Kein Friede mit Deutschland!

Der Polizist war verblüffend ehrlich: Bei der Kontrolle eines Bahnreisenden sei ein Kriterium auch die Hautfarbe einer Person, gab er zu. Habe er die Vermutung, jemand halte sich illegal auf, spreche er Leute an, die ihm als Ausländer erschienen.
[…]
Aus Gründen der Kapazität und Effizienz müssten sich die Beamten auf Stichprobenkontrollen beschränken. Deswegen dürften sie die Auswahl der Reisenden „auch nach dem äußeren Erscheinungsbild“ vornehmen. Dem Urteil zufolge greifen Beamte bei stichprobenartigen Kontrollen gegen illegale Einreisen auf ihre „einschlägige grenzpolizeiliche Erfahrung“ zurück. Hierdurch werde willkürliches Vorgehen ausgeschlossen.

Das Verwaltungsgericht Koblenz zementiert mit diesem Urteil die außerordentlich guten Bedingungen für institutionellen Rassismus bei der Polizei. Was ohnehin gängige Praxis ist, bekommt jetzt juristische Absolution. Aus pragmatischen Gründen mag Racial Profiling zur Durchsetzung einer menschenverachtender Abschiebepraxis sinnvoll erscheinen, nur ist eben die Grundlage dieses Pragmatismus blanker Rassismus. Diese Praxis geht Hand in Hand mit gesamtgesellschaftlichem Rassismus und bereitet letzten Endes den Nährboden für rassistisch motivierte Gewalttaten. Kein Friede mit Deutschland!

Edit: Publikative.org greift das Urteil auch auf und schreibt:

Es geht also gar nicht um Ausländer als solche oder um illegale Ausländer, sondern Ausländer, die aussehen wie die Polizei sich Armutsflüchtlinge vorstellt. Die rassistische Praxis soll die Festung Europa vor Armutsmigration aus Afrika und Asien schützen. Und wenn dieser Schutz bedeutet, dass Einheimische mit entsprechendem Aussehen diskriminiert werden, dann nehmen das Polizei, Politik und Justiz zumindest billigend in Kauf. Alltagsrassismus wird geduldet und gesetzlich erlaubt.

Danke für die klaren Worte.

Wir wollen Blumen brennen sehen…

Wir wollen Blumen brennen sehen,
Sandalen rennen sehen,
Grinsende halbe Hemden flennen sehen,
Eure Karrieren enden sehen.
Eure Style-Rechnung ist nicht aufgegangen,
Wir kommen pfänden gehen!

(Absolute Beginner – Nie Nett) 

Geiel! Frühling! So ein sonniges Frühlingswochenende ist ja etwas durchaus Schönes. Die Menschen verlassen ihre Wohnhöhlen und strömen in die Parks und Cafés und wenngleich der Rasen im Park Fiction weit hinter der Qualität des neuen Millerntorgrüns bleibt, fühlen sich die Menschen dort sichtlich wohl. Ein blondes Hipster-Hippie-Mädchen, gehüllt in so alternative Gewänder, dass der Anblick schon weh tut verteilt Flyer zu ihrer Party an wildfremde Menschen und wir fragen uns ob sie denn keine „richtigen“ Freunde hätte. Ihr ersparen wir das peinliche Moment der Beantwortung dieser Frage als wir den Flyer ablehnen. Nicht, dass wir Öddel vom Dienst in irgendeiner Weise Coolnes oder Individualität für uns gepachtet hätten, aber die Freakshow in den Straßen kann einem schon mal gepflegten Menschenhass in die Seele brennen.

Viel schöner war da schon der Abschluss des Freitag Abend in der Roten Flora. Dank gilt der Our Turn Concerts Crew für die Orga, Lexi für die Fotos und natürlich Just Went Black für die Show und die 10 Jahre!

Kommen wir zum wirklich unschönen Teil des Wochenendes: Fußball. Ich gebe dem Übersteiger recht, die ersten 10 Minuten waren schön anzusehen. Was folgte war rücksichtsvoll gesprochen: Bockmist! Der FC Energie war spielerisch harmlos und das Spiel hätte mit 3 Punkten für Sankt Pauli enden müssen. Stattdessen sinnloses Hakenschlagen am 16er, eine Mannschaft die sich wie das Kaninchen vor der Schlange aufführt. Das ist mehr als Schade, glich die Elf aus Cottbus maximal einem Regenwurm.

