„Den Weissen Wölfen Terror machen!“ – Reader über Hamburger Nazis

Die „Autonome Pressegruppe“ hat einen Reader über Hamburger Nazis, ihre Aktivitäten und ihr Umfeld heraus gebracht.

2008 trat die „Weisse Wölfe Terrorcrew“ das erste Mal in Erscheinung. Anfänglich als Fangruppierung der Rechtsrockband „Weisse Wölfe“ und Sauftruppe wahrgenommen, zeichnet sich bis heute eine ernstzunehmende Entwicklung ihrer politischen Aktivitäten ab.
Das Aktionsspektrum der „WWT“ umfasst mittlerweile Veröffentlichungen und Verbreitung neonazistischer Propaganda in Form von Texten und selbst gedrehten Videos im Internet, gemeinschaftlicher Teilnahme an zahlreichen Kundgebungen und Demonstrationen, bis hin zu Einschüchterungsversuchen und gezielten Angriffen auf Menschen, die nicht ihrer neonazistischer Ideologie entsprechen.
Ziel dieser Broschüre ist es eine Informationsgrundlage für antifaschistische Zusammenhänge zu
schaffen, um die „WWT“ einschätzen zu können und um effektive Handlungsweisen gegen diese zu entwickeln…

Das informative Dokument könnt ihr euch bei linksunten.indymedia herunterladen.

Brachland

 

Ja wo eigentlich, mag man sich fragen, vielleicht würden sie ja helfen. Doch bei näherer Betrachtung muss man die Frage stellen, wozu denn? Damit die wieder so dilettantische, halbgare Arbeit verrichten, wie bei ihrem letzten größeren Besuch? Dresden, München, Hamburg, Halle, Leipzig, Köln und Düsseldorf stehen noch. Berlin sowieso, und tausende anderer Städte und Gemeinden, vollgepropft mit dummdeutschem Mob.

Was aber hätte denn daran so schwer sein können, bummelige 550.000 Quadratkilometer „Deutsches Reich“ durch wohl dosiertes Flächenbombardement in unbewohnbares Brachland zu verwandeln? Die Alliierten schafften es nicht den Täterstaat zu solcher Unwirtlichkeit zu versteppen, dass sich nicht mal ein Sauron ihrer annehmen würde, weil sein geliebtes Mordor schlicht humaner (und humider) gewesen wäre.Wollten sie es etwa nicht? Heute wäre es jedenfalls nur noch ein grob 360.000 Quadratkilometer großes Betätigungsfeld, was letztlich ihrer Inkompetenz geschuldet ist, das erkämpfte Gebiet untereinander aufzuteilen. Die ideologische Zerreissprobe der Folgejahre zeichnete sich bereits ab. Der fehlende Wille kann also als plausible Erklärung gelten, man hatte andere Pläne.

Weder zwei verlorene Weltkriege noch eine Funktion als militärischer Prellbock (aka Wirtschaftswunder) konnten schlussendlich derartige Nominierungen für den Grimme-Preis verhindern und auch heute können die Alliierten wohl nicht helfen. Wo schon die Maya Weißsagung nicht griff, bleibt letztlich nur zu hoffen, die Apokalypse ließe nicht mehr so lange auf sich warten. Die Erwartung, alles würde sich noch irgendwie zum Guten* wenden, scheint vergebens.

So ärgern wir uns allein in den letzten 3-4 Monaten mit Pogromstimmungen, Wortschöpfungen wie „Asylmissbrauch“, Hetze gegen Sinti und Roma und die Unschuldsvermutung aussetzenden Urteilen eines demokratischen Rechtsstaates herum. Weite Teile der ach so demokratischen Bevölkerung dieser „Kulturnation“ treten vehement dafür ein, doch bitte weiter dem gemeinen Juden die Schuld allen Übels andichten zu dürfen, weil man das ja noch sagen dürfen müsse. Viele wehren sich dagegen, Schwarze und Poc nicht weiterhin mit dem N-Wort bedenken zu dürfen, da das ja schon vor 30 Jahren nicht mehr bös’ gemeint gewesen wäre. Weite Teile befinden auch, Frauen sollten sich nicht so anstellen, wenn Männer sie etwas „unbeholfen anflirteten“.

Eine Mehrheit der Bevölkerung kann und will sich offenbar vom tief verwurzelten Vertrauen der eigenen Überlegenheit nicht lösen. Ihre Israelkritik äußert sich in Antisemitismus, ihre Literaturkritik in Rassismus und letztlich bedeutet ihre Verteidigung gegen die „feministische Hysterie“ (allein schon…) nicht weniger, als dass man von der Vorstellung, die Frau habe dem Vaterland vor allem reichlich Kinder zu schenken, noch nicht so recht abrücken mag. Man weiß ja nie, wofür man die Gören noch brauchen könnte.

Wie schön doch Brachland gewesen wäre.

*Das reine und pure Gute, auf Erden verkörpert vom gemeinen Quokka:

Flickr: Loetifuss
Flickr: Loetifuss

PS: Dieser Post dürfte Spuren von Ironie und diesem Satire erhalten, das stets so wenige verstehen.

Das N-Wort bedeutet Rassismus

Eine eigentlich unnötige Debatte

Derzeit wird eine Debatte darüber geführt, ob in Kinderbüchern diskriminierende Begriffe, wie das N-Wort, weiter Verwendung finden sollten. Eigentlich sollte diese Diskussion überflüssig sein. Die Debatte nervt und sie wird in einer Intensität geführt, gerade von Seiten der Verfechter, dass man beinahe überrascht sein könnte. Das einzig Erfreuliche in dieser Debatte sind die mitunter enorm guten Äußerungen einiger Menschen dazu. Eine kleine Auswahl möchte ich euch daher zum Einstieg nicht vorenthalten. Lest die Texte und lest sie aufmerksam. Nicht wenige der Autor_innen mussten und müssen selber Diskriminierungserfahrungen machen und wissen daher, wovon sie reden. Gerade ihnen gilt es zuzuhören. Sie haben zu diesem Thema weit Gewichtigeres zu sagen, als Weiße.

Gute Texte finden sich bei Der braune Mob e.V.Bühnenwatch, Mädchenmannschaft eins und zwei, Accalmie (ohnehin sehr zu empfehlendes Blog), Shehadistan eins, zwei und drei, Metalust und Subdiskurse einszwei und drei, Gleisbauarbeiten, zoon politikon, Tagesspiegel.

Besonderes Augenmerk verdient die kleine Ishema, die, wie wohl schon alle gesehen haben, in einem Leserbrief der ZEIT-Redaktion deren weiße Selbstgefälligkeit um die Ohren schmettert:

Was ist eigentlich Rassismus?

Was Rassismus eigentlich bedeutet wird dankenswerter weise vom braunen Mob anschaulich und auszugsweise beleuchtet:

„Rassismus heißt nicht, eine bestimmte „Rasse“ zu „hassen“, sondern zu glauben, dass Menschen wegen ihrer biologischgeografischen Herkunft „angeboren“ oder „naturgemäß“ über spezifische Vorlieben, Talente, Neigungen oder Charakter-Eigenschaften verfügen.

Rassismus ist unter anderem:

  • der Reflex, die Strassenseite zu wechseln wenn einem zwei Schwarze entgegenkommen.
  • eine Frau als „Cappuchinoschönheit“ zu bezeichnen.
  • zu finden, dass „Schwarze super singen können“ und nochmal nachzufragen, ob der Schwarze Rechtsanwalt „wirklich Rechtsanwalt ist“, nur um ganz sicher zu gehen.
  • Schwarze Deutsche zu fragen, wo sie „wirklich herkommen“ und ob der „Papa oder die Mama Schwarz“ sei.
  • zu sagen „wir haben doch schon einen Schwarzen in der Band, noch einer muss nicht sein“.
  • zu sagen „ich kenne viele Schwarze also kann ich kaum Rassist sein“ oder „in Deutschland gibt es doch gar nicht soo Rassismus“.
  • zu ignorieren, dass unsere Gesellschaft weiße Menschen strukturell und institutionell stark bevorzugt, und dadurch sein weißes Privileg zu leugnen.

