessen für die Exekutive sich in die Sicherheitsdebatte beim Fußball einzumischen. Etwas vage ausgedrückt kann hier vom neoliberalen Geist unserer Zeit gesprochen werden, der sich im Sicherheitsdiskurs wiederfindet. Die kontextuale Einbettung diesbezüglich scheint zumindest nicht allzu weit hergeholt. Der Fußball eignet sich wie nichts anderes als sicherheitspolitisches Testfeld. Es kommt mit Sicherheit 😉 nicht von ungefähr, dass viele Methoden und Taktiken der Polizei zuerst im Rahmen von Fußballspielen getestet werden. Mit den Ultras steht der Polizei die größte in Jugendsubkultur in Deutschland zur Verfügung, die sich in ihrer nicht sonderlich autoritätshörigen Grundausrichtung nicht nur perfekt zur für Experimente eignet, sondern auch eine faktische Bedrohung darstellt. Wenngleich der Verweis auf den arabischen Frühling, besonders den Fall Ägypten, wo Ultras federführend an der Revolution beteiligt waren, nicht zum Vergleich taugt – der soziopolitische Kontext ist ja doch sehr verschieden. Gerade bei Vereinen, die nicht Sankt Pauli heißen, gibt es eben noch viel des sogenannten Prekariats in den Kurven. Bei Metalust und Subdiskurse wird dieser Gedankenstrang schön entfaltet. Wäre, nebenbei bemerkt, ein spannendes Thema für eine wissenschaftliche Annäherung.
Genau dieses Prekariat ist ja auch betroffen vom viel zitierten Stehplatzverbot. Die Erfolge für mehr Sicherheit sind, so es sie gibt, äußerst marginal. Der Einfluss auf die Stimmung und die Zuschauerstruktur ist da schon größer. Es kann daher nicht das Moment der Vertreibung außer Acht gelassen werden, spricht man über Vollversitzplatzung (die Jan Korte zufolge nicht von der Politik oktroyiert werden kann) und Preisspirale. Ein Bekenntnis genau dazu mag vielleicht noch kaum jemand aussprechen, aber in einem Land wo „sozial ist, was Arbeit schafft“ (egal wie bezahlt) und sich „Leistung wieder lohnen muss“ kann es ja eigentlich nur eine Frage der Zeit sein, bis man sich den Besuch eines Fußballstadions eben verdienen muss.
Ebenso im Neoliberalismus verhaftet ist das Interesse der DFL am Sicherheitskonzept, denn es ist ja nun nicht so, dass einzig der Druck aus der Politik Triebfeder des Konzeptpapiers war. Im Papier bzw. den entsprechenden Anträgen geht es nicht selten um Kompetenzübertragung vom DFB an die DFL. Die DFL beansprucht für sich größere Autonomie, möchte sich selbst strukturell stärker aus dem DFB lösen. Das Sicherheitspapier hat nicht nur negative Auswirkungen auf die Fans, es ist ein Schritt zur institutionellen Trennung von Profifußball und Fußball. Es mag aus Sicht der DFL ihr größter Fehler gewesen sein, bei ihrer Gründung die Sportgerichtsbarkeit für ihre Ligen beim DFB belassen zu haben. Dieser Fehler ist mit dem nun verabschiedeten Papier ausgebügelt. Natürlich bedeutet das eventuell mehr Sicherheit für die Vereine was Strafen betrifft und eventuell findet die beinahe schon berühmte Willkür damit ein Ende. Willkür, wie beim DFB üblich, lässt sich schwerlich verkaufen, die DFL ist auf klare Regeln und Kompetenzen angewiesen um ihr Produkt bestmöglich vermarkten zu können. Mit dem Entzug von Fernsehgeldern steht der DFL eine Strafart zur Verfügung, die wohl noch härter ist, als alles vom DFB Bekannte. Ob sie diese Karte allerdings ziehen werden, oder das alles lediglich Argumentationsgeplänkel war, bleibt abzuwarten. Vor allem aber ist die DFL auf die volle Kontrolle über ihr Produkt angewiesen. Das anzustrebende Ideal der DFL dürften dabei US-amerikanische Sportligen sein.