Würmer sind dann auch eine gute Überleitung zu den Gästefans, die sich in (leider) gewohnter Manier zu inszenieren wussten. Erinnern wir uns an unseren Pokalauftritt bei den Freunden der Lausitzer in Chemnitz, bietet es sich an die aktuelle Basch zu zitieren:

Von uns lernen, heißt siegen lernen, möchte man meinen, wäre es nur nicht so traurig.

Damals umging man das Verbot „linksradikaler“ Äußerungen geschickt indem man braune, weiße und rote Fahnen mitnahm, aber nur die Roten schwenkte. Dazu wurde das Banner „Bandiera Rossa Trionferà“ entrollt, das die Blitzbirnen des dortigen Ordnungsdienstes nicht zu verstehen im Stande waren. Nun bedienen sich die Cottbusser Gewürzgurken im Prinzip des selben Tricks, aber eben nicht um für eine klassen- und herrschaftslose Gesellschaft einzustehen, sondern um ihre revisionistische Gedankenkotze ins Millerntor zu tragen und es fällt kaum jemandem auf. Die Hoschis vom Magischen FC haben dazu ein bisschen Recherchearbeit geleistet und @Momorules liefert den passenden Querverweis dazu, dass es eben nicht reicht, einfach nur gegen Nazis zu sein. Heißt, es ist zwar unglücklich, dass die Aktion im Stadion nicht lautstark quittiert wurde, damit wäre es aber auch nicht getan. Danke an Stefan vom Fanladen für’s Einsammeln der Shirts.

Sonst noch was?!

Es gibt ja immer diese Pläne die so lange in der Schublade verweilen, bis es jemand anders ungefragt und ohne das eigene Zutun übernimmt. Eine Streetart Sektion ist für dieses Blog einer dieser Pläne und ein neues Blog hat sich dem offenbar angenommen, wofür ich natürlich dankbar bin. Fettes Ding. Immer mal reinschauen!

Soliparty vom Fanclub Ramba Zamba zugunsten der Antirepressionskasse:

Frühlingserschlaffen

Wismut Aue 2 : 1 FC Sankt Pauli

Lang her, dass ich das letzte Mal einen Spielbericht für dieses Blog verfasst habe, aber warum nicht mal in alte Muster verfallen? Südkurve on Tour hat es im Vorfeld des Spiels im Ergebirge geheißen und es machten sich tatsächlich 4 Busse von USP, 2 Busse des Fanladen, 1 Bus der Skins plus Busse aus Berlin, NRW und Prag auf den Weg in den fernen Osten und so fand sich im Gästeblock eines der letzten alten Stadien im Profifußball eine sanges- und trinkfreudige Menge ein, die sich aber mit 2,5% Kinderbier begnügen musste. Die große Masse unter den Leuten wird es nicht einmal gemerkt haben.

Früher hat man nur zu gern über Stadien, wie dem in Aue gemeckert: Kein Dach über der Kurve, Laufbahn, am Arsch der Heide. In Zeiten modernen Arena-Einheitsbreis freut es beinahe, ein Stadion mit Charakter, mit Charme, irgendwie eine Art Schmuckkästchen zu besuchen. Trotzdem beschissene Sicht und ohne Dach is halb so laut.

Die Sonne vermochte eine Ahnung eines wunderschönen Frühlings vermitteln – T-Shirt-Wetter! Sichtlich euphorisiert legten sich Fans und Spieler in der ersten Halbzeit ins Zeug. USP wartete zum Einlauf der Mannschaften mit Fahnen, Luftballons und den bösen Kassenrollen auf. Die Fans der Wismut mit Konfetti und Kassenrollen. Dazu ein Banner im Grafitti-Maker-Style. Nicht schön, aber irgendwie selten.

Auf dem Platz war das Spiel weitestgehend in der Hand von braun-weiß. Tatsächlich bekam unsere Mannschaft in der ersten Halbzeit die eine oder andere Kombination hin, nur was dort mit Glück, Stolpern und Wind noch gelang – ein Tor – bekamen sie in der zweiten Hälfte nicht mehr hin. Stattdessen gab es verdientermaßen im Gegenzug zu den gefühlten 50 rausgestolperten Torchancen, die alle in der Bergluft verpufften, zwei Gegentreffer. Darf sich auch niemand beschweren, das war leider verdient.