Am Wochenende auch mal mit Schwarzen auszugehen bedeutet nicht automatisch, dass man kein Rassist ist. Ebenso wenig wie mit vielen Frauen zu sprechen nun mal nicht bedeutet, dass man „kein Sexist sein kann“.

Rassismus hat so an sich, dass ihn vor allem diejenigen bemerken, die davon betroffen sind. Falls einzelne weiße Deutsche Rassismus nicht ständig erfahren, dann ist das sehr erfreulich, heißt aber leider nicht, dass es ihn nicht oder nur selten gibt, sondern nur dass sie ihn nicht mitbekommen weil sie nicht die Zielscheibe sind. Zu behaupten, es gäbe „kaum Rassismus“ ist eine der beleidigendsten Aussagen, die man als nicht-Betroffener tätigen kann, weil sie die täglichen Erfahrungen hunderttausender Leute, die das nunmal besonders gut beurteilen können, ignoriert und sich auf anmassende und verletzende Art „über“ sie stellt: bei allem was sie mitmachen müssen, wird das nun auch noch bestritten. So etwas ist bestenfalls ignorant.“ (Der braune Mob e.V.)

Wir haben alle rassistische Stereotype verinnerlicht, denn wir wachsen nicht im luftleeren Raum auf, sondern werden in dieser Gesellschaft sozialisiert. Wir wachsen mit N*Küssen, N*königen und so weiter auf. Eventuell reflektieren wir später, dass das ja eigentlich falsch ist, nur sind die Stereotypen tief verankert und werden sogar aggressiv verteidigt, wie die aktuelle Debatte zeigt. Wir leben in einer Gesellschaft, in der PoC strukturell benachteiligt sind. Wir genießen Privilegien, die für uns selbstverständlich sind. Da können wir im einzelnen oftmals nichts für, trotz allem ist diese Struktur rassistisch und auch wenn wir uns unsere weiße Haut nicht ausgesucht haben, schadet ein kritisches Hinterfragen der eigenen Privilegien nicht. Nein, wenn wir irgendwann mal zu einer Symmetrie kommen wollen, die überhöhte Vormachtstellung von Weißsein durchbrechen wollen, ist es sogar unsere Aufgabe genau das zu tun. Wer das nicht als die Gesellschaft ansieht, zu der wir werden müssen, ist Rassist und nicht weniger, als ein Rassist! Wer meint, er müsse seine Privilegien eben nicht hinterfragen, weil er sich gerne in die Rolle des ja-auch-hin-und-wieder-Betroffenen verdrückt (Stichwort „Deutschenfeindlichkeit“, du arme „Kartoffel“, jajaja…) hat Rassismen so sehr verinnerlicht, dass er eigentlich an der eigenen Kotze ersticken müsste.

Was wiegt wohl schwerer, die „Last“ die nicht ausgesuchten Privilegien kritisch zu reflektieren, oder die Last mit nicht selbst gewählter (das tut niemand!) Diskriminierung tagtäglich umgehen zu müssen. Wer soll sich also nicht so anstellen, wegen diskriminierender Begriffe? Die, die davon profitieren, oder die, die darunter leiden? Wir haben nicht darüber zu entscheiden, ob ein Wort oder eine Handlung diskriminiert, wir sind die verschissen privilegierte Mehrheit. Was diskriminiert, wird von den Betroffenen definiert, da haben wir nicht mitzureden, sondern nichts anderes zu tun als zuzuhören und das ernst zu nehmen!

Als weißer, heterosexueller Mann gehöre ich zur privilegiertesten Gruppe in dieser Gesellschaft. Diskriminierung erlebt man so im Prinzip keine. Am ehesten noch gibt mir das Wissen aus der Schulzeit eine Ahnung davon. Ich habe gelernt, dass auf dumme Sprüche mein Gewicht betreffend meist Gewalt folgte. Das ist bei weitem kein Vergleich zu dem, was Schwarze und PoC in unserer Gesellschaft gewaltsam erdulden müssen. Das versetzt mich lange nicht in die Position wissen zu können, wie sich Menschen fühlen, wenn sie durch Begriffe wie das N-Wort getriggert werden; was das in ihnen hervorruft.

Und eines muss eingangs eben noch festgehalten werden, ganz gleich wie Antifa und Antira und was-weiß-ich man sich fühlt. Man ist eben nicht einfach kein Rassist und man wird auch nicht einfach Rassist, wie der braune Mob ganz richtig schreibt. Man lebt in einer rassistischen Gesellschaft und dem kann man sich nicht erwehren. Man kann nur fortwährend versuchen weniger rassistisch zu sein. Nein das muss man.

Weiße „Zivilisation“ und deutsche Geschichte

„Why have a civilisation if we are no longer interested in being civilized?“, fragt sich der Protagonist Frank im Film „God bless America“. Die Zivilisation sieht der weiße Mann zugrunde gehen, da im Fernsehen weiße Menschen von anderen weißen Menschen gedemütigt werden (es sind nur weiße). Doch weiße Zivilisation war nie sonderlich human. Seit mehreren hunderten Jahren bedeutet westliche, weiße Zivilisation vor allem die Unterdrückung und Ausbeutung des „Anderen“.

Das deutsche Geschichtsbewusstsein scheint auf die Zeit von 1933 bis 1945 limitiert zu sein. Alles davor wird dadurch irrelevant, alles danach wird dadurch gut, human, demokratisch. Rassismus in Deutschland wird zu einem historischen Ausrutscher verklärt. Durch dieses Geschichtsverständnis kann nicht nur die Zeit des NS nicht adäquat gefasst werden, der Maßstab für das, was Rassismus sein darf, verschiebt sich. Der Blick auf die eigene Geschichte wird verschleiert. Es scheint als gelte den Deutschen der Holocaust stets als Maßstab für Diskriminierung, doch der war keine Diskriminierung, sondern Völkermord einmaligen Ausmaßes. Er war kein kollektiver Mordrausch, nicht „nur“ eine Serie von Pogromen. Dieser Genozid war und ist in seiner Planung bis zur „Endlösung der Judenfrage“ einzigartig. Die Auseinandersetzung damit ist Pflicht, nur heißt das aber nicht, dass all das was nicht an die Qualität dessen herankommt nicht so schlimm ist. Genau das passiert aber nur zu häufig. All das, was die einmalige Qualität der Shoah nicht erreicht, gilt den Deutschen als „nicht so schlimm“, „kein Antisemitismus“ oder eben „kein Rassismus“. Die Aufarbeitung des Singulären legt sich, absurder weise, wie ein Schleier über die Debatte um Diskriminierung. Auf diese Weise werden Rassismus und rassistische Strukturen in Deutschland relativiert.

EDEKA leitet sich von E.d.K., also „Einkaufsgenossenschaft deutscher Kolonialwarenhändler“ ab. An der Kasse dieses nur zu gern vergessenen Relikts des deutschen Kolonialismus steht Bloggerin Anneke Gerloff mit der aktuellen Ausgabe der ZEIT und kauft sich die Zeitung mit den Illustrationen schwarzer Menschen aus diversen Kinderbüchern auf dem Cover. Zusammengestellt zu einer Collage, die dem Gefühl weißer Mehrheitsgesellschaftler Ausdruck verleiht, von politisch korrekter Sprache zensiert zu werden. Mit dem Leitartikel der Ausgabe findet sich für diese Angst mit Ulrich Greiner der vermeintlich Mutige, der sie ausspricht.