Die Fernsehgelder sind ein für die Debatte um die Sicherheit in den Stadien nicht zu unterschätzender Gesichtspunkt. Die Kompetenzübertragung vom DFB an die DFL ist dabei nur als Versatzstück im Vermarktungskonzept der DFL zu begreifen. Wenn Engert über die Fans, ihre Funktion und letztlich auch ihre Interessen schreibt,
„Das sind einerseits die Kunden, d. h. die zahlende Anhängerschaft, die neben dem Spiel der eigenen Mannschaft dazu beiträgt, den Stadionbesuch mit ihren Gesängen und Anfeuerungen zu einem kleinen Erlebnis des Alltags zu machen.“
hat er damit nicht Unrecht. Nur offenbart sich ein hier analytischer Trugschluss, den wir Fußballfans vielleicht auch mit zu verschulden haben. Natürlich sind die Fans in den Stadien ein wichtiger Faktor, ein wichtiges Element im Fußball. Ihnen kommt ja, und das klingt hier auch an, eine Art Doppel- bis Dreifachfunktion zu. Einerseits sind sie zahlende Kundschaft der Vereine. Sie tragen das Geld in die Stadien. Außerdem sind sie oft auch Kunden der (Pay-)TV-Sender. Finanziell sind sie in dieser Funktion noch weit wichtiger für die Vereine, denn der Großteil ihrer Einnahmen kommt aus Fernsehgeldern, welche es wiederum nur gibt, wenn die Sender die entsprechende Kundschaft hat. Zu guter Letzt sind die Fans gewissermaßen auch Teil des Kapitalstocks der Vereine und Verbände, denn die von ihnen erzeugte Atmosphäre in den Stadien macht das Produkt Profifußball besser vermarktbar. Ein Gutteil der „Fernseh-Fans“ (Es gibt wohl eine nicht kleine Schnittmenge zwischen „Stadion-Fans“ und „Fernseh-Fans“) guckt den Fußball nicht zuletzt wegen der Atmosphäre. Damit sind die Fans Konsumenten eines Konsumguts, dessen Teil sie sind. Der reine Fokus auf den Stadionbetrieb greift daher zu kurz.
Die Bundesligen sind zum medialen Kassenschlager avanciert. Pay-TV-Sender sind bereit hohe Lizenzgebühren für die Übertragungsrechte zu entrichten und durch den hohen Kapitalfluss im Profifußball wird nicht nur der Sport qualitativ gefördert, der Sport verändert sich. Die Mechanismen der Vermarktung machen das Verschieben des Anstoßes teurer und den Spielabbruch schwerer zu verkraften. Der Spieltag in der zweiten Liga ist über 4 von 7, in der ersten über 3 von 7 Wochentagen verteilt. Hinzu kommen englische Wochen und weitere internationale und nationale Wettbewerbe. Es vergeht fast kein Tag, an dem es kein Fußball zu konsumieren gibt und entsprechend steigen die Anforderungen an ein standardisiertes Event, ein Spektakel. Die DFL versteht sich dabei als Dienstleister an ihrem größten Kunden, und das sind eben nicht die Fans im Stadion, sondern die Sender, die Übertragungsrechte kaufen. Dass das eine das andere bedingt wird dabei beinahe vergessen, aber nicht ganz. Daher kommen doch die Beteuerungen, die Fankultur in Deutschland sei sicher. Schönes Bekenntnis, danke für’s Geräusch, verstanden haben es die grauen Verbandsherren nicht, was es überhaupt mit Kultur auf sich hat. Wer aber nie in der Kurve stand, weder in der Sommerhitze noch bei Minusgraden, wer nie an Bahnhöfen von behelmten Hundertschaften mit Knüppel und Pfefferspray empfangen wurde und so weiter, der wird auch nicht verstehen, wie so eine Kultur funktioniert. Anders gesagt: wer es nicht fühlt, kann es nicht verstehen.