Auf dem Rückweg bekamen die Spieler dann noch einen Eindruck der Lebenswelten von Fußballfans – am Leipziger Flughafen versuchten einige LOK-Hools einen Übergriff auf unsere Spieler (Link selber suchen: Bild Leipzig). Manch einer wird nun sichtlich bestürzt nach dem Zeitpunkt für die ersten Toten fragen, das geht mir jedoch zu weit. Wenngleich ich diese ganze „Wir hau’n uns wegen Fußball auf die Ömme“-Nummer stets etwas grenzdebil finde, blieb die Situation ja offenbar recht harmlos und so kann man sich schon beinah über ein Stück gewonnene Empathiefähigkeit seitens der Spieler freuen, ohne jedoch die Aktion in irgend einer Weise gutzuheißen, aber man möchte ja auch nicht übertreiben.

PS: Ich weiß, innovative Idee und ist auch noch keiner vor mir drauf gekommen: Torschusstraining?!

Geschmacklos

In Chemnitz wächst der Widerstand gegen einen Laden mit dem Namen „Brevik“.
[…]
Der Name Brevik, der an den 77-fachen norwegischen Mörder Anders Breivik erinnere, sei „geschmacklos, schockierend und völlig unakzeptabel“, sagte die sächsische SPD-Landtagsabgeordnete und Initiatorin Hanka Kliese zur Begründung.

Nein das darf man in Deutschland nun wirklich nicht mehr sagen bzw. machen. Seinen Naziladen mit Naziklamotten für Nazis auch noch so ähnlich nennen wie den Naziattentäter aus Norwegen. Nur ein ganz kleines bisschen Anders. (sorry, der musste sein…)

Hier hat sich wirklich ein Problem aufgetan. Dass hier Nazis Kleidung im Stile der „Mode für die Mitte“ machen und nur versteckt zeigen, welche Ideologie hinter dem schnuckeligen Runen-Wikinger-Schick steht, scheint ja kein Problem zu sein. „Geschmacklos, schockierend und unakzeptabel“ sind lediglich Nazis, die zeigen, dass sie Nazis sind. Wie sähe das schließlich aus? Was sollte denn das Ausland von uns denken?

Zum Glück war die SPD in Geschmacksfragen noch nie wirklich kompetent. Meine Geschmacksempfehlung: Nazikleidung ist nicht schick, ruck-zuck ist die Fresse dick!

Anmerkung: Frau Kliese und einige andere finden offenbar nicht nur den Namen problematisch. Das weiß zu erfreuen…

 

 

Leadbelly – Mr. Hitler

… ein bisschen Blues für Zwischendurch

(1942)

Die Gemeinschaft der guten Deutschen

Im Prinzip ist nicht alles, aber vieles richtig, was Herr Reschke hier zu unserer Fanszene und der Linken analysiert. Die Analyse täuscht aber vor, die Strukturen der verschiedenen Denk- und Handlungsweisen aufzuzeigen und die Funktionen eben dieser zu dechiffrieren, verlässt dazu aber nicht im Ansatz die Ebene dieser Strukturen und muss sich so den gleichen Vorwurf gefallen lassen, den sie macht: sie reproduziert die bestehenden Machtverhältnisse. Die Lücken und Brüche in der Argumentation werden mit einem eigentümlichen Gemisch aus Polemik und Wendeverlierer-Rhetorik gekittet. Die Denkfigur, die hier eröffnet wird führt zum Status Quo und ist dementsprechend der konformistische Antrag zur Aufnahme in die „Gemeinschaft der guten Deutschen“. (Die mit den Hufeisen.)

Schönen Gruß vom sozialromantisch verklärten Szenekiez.

Aufmarsch der Wutnerds

Zugegeben: die Anlehnung an den durchaus problematischen Begriff „Wutbürger“, der mitunter dazu geeignet ist verständlichen und breit getragenen Protest zu delegitimieren, ist nicht sonderlich nett, dafür aber um so treffender. Rund 1.000 Menschen gingen am Samstag in Hamburg auf die Straße um gegen das Antipiraterie-Abkommen „ACTA“ zu demonstrieren. Tatsächlich sind die Folgen von ACTA schwer abzuschätzen, sicher zu sein scheint zumindest, dass ein Inkrafttreten dieses Gesetzes nicht wünschenswert ist. Dennoch ist es etwas merkwürdig, zu sehen, dass sich offenbar ein ganzer Haufen Menschen mobilisieren lässt, wenn es um das heiß geliebte Internet geht. In München waren es ganze 16.000 Menschen die gegen ACTA demonstrierten.