Ohne „die Anderen“ funktioniert Rassismus nicht

Der Begriff der Zensur allein, das Klammern weißer, deutscher Feuilletonisten an diskriminierende Begriffe bedeutet in diesem Kontext nicht weniger, als Widerstand gegen eine Gesellschaft frei von bzw. mit weniger Rassismus und angeborenen Privilegien. Und es bedeutet das Ausklammern und Unterdrücken der Erfahrungen der Betroffenen, als hätten die keinen Wert. Es ist ein zwanghaftes Festhalten am Status Quo einer Gesellschaft, in der vor allem weiße Mittelstandskids eine Chance haben. Denn das N-Wort ist kein Relikt des deutschen Kolonialismus, wie EDEKA, es ist gelebte rassistische Kontinuität. Es steht für den Kolonialismus und die Welt- und Menschenbilder, die ihm seine angebliche Legitimität gaben. Es sind diese Bilder, die in den Köpfen der Menschen fortwirken. Es ist die Entmenschlichung, die in diesen Bildern steckt und bis heute wirkt.

Wie kleine Jungs in der Schule, die durch das Sagen eines „bösen Wortes“ ein Tabu brechen, freut sich der weiße, deutsche Feuilletonist, das N-Wort am Leben zu halten. Doch es handelt sich bei dem Begriff nicht um ein gewöhnliches, gesellschaftlich geächtetes Wort, welches einfach nur ein gesellschaftlich anerzogenes Tabu bricht. Mit diesem Begriff werden „die Anderen“ markiert. Dieser Begriff ist konstitutiv für eine Denkweise, in der sich Attribute an zugeschriebenen sozialen Kategorien, hier also Schwarz bzw. nicht-weiß, festmachen lassen. Gesellschaften in denen das N-Wort gelebte Realität ist, sozialisieren Kinder mit dem Gefühl der Andersartigkeit. Es sind die weißen Kinder, die lernen, dass es noch andere gäbe, es sind die schwarzen Kinder, die lernen, dass sie angeblich anders und nicht von hier, sondern etwa aus der Südsee seien.

Diese Sozialisation setzt sich durch. Ein Fleischhauer oder ein Greiner mögen denken, das sei nicht so schlimm und die Menschen könnten das durchaus kontextualisieren. Doch sie unterschätzen die Subtilität mit der Rassismus wirkt. Sie merken ja offenkundig selber nicht einmal, wie sie selbst rassistische Stereotype reproduzieren. Es ist kein Ausdruck von Freiheit mit dem Beibehalten diskriminierender Begriffe Stereotypisierungen zu reproduzieren. Im Gegenteil: Es schränkt die Freiheit der Betroffenen ein, also ist es Freiheitsberaubung. Es ist genau diese Stereotypisierung, die Rassismus bedeutet und die darüber hinaus die Grundlagen für die radikale Auslebung dieser Ideologie schafft. Durch Begriffe, wie das N-Wort werden „die Anderen“ markiert. Dieses Wort transportiert eine Hierarchisierung vermeintlich verschiedener Menschengruppen. Schwarzen und PoC werden dadurch „naturbelassene“, „unzivilisierte“, „archaische“ und weitere „minderwertige“ Attribute zugeschrieben. Das ist die historische Komponente des Wortes und die steckt da einfach immer drin. Da helfen keine Bekundungen man meine es nicht so oder man könne das ja reflektieren. Das hat kein Weißer zu entscheiden! Kein Neonazismus, kein Rassismus, keine extrem Rechte Ideologie kann funktionieren ohne die Markierungen von „Wir“ und „Die“, von Norm und Abweichung. Wie kann jemand von sich behaupten, Nazis scheiße zu finden, eine notwendige Bedingung für deren Ideologie – den Rassismus – aber fortwährend reproduzieren?

Die deutsche Blutgemeinschaft

Das ius sanguinis  bedeutet Abstammungsprinzip und es gilt in Deutschland. Nach diesem Prinzip richtet sich die Nationalität eines Menschen nach der Nationalität der Eltern. Wenn du also am Nordpol geboren wirst und deine Eltern sind deutsch, dann bist du nach diesem Prinzip ebenso deutsch. Dieses Prinzip folgt also der Vorstellung einer „Blutlinie“. Dem Gegenüber steht das ius soli, das Geburtsortsprinzip, das 2000 ergänzend in Deutschland eingeführt wurde (mit der Umsetzung dessen ist auch wieder genug rassistische Scheiße verbunden, aber das soll hier jetzt nicht Thema sein). Trotz ius sanguinis und trotz immensem Weißbrotüberschuss gibt es natürlich Schwarze Deutsche und PoC mit deutscher Staatsbürgerschaft und das nicht erst seit neuestem. Dennoch hat sich dieses Abstammungsprinzip der weißen deutschen Mehrheitsgesellschaft offenkundig bis in die letzte Gehirnwindung gefressen. Mehrheitlich sehen sie sich als weiße Blutgemeinschaft, in der alle, die nicht weiß sind, nicht so richtig deutsch sind. Ich will jetzt nicht darauf eingehen, wie scheiße Nationalstaaten ohnehin sind, das führt an dieser Stelle zu weit. Wenn sich aber in dieser unsäglichen Debatte schon von Herrn Greiner auf das Grundgesetz bezogen und Rat in Form des Artikels 15 (Zensur) geradezu an den Haaren herbeigezogen wird, dann sei doch auch noch auf den Artikel 3 eben dieses Grundgesetzes verwiesen, der in dieser Debatte nämlich viel wichtiger ist und in dem steht:

Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden

Und wenngleich hier der seit einer gefühlten Ewigkeit als wissenschaftlicher Bullshit erwiesene Begriff der „Rasse“ Verwendung findet, und wenngleich es die Verfassung eines Nationalstaates ist, also niemals wirklicher Ausdruck von Antirassismus sein kann (hier könnte man jetzt einen riesigen Exkurs aufmachen, aber das lassen wir jetzt mal, geht doch einfach in ’ne Bibliothek und lest nach worauf ich hinaus will), ist es doch dieser Artikel 3, der deutsche Feuilletonisten aufhorchen lassen sollte und nicht der fünfzehnte. Es ist dieser Artikel, der in unserer Gesellschaft kaum Beachtung findet und der durch das zwanghafte Wehren der N-Wort-Verfechter mit Füßen getreten wird.

Kindern die Angst vor Fremden nehmen, übrigens, wird obsolet, wenn man Kindern nicht erst beipult es gäbe Fremde.

Literaturtipps:

Maureen Maisha Eggers, Grada Kilomba, Peggy Piesche, Susan Arndt (Hg.): „Mythen, Masken und Subjekte: Kritische Weißseinsforschung in Deutschland“
Noah Sow: „Deutschland Schwarz Weiß: Der alltägliche Rassismus“

Und grundsätzlich gilt: HÖR ZU verdammte Axt und hör auf damit dich Arier als armes Opfer von Diskriminierung hinzustellen. Bist du nicht!

Grundsätzlicher Dank an den braunen Mob e.V. deren Website in Fragen bezüglich Rassismus (besonders für Journalisten und Blogger) grundsätzlich erste Anlaufstelle sein sollte. Für diverse hilfreiche Tipps, Hinweise, Kritik und Anregungen während der Entstehungsphase dieses Blogposts danke ich @momorulez und @liebtdi_ch

Rainer Wendt im Sprachrohr der neuen Rechten

Der wohl beinahe allen Fußballfans bekannte Bundesvorsitzende der Deutschen Polizeigewerkschaft (DPolG) sorgt wieder mal für Aufsehen. Während seine Dienstskollegen dem Mitglied der Piratenpartei Meinhart Ramaswamy offenbar ohne ersichtlichen Grund den Zutritt zum Atommüllzwischenlager in Gorleben verwehren steht „Uns Rainer“ der Jungen Freiheit wieder mal Rede und Antwort, dieses Mal in einem Interview. Nicht das erste Mal, dass Wendt mit der Jungen Freiheit zusammengearbeitet.