Es ist also durchaus im Interesse der DFL weiterhin Fans dabei zu haben nur sollen die gefälligst nicht ins Spektakel eingreifen können, zumindest nicht unkontrolliert. Der Ligaverband als Vermarkter des Sports sieht sich also in einer Zwickmühle. Sie wollen die Gewinnbringenden Fernsehsender, also letztlich deren Kunden einerseits, brauchen dafür aber die Fans andererseits, die sie unter Kontrolle haben müssen, damit die Vermarktung einwandfrei funktioniert. Die Fans in den Stadien sind der Dünger der Vermarktbarkeit und können gleichsam zu ihrer Blattlaus werden.
Was aber wollen die Fans? Man kann sich natürlich jeden Punkt des Sicherheitspapiers vornehmen und gucken, was Fans dazu gesagt haben. Dabei wird man zu dem Schluss kommen, Fans wollen Pyrotechnik, Stehplätze und eine menschenwürdige Behandlung. Das ist, von streitbaren Fragen bezüglich Pyro abgesehen, sicher richtig, nur ist damit nicht das genuine Interesse von Fußballfans zu erfassen. Durch die Komplexität des Themas und subjektiven Beweggründen der einzelnen Fans sind generalisierbare Aussagen über die heterogene Gruppe der Fans in den Stadien grundsätzlich nur schwerlich möglich. Ich halte es jedoch für den falschen Ansatz über die expliziten Punkte des Sicherheitspapiers zu kommen. Zu leicht drängt sich dann der Trugschluss auf, wird nichts davon umgesetzt, haben die Fans ihre Maximalforderung erreicht. Diese Perspektive blendet jedoch die Themen und Kämpfe der Vergangenheit vollständig aus. Der Fußball ist nicht mehr der selbe, wie er es noch in den 80ern und 90ern war. Viele Veränderungen waren positiv, andere negativ – so ist das nunmal, nur sollte im Diskurs eben bedacht werden, dass Fußballfans schon seit langem in regelmäßigen Abständen dicke Kröten zu schlucken hatten.
Trotz der Farce, die der Verweis auf die geschützte Fußball- und Fankultur seitens Ligaverbandschef Rauball ist, ist noch lange nichts verloren. Kultur wird nicht von Führungsetagen definiert, sondern ergibt sich im Zusammenspiel von Menschen. Die Macht eine Kultur zu formen kommt von unten. Jede Form der Repression führt am anderen Ende zur Produktion. Sie mögen Jugendkultur, Gewalt, Pyro, Randale, Wut, Freude und Extase durch Verbote zu kontrollieren versuchen, doch dieser Versuch ist zum scheitern verdammt.Mehr „Sicherheit“ in Deutschland, die wird es durch die Beschlüsse nicht geben. Weder in den Stadien, noch außerhalb. Das Ergebnis dieser Phantomdebatte ist nichts wert. Die Fußballkultur hat sich stets zwischen diversen Parametern entwickelt. Stadionverbote schließen nicht nur einzelne Personen vom Stadionbesuch aus, sie führen zu Zaunfahnen, Aufklebern, Gesängen, Märschen und einem verstärkten Zusammengehörigkeitsgefühl. Kultur zu unterdrücken, ist wie der Versuch einen Baum am Wachsen zu hindern. Die Richtung der Entwicklung mag sich verändern, doch das Wachstum wird nicht gestoppt.