Zumeist ist das eine recht sonderbare Konstellationen an Menschen, die bei solchen Themen zusammen kommen. Allen voran die Piratenpartei, die ja in sich schon politisch mehr als heterogen aufgestellt ist; dazu gesellten sich die Grünen und Jungliberale. Aus der Komposition von Thema und Publikum entspringt geradezu automatisch eine stark verkürzte Kritik an den herrschenden Verhältnissen – eine Gemeinsamkeit mit „Occupy“ – und leider muss dem möglichen Einwand, es sei doch erfreulich, dass Menschen überhaupt mal auf die Straße gehen, die mangelnde Kritikfähigkeit der „Empörten“ entgegengehalten werden. Die berechtigte Kritik an der Krakendarstellung wird beispielsweise gepflegt ignoriert um nur einen Fall zu nennen.

Ich habe mir den Spaß trotzdem mal mit der Kamera angesehen.

Endlich abgeschrieben

„Und Tschüss“, hab' ich gesagt!

Lange genug haben wir berechtigterweise an seinem Stuhl gesägt. Eine Unverschämtheit jagte die nächste und schlussendlich war es eine schreckliche Tragödie, die den  „Bezirksschreiber“ dazu bewegte, seinen Hut zu nehmen. Wer ständig damit beschäftigt ist, den imaginären Sheriff-Stern mit Populismus zu polieren, neigt wohl dazu, die wichtigen Aufgaben zu vernachlässigen. In jeder Hinsicht versagt. Wegtreten!

Wer nun kommt ist fraglich, nicht unwahrscheinlich ist jedoch, dass es Andy Grote wird. Als Freund/Vertrauter/whatever von Johannes Kahrs, der an der ganzen Schose, die Schreiber nun das Wasser über die Oberkante der Unterlippe steigen ließ, nicht gerade unbeteiligt war, stellte Grote eine Fortsetzung Schreibers Politik dar.

Aber wat willst machen? Schießen darfst nicht. Also abwarten, was passiert und nötigenfalls müssen wir wieder an ’nem Stuhl sägen. Immerhin sind wir in der Überzahl und das ist ja auch irgendwie beruhigend zu wissen.

Fail, Frau Steinbach!

Mir scheint, bei solch ausgeprägtem Revisionismus kommt jede Hilfe zu spät. Steinbach, halt’s Maul!

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„Der Tod ist ein Meister aus Deutschland“

Ein besonders ausführliches, dafür aber um so besseres Interview zur rassistischen Mordserie des „NSU“ mit dem Politologen Kien Nghi Ha gibt es auf Migazin.de nachzulesen. Hier kann nur mit allem Nachdruck darauf verwiesen werden, dass sich dieses Interview das Prädikat „besonders lesenswert“ absolut verdient.

Passend dazu haben jetzt mehrere politische Gruppen aus Hamburg eine Demonstration unter dem Motto „Der Tod ist ein Meister aus Deutschland“ für den 28. Januar angemeldet. Das Blog ist zwar noch nicht fertig, der Aufruf ist aber schon da. Spread the Word!

Kleine Kostprobe aus dem Interview gefällig?

Johnny Van Hove: Wie erklären Sie sich das behördliche Versagen?
Kien Nghi Ha: In Deutschland hat die übermäßige Toleranz gegenüber rechtsextremer Politik und Gewalt nicht nur wiederkehrende Konjunkturphasen, sondern auch eine lange Tradition. Die oftmals wenig rühmliche Rolle staatstragender Organisationen und Regierungen im wilhelminischen Kolonialkaiserreich, in der Weimarer Republik, in der Nazi-Diktatur, aber auch im geteilten und wiedervereinten Deutschland deuten in ihrer kontinuierlichen Fortschreibung auf ein strukturelles Problemfeld hin. Ich denke, dass wir diese Frage nur dann sinnvoll diskutieren können, wenn wir die tagespolitische Ebene verlassen und uns mit den Strukturen der deutschen Gesellschaftsgeschichte auseinandersetzen.