Im Oktober 2011 hatte Wendt im „rechtskonservativen“ (wenn das das Sprachrohr der neuen Rechten mal nicht verharmlost…) Blatt bereits einen Kommentar verfasst. Er sprach damals von „kranken Geistern” und warnte vor einer neuen Terrorgefahr. Seine Konsequenz:

„Deshalb muß der Staat seine Verfassungsschutzbehörden besser ausstatten und die Überwachung des linksextremen Spektrums zum Schwerpunkt machen.“ (Rainer Wendt in Junge Freiheit 13.10.2011)

Gut einen halben Monat später flog die Terrorzelle „NSU” auf. Ihre Akteure waren aber keine „Linksextremisten” sondern stramme Nazis, eventuell gar Leserschaft der Jungen Freiheit. Im Zuge der nach wie vor laufenden Aufarbeitung der Mordserie offenbarte sich ein bundesweites Versagen der Verfassungsschutzbehörden, die Wendt im Kampf gegen den Terror stärken wollte. Schon früher hatte Wendt vor einer „Renaissance des linken Terrors der Siebziger“ gewarnt. Auch wenn er nicht falscher hätte liegen können, ist es wohl nicht unwahrscheinlich, dass er an seinen Aussagen weiter so festhalten würde.

Im Februar 2011 forderte Wendt Wolfgang Thierse zum Rücktritt auf, nachdem dieser es gewagt hatte den Polizeieinsatz beim damaligen Naziaufmarsch in Dresden (bzw. den entsprechenden Gegenaktivitäten, an denen er teilgenommen hatte) zu kritisieren.

„Thierse ist eine Schande für das deutsche Parlament. Ich habe großen Respekt vor dem Bundestag, aber ich schäme mich für seinen Vizepräsidenten. Er muß zurücktreten“ (Rainer Wendt ggü Junge Freiheit 23.02.2011)

Unklar ist, wieviele Polizisten sich für Rainer Wendt schämen.

Gut ein Jahr nach Auffliegen des NSU wählte Wendt wieder die Junge Freiheit, um seine Kritik am Vorsitzenden des NSU-Untersuchungsausschuss, den SPD-Abgeordneten Sebastian Edathy, loszuwerden.

„Diese Rassismuskeule gegen die Polizei ist unerträglich“ (Rainer Wendt ggü Junge Freiheit 02.11.2012)

und

„Von einem Vertreter einer solch alten und staatstragenden Partei hätte ich mehr Differenz und Niveau erwartet“ (ebd.)

Edathy hatte institutionellen bzw. strukturellen Rassismus bei der Polizei angesprochen. Für Wendt scheinbar unerträglich und Zeichen fehlenden Niveaus. Allein schon. Was er wohl erst zu diesem Interview sagen würde?

Dass Wendt nun der Jungen Freiheit ein Interview gegeben hat, in dem er sich über zu lasche Justiz und antiautoritäre Erziehungsmethoden auskotzt ist also wenig verwunderlich. Vielmehr pflegt er eine alte Freundschaft, wenngleich er einst behauptete dieser Zeitung „zurückhaltend gegenüber“ zu stehen.

In einem Beitrag bei „Mut gegen rechte Gewalt“ heißt es ganz richtig:

„Ihre [Junge Freiheit] Position zu legitimieren und sie in dem Versuch, sich einen bürgerlichen Anstrich zu geben, zu bestärken, muss aber nicht sein. Wenn der Bundesvorsitzende einer Polizeigewerkschaft, Statements und Kommentare der „Jungen Freiheit“ zur Verfügung stellt, geschieht allerdings genau das.“

Dem Problem wird jedoch nicht damit beizukommen sein, dass Wendt Aufhört die JF als akzeptables Medium zu werten, sondern dadurch, dass die Gesellschaft begreift, dass der demagogisch agierende Gewerkschaftsvorsitzende durchaus fragwürdige Ansichten vertritt. Jemand der selbst nicht für voll genommen wird, kann auch kein rechtes Blatt legitimieren. Darüber hinaus wäre ein Rücktritt natürlich begrüßenswert, dies wurde aber schon im Februar 2012, als Reaktion auf Wendts Attacken gegen Thierse, vergeblich von Marlies Volkmer (SPD) gefordert.

*Die JF wird hier aus Prinzip nicht verlinkt.

26.01.2013: Veranstaltung zum Internationalen Holocaust-Gedenktag

Wie schon in den vergangenen Jahren veranstaltet der Fanladen St. Pauli auch 2013 eine Gedenkveranstaltung zum Internationalen Holocaust-Gedenktag.

In diesem Jahr treffen wir uns in der Annenstraße am ehemaligen NSDAP-Parteigebäude und gehen nach einer kurzen Ansprache von dort gemeinsam in einem Schweigemarsch zu den Gedenktafeln am Stadion. Dort wird der Journalist Patrick Gensing einen Überblick über die aktuelle Situation in der deutschen Neonazi-Szene geben.

Abschließen werden wir die Veranstaltung mit einer Kranzniederlegung und einer Gedenkminute für die Opfer des Nationalsozialismus.

Die Veranstaltung am 26. Januar beginnt um 13.30 Uhr in der Annenstraße/Ecke Clemens-Schulz-Straße.

via Fanladen St. Pauli

12. Januar 2013: Naziaufmarsch in Magdeburg verhindern!

Am 12. Januar werden wieder weit über 1.000 Neonazis in Magdeburg ihre geschichtsrevisionistische Ideologie auf die Straße tragen. Damit etabliert sich der Aufmarsch weiter als „Ersatz-Dresden“. Bisher gilt Magdeburg als sichere Alternative für die Neonazis, Proteste wie in Dresden gibt es bisher nicht. (Publikative.org)

Genau das gilt es dieses Wochenende zu ändern. Daher keine Ausreden, auf nach Magdeburg!

Foto: kleinertod

Seit 1998 finden sich jedes Jahr Neonazis in Magdeburg zusammen, um den Opfern der Bombardierung der Stadt am 16. Januar 1945 zu gedenken und ihre geschichtsrevisionistische Propaganda auf die Straße zu tragen.

Im Schatten des jährlichen Großaufmarsches in Dresden entwickelte sich der „Gedenkmarsch“ zu einem bundesweiten Nazitermin. In den vergangenen Jahren wuchs der Aufmarsch kontinuierlich, 2012 waren es 1.300 Teilnehmer_innen. In Sachsen-Anhalt, einem Bundesland, welches in weiten Teilen von provinziellen Nazistrukturen geprägt ist, stellt der Magdeburger „Gedenkmarsch“ den jährlichen Höhepunkt für die regionale Naziszene dar. Dabei verbinden sich die Größe des Aufmarsches, der starke NS-Bezug, der militärisch geordnete Aufzug und die Fackelzeremonie bei Einbruch der Dunkelheit zu einem identitätsstiftenden Ereignis. Zugleich dient der „Gedenkmarsch“ der Profilierung eines aufstrebenden Nazi-Kaders: dem JN Bundesvorsitzenden und Leiter des NPD Ordnungsdienstes Andy Knape. Knape hat den Aufmarsch am 12. Januar 2013 angemeldet, Sascha Braumann den zweiten Termin am 19. Januar 2013. Gemeinsam bilden sie den harten Kern der „Initiative gegen das Vergessen“, welche die Aufmärsche seit Jahren vorbereitet und durchführt. Beide waren organisatorisch am „Tag der deutschen Zukunft“ am 2. Juni 2012 in Hamburg beteiligt.

Mit der steigenden Größe des Aufmarsches und den erfolgreichen Blockaden in Dresden wuchsen in den vergangenen zwei Jahren auch die Proteste gegen den “Gedenkmarsch“ in Magdeburg. Im Januar 2013 sind Massenblockaden das erste Mal realistisch, da sich das Bündnis Magdeburg Nazifrei seit Monaten spektrenübergreifend auf Blockaden vorbereitet. Auch der AK Antifa Magdeburg mobilisiert bundesweit zu einer antifaschistischen Demonstration unter dem Motto „365 Tage offensiv“. Neben dem Ziel den Naziaufmarsch zu verhindern, soll hier zusätzlich thematisiert werden, dass Rassismus, Antisemitismus und Chauvinismus tief in der deutschen Gesellschaft verwurzelt und somit nicht nur am Tag eines „Gedenkmarsches“ zu bekämpfen sind. Nach dem Verbot der Aufmärsche in Wunsiedel und Halbe und nach den erfolgreichen Blockaden in Dresden gibt es für die Naziszene nicht mehr viele regelmäßige Großveranstaltungen dieser Art.