„Die organisierten Fußballfans haben gezeigt, wie mächtig sie sind. Es war ihr Druck, der die ursprüngliche, schärfere Version des Sicherheitskonzepts scheitern ließ und zu einer Blamage für die DFL machte. Durch ihre durchaus öffentlichkeitswirksame Betriebsamkeit wurde auch in den Medien zunehmend differenzierter berichtet.“ (Christian Spiller)
Es ist falsch die Debatte um mehr Sicherheit in den Stadien nur von einer Seite zu betrachten. Die Konfliktlinien verlaufen kreuz und quer zwischen den verschiedenen Akteuren. Es ist mitnichten anzunehmen, ohne den Druck seitens der Politik, gäbe es keinen Grund mehr für das Papier. Es ist nicht nur der Populismus, Wahlkampfgeplänkel und eine ablenkende Phantomdebatte, was die Innenminister antreibt Forderungen nach mehr Sicherheit zu stellen, es ist auch der neoliberale Geist. Es ist nicht nur der gut gemeinte Versuch die Sportgerichtssprechung auf verbindliche, rechtsstaatliche Grundsätze zu stellen, sondern auch ein klares Vermarktungsinteresse der Deutschen Fußballliga. Das Sicherheitspapier und die anhängende Debatte gilt es von allen Seiten zu analysieren und die Kritik entsprechend in den Schnittstellen zu platzieren.
Die DFL gewinnt Autonomie gegenüber dem DFB mit der Annahme aller 16 Anträge zum Sicherheitspaket. Die Vereine unterliegen mit ihren Voten damit nicht nur dem Druck der Politik, sondern auch vermeintlichen Sachzwängen einer bis zum äußersten gedehnten Verwertungslogik. Dennoch dürfen sich die Fans auf die Schulter klopfen, sie waren es, die die Debatte versachlicht haben. Fankultur ist durch die gestrigen Beschlüsse nicht dem Untergang geweiht. Sollte es dennoch irgendwann zur forcierten Vertreibung kommen und Fankultur verschwindet aus den Stadien, es wird etwas anderes geben. Doch erstmal darf man sich hoffentlich auf viel Pyro freuen. Verbote sind Antrieb. Gerade für die Jugend.
Es gibt Regelungen, die sind nirgendwo in Gesetze gegossen, aber werden normalerweise von allen Seiten beachtet. Eine davon ist die Unantastbarkeit sozialer Einrichtungen, in diesem Fall das Fanprojekt/Fanladen. Die Polizei hält sich hier normalerweise zurück, um die präventive und fallbezogene Arbeit nicht zu behindern. Ein Fanprojekt kann nur dann eine gute und erfolgreiche Arbeit leisten, wenn die betreute Klientel sich dort sicher fühlt, es als Anlaufpunkt und Beratungsinstanz ernst nimmt. Nur so ist ein Zugang und eine Einflussnahme möglich.
Jegliche Behinderung wäre gleich doppelt widersinnig — nicht nur in der Sache selbst, sondern es würde mit der Polizei eine staatlich finanzierte Stelle eine andere von der Stadt zumindest unterstützte Einrichtung behindert.
Ganz sicherlich ist es eine Behinderung, wenn Polizisten davor herumlungern und direkt am Eingang des Fanladens unnötige Maßnahmen treffen. Wenn das noch in Zivilkleidung, unter an Nötigung grenzender Bedrohung und mit mehr als seltsamer Wortwahl geschieht, dann ist das doppelt und dreifach schlecht. Dann sorgt das sorgt das auch bei Fans, die eigentlich „nichts zu befürchten hätten“ für ein ungutes Gefühl, hat doch wohl schon so gut wie jeder so seine Erfahrungen mit der besonderen Rationalität polizeilichen Handelns gemacht.
Es ist völlig klar, dass ein Fanprojekt zwar ein geschützter, aber kein rechtsfreier Raum ist. Ohne irgendeinen konkreten Vorfall war das Vorgehen aber völlig inakzeptabel und das besonders asoziale Verhalten des Ziegenbarts nochmals eine Steigerung davon.
Ich hoffe, ich erwarte diesbezüglich weitere, auch öffentliche Reaktionen des Fanladens und des Vereins. Es darf sich keine Praxis einschleichen, in der hingenommen wird, dass die Polizei den Fanladen nutzt, wie ein Raubtier in der Steppe das Wasserloch, an dem sich seine potentielle Beute versammelt.