Johnny Van Hove: Nur allzu gern. Welche strukturellen Elemente begünstigten Ihrer Meinung nach den braunen Terror?
Kien Nghi Ha: Besonders die Ideologie und Macht der nationalen Identitätsform gilt es meines Erachtens zu berücksichtigen. Wir können den subtilen oder offenen Ethnozentrismus der Institutionen nicht verstehen, wenn wir die Jahrhunderte des rassistischen Nationalismus, der europäischen Kolonialerfahrung und die Rassifizierung deutscher Identität aus der Analyse ausklammern. Denn diese historische Machtmatrix beeinflusst – willentlich oder unbewusst, wahrgenommen oder verdrängt – sowohl die politischen Horizonte der NSU, das jetzige Verhalten der Staatsapparate und ihrer Mitglieder, die medialen Reaktionen als auch unsere unterschiedliche politische Betroffenheit und Anteilnahme.

Johnny Van Hove: Wie hat die „Rassifizierung der deutschen Identität“ – wie Sie es eben nannten – genau den Weg für die NSU-Mordserie geebnet?
Kien Nghi Ha: Die Opfer der NSU wurden umgebracht, weil die Betroffenen nicht in das vorgegebene rassifizierte Identitätsbild der Nation hineinpassen. Die fixe Idee der Verteidigung der Nation und ihrer Identität vor dem rassistisch definierten Fremden hat sich dabei als ein wirksames ideologisches Fundament erwiesen, das die politische Mitte mit rechtsextremen und zu einem geringeren Ausmaß sogar mit linksnationalistischen Kräften verbindet. Durch den Ausschluss aus dem kollektiven Selbstbild und den demokratischen Institutionen werden bestimmte migrantische Gruppen als Ziel rassistischer Angriffe kulturell produziert und als politisch verhandelbares Diskriminierungsangebot konstituiert, um soziale Konflikte zu regulieren und die Widersprüche der nationalen Identität auf rassistisch marginalisierte Gruppen zu projizieren. Ein Effekt der Ausgrenzung zeigt sich unter anderem in der spezifischen politischen Blindheit der staatlichen Institutionen gegenüber rassistischen, islamophoben und antiziganistischen Bedrohungen und Erfahrungen. All das ist zweifellos ein komplexes und nicht nur auf Deutschland beschränktes Problem, obwohl ihre kulturellen und politischen Ausdrucksformen mit der Entfaltung des ihr innewohnenden Gewaltpotenzials durchaus länderspezifische Züge trägt.

Sven Brux zum Antifaschismus bei Sankt Pauli

„Wenn irgend so ’n Nazi da meint, er könnte im Sankt Pauli Block irgendartige Sprüche loslassen, dann muss er auch das Gefühl haben, dass ihm das gesundheitlich womöglich nicht ganz gut tut – anders kann man so ’ne Attitüde doch gar nicht durchsetzen!“

Sven Brux

Etwas Besseres als diesen Journalismus

Wenn beim Fußball der Ballsport in den Hintergrund rückt und sich im Nachhinein alle Welt über die Gewaltexzesse in einer nie dagewesenen Dimension auslässt, ist dies in der Regel auf völlig undifferenzierte Darstellung sogenannter Journalist_innen und Polizeivertreter_innen zurückzuführen. Nun ist es nicht so, dass in diesem Diskurs die „bösen Medien“ und die „guten Fans“ auseinanderzudividieren sind, es ist aber doch erstaunlich, mit wie wenig Aufwand so ein Zeitungsartikel zu entstehen scheint. Manch ein Mensch mag sich da fragen, ob die eigene Berufswahl richtig ausgefallen ist, oder ob Journalist_in nicht die bessere und vor allem entspanntere Alternative gewesen wäre.

Nun soll hier undifferenziertem Verhalten ja nicht mit eben solchem begegnet werden und im Rahmen des Kontextes, der derzeit die Gemüter erhitzt, dem „Schweinske-Cup“, sei auf den Text bei Publikative.org verwiesen, die ja schon in der Debatte um die „Dortmund-Dresden-Randale“ durch Sachlichkeit glänzten, während der Rest der Medienwelt in sensationsgeilen Klischees versank.