Der Aufmarsch in Magdeburg ist neben jenem in Bad Nenndorf eine davon. Auch wir hier in Hamburg wollen dafür sorgen, dass dies nicht so bleibt und fahren gemeinsam nach Magdeburg um den „Gedenkmarsch“ zu verhindern. (via Indymedia)

Weitere Infos und Material:
365 Tage Offensiv
Bündnis Magdeburg Nazifrei

“Wir sind keine Neonazis”

“Das Ding vor Ort” fragt in Karlsruhe beim Abschlusskonzert der “Frei.Wild”-Tour die Fans ob die Band denn jetzt rechts sei. Außerdem wird Felix Benneckenstein, ehemaliger Nazi, rechter Liedermacher (Flex) und heute Aussteiger sowie Mitgründer von Aussteigerhilfe Bayern e.V. zur Band und ihren Liedern befragt.

Freiwild zum Abschuss freigeben!

via DasDingVorOrt

Nordisch-Mythische Grauzone

*Disclaimer: Die hier verlinkten Quellen konnten von mir nicht auf “Coolness” überprüft werden. Sie dienten der Recherche und dienen hier als Beleg. Kann sich aber durchaus gut und gern um Arschgeigen handeln, die die Seiten betreiben – Keine Ahnung! Grundsätzlich ist mir der ganze (Black) Metal Wust allgemein ein viel zu undurchsichtiger Sumpf, da gibt es Menschen, die sich weit besser als ich auskennen.*

Im letzten Blogpost thematisierte ich in einer Randnotiz die Black Metal Band “Faagrim” und ihr (ehemaliges) Plattenlabel “Christhunt Productions”. Letzteres steht in direktem Bezug zu diversen NSBM-Bands, die sie vertreibt. Ich hatte nicht mitgeschnitten, dass “Faagrim” das Label mittlerweile gewechselt hat, der Vorwurf in einer Grauzone verortet werden zu müssen wird dadurch nicht weniger haltbar. Zur Kritik am ehemaligen Label erklärt der “Faagrim”-Frontmann:

“Ich persönlich habe kein Problem mit Christhunt Productions. Sicherlich wird man des Öfteren mit anderen Bands die auch unter CHP fungieren gleichgesetzt, aber das stört mich herzlich wenig. So lange man sich selbst nichts zu schulden kommen lässt, gibt es keinen Grund sich mit irgendwelchen unberechtigten Denunzierungen auseinanderzusetzen. Und eine Band nur wegen eines Labels oder eventuell “ähnlichen” Bands in eine bestimmte Ecke zu drängen, finde ich ohnehin etwas lächerlich.”

Was Frontmann “Rottensang” nervt wird auch aufgegriffen:

“Aber auch diese ganzen osteuropäischen pseudeo NSBM Bands [regen ihn auf; Anm. d. Verf.], deren Großväter wahrscheinlich noch die unseren im Krieg erschossen und die damalige „Ideologie“ bekämpft haben [Rassismus ist ausschließliches Recht von Deutschen?; Anm. d. Verf.], denen es heutzutage aber anscheinend nur noch darum geht, möglichst oft „SH“ zu brüllen und die Symbolik des dritten Reichs im Logo, oder CD-Booklet zu haben, gehen mir gehörig gegen den Strich.” [meine Hervorhebung; d. Verf.]

Eine generelle Distanzierung vom NSBM sieht anders aus. Es impliziert ja sogar, dass es richtigen und legitimen NSBM gäbe, der nicht zu kritisieren sei. Hier wird die Problematik des Genres, besonders des Schwarzmetalls, mehr als deutlich. In einem Fahrwasser, das ohnehin schon mit den Mythen und der Mythologie, dem Germanentum und ähnlichen Themen, strukturelle Anknüpfungspunkte für rassistische und faschistoide Ideologien bietet, wird ein klares Bekenntnis gegen derartige, verblendete Sichtweisen noch notwendiger, als es ohnehin schon ist. Genau das erfolgt aber nicht. Stattdessen wird nach dem klassischen Schema verfahren, nach dem man sich selbst als “unpolitisch” präsentiert und die Diskussion um Ideologie damit für beendet erklärt.

Rassismus wird damit zur legitimen politischen Ansicht bagatellisiert und politische Ansichten werden zur Privatsache verklärt. So verfährt auch die Band “Nekrokrist SS” deren Name schon aufschrecken lässt. Diese finnische Kombo, bestehend aus “Nekroführer” und “Nekrokommando” sieht sich selbst als gänzlich normale Black Metal Band. Die persönlichen Ansichten werden zur Privatsache erklärt (“Nekrokrist is not NSBM band, what WE are is not anyone’s business!”). Der Namenszusatz “SS” bezieht sich natürlich nicht auf das, was alle denken, sondern symbolisiert die satanische Bruderschaft des Anti-Christen (“‘SS’ – of the band name have very different meaning that you may think. In a way it symbolizes the satanic brotherhood of me and Nekrokommando! The name Nekrokrist SS means us the brotherhood of Anti-Christ.”). Das alles wirkt wenig glaubwürdig und mehr als zweifelhaft, nicht zuletzt beim Titel des 2003er Demotapes “Gas Chambers, Crematory And Hell“, das unter anderem den Track “Gas Chamber 88” enthält. Der Zahlencode 88 ist dort natürlich sicher nur zufällig. (Interview-Passagen)

Mit dieser doch eher zweifelhaften Band hat “Faagrim”, die seit ihrer zweiten Platte beim französischen Label “Thors Hammer Productions” erscheinen, nun eine Split CD veröffentlicht. Die Verortung von “Faagrim” in der Grauzone scheint damit zusätzlich zu oben zitierter Aussage nochmals unterstrichen.

(Nachtrag: Diese Split ist von Thors Hammer Productions in Zusammenarbeit mit “Darker than Black Records” produziert worden. Dies ist das Haus und Hof-Label DER deutschen NSBM-Band “Absurd”. Dies ist zweifelsohne als weiterer Beleg für die uncoolen Fahrwasser, in denen sich Faagrim bewegt, zu werten.

Ein weiteres schönes Beispiel für Faagrims mindestens vorhandene Rechtsoffenheit ist das Demotape “…und Winter kam”. Auf dem Tape fand sich mit “The Vampiric Tyrant” ein Cover der Band “Satanic Warmaster” zu der u.a. Wikipedia Interessantes zu berichten weiß. Abgerundet wird das Tape durch einen Schriftzug in Runenform im Booklet: “Nordgermanischer Heimatsfront Schwarz Metall” steht dort geschrieben.)

Ich hatte im letzten Blogpost dem Elmshorner Eventclub “One” vorgeworfen, dieser Band mit dem dort am Samstag 12.01.2013 stattfindenden Bandcontest ein Forum zu bieten, was nach dem Konzert der rechten Hoolband “Kategorie C” ein weiterer Beleg für die Kurzsichtigkeit des Veranstalters gewesen sei. Was bei “KC” fehlte, war hier nun gegeben, nämlich der Bandname und damit die Möglichkeit zu Recherche und Kontaktaufnahme. Allerdings natürlich bestünde auch für mich die Möglichkeit der Kontaktaufnahme zum “One Elmshorn”. Ich wurde heute darauf hingewiesen, dass – anders als ich – offenbar Elmshorner Metalfans das “One” direkt mit den Ergebnissen einer ähnlichen Recherche zu “Faagrim”, wie ich sie angestellt habe, konfrontiert haben.

Der Betreiber war dem Vernehmen nach sehr dankbar für den Hinweis und gab der Band daraufhin die Chance sich zu erklären. Da diese sich auf die typischen Gemeinposten “unpolitisch”,“nur Musik”, etc. zurückzogen, wurde die Band daraufhin offenbar vom Contest ausgeschlossen. Insofern muss dem “One” und seinem Betreiber hier ein Lob und den entsprechenden Elmshorner Metalheads ein Dank für’s Kümmern ausgesprochen werden.

Der neue Flyer exkl. “Faagrim”
Der alte Flyer inkl. “Faagrim”

(Nachtrag: Anders verhält es sich mit dem eher linken “Juki42” in Ahrensburg, wo Faagrim am 26.01.2012 beim “Mosh N Roll” Festival auftreten darf. Unseren Informationen zufolge, hatte man die Band anfangs Abgelehnt, ihnen inzwischen aber abgenommen, sich glaubhaft vom vorherigen Schaffen losgesagt zu haben. Wie glaubwürdig die Distanzierung sein kann, wo die oben angesprochene Split, die doch deutliche Verquickungen ins NSBM-Milieu aufweist, doch erst 2012 erschienen ist, bleibt fraglich.)

(Nachtrag: Wie ein Kommentator richtig anmerkte ist “Faagrim” mittlerweile bei “Misanthropic Art Productions”, das Album “Torchlight Funerals” soll dieses Jahr erscheinen.)

Vielen Dank an alle, die weitere Hinweise gegeben haben.

Einfach mal vorher fragen

Wenn die Band „Kategorie C – Hungrige Wölfe“ heutzutage Konzerte spielt, wird der genaue Veranstaltungsort stets erst am Konzertabend über eine anzurufende Handynummer bekanntgegeben. Vorher gibt es nur eine grobe Ortsbestimmung, etwa „Großraum Hamburg“. Das macht antifaschistische Intervention gegen die Bremer Hooliganband und ihre Fans, beide „unpolitisch“ – also in weiten Teilen extrem rechts, tatsächlich schwierig. So bleibt oftmals nur, die Betreiber der Lokalitäten, in denen die Band ihre Konzerte spielt, auf das Wesen der Gäste hinzuweisen.

Der Betreiber des „ONE-Elmshorn“ ahnte nichts Böses, als er seinen Laden für ein Konzert mit „Deutsch-Rock“ buchen lies. Nun erstattet er Anzeige, nicht gegen die Band, sondern die  Antifa Pinneberg. Die hatte öffentlich Bedenken geäußert, dass er, Kullen Bronst, neben dem „Karl-Heinz-Timm-Gedächtnisturnier“ für Jugendfußballmannschaften nun offenbar auch Rechtsrock Konzerte veranstalten würde. Der Ärger über die so hergestellte Verbindung und die Angst um seine Reputation ließen ihn nun offenbar das Mittel der Anzeige wählen. Dass er nicht wusste, wem er da das „ONE“ anvertraut, ist durchaus glaubwürdig, die Anzeige zeugt jedoch von schlechtem Stil. Es wäre nicht zu viel verlangt nach dem Namen der Band zu fragen, die da aufspielen soll und Recherchen zu betreiben. Gerade zu „Kategorie C“ ist da ja schnell valides Material zu finden.

So muss man eben auch durch die  Scheiße waten, in die man sich wohl nur unabsichtlich hineingeworfen hat. Es mag sein, dass pauschale Fingerzeige auf Betreiber von Eventlocations nicht die Lösung des Problems sind, wie Robert Lüdecke von der Amadeo Antonio Stiftung sagt. Doch können sie eventuell helfen zu einer Sensibilisierung beizutragen. Locationbetreiber sollten allgemein vorsichtiger sein, an wen sie ihre Locations vermieten. Hätte Kullen Bronst sich im Wissen um die Identität der Band gegen das Konzert entschieden, wäre das ein wichtiger Schritt, den nicht einmal alle seiner Kollegen gehen würden. Zu sehr noch gilt vielen extrem rechtes Gedankengut als legitime politische Meinung, über die ein Locationbetreiber nicht zu urteilen hätte.

Lüdeckes Lösungsansatz, mehr verdeckte Ermittler in die Szene der extremen Rechten zu schleusen, mutet wie ein schlechter Scherz an. Es muss doch sehr verwundern, dass eine solche Forderung aus den Reihen der Amadeo Antonio Stiftung kommt, deren Blog Publikative.Org gar schon leierkastenartig auf die Hilf- und Erfolglosigkeit der V-Mann-Praktik der Verfassungsschutzämter hingewiesen hat. Nicht zuletzt durch den NSU-Fall wurde dies auf schockierende Weise bewiesen.

Ein Ansatz dem Problem tatsächlich – zumindest in Teilen – beizukommen, wäre es antifaschistischen Recherchen größere Bedeutung beizumessen. Stattdessen jedoch wird ganz im Sinne der Extremismustheorie alles „linksextreme“ kriminalisiert. Während auf die staatliche Akzeptanz also lange gewartet werden kann, ist die zivile Akzeptanz weit einfacher zu realisieren. Angefangen werden könnte mit dem Zurückziehen der Anzeige. Beim nächsten Mal könnten Kullen Bronst und seine Mitarbeiter ja einfach mal nachfragen, um welche Band es sich handle und sich vertrauensvoll an die  Antifa Pinneberg wenden, um zu erfahren, wie cool die Band denn sei. Gesetz dem Fall natürlich, man möchte mit Herrn Bronst noch reden, nach der Anzeige.

Ergänzung: Noch absurder wird die Geschichte, wenn man sich das kommende Programm des One in Elmshorn ansieht. Dort findet in der kommenden Woche ein Bandcontest statt. Teil des Programms ist die Metalband „Faagrim“, die sich selbst als unpolitisch bezeichnet und sich in Interviews gerne vom NSBM (National Socialist Black Metal) distanziert. Schon nach kurzer Recherche ist allerdings ersichtlich, dass das Plattenlabel „Christhunt Productions“ dieser Band eindeutig dem rechten bzw. NSBM Milieu zuzuordnen ist. Nicht zu bestreiten also, dass sich „Faagrim“ damit wenigstens in einer dunklen Grauzone bewegt. Zufall? Offensichtlich zumindest nichts gelernt.

Pressespiegel der Antifa Pinneberg

Deutschland, deine Jugend

Die Publikative.Org verlinkte gestern auf ihrer Facebookpräsenz folgendes Video der Bundeszentrale für politische Bildung.

(Da das Video mittlerweile überarbeitet wird das Machwerk aber zu dokumentarischen Zwecken weiter verfügbar sein sollte, verweisen wir auf die Kommentarsektion bei Publikative, wo es entsprechende Links gibt.)

Dieses selten dämliche Video transportiert nicht nur die Extremismustheorie in besonderem Maße, es nutzt sie auch dazu Sachverhalte zu verkürzen, zu verklären und zu relativieren. Den Einstieg macht die flapsige Bemerkung es herrsche „Bombenstimmung“ in Deutschland. Die vermeintliche Zielgruppe dürfte wohl in der Lage sein das Videothema (Extremismus), das Schlagwort (Bombenstimmung) und ihren eigenen Erfahrungshorizont (Schlechte Witze über „Bombenstimmung in Bagdad“) miteinander in Zusammenhang zu setzen. Die Message ist so einfach wie dumm. Die Extremisten in Deutschland machen diese tolle, friedliche Republik mitunter zu einem Kriegsschauplatz.

Munter geht es weiter mit der fingierten Analogie zwischen linkem und rechtem Extremismus. „Die Linken fackeln Luxuskarossen ab und die Rechten kontern mit den sogenannten Dönermorden.“ Was lustig und satirisch gemeint sein mag impliziert eine gänzlich falsche Gleichwertigkeit von Autos und Menschenleben. Ferner verklärt dieser Satz die rassistischen Hintergründe der Terror- und Mordserie des sogenannten „Nationalsozialistischen Untergrunds“ zu einer Reaktion auf kaputte Daimler. Der Exkurs des Clips auf die Gefahr die durch Bombengürtel aus einer „ganz anderen Ecke“ drohe, soll uns an dieser Stelle mal erspart bleiben.