Frei nach dem Motto „Ich war zwar nicht dabei, aber…“ empören sich selbsternannte Journalist_innen aber auch ehemalige Spieler über eine angeblich nie dagewesene Form der Gewalt, gerade in den Reihen des braun-weißen Anhangs. „Bild“ und Co. fühlen sich bemüßigt, wieder einmal mit blankem Populismus, auf die Boshaftigkeit der Ultras hinzuweisen – natürlich verbunden mit dem Hinweis, dass man diese Kriminellen ja schon viel zu lange gewähren ließe und sie mit Privilegien ausstatte, anstatt sie endlich heraus zu bekommen. Über die, dieser Aussage innewohnenden, Demagogie muss eigentlich nichts mehr erwähnt werden. Die Gruppe USP formulierte es auf ihrer Fotocollage im Sankt Pauli Museum damals so: „Für die einen sind es Privilegien, für die anderen mehrere 1000 Stunden ehrenamtlicher Arbeit.“

Veranstalter Peter Sander spricht heute im Abendblatt davon, dass es keinerlei Erkenntnisse seitens VfB Lübeck und Polizei gegeben habe, dass die Besucher aus der Marzipanstadt einem gewaltbereiten Klientel zugeordnet werden müssten. Das ist nicht weniger als eine Farce. Allein die Tatsache, dass nur Karten für den Freitag nachgefragt wurden, hätte aufmerken lassen müssen. Dass aber HVV Busse zur Verfügung gestellt wurden um die Gäste zur Halle zu bringen, kann als Indiz gelten, dass man sich der Art des Klientels durchaus bewusst gewesen zu sein scheint.

Doch mehr noch, als der HSV seine Teilnahme noch nicht abgesagt hatte, wusste der Flurfunk bereits für jeden unüberhörbar zu berichten, dass sich nicht nur Unorganisierte und Ultras des HSV Tickets gesichert hatten, sondern auch einschlägig bekannte Hoolkombos des Hamburgischen Vorortvereins. Dass ausgerechnet diese ihre Tickets nicht zurückgegeben haben, muss bekannt gewesen sein. Insofern kann hier durchaus von dilettantischem Verhalten seitens Turnierorganisation und Polizei gesprochen werden.

Es scheint fast, als versuchten die „Szenekundigen Beamten“, deren Position polizeiintern nicht ganz unkritisiert ist, sich durch regelmäßig bewusst zugelassene Eskalation eine Daseinsberechtigung zu verschaffen. Doch das ist Spekulation und soll daher nicht weiter ausgeführt werden.

Keine Spekulation hingegen, ist die offen rassistische und homophobe Agitation des „Anti-Sankt-Pauli-Mobs“ aus Lübeck und Stellingen. Deutsche Grüße und Sprechchöre à la „Deutsche wehrt euch, geht nicht zu Sankt Pauli“ lassen keinen Raum für Interpretationen. Genau an diesem Punkt irren Markus Lotter und seine Geschwister im Geiste. Die Verteidigung der Sankt Paulianer_innen gegenüber den rassistischen oder Rassismus tolerierenden Aggressoren steht der Tradition dessen, was die braun-weiße Fanwelt seit den 1980er Jahren prägte nicht entgegen, sondern reiht sich in erstaunlich präziser Weise in sie ein. Die Faschist_innen am Millerntor ist mensch nicht durch Diskussionsrunden und falsch verstandene Toleranz und Friedfertigkeit losgeworden, sondern durch praktischen Antifaschismus. Alle Fans, die sich in dieser Tradition Rassist_innen entgegenstellen, können nicht nur stolz auf sich sein, sondern glücklicherweise auch auf die Solidarität der allergrößten Teile der „aktiven Fanszene“ unseres Vereins bauen.

Die Darstellung in den Medien lässt genau diese Komponente unter den Tisch fallen. Hier ist die Rede von „rivalisierenden Fan-Gruppen“ und „Auseinandersetzungen zwischen Fußballfans“. Kombiniert mit der Vermutung von Veranstalter und Polizei, es handle sich hier um etwas „Organisiertes“ oder „Verabredetes“ impliziert – selbst, wenn nur die Fans von HSV und Lübeck gemeint sind – ein Einverständnis der Sankt Pauli Fans, von dem schlichtweg nicht die Rede sein kann. Diese Darstellung unterscheidet weder zwischen Angriff und Verteidigung noch bezieht sie die politische Komponente mit ein.

Alles Weitere stellt der FC St. Pauli in seiner Stellungnahme unmissverständlich klar und auch der Übersteiger nimmt darauf noch einmal Bezug. Dem ist nichts hinzuzufügen.