Auch mit der Formulierung die Extremisten zögen „ihren Privatkrieg“ im „Restaurant an der Ecke“ oder „an der nächsten Bushaltestelle“ ab, kommen die Autoren des Clips ihrem Bildungsauftrag nicht nach. Falls es der Dümmste noch nicht gecheckt haben sollte, liefert das Video nach gut 20 Sekunden den zweiten dicken Hinweis, dass das, was die Extremisten hier so treiben, einem Krieg gleiche. Obendrein, so wird suggeriert, ist dies auch noch ein privater Krieg, also gänzlich irrational, subjektiv, dümmlich und nicht legitimiert. Das vermag beim derzeit verbreiteten Privatisierungswahn beinahe zu überraschen. Während die Privatisierung öffentlicher Aufgaben, Räume und Dienstleistungen gemeinhin als positiv verkauft wird und private Sicherheitsdienste (also bewaffnete, ehemalige Soldaten) auf Schiffen zur Piratenabwehr (Privatkrieg!?) keinen Widerspruch in Politik und Gesellschaft finden, rekurriert die Formulierung im Sinne dieses Videos auf eine negative Konnotation des Privaten. Hinter der Formulierung eines Privatkrieges birgt sich der Gedanke, die verfeindeten, extremistischen Parteien steckten in militanten Auseinandersetzungen untereinander und der Rest habe damit nichts zu tun. Es spiegelt die Doktrin der Extremismustheorie wieder, nach der die extremsten Ränder der Gesellschaft ausgegrenzt und isoliert gehören, da das verbindende Element aller Extremisten sei, den demokratischen Verfassungsstaates BRD abzulehnen.

Zwar ist es richtig, dass Rechtsextremisten an Stelle der BRD eine faschistische Diktatur setzen wollen und es mag auch sein, dass diverse Linke eine klassen- und herrschaftslose Gesellschaft der BRD vorziehen würden, nur sind das qualitativ völlig verschiedene Sachverhalte, die nicht in einem „Privatkrieg“ ausgetragen werden. Marktradikale Akteure, die das Sozialsystem abschaffen wollen und zu einem privaten Leistungskampf ummodellieren wollen, werden freilich nicht von der Extremismustheorie erfasst, denn ihnen ist das Grundrecht auf Eigentum heilig. Aus genau dieser Perspektive lässt sich dann auch die Gleichsetzung von kaputten Autos und toten Menschen erklären. Dass man mit dieser Herangehensweise den Rechtsextremismus relativiert, radikal linke Politik skandalisiert und beides aus dem gesellschaftlichen Kontext reisst, scheint hier nicht zu interessieren und genau das ist fatal.

Im weiteren Verlauf des Clips wird sich der Stylekunde zugewendet. Die Nazis hätten früher Bomberjacken getragen, sehen mittlerweile aber „normal“ aus, oder gar wie Linke (also Punks, ganz klar). Die Linken riechen aber besser („wir waschen uns nie…“), weil sie auf Demos von Wasserwerfern geduscht werden. Das im Grundgesetz verankerte Versammlungsrecht wird hier nicht erwähnt, sondern lediglich die Gefahr vom Wasserwerfer nass gemacht zu werden. Mit dem Hinweis zur Gemeinsamkeit des Bombenzündens und natürlich der Aufmerksamkeitsbedürftigkeit ist das Bild der strukturellen Gleichheit aller Extremisten perfekt.

Eine weitere und vollständige Analyse des Videoclips wäre jedoch pure Zeitverschwendung, weswegen es hierbei belassen werden soll. Auf die deutliche Kritik unter dem Youtube Video reagiert die bpb mit einem etwas längeren Statement. Nach einer kurzen Passage über den Aufgabenbereich der bpb und das herkömmliche Vorgehen diesbezüglich („Publikationen und Veranstaltungen, Workshops, Trainings und Ausstellungen“) folgt die konsternierte Feststellung dies habe „bestimmte gesellschaftliche Gruppen und Milieus nicht angesprochen.“ Daher nun dieses Video (und andere aus der Reihe) um eine viel zu lange vernachlässigte Gruppe anzusprechen:

Insbesondere bildungs- und politikferne junge Menschen, deren Alltagswelt durch eine starke Unterhaltungs-, Spaß- und Konsumorientierung gekennzeichnet ist, konnten nachweislich nicht erreicht werden. Für diese Zielgruppe hat die bpb 2006 begonnen, neue Wege der Ansprache und neue Formate zu entwickeln. Die acht aus Anlass der zweiten Staffel des Fernsehformates „Ahnungslos – das Quiz mit Joko und Klass“ produzierten Erklärvideos behandeln verschiedene politische Themen so, dass diese möglichst voraussetzungslos verstanden werden und Menschen erreichen, die bisher nicht mit politischer Bildung in Kontakt gekommen sind. Um dieser Zielgruppe und ihren medialen Rezeptionsgewohnheiten Rechnung zu tragen, sind didaktische Komplexitätsreduktionen notwendig und werden hierbei auch die Stilmittel Satire, Ironie und Comedy eingesetzt. Ziel ist es so bei Menschen, die bisher kaum für eine Auseinandersetzung mit politischen Themen zu gewinnen waren, Aufmerksamkeit für bestimmte politische Themen oder Missstände zu schaffen. Hierfür hat der verantwortliche Fachbereich nach sehr intensiver und langer Beratung mit einem Expertisekreis aus politikdidaktischen und sozialpädagogischen Expertinnen und Experten sich entschieden für bestimmte Themen auch weniger erprobte und teilweise auch kontrovers beurteilte Vermittlungsformen zu wählen.

Das Video „Was ist Extremismus?“ ist ein solches Format.

Der Titel der Reihe „Ahnungslos“ beschreibt dabei offenbar nicht nur die Zielgruppe, sondern auch die „politikdidaktischen und sozialpädagogischen Expertinnen und Experten“, die sich diesen Mist ausgedacht haben.Satire kann natürlich ein Mittel politischer Bildung sein und auch Comedy kann helfen. Lachen und Lernen müssen sich mitnichten gegenseitig ausschließen. Satire jedoch, zumindest im Sinne Tucholskys, arbeitet sich an den Mächtigen ab und gute Comedy macht sich über sich selbst lustig. Nichts davon verfolgt das vorliegende Video. Im Gegenteil, die staatstragende Veröffentlichung versucht ein krudes Verständnis von Satire zu etablieren, dass sich auf den Schultern von Minderheiten lustig macht. Bei Nazis und anderen Menschenfeinden ist das zu rechtfertigen, nur werden hier zu leicht zivilgesellschaftliche Akteure in deren strukturelle Nähe gebracht, so dass eine Unterscheidung bei mangelnder Kenntnis der Materie unmöglich wird. „Komplexitätsreduktionen“ die nötig seien um den „medialen Rezeptionsgewohnheiten“ der Angesprochenen Rechnung zu tragen werden hier denkbar falsch eingesetzt.

Warum werden denn Autos angezündet? Geschieht dies stets aus „linksextremistischer“ Motivation? Zumindest im Hamburger Fall, hat die Polizei da ja lange Zeit durch die Recherche in linken Strukturen im Trüben gefischt, bis sie nach und nach Täter stellen konnten, die gar nicht aus linken Zusammenhängen, sondern aus Gangs kamen. Was ist die ideologie der Nazis und wieso folgen aus ihr und nicht aus brennenden Autos rassistisch motivierte Morde? Was bedeutet die Idee der Nation und des Staates? Gibt es einen strukturellen Unterschied zwischen Patriotismus und Nationalismus? Welche Übereinstimmungen der Wertekonzeptionen gibt es unter den verschiedenen identifizierten Gruppen? Solche Fragen werden nicht bearbeitet, stattdessen wird ein oberflächliches, polemisches Bild gezeichnet um die eigene Ideologie zu legitimieren. Auf diese Weise werden Rechtsextremismus und Rassismus verklärt, das Bild einer gesellschaftlichen Mitte(lschicht) aufrecht erhalten  und sturkturelle Beziehungen zwischen dieser und ihrem Rassismus mit der extremen Rechten verschwiegen. Damit pflegt die bpb Vorurteile wie den guten deutschen Vorgarten, nur ihrem politischen Bildungsauftrag kommt sie damit nicht nach.

Nachtrag: Bei der Publikative ist mittlerweile auch ein Artikel dazu erschienen. Kurz zuvor hatte die Bundeszentrale für politische Bildung auf der Facebookseite von Publikative wie folgt kommentiert:

Wir werden zwar bereits 60, aber jede Form des Altersstarrsinns ist uns fremd. Unsere Intention bezüglich des Videos ist offensichtlich nicht verstanden worden und insbesondere die Formulierungen „kontern“ und „Dönermorde“ sind unglücklich gewählt. Aus diesem Grund hat die Redaktion entschieden, das Video zu überarbeiten.

Es bleibt abzuwarten, in welchem Rahmen das Video nun redaktionell verbessert wird. Zu viel darf wohl nicht erwartet werden, ist doch schon die Grundkonzeption des Videos auf Basis der Extremismustheorie mehr als problembehaftet.

Schreddern und Vergehen

Foto: Audiolith

Während man gestern abend zu lesen bekam, dass Uwe Mundlos eventuell mit dem Verfassungsschutz zusammenarbeitete, was kaum mehr schocken kann, ist doch das einstmals eventuell vorhandene, zarte Restvertrauen in gerade diese Institutionen nach wieviel geschredderten Akten (?) ohnehin lange aufgebraucht, machten sich heute andere Leute auf den Weg zum Mecklenburg-Vorpommerschen Innenministerium, um deren Landesamt für Verfassungsschutz zu danken.

Die gefährlichste Band der Welt Mecklenburg-Vorpommerns war bis vor kurzem „nur ausgewiesenen Szenekennern ein Begriff“, wie das neue Label der Band zu verstehen gibt. Bescheiden erkennt man auf Seiten des Labels, dass der Erfolg des neuen Albums „Scheitern und Verstehen“, sowie der Single Auskopplung „Komplett im Arsch“ nicht etwa auf die Promoaktivitäten des Labels zurückzuführen ist, sondern:

Die Props für die Promo gehen dieses Mal ganz alleine an das Landesamt für Verfassungsschutz in Mecklenburg-Vorpommern! Die 85 Herren und Damen vom VS haben uns einen großen Dienst erwiesen.

Entsprechend hat man als Dankesgeste der Behörde ein „einen herrlichen Präsentkorb von real aus dem Schlossparkcenter – mit Leberwurst, Filterkaffee, grünen Bohnen und anderen Leckereien“ vorbeigebracht. Da hüpft das Herz des deutschen Durchschnittsbeamten. Band und Label hoffen, dass das Präsent „komplett und ungeschreddert beim Verfassungsschutz ankommt.“ Das hoffen wir auch. Bleibt eigentlich nur zu hoffen, dass sich die mit dem Schutz der Verfassung befassten Landesbeamten die schmackhaften Dinge nicht zu den Klängen von Frei.Wild reinziehen, sondern sich die weiteren Dreingaben auch zu Gemüte führen:

Um dem ganzen noch eine persönliche Note zu geben, haben wir noch die aktuelle Ausgabe des Antifaschistischen Infoblattes (Titel: V-Leute und Aktenvernichter), das Hit-Album „Scheitern und Verstehen“ und eine schöne Dankeskarte mit einer Giraffe drauf beigefügt.

Kapitalismus mit rundlichem Antlitz

Investmentbanken und Hedgefonds agieren wieder wie vor der Krise, Großbanken manipulieren die Zinsen, die Manager lassen sich Traumgehälter und Phantasieboni auszahlen, Milliardenhilfen für Griechenland und andere notleidende Staaten gehen zu 80 Prozent zurück an die Banken. Das Primat der Politik steht nur noch auf dem Papier, in Wirklichkeit bestimmt die Finanzindustrie den Takt der Politik.

Vor diesem Hintergrund ist es erschütternd, wie schnell die Vorschläge von Sigmar Gabriel zur Bankenregulierung als “Populismus” (Wolfgang Schäuble) abgebürstet wurden. Denn der SPD-Chef hat recht, wenn er die Frage der Kontrolle der Finanzindustrie zur Überlebensfrage der Demokratie erklärt. Deshalb ist das Thema Finanzmarktregulierung auch das richtige Wahlkampfthema. (Sprengsatz.de)

Es geht um das Thesenpapier des Sigmar Gabriel. Die Speerspitze der revolutionären Proletarierbewegung „SPD“ hat sich in Form ihres Parteichefs zur Eurokrise positioniert und präsentiert einen klientelgerechten, weil leicht verständlichen und zutiefst populistischen, sowie der Parteilinie treu bleibenden, weil unwirksamen Lösungsansatz: den Banken das Zocken verbieten.

Weder Gabriel noch Spreng werden der Krisenproblematik hier im Ansatz gerecht. Was ist denn mit der SPD Politik unter Schröder? Und was ist vor allem mit der rot-grünen Beschäftigungspolitik dieser Tage? Wie verhält es sich denn mit der bundesdeutschen Nettolohnentwicklung und der Wirtschaftskrise?
Statt also die eigene Arbeitsmarkt-, Wirtschafts- und Finanzpolitik in der Zeit der rot-grünen Bundesregierung als eine der bedeutendsten Ursachen für die Krise zu benennen oder gar dem Problem mit vernünftiger Kapitalismuskritik beizukommen, wird tumb auf die armen Bankvorstände eingedroschen.

Da sitzen ein paar Vorzeigekapitalisten in den Chefetagen großer Banken und verhalten sich so, wie es das System möchte und Siggi fordert mehr Anstand und Regulierung – ganz im Sinne des „kleinen Mannes“, versteht sich. Was fordert Gabriel denn da? Anständige Kapitalisten? Kapitalismus mit menschlichem Antlitz? Mir wird schlecht!

Sprengs Text baut auf der selben ekelhaften Verblendungsrhetorik auf, wie Gabriels Thesen. Was soll das sein? Eine Wahlempfehlung für die SPD? Hier wird eine Hoffnung in die offenbar leblose Opposition gesteckt, die wirklich rein gar nichts tut, was sie als Opposition erkennbar werden ließe. Sprengs Text trieft vor der Angst dem Wahlvolk sei das Gespenst der „Alternativlosigkeit“ schon so sehr in Fleisch und Blut übergegangen, dass Schwarz(-Gelb?) tatsächlich auch die nächste Wahl gewinnen könnte.

Die Regierung macht in der Krise tatsächlich keinen guten Job und die deutsche Austeritätspolitik wird von nahezu allen Seiten nicht zu unrecht kritisiert. Nur hat Schäuble als Regierungsvertreter mit einem Recht: Gabriels Thesenpapier ist blanker Populismus, wer etwas anderes behauptet hofiert diesen. Jeder Satz des Papiers ist als Bankerschelte zu verstehen. Als wären Finanzvorstände die Blutegel, die ein ansonsten funktionierendes System auslaugten. Hier wird mit den Ängsten und Vorurteilen der Wähler_innen gespielt. Das Wesen der Krise bleibt dabei unerwähnt und von den vorgeschlagenen Maßnahmen unberührt. Die Wähler_innen bekommen nicht mehr, sondern andere Antworten. Letztlich werden sie dabei aber nicht besser verarscht, als unter der jetzigen Regierung.

Es ist eine typisch unbeholfene, sozialdemokratische Kapitalismuskritik, wie man sie kennt. Da wirft sich das Oppositionswa(h)lross zum Wahlkampf auf den Beckenrand, winkt mit seinen falschen Thesen und … stellt fest, es kommt nicht mehr ins Wasser. Der Dompteur versucht dem gestrandeten Ungetüm mit ein wenig Wahlkampfhilfe beizukommen, doch das Wa(h)lross ist zu fett. Rein metaphorisch gesprochen, versteht sich.